Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterlassungsanspruch. vergangenheitsbezogener Antrag
Normenkette
ArbGG §§ 81, 84; ZPO § 253
Verfahrensgang
Tenor
Die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts München vom 23. Oktober 1998 – 9 TaBV 27/98 – wird zurückgewiesen.
Von Rechts wegen !
Tatbestand
A. Die Antragstellerin (IG Bauen-Agrar-Umwelt) wendet sich gegen die Durchführung von zwei “Regelungsabreden”, in denen die Arbeitgeberin (Beteiligte zu 2) und der Gesamtbetriebsrat (Beteiligter zu 3) eine Verlängerung der tariflich festgelegten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ohne Lohnausgleich vereinbart haben.
Die Arbeitgeberin ist ein Unternehmen der Bauindustrie. Sie wendet die Tarifverträge der Bauwirtschaft an. Zum 1. Januar 1995 beschäftigte sie in ihren verschiedenen Betrieben insgesamt 3936 Arbeitnehmer. Der Personalbestand sank über 3398 zum 1. Januar 1996 auf 2300 Arbeitnehmer zum 1. November 1997. Auslöser hierfür waren durch die negative Entwicklung der Bauwirtschaft bedingte wirtschaftliche Schwierigkeiten.
Die Arbeitgeberin und der in ihrem Unternehmen gebildete Gesamtbetriebsrat schlossen vor diesem Hintergrund am 30. April 1997 zwei Vereinbarungen, die jeweils als “Regelungsabrede über Mehrarbeit und erweiterte Teilzeitmöglichkeiten” überschrieben sind. Darin wurde für die Zeit vom 1. Mai 1997 bis 30. April 1999 festgelegt, daß die regelmäßige Wochenarbeitszeit für alle Mitarbeiter 2,5 Stunden über der tariflich festgelegten Wochenarbeitszeit (damals 39 Stunden) liegt und daß diese 2,5 Stunden ohne Lohn- bzw. Gehaltsausgleich erfolgen. Angeboten wurde auch die Möglichkeit einer “Teilzeitbeschäftigung” mit 39 Stunden und entsprechend verringerter Bezahlung. Die beiden Vereinbarungen unterscheiden sich inhaltlich nur hinsichtlich der Gestaltung des Arbeitszeitkontos (Nr. 1 Abs. 2).
Der Betriebsrat München informierte die Mitarbeiter seines Zuständigkeitsbereichs durch zwei Rundschreiben vom 9. bzw. 12. Mai 1997 über die getroffenen Vereinbarungen. Mit Schreiben vom 12. Mai 1997 wandte sich die Niederlassung Frankfurt der Beklagten an einzelne Mitarbeiter unter dem Betreff “Vertragsänderung” und bestätigte eine Vereinbarung, wonach der jeweils angeschriebene Arbeitnehmer ab 1. Mai 1997 mit 39 Stunden in Teilzeit arbeiten werde und dazu sein Einverständnis erteilt habe; die monatlichen Bezüge würden entsprechend angepaßt, wobei von der Regelarbeitszeit von 41,5 Stunden pro Woche bzw. 180 Stunden pro Monat ausgegangen werde. Die Einzelheiten sind insoweit streitig.
Die Antragstellerin sieht in den Vereinbarungen vom 30. April 1997 Betriebsvereinbarungen. Daran ändere die ausdrückliche Benennung als “Regelungsabrede” nichts. Entscheidend sei, was die Betriebspartner hätten regeln wollen. Den Vereinbarungen sei kein Hinweis darauf zu entnehmen, daß die getroffenen Regelungen noch einer individualrechtlichen Umsetzung bedürften. Die Betriebspartner hätten vielmehr eine von der tariflichen Regelung abweichende und ohne weiteres anzuwendende betriebliche Normenordnung schaffen wollen; das sei aber der typische Regelungsinhalt einer Betriebsvereinbarung. Diese verstoße gegen § 77 Abs. 3 BetrVG. Ihr, der Antragstellerin, stehe als Gewerkschaft ein Anspruch gegen die Arbeitgeberin zu, die Durchführung dieser tarifwidrigen Betriebsvereinbarung zu unterlassen. Dieser Anspruch folge schon aus § 23 Abs. 3 BetrVG, da der vorsätzliche Abschluß einer tarifwidrigen Betriebsvereinbarung einen groben Verstoß in diesem Sinne darstelle. Das Vorgehen der Betriebspartner verletze aber auch ihr nach Art. 9 Abs. 3 GG geschütztes Recht, die Arbeitsbedingungen durch Tarifvertrag zu regeln.
