Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingruppierung: Kinderpflegerin in der Tätigkeit als Erzieherin. Bestätigung der ständigen Rechtsprechung des Senats (zuletzt Urteile vom 17. Januar 1996 – 4 AZR 602/94 – AP Nr. 3 zu § 1 TVG Tarifverträge: Arbeiterwohlfahrt und vom 6. März 1996 – 4 AZR 801/94 – n.v.)

 

Leitsatz (amtlich)

  • Die siebenjährige Tätigkeit als Gruppenbetreuerin in einem Hause, in dem geistig- und schwer mehrfach behinderte Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene betreut werden, und die sechsjährige Tätigkeit als Erzieherin in einem Team von Erzieherinnen, Kinderpflegerinnen und Sozialpädagoginnen, das eine Kleingruppe von blinden oder nahezu blinden, körperbehinderten und geistig behinderten Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen betreut, belegen für sich allein nicht, daß eine Angestellte mit dem Abschluß als Kinderpflegerin über Fähigkeiten und Erfahrungen verfügt, die denen einer Erzieherin mit staatlicher Anerkennung gleichwertig sind.
  • Vielmehr erlauben diese Fähigkeiten allein den Rückschluß auf Fähigkeiten und Erfahrungen auf einem eng begrenzten Teilgebiet erzieherischer Tätigkeit, die für das subjektive Merkmal der gleichwertigen Fähigkeiten und Erfahrungen des sonstigen Angestellten i.S.d. VergGr. VIb Fallgr. 5, VergGr. Vc Fallgr. 5, VergGr. Vb Fallgr. 5 der Vergütungsgruppen für Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst der Anlage 1a zum BAT/BL nicht ausreichen.
 

Normenkette

BAT 1975 §§ 22-23; VergGr. VII Fallgr. 3, VergGr. VIb Fallgr. 5, VergGr. Vc Fallgr. 5, VergGr. Vb Fallgr. 5 Teil II Abschn. G (Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst) der Anlage 1a zum BAT/BL

 

Verfahrensgang

LAG Niedersachsen (Urteil vom 06.12.1995; Aktenzeichen 5 (11) Sa 1498/95 E)

ArbG Hannover (Urteil vom 21.03.1995; Aktenzeichen 6 Ca 585/94 E)

 

Tenor

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die tarifgerechte Vergütung der Klägerin, insbesondere darüber, ob die Klägerin ab 1. März 1994 Anspruch auf Vergütung nach VergGr. Vb der Vergütungsgruppen für Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst der Anl. 1a zum BAT/BL hat; außerdem will die Klägerin die rückständigen Differenzbeträge mit 4 % verzinst wissen.

Die am 4. Juli 1963 geborene Klägerin ist “staatlich geprüfte Kinderpflegerin”. Sie hatte vom 1. August 1980 bis 31. Juli 1982 die Berufsfachschule Kinderpflege besucht und die Abschlußprüfung gem. der Verordnung über Berufsfachschulen – Kinderpflege – vom 19. Juli 1979 (Nds GVBl S. 228) bestanden. Außerdem hatte sie am 7. Juni 1982 die Zusatzprüfung gem. § 23 der vorgenannten Verordnung bestanden. Sie hatte damit den Sekundarabschluß I – Realschulabschluß – erworben. Vom 1. September 1982 bis 28. Februar 1990 war sie als Gruppenbetreuerin im Hause A… der Diakonischen Werke H… in H… tätig, in dem 55 geistig- und schwer mehrfach behinderte Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene betreut und gefördert werden. Seit dem 1. März 1990 ist die Klägerin bei dem Landesbildungszentrum für Blinde in H… “als Erziehungshelferin” beschäftigt. Nach § 2 des Arbeitsvertrages vom 1. März 1990 bestimmt sich das Angestelltenverhältnis nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Arbeitgeber geltenden Fassung. Das Arbeitsverhältnis war zunächst befristet. Mit Wirkung vom 19. Mai 1991 ist es unbefristet.

