Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitbestimmung bei Auswahl von Versicherungsunternehmen
Leitsatz (amtlich)
- Schließt ein Arbeitgeber im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung Lebensversicherungsverträge zugunsten seiner Arbeitnehmer bei einem Versicherungsunternehmen ab, unterliegen der Leistungsplan und die Regelungen über die Heranziehung der Arbeitnehmer zu Versicherungsbeiträgen der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Dagegen gehört die Auswahl des Versicherungsunternehmens, mit dem der Arbeitgeber diese Lebensversicherungsverträge abschließt, nicht zu den mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG.
- Der Wechsel der Versicherungsgesellschaft ist keine mitbestimmungspflichtige Angelegenheit im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, solange der Verteilungsplan und die Beitragsbelastung der Arbeitnehmer davon unberührt bleiben.
- Gegen die Ablösung von Versorgungszusagen, die auf einer betrieblichen Einheitsregelung beruhen, durch einen Tarifvertrag, bestehen jedenfalls dann keine Bedenken, wenn in dem Tarifvertrag die vertraglich bereits erworbenen Rechte aufrechterhalten und die Leistungen insgesamt verbessert werden.
- Die tarifliche Regelung schließt ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats immer dann aus, wenn sie den Bestimmungstatbestand abschließend und aus sich heraus anwendbar regelt (im Anschluß an den Beschluß des Ersten Senats vom 5. Mai 1992 – 1 ABR 69/91 – n.v.). Haben die Arbeitnehmer Anspruch auf Leistungen in bestimmter Höhe (Versicherungssumme) und sollen die etwa anfallenden Gewinnanteile mit Versicherungsbeiträgen des Arbeitgebers verrechnet werden, besteht kein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Verwendung der Gewinnanteile.
Normenkette
BetrVG §§ 87, 87 Abs. 1 Nrn. 8, 10; BetrAVG § 2 Abs. 2, § 17 Abs. 3 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Gesamtbetriebsrats gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 14. Januar 1992 – 5 TaBV 25/91 – wird zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
I. Die Beteiligten des Beschlußverfahrens, Gesamtbetriebsrat (Antragsteller) und Arbeitgeberin, streiten darüber, ob ein Mitbestimmungsrecht besteht, wenn der Arbeitgeber Lebensversicherungen, die er zugunsten seiner Mitarbeiter abgeschlossen hat, auf eine andere Versicherungsgesellschaft überträgt.
Arbeitgeberin ist die deutsche Niederlassung der italienischen Luftfahrtgesellschaft Alitalia. Sie hatte ihren Arbeitnehmern seit 1967 Leistungen der betrieblichen Altersversorgung in Gestalt von Direktversicherungen zugesagt. Die Arbeitgeberin schloß mit der Allianz Lebensversicherung AG einen Gruppenversicherungsvertrag, der für die Begünstigten einen Kapitalbetrag i.H.v. anfänglich 20.000,-- DM, später 25.000,-- DM, im Todes- und Erlebensfall vorsah. Die Versicherungsprämien wurden je zur Hälfte von der Arbeitgeberin und den Arbeitnehmern aufgebracht. Den Arbeitnehmern wurde ein unwiderrufliches Bezugsrecht eingeräumt, soweit die Versicherungsleistungen auf ihren Beiträgen beruhen; dieses Bezugsrecht erstreckte sich auch auf die Gewinnanteile, die in voller Höhe dem versicherten Kapital gutgeschrieben wurden.
Das Versorgungswerk wurde mit Wirkung vom 1. Januar 1982 durch einen Firmentarifvertrag abgelöst. Dieser Tarifvertrag wurde wiederum durch einen Tarifvertrag vom 10. März 1987 ersetzt (VersTV 2). Der Tarifvertrag gilt für alle Arbeitnehmer, die vom Gehaltstarifvertrag erfaßt sind. Die Arbeitnehmer sind verpflichtet, dem Versorgungswerk beizutreten. Die Arbeitgeberin ist verpflichtet, für alle vom Geltungsbereich erfaßten Arbeitnehmer Versicherungsverträge abzuschließen (§§ 1, 4 VersTV 2).