Sie müsse als Gewerkschaft darüber hinaus das Recht haben, tarifgebundene Arbeitgeber auf Durchführung der Tarifverträge in Anspruch zu nehmen. Dies gelte bei allgemeinverbindlichen Tarifverträgen auch hinsichtlich der Anwendung gegenüber nichtorganisierten Arbeitnehmern. Die Allgemeinverbindlichkeit solle “Lohndrückerei” und “Schmutzkonkurrenz” entgegenwirken. Die Durchsetzung dieses Ziels laufe leer, wenn seine Aktualisierung den einzelnen Arbeitnehmern überlassen bleibe.
Die Arbeitgeberin habe alle Arbeitnehmer nach Maßgabe des vorgelegten Schreibens vom 12. Mai 1997 unterrichtet; sie habe damit alle zur Abgabe eines entsprechenden Einverständnisses aufgefordert, wie die ausdrücklich vorgesehene Zeile für die Unterschrift des Arbeitnehmers zeige. Auch dies stelle einen unzulässigen Eingriff in ihre Tarifautonomie dar; sie, die Antragstellerin, könne daher von der Arbeitgeberin verlangen, es zu unterlassen, ihre Arbeitnehmer zur Abgabe entsprechender Erklärungen aufzufordern.
Die Antragstellerin hat beantragt,
1. die beteiligte Antragsgegnerin zu verpflichten, es zu unterlassen, die Regelungsabrede über Mehrarbeit und erweiterte Teilzeitmöglichkeiten vom 30. April 1997 (Variante 1), abgeschlossen zwischen dem Gesamtbetriebsrat der beteiligten Gesellschaft und der Gesellschaft durchzuführen,
2. die beteiligte Antragsgegnerin zu verpflichten, es zu unterlassen, die Regelungsabrede über Mehrarbeit und erweiterte Teilzeitmöglichkeiten vom 30. April 1997 (Variante 2), abgeschlossen zwischen dem Gesamtbetriebsrat der beteiligten Gesellschaft und der Gesellschaft durchzuführen, unter Androhung eines Ordnungsgeldes in jedem Falle der Zuwiderhandlung, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird;
3. die Beteiligte zu 2) und Antragsgegnerin zu verpflichten, für alle Arbeiter des Betriebs den allgemeinverbindlichen Tarifvertrag, nämlich den Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe in der Fassung vom 30. November 1996 und des Änderungstarifvertrages zum Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe zum 9. Juni 1997 anzuwenden und
4. für alle Poliere den Rahmentarifvertrag für die Poliere des Baugewerbes im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom 12. Juni 1978 bzw. vom 11. Februar 1991 (Überleitungstarifvertrag) in der Fassung vom 19. Mai 1992 anzuwenden und
5. für alle Angestellten, soweit diese Mitglieder der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt sind, den Rahmentarifvertrag für die technischen und kaufmännischen Angestellten des Baugewerbes im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom 12. Juni 1978 bzw. 11. Februar 1991 (Überleitungstarifvertrag) in der Fassung vom 19. Mai 1992 anzuwenden;
6. die Antragsgegnerin zu verurteilen, es zu unterlassen, bei ihr beschäftigte Arbeitnehmer (ausgenommen: Leitende Angestellte) aufzufordern, eine Einverständniserklärung des Inhalts abzugeben, daß diese ihr Einverständnis damit erklärt, die Teilzeitmöglichkeiten (Variante 1) und die Regelungsabrede über Mehrarbeit und erweiterte Teilzeitmöglichkeiten (Variante 2) ab dem 1. Mai 1997 oder zu einem späteren Zeitpunkt auf ihr bestehendes Arbeitsverhältnis anzuwenden;
hilfsweise dazu:
die Unterlassungspflicht lediglich auf alle Arbeiter und die gewerkschaftlich organisierten Angestellten zu beschränken.