Das Landesbildungszentrum für Blinde in H… ist bezogen auf das Land Niedersachsen zuständig für die schulische Betreuung blinder und schwerstsehbinderter Kinder und Jugendlicher. Ein erheblicher Teil der Schüler/innen lebt in Internaten. Die Klägerin arbeitet im Internat für Mehrfachbehinderte. In diesem Internat gibt es insgesamt vier Gruppen mit jeweils vier bis fünf Bewohnern. Die Klägerin ist in einer Gruppe tätig, die aus drei Bewohnern im Alter von 12 bis 22 Jahren besteht. Alle drei Bewohner sind stark sehgeschädigt und darüber hinaus geistig retardiert. Zwei der Bewohner können sich alleine waschen, anziehen und zur Toilette gehen, benötigen dabei jedoch pädagogische Begleitung. Der dritte Jugendliche ist zwar in der Lage, sich in Anwesenheit und pädagogischer Begleitung einer Erzieherin selbst zu waschen, muß dann aber in der Regel nachgewaschen werden. Die Tätigkeit der Betreuerinnen in dieser Gruppe besteht in erster Linie darin, das Potential der Behinderten zur Selbstentfaltung und Selbständigkeit optimal zu fördern, in einem Fall auch darin, den erreichten Standard möglichst lange aufrechtzuerhalten. Es handelt sich um eine Gruppe von Behinderten i.S.d. § 39 BSHG. Die Klägerin arbeitet in einem Team von Erzieherinnen, Kinderpflegerinnen und Sozialpädagoginnen. Jede Betreuungsperson ist Bezugsperson für einen Bewohner. Die Klägerin betreut im besonderen einen 22 jährigen jungen Erwachsenen, der unter der Abbaukrankheit NCL (neuronal ceroid-lipofuscinosis, deutscher Name: Vogt-Spielmeyer-Krankheit) leidet.

Nach der “Tätigkeitsdarstellung und -bewertung Angestellter” vom 13. Mai 1992 “Stand 01.05.1992” übt die Klägerin folgende Tätigkeit aus:

Pädagogische und erzieherische Betreuung von Gruppen Behinderter (Sehgeschädigter, Mehrfachbehinderter) i.S.v. § 39 BSHG … 100 %

Die 1990 erstellte vom Direktor des Landesbildungszentrums mit “gelesen + genehmigt 28.02.1991” abgezeichnete “Arbeitsplatzbeschreibung Internat für Mehrfachbehinderte im Landeszentrum für Blinde” beschreibt nach dem Vortrag der Klägerin korrekt ihre Tätigkeit, die sie ausübt und die ihr zugewiesen ist.

Sie lautet auszugsweise:

  • 1. Förderung lebenspraktischer Fertigkeiten

    • An- und Ausziehen
    • Körperhygiene
    • Essentraining
    • Toilettentraining
    • Orientierungsverbesserung
    • Übernahme kleiner hauswirtschaftlicher Tätigkeiten
    • Umgang mit eigenen und fremden Besitztümern
    • Erlernen von Umgangsformen
    • Erkennen und Äußern eigener Bedürfnisse
    • Erkennen, wann eigene Bedürfnisse zurückgesteckt werden müssen.
  • Sozialerziehung

  • Sprachtherapie

  • Motorischer Bereich

  • Kognitiver Bereich

  • Mobilitätstraining

  • Sinnesübungen

  • Spieltherapie

  • Beschäftigungstherapie

  • Musische Erziehung

  • Musikerziehung

  • Freizeitgestaltung

  • Elternarbeit

  • Zusammenarbeit mit Schule, Therapeuten, Psychologen (Krankengymnasten, Reittherapeut, Sprachtherapeut, etc.)

  • Zusammenarbeit mit Krankenpflegepersonal

  • Zusammenarbeit mit außerschulischen Institutionen

    Beschaffung

  • Krankenpflegerische Tätigkeiten

In der Zeit vom Sommer 1990 bis Herbst 1993 nahm die Klägerin erfolgreich an der Weiterbildungsmaßnahme “Blindenpädagogik für pädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter” des Niedersächsischen Landesinstitutes für Lehrerfortbildung, Lehrerweiterbildung und Unterrichtsforschung teil.

Die Klägerin hat 1994 und 1995 an folgenden Fortbildungen teilgenommen:

– Kurs “Die Kinder trauern – Mit Kindern über Sterben und Tod ins Gespräch kommen”, 3 Abende in der Zeit vom 9. bis 23. Februar 1994,

– Kurs “Arbeiten mit NCL-Kindern und ihren Familien”, 25. bis 29. April 1994,

– Kurs “Dokumentation der Lebensläufe der an NCL erkrankten Schüler”, 13. bis 15. Juli 1994,

– Kurs “Das Selbstverständnis der Erzieherin im Internat”, 20. bis 22. Juli 1994,

– Kurs “Arbeiten mit NCL-Kindern und ihren Familien”, 22. bis 26. Februar 1995.

