Leitsatz (amtlich)
- Reisezeiten, die ein Arbeitnehmer über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus im Interesse des Arbeitgebers aufwendet, hat der Arbeitgeber als Arbeitszeit zu vergüten, wenn das vereinbart oder eine Vergütung “den Umständen nach” zu erwarten ist (§ 612 Abs. 1 BGB).
- Ist eine Regelung nicht getroffen, sind die Umstände des Einzelfalls maßgeblich. Einen Rechtssatz, daß solche Reisezeiten stets oder regelmäßig zu vergüten seien, gibt es nicht.
- Bei der Prüfung der Umstände steht dem Tatsachengericht ein Beurteilungsspielraum zu. Es kommt auch eine Vergütung eines Teils der Reisezeiten in Betracht.
Normenkette
BGB § 612 Abs. 1, §§ 611, 324, 242
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger verlangt die Bezahlung von Reisezeiten außerhalb seiner vertraglichen Arbeitszeit.
Der Beklagte ist ein Revisionsverband für ärztliche Organisationen. Er hat seinen Sitz in M…. Die Revisionen werden im gesamten Bundesgebiet durchgeführt.
Der 1940 geborene Kläger ist Diplom-Ökonom. Beim Beklagten war er seit 1981 als Prüfer gegen ein Monatsgehalt nach Vergütungsgruppe IIa BAT angestellt. Zuletzt bezog er 14 Gehälter in Höhe von 7.061,95 DM brutto sowie einen Zuschuß zu einer betriebliche Altersversorgung in Form einer Direktversicherung in Höhe von 5.000,00 DM pro Jahr. Der Kläger wohnt in D…. Zu den Außenprüfungen ist er jeweils zum Sitz der zu prüfenden Organisation angereist. Die Prüferarbeit vor Ort erstreckte sich in der Regel auf mehrere Tage, zuweilen auch auf mehrere Wochen.
Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit des Klägers betrug 42 Stunden. Der Arbeitsvertrag enthält keine Regelungen über die Bezahlung von Mehrarbeit oder Überstunden, sondern nur eine Regelung über Reisekosten. Tarifliche Vorschriften über die Bezahlung von Mehrarbeit oder Überstunden galten für das Arbeitsverhältnis nicht. Der Kläger begehrt nach Maßgabe seiner Aufstellungen vom 13. April 1994 und seiner Berechnungen vom 16. Mai 1994 für die Zeit vom 4. November 1991 bis zum 1. Oktober 1993 die Bezahlung von insgesamt 231,75 Überstunden einschließlich Mehrarbeitszuschlägen in Höhe eines Gesamtbetrags von 11.018,71 DM. Die Überstunden setzen sich zusammen aus solchen für Reisezeiten und solchen für Prüfungstätigkeiten.
Der Kläger hat behauptet, sämtliche Überstunden seien vom Beklagten angeordnet und erforderlich gewesen, um die von ihm geforderten Arbeiten termingerecht fertigstellen zu können.
Der Kläger hat im ersten Rechtszug beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn 11.018,71 DM brutto nebst 4 % Zinsen auf den Nettobetrag aus 8.612,20 DM seit 23. Dezember 1993 sowie auf 2.406,91 DM seit dem 20. Mai 1994 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen. Nach seiner Auffassung sind die Reisezeiten nicht vergütungspflichtig, zumal der Kläger vielfach weisungswidrig statt mit der Bahn mit dem Auto gereist sei. Die Überstunden seien weder erbracht noch von ihr der Beklagten, angeordnet worden.
Das Arbeitsgericht hat der Klage in Höhe von 9.266,60 DM brutto nebst Zinsen stattgegeben und sie im übrigen abgewiesen. Hiergegen hat lediglich der Beklagte Berufung eingelegt. Das Landesarbeitsgericht hat das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert und die Klage abgewiesen, soweit der Beklagte zur Zahlung von mehr als 5.425,00 DM brutto nebst Zinsen verurteilt worden war. Es hat angenommen, daß die Beklagte Mehrarbeitsvergütung nur schulde, soweit der Kläger Reisezeiten von mehr als zwei Stunden pro Reisetag aufgewendet hat, und daß auf die zuerkannte Mehrarbeitsvergütung keine Überstundenzuschläge zu zahlen seien. Hiergegen wendet sich allein der Kläger mit der zugelassenen Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg.
Fundstellen
BAGE, 261 |
BB 1998, 52 |
DB 1998, 264 |
DStR 1998, 693 |
NJW 1998, 1581 |
AiB 2011, 763 |
FA 1998, 52 |
JurBüro 1998, 330 |
NZA 1998, 540 |
RdA 1998, 125 |
SAE 1998, 150 |
ZAP 1998, 64 |
AuA 1998, 216 |
MDR 1998, 292 |