Die Arbeitgeberin hat beantragt, die Anträge zurückzuweisen.
Sie hat die Anträge teils als unzulässig, insgesamt jedenfalls als unbegründet angesehen. Die Vereinbarungen vom 30. April 1997 seien keine Betriebsvereinbarungen. Sie seien bewußt als Regelungsabreden abgeschlossen worden. Den Betriebspartnern sei klar gewesen, daß eine normative Regelung durch Betriebsvereinbarung gegen den Tarifvorrang des § 77 Abs. 3 BetrVG verstoße. Dieser schließe aber Regelungsabreden nicht aus. Der Antragstellerin stehe daher auch kein Unterlassungsanspruch aus § 23 Abs. 3 BetrVG zu. Selbst wenn man den Tarifvorrang auch gegenüber Regelungsabreden anwenden wolle, liege jedenfalls kein grober Verstoß vor, da es sich insoweit um eine bisher ungeklärte Rechtsfrage handele.
Der Antragstellerin stehe auch kein aus Art. 9 Abs. 3 GG unmittelbar abzuleitender Unterlassungsanspruch zu. Sie habe weiter keinen eigenen Anspruch, gegenüber tarifgebundenen Arbeitgebern die Durchführung der Tarifverträge zu verlangen.
Der Antrag, die Einholung von Einverständniserklärungen zu unterlassen, sei schon deshalb unbegründet, weil sie entsprechende Erklärungen von ihren Arbeitnehmern zu keinem Zeitpunkt verlangt habe. Dem von der Antragstellerin vorgelegten Schreiben vom 12. Mai 1997 entsprechende Schreiben seien nur vereinzelt versandt worden, ohne daß dies vom Vorstand autorisiert gewesen sei. Sie seien auf Anweisung des Vorstandes kurzfristig wieder zurückgezogen worden. Sie habe zu keinem Zeitpunkt die Absicht gehabt, derartige Einverständniserklärungen einzuholen.
Das Arbeitsgericht hat sämtliche Anträge als unbegründet abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragstellerin ihre Anträge weiter.
Durch Vereinbarung vom 5. November 1998 haben die Arbeitgeberin und der Gesamtbetriebsrat die streitbefangenen “Regelungsabreden” zum 31. Dezember 1998 aufgehoben. Am 21. Dezember 1998 haben sie mit Wirkung zum 1. Januar 1999 eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen, nach der alle Mitarbeiter im Geltungsbereich der Betriebsvereinbarung verpflichtet sind, wöchentlich 3,5 Stunden unbezahlte Mehrarbeit zu erbringen, soweit auf den jeweiligen Baustellen bzw. in den Betrieben Mehrarbeit angeordnet wird. Die Betriebsvereinbarung bezieht sich auf die Beschäftigungssicherungsklausel gemäß § 5 TV Gehalt/Ost bzw. § 5 TV Lohn/Ost – jeweils vom 3. Juni 1998 –, nach der durch freiwillige Betriebsvereinbarung von den tariflich geregelten Entgelten um bis zu 10 % abweichende Entgelte vereinbart werden können. Der Geltungsbereich der Betriebsvereinbarung ist dementsprechend auf die Niederlassungen der Arbeitgeberin im Anwendungsbereich dieser Tarifverträge (Beitrittsgebiet) beschränkt.
Die Gewerkschaft ist der Auffassung, auch diese Betriebsvereinbarung sei tarifwidrig. Ihr stehe daher insoweit gleichfalls ein Unterlassungsanspruch zu, der von ihrem bisherigen Antrag miterfaßt werde.
Die Arbeitgeberin hat demgegenüber die Auffassung vertreten, daß für die Unterlassungsanträge der Gewerkschaft nach Aufhebung der Regelungsabreden das Rechtsschutzinteresse entfallen sei.
Entscheidungsgründe
B. Die Rechtsbeschwerde der Gewerkschaft ist in der Sache erfolglos. Die Anträge sind sämtlich unzulässig.
Für die Anträge zu 1), 2) und 6) ist das auch in der Rechtsbeschwerdeinstanz noch zu prüfende Rechtsschutzinteresse entfallen, nachdem die streitigen Regelungsabreden zum 31. Dezember 1998 aufgehoben worden sind (I und II). Die Anträge zu 3), 4) und 5) sind jedenfalls deshalb unzulässig, weil es ihnen an der notwendigen Bestimmtheit mangelt (III).
