Mieterbeschwerde: Vermieter müssen Hinweisgeber preisgeben
Hintergrund: Mitbewohner zeigt angebliche Missstände an
Der Mieter einer Wohnung verlangt vom Vermieter Auskunft darüber, welcher Mitbewohner sich über ihn beschwert hat.
Der Vermieter hatte den Hinweis bekommen, dass von der Wohnung starker Geruch und Ungeziefer im Treppenhaus ausgingen. Bei einer anschließenden Besichtigung im August fand der Vermieter die Wohnung selbst zwar "verwahrlost" vor; ob Geruch und Ungeziefer im Treppenhaus tatsächlich vorlagen, blieb vor Gericht später aber offen. Nach der Besichtigung forderte der Vermieter den Mieter auf, die Wohnung zu reinigen und zu entrümpeln, was dieser kurz danach auch tat.
Der Mieter forderte den Vermieter mehrfach auf, ihm mitzuteilen, wer ihn "angeschwärzt" habe. Hierbei berief er sich auf Art. 15 Abs. 1 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Diese Auskunft verweigerte der Vermieter und verwies seinerseits auf den Datenschutz des Hinweisgebers. Zudem bestünde die Gefahr, dass Missstände nicht mehr mitgeteilt würden, wenn Hinweisgeber mit Offenlegung rechnen müssten.
Sowohl Landgericht (LG) als auch Oberlandesgericht (OLG) folgten der Einschätzung des Vermieters und verneinten einen Auskunftsanspruch.
Entscheidung: Auskunftsinteresse überwiegt Geheimhaltungsinteresse
Der BGH hebt das Urteil des OLG auf und verweist den Rechtsstreit dorthin zurück. Nach Meinung der Bundesrichter hat das OLG die Interessen des Mieters einerseits und die des Hinweisgebers andererseits nicht richtig abgewogen.
Im Grundsatz kann der Mieter nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO vom Vermieter Auskunft darüber verlangen, welche personenbezogenen Daten dieser verarbeitet und zu welchem Zweck dies geschieht. Das umfasst nach Art. 15 Abs. 1 lit. g auch Auskunft über die Herkunft der Daten, soweit sie nicht vom Mieter selbst erhoben worden sind.
Die Informationen über eine angebliche Belästigung durch Geruch und Ungeziefer unter Hinweis auf eine bestimmte Wohnung sind solche personenbezogenen Daten, die den Mieter betreffen; diese sind auch nicht vom Mieter selbst erhoben worden.
Der Auskunftsanspruch aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO besteht allerdings nicht unbeschränkt, sondern kann durch Rechte und Freiheiten anderer Personen eingeschränkt sein. Letztlich sind das Auskunftsinteresse der betroffenen Person (hier: des Mieters) und das Geheimhaltungsinteresse des Hinweisgebers gegeneinander abzuwägen.
Das Geheimhaltungsinteresse des Hinweisgebers tritt regelmäßig dann in den Hintergrund, wenn dieser wider besseres Wissen oder leichtfertig falsche Angaben gemacht hat. Davon ist hier allerdings nicht auszugehen. Da unklar blieb, ob die vom Hinweisgeber behaupteten Beeinträchtigungen durch Geruch und Ungeziefer tatsächlich bestanden, musste der BGH aber davon ausgehen, dass die Behauptungen des Hinweisgebers zumindest objektiv unzutreffend waren.
Auch wenn die Angaben "nur" objektiv falsch waren, kann das Auskunftsinteresse überwiegen, nämlich dann, wenn die unzutreffenden Angaben die Rechte der betroffenen Person beeinträchtigen und dieser Ansprüche auf Schadensersatz und Unterlassung gegen den Hinweisgeber zustehen können. Das ist hier der Fall, weil die Angaben des Hinweisgebers wegen ihres ansehensbeeinträchtigenden Charakters das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Mieters verletzen können.
Bei dieser Sachlage fällt die Interessenabwägung zugunsten des Mieters aus. Dieser benötigt die Informationen, von wem die unrichtigen Angaben stammen, um mögliche Rechte gegenüber dem Hinweisgeber geltend zu machen und so "die Fehler an der Wurzel anzugehen".
Hingegen besteht kein überwiegendes Geheimhaltungsinteresse des Hinweisgebers. Insbesondere kann er sich jedenfalls dann nicht auf die Erwartung berufen, dass seine Beschwerde vertraulich behandelt wird, wenn diese unzutreffende Behauptungen enthält.
Der Vermieter kann die Auskunft auch nicht mit Verweis darauf verweigern, dass es ihm bei der Offenlegung von Hinweisgebern nicht möglich sei, seine Aufgaben effektiv und sachgerecht zu erfüllen, insbesondere Ordnung und Frieden in der Hausgemeinschaft zu erhalten. Es besteht auch nicht die Gefahr, dass keine Missstände mehr angezeigt werden, denn Hinweise lassen sich auch anonym erteilen.
(BGH, Urteil v. 22.2.2022, VI ZR 14/21)
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