Die tarifliche Versorgungsregelung behielt die bisherige Durchführungsform bei; die Versorgung wird weiterhin über eine Gruppenlebensversicherung durchgeführt. Die von der Arbeitgeberin einzuschaltende Versicherungsgesellschaft wurde im Tarifvertrag nicht bestimmt. Jedoch wurde der Leistungsplan wesentlich verändert: Zu erbringen ist nicht mehr ein Kapitalbetrag von 25.000,-- DM nebst Gewinngutschriften, sondern ein Betrag, der sich aus dem Verhältniswert des anrechnungsfähigen Einkommens multipliziert mit den anrechnungsfähigen Dienstjahren und -monaten errechnet (§ 5 Abs. 1 VersTV 2). Der Verhältniswert beträgt für Gehaltsteile bis zur Beitragsbemessungsgrenze 50 % und für Gehaltsteile darüber 85 % (§ 5 Abs. 2 VersTV 2). Als anrechnungsfähiges Gehalt gilt 1/12 von 13 Monatsgehältern zuzüglich 1.700,-- DM. Maßgeblich ist das zuletzt bezogene tarifliche Grundgehalt; tarifliche Lohnerhöhungen werden bis zu 6 % voll und darüber nur zum Teil berücksichtigt (§ 7 VersTV 2). Beim vorzeitigen Ausscheiden kann der Arbeitnehmer die Versicherung fortführen oder beitragsfrei stellen (§ 11 VersTV 2). Die Bezugsrechte der Arbeitnehmer sind – nunmehr in voller Höhe – unwiderruflich ausgestaltet (§ 14 VersTV 2). Über die Behandlung von Gewinnanteilen enthält der Tarifvertrag keine besonderen Bestimmungen.
Auch die Beitragspflicht der Arbeitnehmer wurde neu geregelt. Die Arbeitnehmer haben von Einkommensanteilen bis zur Beitragsbemessungsgrenze monatlich 1 % und von höheren Einkommensanteilen 2,5 % zu zahlen (§ 10 VersTV 2). Die restlichen Beiträge zahlt die Arbeitgeberin. Sollte die im Tarifvertrag vorgesehene Leistung des Versicherers nicht voll erreicht werden, hat die Arbeitgeberin die Differenz selbst aufzubringen (§ 2 Abs. 2 VersTV 2).
In Ausführung des (ersten) Versorgungstarifvertrags schloß die Arbeitgeberin im Jahre 1982 mit der Nürnberger Lebensversicherungs AG einen Gruppenversicherungsvertrag. Darin wurden sämtliche tariflichen Vorgaben übernommen. Ferner wurde in dem Vertrag vorgesehen, daß die Leistungen aus den Versicherungen bei der Allianz, die zunächst weiter geführt wurden, einschließlich von Gewinngutschriften auf die Leistungen der Nürnberger anzurechnen seien. Bei der Nürnberger anfallende Gewinnanteile konnte die Arbeitgeberin nach dem Vertrag voll für sich beanspruchen, soweit sie selbst mindestens die Hälfte der Beiträge zahlte.
Nach einer Weisung der Unternehmensleitung soll der gesamte Versicherungsbestand nunmehr auf die Generali Lebensversicherung AG, eine deutsche Tochter der italienischen Generali Versicherungsgruppe, übertragen werden. Im Jahre 1989 schloß die Arbeitgeberin mit der Generali einen entsprechenden Vertrag. Nach diesem Vertrag bestimmen sich die Versicherungsleistungen nach der tariflichen Regelung. Es wurde vorgesehen, das Deckungskapital bei der Allianz und der Nürnberger auf die Generali zu übertragen und hier in beitragsfreie Versicherungen umzuwandeln. Die hieraus erwachsenden Ansprüche sollen, einschließlich der Gewinngutschriften der Allianz, auf die Leistungen nach dem tariflichen Versorgungsplan angerechnet werden. Das Bezugsrecht der Arbeitnehmer ist auch bei der Generali unwiderruflich. Hinsichtlich der Überschußanteile wurde keine neue Regelung getroffen; sie sollen, wie schon nach dem Vertrag mit der Nürnberger, der Arbeitgeberin zustehen.
Die Versicherungen bei der Nürnberger sind bereits auf die Generali übertragen worden, die bei der Allianz noch nicht.