I. Die Anträge zu 1) und 2) sind unzulässig.
1. Die Gewerkschaft ist allerdings antragsbefugt. Die umstrittene Senatsrechtsprechung, nach der eine Gewerkschaft nicht befugt ist, vom Gericht die Unwirksamkeit einer Betriebsvereinbarung wegen Verstoßes gegen § 77 Abs. 3 BetrVG feststellen zu lassen (BAG Beschluß vom 23. Februar 1988 – 1 AZR 75/86 – AP Nr. 9 zu § 81 ArbGG 1979, zu C… der Gründe; dazu kritisch z.B. Grunsky, DB 1990, 526; Matthießen, DB 1988, 285), steht dem nicht entgegen. Diese Rechtsprechung beruht auf der Annahme, daß die Betriebsvereinbarung ausschließlich die Rechtsverhältnisse zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber sowie zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern betreffe, und daß die Gewerkschaft an diesen Rechtsverhältnissen nicht beteiligt sei.
Anders verhält es sich jedoch bei Unterlassungsanträgen der vorliegenden Art. Hier verteidigt die Gewerkschaft eigene Rechte. Das gilt unabhängig davon, ob sie den Unterlassungsanspruch auf § 23 Abs. 3 BetrVG stützt oder sich gegen das Vorgehen der Arbeitgeberin mit der Begründung wendet, sie werde in ihrer durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Koalitionsfreiheit verletzt (BAGE 68, 200, 208 ff. = AP Nr. 2 zu § 77 BetrVG 1972 Tarifvorbehalt, zu B II der Gründe).
2. Für die Anträge fehlt indessen das Rechtsschutzbedürfnis. Das ist auch in der Rechtsbeschwerdeinstanz von Amts wegen zu berücksichtigen (BAGE 39, 259, 264 = AP Nr. 5 zu § 83 ArbGG 1979, zu III 1 der Gründe).
a) Nach ständiger Rechtsprechung zu Feststellungs- und Leistungsanträgen (BAG Beschluß vom 17. März 1987 – 1 ABR 65/85 – AP Nr. 7 zu § 23 BetrVG 1972, zu B III 2 der Gründe; Beschluß vom 10. April 1984 – 1 ABR 73/82 – AP Nr. 3 zu § 81 ArbGG 1979, zu B II 1 der Gründe; BAGE 39, 259, 264, 267 = AP Nr. 5 zu § 83 ArbGG 1979, zu III 1 und 4 der Gründe; Beschluß vom 5. März 1991 – 1 ABR 40/90 – nicht veröffentlicht, zu B 2b bb der Gründe) besteht für die gerichtliche Entscheidung über Verpflichtungen aus einem konkreten Vorgang kein Rechtsschutzbedürfnis mehr, wenn dieser Vorgang abgeschlossen ist und keine Rechtsfolgen mehr erzeugt.
Diese Rechtsprechung erkennt allerdings an, daß konkrete Streitfälle oft Ausdruck einer generellen Streitfrage sind, die immer wieder zu ähnlichen Auseinandersetzungen führen kann. Auch vorliegend beruft sich die Gewerkschaft auf ein berechtigtes Interesse daran, über den konkreten Anlaß hinaus eine Entscheidung über eine betriebsverfassungsrechtliche Grundsatzfrage zu erlangen.
b) Hierzu wäre freilich ein bereits in der Tatsacheninstanz gestellter Antrag erforderlich, der die vom Anlaßfall losgelöste allgemeine Frage hinreichend deutlich umschreibt und zum Verfahrensgegenstand macht. Diesen Voraussetzungen werden die Anträge zu 1) und 2) nicht gerecht.
Der von der Gewerkschaft begehrte Ausspruch könnte keine rechtlichen Wirkungen mehr entfalten, denn er wäre auf die Begutachtung eines in der Vergangenheit liegenden abgeschlossenen Sachverhalts beschränkt. Insbesondere könnte ein stattgebender Beschluß den Zweck nicht erfüllen, der jedem Unterlassungsgebot innewohnt, nämlich das Verhalten des Adressaten zu steuern. Die Arbeitgeberin würde lediglich verpflichtet, die Durchführung der “Regelungsabreden” vom 30. April 1997 zu unterlassen. Diese kommen aber für eine Durchführung ohnehin nicht mehr in Betracht, nachdem sie zum 31. Dezember 1998 aufgehoben worden sind.
Zu Unrecht beruft sich die Gewerkschaft in diesem Zusammenhang darauf, daß die Arbeitgeberin erneut eine tarifwidrige Betriebsvereinbarung mit dem Gesamtbetriebsrat abgeschlossen habe. Dies hat nichts mit einer Durchführung der streitbefangenen “Regelungsabreden” zu tun. Die Betriebsvereinbarung vom 21. Dezember 1998, die einen anderen Geltungsbereich und einen anderen Regelungsinhalt hat, ist nicht Antragsgegenstand. Der bloße Umstand, daß sie Bestimmungen enthält, die möglicherweise nicht mit § 77 Abs. 3 BetrVG vereinbar sind, stellt keine ausreichende Verbindung zum Gegenstand des vorliegenden Verfahrens dar. Es wäre auch nicht möglich, einen Antrag so allgemein zu fassen, daß er die Durchführung von Betriebsvereinbarungen beliebigen Inhalts verbietet, soweit diese unter Mißachtung des § 77 Abs. 3 BetrVG zustande gekommen sind. Ein solcher Antrag umschriebe nur eine allgemeine Rechtspflicht und würde damit den gesamten Streit zwischen den Beteiligten darüber, welche konkreten Bestimmungen in Betriebsvereinbarungen betroffen sind, ins Vollstreckungsverfahren verlagern. Gegenstand eines Unterlassungsantrags kann aber nur ein bestimmtes Verhalten sein.
Schließlich kann auch nicht eingewandt werden, es gehe hier um die Gefahr einer Wiederholung der mit dem Abschluß der “Regelungsabreden” begangenen Rechtsverstöße; die Frage der Wiederholungsgefahr gehöre aber nicht zur Zulässigkeit, sondern allenfalls zur Begründetheit eines Unterlassungsantrags nach § 23 Abs. 3 BetrVG (Senatsbeschluß vom 9. Mai 1995 – 1 ABR 58/94 – nicht veröffentlicht, zu B I 2 der Gründe). Gegenstand der Anträge zu 1) und 2) ist nicht der mögliche Abschluß künftiger Betriebsvereinbarungen, sondern ausschließlich die – nicht mehr in Betracht kommende – Durchführung der “Regelungsabreden” vom 30. April 1997.
II. Der Unterlassungsantrag zu 6) ist ebenfalls unzulässig.
Zwar richtet er sich anders als die Anträge zu 1) und 2) unmittelbar gegen individualrechtliche Absprachen mit den Arbeitnehmern. Deren Inhalt wird aber ebenso wie in den Anträgen zu 1) und 2) durch die “Regelungsabreden” bestimmt. Die Unzulässigkeit ergibt sich auch hier aus dem Fehlen des Rechtsschutzbedürfnisses. Entscheidend ist, daß die mit dem Antrag angegriffenen Erklärungen allein die Anwendung der “Regelungsabreden” betreffen, die jedoch aufgehoben sind. Daher gelten auch hier die zu den Anträgen zu 1) und 2) angestellten Erwägungen.
III. Die Rechtsbeschwerde ist auch unbegründet, soweit sie sich gegen die Abweisung der Anträge zu 3), 4) und 5) richtet. Diese Anträge sind allerdings entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts bereits unzulässig. Als Leistungsanträge, als die sie offensichtlich gedacht sind, fehlt es ihnen an der hinreichenden Bestimmtheit.