Der Gesamtbetriebsrat hat geltend gemacht, die Leistungen der Generali seien schlechter als die der Deutschen Lebensversicherungsgesellschaften. Die Übertragung der Versicherungsverträge von einer Versicherungsgesellschaft auf eine andere unterliege der Mitbestimmung. Die inhaltliche Ausgestaltung der Versorgungsleistungen werde geändert. Zum Leistungsplan gehörten nicht nur die Versicherungsleistungen entsprechend der ursprünglichen Vereinbarung, sondern alle dem Grunde nach zugesagten, aber erst im Laufe der Zeit der Höhe nach bestimmbaren Leistungen, wie beispielsweise die Gewinnanteile. Die Arbeitnehmer hätten einen Rechtsanspruch auf die Gewinnanteile. Der Tarifvorrang nach § 87 Abs. 1 Einleitungssatz BetrVG stehe dem Mitbestimmungsrecht nicht entgegen, da der Versorgungstarifvertrag hinsichtlich der Verwendung von Gewinnanteilen keine Regelung enthalte. Der Gesamtbetriebsrat hat sich zur Stützung seiner Ansicht auf ein Gutachten von Professor Dr. Löwisch bezogen.
Der Gesamtbetriebsrat hat beantragt,
- festzustellen, daß bei der Übertragung der Versicherungsverträge von der Nürnberger Versicherungs AG und der Allianz Lebensversicherungs AG auf die Generali Versicherung ein Mitbestimmungsrecht bestehe,
- der Arbeitgeberin zu untersagen, die Lebensversicherungsverträge von der Allianz Versicherungs AG auf eine andere Versicherungsgesellschaft zu übertragen und die Arbeitgeberin zu verpflichten, die von der Nürnberger Lebensversicherungs AG auf die Generali Lebensversicherung übertragenen Lebensversicherungsverträge auf die Nürnberger Lebensversicherung zurückzuübertragen,
- hilfsweise, die Versicherungsnehmer so zu stellen, als hätte eine Übertragung von der Nürnberger Lebensversicherung auf die Generali Lebensversicherung nicht stattgefunden.
Die Arbeitgeberin hat beantragt, die Anträge des Gesamtbetriebsrats abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, nach dem Tarifvertrag sei die Wahl der Versicherungsgesellschaft allein Sache des Arbeitgebers. Im übrigen regele der Tarifvertrag abschließend alle mitbestimmungspflichtigen Fragen, so daß für ein Mitbestimmungsrecht kein Raum sei. Der Wechsel der Versicherungsgesellschaft lasse den tariflichen Leistungsplan ebenso unberührt wie die Beitragspflicht der Arbeitnehmer. Auch hinsichtlich der Verwendung der Gewinnanteile bestehe kein Mitbestimmungsrecht; diese blieben den bei der Allianz versicherten Arbeitnehmern im Rahmen des tariflichen Leistungsplans erhalten.
Die Vorinstanzen haben die Anträge des Gesamtbetriebsrats abgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt er sein Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
II. Die Rechtsbeschwerde des Gesamtbetriebsrats ist unbegründet. Dem Gesamtbetriebsrat steht bei der Auswahl der Versicherungsunternehmen kein Mitbestimmungsrecht zu. Die Arbeitgeberin war nicht gehindert, die bei der Nürnberger abgeschlossenen Lebensversicherungen ohne Zustimmung des Gesamtbetriebsrats auf die Generali zu übertragen. Die Arbeitgeberin kann auch die noch bei der Allianz bestehenden Verträge ohne Zustimmung des Gesamtbetriebsrats auf die Generali übertragen.
1. Bei der Auswahl des Versicherungsunternehmens steht dem Gesamtbetriebsrat kein Mitbestimmungsrecht zu.
a) Der Rechtsbeschwerde ist darin beizupflichten, daß die betriebliche Altersversorgung Fragen der betrieblichen Lohngestaltung (§ 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG) oder der Ausgestaltung von Sozialeinrichtungen (§ 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG) betreffen kann. Auch solche Versorgungssysteme, die mittels Lebensversicherungen durchgeführt werden, berühren die betriebliche Lohngestaltung (BAG Beschluß vom 18. März 1976 – 3 ABR 32/75 – AP Nr. 4 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung, zu II B 2 der Gründe; BAGE 38, 365, 369 = AP Nr. 6 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung, zu 2 der Gründe).