1. Ob die Antragstellerin für die Anträge zu 3) bis 5) die richtige Verfahrensart gewählt hat, ist nicht zu prüfen, § 93 Abs. 2 in Verb. mit § 65 ArbGG. Das Landesarbeitsgericht hat insoweit keine Ausführungen gemacht. Es ist also offensichtlich davon ausgegangen, daß es an einer Prüfung gemäß § 65 ArbGG gehindert war. Das ist hier zwar nicht selbstverständlich, weil die Arbeitgeberin in ihrer erstinstanzlichen Antragserwiderung hinsichtlich der Anträge zu 3) bis 5) die Verfahrensart zunächst gerügt hatte. Im Termin zur mündlichen Anhörung hat sie jedoch nur den Antrag gestellt, den Antrag “zurückzuweisen”, ohne die Rüge hinsichtlich der Anträge zu 3) bis 5) zu wiederholen. Dies kann dahin gewertet werden, daß sie die Rüge nicht aufrechterhalten wollte. Dann bleibt es schon deshalb beim Ausschluß der Überprüfung der Verfahrensart nach § 65 ArbGG.
Selbst wenn man aber davon ausgeht, daß das Arbeitsgericht hätte über die Verfahrensart vorab entscheiden müssen und dementsprechend das Landesarbeitsgericht nicht an einer Überprüfung gehindert war (siehe dazu im einzelnen Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 3. Aufl., § 65 Rz 14), ändert sich nichts. Die Arbeitgeberin hat weder vor dem Landesarbeitsgericht einen etwaigen Verstoß des Arbeitsgerichts gerügt, noch hat sie in der Rechtsbeschwerde eine entsprechende Verfahrensrüge erhoben. Eine Überprüfung der Verfahrensart scheidet daher aus.
2. Die Anträge sind auslegungsbedürftig. Die Antragstellerin verfolgt mit allen drei Anträgen das Ziel, die Arbeitgeberin zu “verpflichten”, die jeweils benannten Tarifverträge “anzuwenden”. Damit begehrt sie nicht nur die Feststellung einer entsprechenden Verpflichtung. Die Anträge sind schon nach ihrem Wortlaut auf eine Leistung gerichtet, nämlich die Anwendung. Die Anwendung eines Tarifvertrages besteht aber darin, daß der Arbeitgeber den Arbeitnehmern die tariflich festgelegten Leistungen gewährt.
Dieses Antragsziel wird auch aus der Antragsbegründung deutlich. Die Antragstellerin stützt sich vor allem darauf, daß die Möglichkeit der Durchsetzung tariflicher Ansprüche durch die einzelnen Mitglieder allein trotz der gemäß § 4 Abs. 3 und 4 TVG bestehenden Sicherungen gegen Verzicht und ungünstigere Abreden nicht ausreicht, Tarifverträgen hinreichende Effizienz zu verschaffen. Es geht ihr also erkennbar darum, daß die Arbeitgeberin sich gegenüber den tarifgebundenen Arbeitnehmern tariftreu verhalten und deren tarifliche Ansprüche erfüllen soll, eben die Tarifverträge “anwendet”.
3. Die so verstandenen Leistungsanträge sind jedenfalls deshalb unzulässig, weil sie nicht den Anforderungen an die Bestimmtheit eines Leistungsantrages entsprechen. Diese sind im Beschlußverfahren in gleicher Weise zu beachten wie im Urteilsverfahren. Richtet sich der Antrag auf die Erfüllung bestimmter Ansprüche, so sind diese so genau anzugeben, daß kein Zweifel bleibt, welche Forderungen geltend gemacht werden. Das ist einerseits mit Rücksicht auf den in Anspruch genommenen Schuldner geboten, damit dieser sein Risiko erkennen kann. Andererseits müssen aber auch die Grenzen der Rechtskraft einer Entscheidung klar werden und es muß vor allem für die Zwangsvollstreckung außer Zweifel stehen, welche Leistungen zu erbringen und damit zu vollstrecken sind (vgl. nur Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 57. Aufl., § 253 Rz 49).
a) Diesen Anforderungen genügt ein schlicht auf “Anwendung” gerichteter Leistungsantrag nicht. Ein entsprechender Beschluß wäre nicht vollstreckbar. Das gilt zunächst hinsichtlich solcher tariflichen Ansprüche, die auf positive Leistung gerichtet sind, also insbesondere die Zahlung von Tarifentgelt. Nichts anderes gilt aber auch hinsichtlich solcher Leistungen, die zu ihrer Durchsetzung auf eine Unterlassung angewiesen sind (etwa zu hohe Arbeitszeit). Auch diese müssen so konkret dargestellt werden, daß nicht erst im Vollstreckungsverfahren zu klären ist, um welche Ansprüche es geht und ob eine Unterlassung vorliegt.