b) Der Mitbestimmung unterliegen aber nicht alle Entscheidungen und Maßnahmen, die bei der Einrichtung und Durchführung von betrieblichen Versorgungswerken getroffen werden müssen. Der Mitbestimmung unterliegt der jeweilige Verteilungsplan, also die betrieblichen Regeln darüber, welcher Mitarbeiter unter welchen Voraussetzungen welche Leistungen erhalten soll. Nur insoweit betreffen Leistungen der betrieblichen Altersversorgung Entgeltleistungen des Arbeitgebers, die das innerbetriebliche Lohngefüge beeinflussen. Da der Arbeitgeber aber im Grundsatz frei ist, solche Leistungen zu gewähren oder nicht, kann er auch nicht im Wege der Mitbestimmung gezwungen werden, ein betriebliches Versorgungswerk zu schaffen. Dann aber kann der Arbeitgeber auch mitbestimmungsfrei entscheiden, in welcher Höhe er finanzielle Mittel für ein betriebliches Versorgungswerk einsetzen will und in welcher Durchführungsform die Versorgung geregelt werden soll (zum Mitbestimmungsrecht bei der Ausgestaltung der betrieblichen Altersversorgung vgl. zusammenfassend BAGE 58, 156 = AP Nr. 16 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung). Die Durchführungsform ist für die Höhe des Aufwands sowie die Art der Finanzierung von so wesentlicher Bedeutung, daß die diesbezügliche Entscheidung des Arbeitgebers mitbestimmungsfrei bleiben muß. Demgemäß ist selbst der Wechsel des Durchführungswegs als solcher nicht mitbestimmungspflichtig (Wiese, GK-BetrVG, 4. Aufl., § 87 Rz 632; Westhoff, RdA 1979, 412, 417 f.; Molkenbur/Roßmanith, ArbuR 1990, 333, 334), es sei denn, daß mit dem Wechsel zugleich eine Änderung des Leistungsplans einherginge (vgl. Blomeyer, RdA 1990, 65 ff.).
c) Die Auswahl des Versicherungsunternehmens, mit dem die Versicherungsverträge zugunsten der Arbeitnehmer abgeschlossen werden sollen, gehört nicht zu den mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten i.S.d. § 87 Abs. 1 Nr. 8 und 10 BetrVG. Diese Entscheidung berührt im Grundsatz keine Fragen der Lohngestaltung. Dazu gehört nur die Entscheidung über die Verteilung der eingesetzten Mittel an die begünstigten Arbeitnehmer. Dasselbe gilt für die Regelungen über die Heranziehung der Arbeitnehmer zu Beiträgen. Versicherungsleistungen und Beitragsleistungen sind untrennbar miteinander verbunden (vgl. Beschluß vom 18. März 1976, aaO). Was für die Auswahl bei der Einführung dieser Versorgungssysteme gilt, gilt auch für die Änderung durch Übertragung der Versicherungen auf eine andere Versicherungsgesellschaft. Der Wechsel der Versicherungsgesellschaft ist nicht mitbestimmungspflichtig, so lange der Verteilungsplan und die Beitragsbelastung der Arbeitnehmer davon unberührt bleiben.
2. Für ein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Verwendung der Gewinnanteile ist im vorliegenden Fall kein Raum.
a) Die Ansprüche der Arbeitnehmer auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung ergeben sich aus dem Tarifvertrag.
Im Streitfall hatte die Arbeitgeberin zunächst ein Versorgungswerk mit dem Inhalt des mit der Allianz abgeschlossenen Gruppenversicherungsvertrags eingerichtet. Dieses Versorgungswerk galt aufgrund der vertraglichen Zusagen der Arbeitgeberin (Betriebliche Einheitsregelung oder Gesamtzusage).
Das Versorgungswerk wurde ab 1. Januar 1982 durch den (ersten) Versorgungstarifvertrag abgelöst und inhaltlich verändert. Dieser Tarifvertrag hat das neue Versorgungswerk nicht losgelöst neben dem bereits bestehenden vertraglichen Versorgungswerk eingeführt, sondern die bisher zu erwartenden Leistungen in das neue System einbezogen:
Es wurde ein (neuer) Leistungsplan beschlossen, der in wesentlichen Punkten von der bisherigen Regelung abwich. An die Stelle des versicherten Kapitals i.H.v. 25.000,-- DM zuzüglich Gewinnzuweisungen trat eine dienstzeit- und gehaltsabhängige Kapitalversorgung, die an die letzten Bezüge des aktiven Arbeitnehmers anschließt und – mit Einschränkungen – die tarifliche Gehaltsentwicklung bis zum Ausscheiden des Arbeitnehmers bzw. bis zum Versorgungsfall berücksichtigt. Die Berechnungsformel (§ 5 i.V.m. §§ 6 und 7 VersTV 2) zeigt, daß – jedenfalls bei typisierender Betrachtung – nach dem Versorgungstarifvertrag deutlich höhere Leistungen zu erwarten sind als bei der früheren Festbetragsregelung.
Der Versorgungstarifvertrag hat die vertraglichen Ansprüche auf Versorgung insoweit abgelöst, als alle tarifgebundenen Arbeitnehmer insgesamt, gleich aus welcher Quelle, nur Leistungen in dem tariflich bestimmten – größeren – Umfang verlangen können. Der Versorgungstarifvertrag erfaßt sämtliche tarifgebundenen Arbeitnehmer (§ 1 VersTV 2). Er gilt mithin auch für diejenigen Arbeitnehmer, die schon durch die vertragliche Zusage einer Kapitalleistung der Allianz begünstigt waren. Sämtliche Arbeitnehmer, die mindestens zwei Jahre ununterbrochen in den Diensten der Arbeitgeberin gestanden und das 25. Lebensjahr vollendet haben, sind in das (neue) Versorgungswerk aufzunehmen (§ 3 Abs. 1 VersTV 2). Der Versorgungstarifvertrag enthält zwar keine Bestimmungen darüber, welches rechtliche Schicksal der Altbestand der Allianz nehmen soll. Angesichts der umfassenden Versicherungspflicht im Unternehmen der Arbeitgeberin kann aber ausgeschlossen werden, daß die Rechte aus dem Altbestand bei der neuen, verbesserten Versorgungsregelung unberücksichtigt bleiben sollen. Hätte der Tarifvertrag dieses Ziel verfolgt, so käme es zu einer ganz erheblichen, sachlich nicht einsichtigen Ungleichbehandlung in der Arbeitnehmerschaft der Arbeitgeberin: Die schon durch eine Versicherung bei der Allianz begünstigten Arbeitnehmer hätten die Möglichkeit erworben, zusätzlich zu der schon bestehenden Versorgungsanwartschaft eine weitere betriebliche Altersversorgung nach den Regeln des Versorgungstarifvertrags zu erlangen. Es kann nicht angenommen werden, die bei der Allianz versicherten Arbeitnehmer hätten deren Leistungen zusätzlich zu den tariflichen Versorgungsleistungen erhalten sollen. Ein anderes Verständnis hat auch der Gesamtbetriebsrat nicht behauptet. Es erscheint mithin nur folgerichtig, daß der Gruppenversicherungsvertrag der Arbeitgeberin mit der Nürnberger die Anrechnung der Leistungen vorsieht, die aus den bei der Allianz fortgeführten Versicherungen resultieren.
Gegen die Wirksamkeit der tariflichen Regelung bestehen keine Bedenken. Höherrangiges Recht ist nicht verletzt. Insbesondere greift der Tarifvertrag nicht in bestehende Rechtsbeziehungen zu Dritten ein. Die bei der Allianz bestehende Gruppenversicherung bleibt unangetastet; lediglich die hieraus folgenden Leistungen werden im tariflichen Versorgungswerk berücksichtigt.
b) Da der Versorgungstarifvertrag für die Zeit ab 1. Januar 1982 das betriebliche Versorgungswerk der Arbeitgeberin abschließend und umfassend regelt, scheitert ein Mitbestimmungsrecht des Gesamtbetriebsrats an dem Tarifvorbehalt des § 87 Abs. 1 Einleitungssatz BetrVG. Ein Mitbestimmungsrecht entfällt immer dann, wenn eine tarifliche Regelung den Mitbestimmungstatbestand abschließend und aus sich heraus anwendbar regelt (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. zuletzt Beschluß vom 5. Mai 1992 – 1 ABR 69/91 – n.v.). Das ist hier der Fall.
Die Verwendung der Gewinnanteile ist zwar im Tarifvertrag nicht ausdrücklich behandelt. Da der Tarifvertrag aber selbst abschließend bestimmt, welche Ansprüche den Begünstigten im Versorgungsfall zustehen, macht es für die Arbeitnehmer bei der Leistungsbemessung keinen Unterschied, ob die Gewinnanteile den Arbeitnehmern oder der Arbeitgeberin gutgeschrieben werden. Auf höhere als nach der tariflichen Berechnungsformel erreichbare Leistungen haben die Arbeitnehmer keinen Anspruch. Dabei können, wie oben dargestellt (zu II 2a der Gründe), den Arbeitnehmern bereits gutgeschriebene Gewinnanteile aus dem Versicherungsbestand der Allianz angerechnet werden. Der Versorgungstarifvertrag läßt mithin der Arbeitgeberin die Freiheit, über die Gewinnanteile zu verfügen.