b) Anwendung bedeutet hier Erfüllung der Ansprüche Dritter, nämlich der Arbeitnehmer. Die Antragstellerin versteht ihre Anträge letztlich wohl im Sinne einer Prozeßstandschaft. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Voraussetzungen einer solchen Prozeßstandschaft vorliegen. Selbst wenn man das bejaht, enthebt das den Prozeßstandschafter nicht von dem Gebot, einen bestimmten Antrag zu stellen. So ist es etwa unstreitig, daß im Falle des § 25 HAG die dort zur Geltendmachung der Ansprüche von Heimarbeitern beauftragte Stelle als Prozeßstandschafterin den Auftraggeber der Heimarbeiter nicht nur auf Anwendung der einschlägigen Entgeltbestimmungen in Anspruch nehmen kann, sondern die Ansprüche beziffert einzuklagen hat (vgl. nur Schmidt/Koberski/Tiemann/Wascher, Heimarbeitsgesetz, 4. Aufl., § 25 Rz 44). Auf dieses “Modell” einer Prozeßstandschaft beruft sich die Antragstellerin u.a. aber für ihr behauptetes Recht, die tariflichen Ansprüche der Arbeitnehmer geltend machen zu können (im Anschluß vor allem an Däubler, Tarifvertragsrecht, 3. Aufl., Rz 1384 f.; derselbe, AuR 1995, 305, 309 f.).
c) Eine solche Konkretisierung der Anträge ist der Antragstellerin auch weder unmöglich noch unzumutbar. Sie müßte spätestens in der Vollstreckung ohnehin erfolgen, da nur dann festzustellen ist, ob der Tarifvertrag angewendet worden ist. Die tariflichen Ansprüche der organisierten Arbeitnehmer stehen fest.
Die Anwendung der Tarifverträge ist auch keine “unvertretbare Handlung” im Sinne von § 888 ZPO. Anwendung bedeutet nach dem eigenen Verständnis der Antragstellerin Erfüllung der Ansprüche der Arbeitnehmer auf der Basis der Tarifverträge. Diese Ansprüche sind nicht auf eine unvertretbare Handlung gerichtet. Sie können unterschiedlicher Natur sein, dürften aber im wesentlichen auf Zahlungsansprüche hinauslaufen, ggf. auch auf Unterlassungsansprüche bei der Abforderung tariflich unzulässiger Arbeitsleistung. Auch wenn also die organisierten Arbeitnehmer selbst ihre tariflichen Ansprüche geltend machen, können sie den Arbeitgeber nicht schlicht auf Verpflichtung in Anspruch nehmen, die Tarifverträge “anzuwenden”. Ein solcher Antrag wäre unzulässig. Daran kann sich nicht nur deshalb etwas ändern, weil die Antragstellerin zur Wahrung der Effizienz der Tarifverträge stellvertretend für ihre Mitglieder die Erfüllung sicherstellen will.
Sind die Anträge zu 3), 4) und 5) jedenfalls mangels hinreichender Bestimmtheit unzulässig, bedarf es keiner Auseinandersetzung mit der Frage, ob der Gewerkschaft ein solches Recht überhaupt zusteht. Es entspricht allerdings ständiger Senatsrechtsprechung, daß einzelvertragliche Abreden, die gegen zwingendes Tarifrecht verstoßen, der Gewerkschaft noch keinen Anspruch gegen den tarifgebundenen Arbeitgeber auf Beachtung des Tarifvertrages zugunsten ihrer Mitglieder geben (Senatsbeschluß vom 20. August 1991 – 1 ABR 85/90 – BAGE 68, 200 = AP Nr. 2 zu § 77 BetrVG 1972 Tarifvorbehalt; s. auch Senatsbeschluß vom 20. April 1999 – 1 ABR 72/98 –, unter B II 2c der Gründe – zur Veröffentlichung vorgesehen).
Unterschriften
Dieterich, Wißmann, Rost, Federlin, Lappe
Fundstellen