Dieses Ergebnis wird bestätigt durch die tarifliche Regelung der Beitragspflicht (§ 10 VersTV 2): Die Arbeitnehmer haben 1 % bzw. 2,5 % des anrechnungsfähigen Einkommens beizutragen. Die Prämienanteile, die dann noch fehlen, um die tariflich vorgesehene Leistung zu erreichen, hat die Arbeitgeberin aufzubringen. Überdies hat die Arbeitgeberin, wenn die tarifliche Leistung gleichwohl nicht erreicht wird, für den Differenzbetrag selbst einzustehen (§ 2 Abs. 2 VersTV 2).
Damit enthält der Versorgungstarifvertrag der Sache nach eine inhaltliche Regelung der Verwendung der Gewinnanteile. Der Gesamtbetriebsrat kann nicht verlangen, daß die Verwendung nur mit seiner Zustimmung geregelt wird. Jede abweichende Regelung, sei es bei der Leistung oder bei der Beitragspflicht der Arbeitnehmer, würde notwendig der tariflich getroffenen Regelung widersprechen.
Der Gesamtbetriebsrat macht geltend, der Versorgungstarifvertrag könne im Vergleich zu der Versicherung bei der Allianz zur Schlechterstellung vorzeitig ausscheidender Arbeitnehmer führen; schon deshalb sei ein Mitbestimmungsrecht anzuerkennen. Dabei wird übersehen, daß der Versorgungstarifvertrag auch bei Anrechnung der vertraglichen auf die tariflichen Leistungen den von den Arbeitnehmern erdienten Besitzstand nicht antastet. Die erdiente Versicherungssumme einschließlich der Gewinngutschriften ist allen Arbeitnehmern erhalten worden. Ob, wie der Gesamtbetriebsrat weiter meint, eine Berechnung des erdienten Teilbetrags nach § 2 Abs. 2 BetrAVG aufgrund der tariflichen Regelung zu ungünstigeren Ergebnissen führen kann als aufgrund der Verträge mit der Allianz, erscheint fraglich. Überdies kann gem. § 17 Abs. 3 Satz 1 BetrAVG in Tarifverträgen von der im übrigen zwingenden Regelung des § 2 BetrAVG abgewichen werden. Der Gesamtbetriebsrat kann aus einer evtl. ungünstigeren Regelung kein Mitbestimmungsrecht herleiten. Auch insoweit gilt § 87 Abs. 1 Einleitungssatz BetrVG.
3. Die weiteren Anträge des Betriebsrats sind schon deshalb unbegründet, weil dem Gesamtbetriebsrat kein Mitbestimmungsrecht zusteht. Der Gesamtbetriebsrat kann deshalb nicht verlangen, daß der Arbeitgeberin die Übertragung der Allianzverträge auf die Generali untersagt und ihr aufgegeben wird, die Übertragung der Nürnberger Verträge rückgängig zu machen (2. Hauptantrag). Ob überhaupt im Wege eines Mitbestimmungsrechts in Rechtsbeziehungen zu Dritten eingegriffen werden kann, bedarf keiner Entscheidung (vgl. hierzu BAGE 50, 37, 41 = AP Nr. 5 zu § 87 BetrVG 1972 Werkmietwohnung, zu III 1 der Gründe und Blomeyer/Otto, BetrAVG, 1984, Einleitung Rz 473). Aus demselben Grund kann offen bleiben, ob zur Sicherung der Mitbestimmungsrechte aus § 87 BetrVG neben § 23 Abs. 3 BetrVG ein allgemeiner Unterlassungs- oder Beseitigungsanspruch anzuerkennen ist (vgl. dazu BAGE 42, 11 = AP Nr. 2 zu § 23 BetrVG 1972 und die Nachweise bei Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 17. Aufl., § 87 Rz 162).
Am fehlenden Mitbestimmungsrecht scheitert, von sonstigen Bedenken abgesehen, schließlich auch der Hilfsantrag, der die Rechtsstellung der Arbeitnehmer zum Gegenstand hat.
Unterschriften
Dr. Heither, Griebeling, Dr. Wittek, Grimm, Dr. Schmidt
Fundstellen
BAGE, 229 |
BB 1993, 1291 |
JR 1993, 396 |
NZA 1993, 953 |