Die Klägerin erhielt zunächst Vergütung nach VergGr. VII BAT. Das beklagte Land zahlt inzwischen an die Klägerin Vergütung nach VergGr. VIb BAT.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, da alle Teammitglieder die gleiche Tätigkeit verrichteten, habe auch sie Anspruch auf Vergütung aus der VergGr. Vb BAT. Sie erfülle die Voraussetzungen der Fallgruppe 5 der VergGr. Vb des Teils II Abschn. G der Anl. 1a zum BAT (Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst). Sie sei zwar nicht Erzieherin mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit, wohl aber eine sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausübe mit besonders schwierigen fachlichen Tätigkeiten nach vierjähriger Bewährung in der VergGr. Vc Fallgruppe 5 der genannten Vergütungsgruppe. Bei der Prüfung des Merkmals der “gleichwertigen Fähigkeiten” müsse beachtet werden, daß sich ein qualifizierter Erzieher nicht dadurch auszeichne, daß er psychologische Lehrbücher zitieren oder Theorien repetieren könne. Es gehe in erster Linie nicht um theoretisches Wissen, sondern um Sensibilität, Schwingungsfähigkeit, die Fähigkeit, auf Kinder oder in Einzelfällen auch auf Erwachsene pädagogisch einzugehen, Gruppenprozesse flexibel zu lenken, Erziehungspläne kreativ umzusetzen, die Fähigkeit, den körperlichen, intellektuellen, emotionalen und sozialen Entwicklungsstand eines Kindes oder eines Jugendlichen erfassen und dessen Lebens- und Erfahrungswelt nachvollziehen zu können.

Diese Fähigkeiten seien nur sehr schwer objektivierbar und abgrenzbar. Der Anspruch auf effektive Rechtsschutzgewährung gebiete es, die Anforderungen an die Darlegungslast der Klägerin nicht zu überspannen. Es könne nicht verlangt werden, etwas darzulegen, was überhaupt nicht darstellbar, weil nicht objektiv festmachbar sei. Die Klägerin habe nachgewiesen, daß sie in großem Umfang an Fortbildungen teilgenommen habe und in ständigem Austausch mit Personen unterschiedlicher Profession stehe. Das sei ausreichend. Die Klägerin könne auf eine 13jährige Tätigkeit in der Funktion als Erzieherin verweisen.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

das beklagte Land zu verurteilen, an die Klägerin 8.488,72 DM brutto nebst 4 % Zinsen auf 2.118,62 DM netto ab Klagezustellung und nebst 4 % Zinsen auf 2.974,60 DM netto seit dem 16. März 1995 zu zahlen,

und festzustellen, daß das beklagte Land verpflichtet ist, der Klägerin ab dem 1. April 1995 unter Anrechnung der ab diesem Zeitpunkt gezahlten Vergütung Vergütung nach der Vergütungsgruppe Vb BAT einschließlich anteiliger Zuwendung nach dieser Vergütungsgruppe zu zahlen nebst 4 % Zinsen auf die jeweils anfallenden Nettodifferenzbeträge ab jeweiliger monatlicher Fälligkeit.

Das beklagte Land hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es hat die Auffassung vertreten, die Klägerin sei in VergGr. VIb Fallgruppe 1 BAT richtig eingruppiert. Sie sei staatlich geprüfte Kinderpflegerin, übe die entsprechende Tätigkeit aus, und zwar schwierige fachliche Tätigkeiten, und erfülle die Voraussetzung fünfjähriger Bewährung in VergGr. VII Fallgruppe 1 BAT.

Es hat geleugnet, daß die Klägerin die einer Erzieherin entsprechende Tätigkeit ausübe. Jedenfalls weise sie nicht die einer Erzieherin gleichwertigen Fähigkeiten und Erfahrungen auf, auch wenn sie im Internat ähnliches oder gleiches tue wie die Erzieher mit staatlicher Anerkennung. Die Klägerin habe nichts dafür vorgetragen, daß die Differenz zwischen beiden Berufsbildern durch gleichwertige Fähigkeiten und ihre Erfahrungen ausgeglichen sei.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat nach im Einverständnis der Parteien erfolgter Verwendung des Beweisergebnisses im Verfahren – 5 Sa 121/95 E – Landesarbeitsgericht Niedersachsen die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter. Außerdem hat sie ihren Feststellungsantrag dahin erweitert, daß “hilfsweise ≪Vergütung≫ nach der Vergütungsgruppe Vc BAT” verlangt werde. Das beklagte Land beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

I. Die Klage ist zulässig.

Bei dem Feststellungsantrag handelt es sich um eine der üblichen Eingruppierungsfeststellungsklagen im öffentlichen Dienst, gegen deren Zulässigkeit nach ständiger Rechtsprechung des Senats Bedenken nicht bestehen (vgl. nur Senatsurteil vom 19. März 1986 – 4 AZR 470/84 – AP Nr. 114 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Dies gilt auch für den Feststellungsantrag, soweit er Zinsforderungen zum Gegenstand hat (BAGE 22, 247, 249 = AP Nr. 30 zu §§ 22, 23 BAT).

Der erstmals in der Revisionsinstanz gestellte Hilfsantrag, nämlich Vergütung “hilfsweise nach der Vergütungsgruppe Vc BAT zu zahlen”, ist unzulässig.

Es handelt sich um die Einführung eines neuen Anspruchs in die Revisionsinstanz. Auch wenn es sich insoweit lediglich um die Einschränkung des Klagebegehrens handelt, ist diese in der Revisionsinstanz nicht mehr möglich, auch wenn, wie hier – da Aufbaufallgruppen –, der Klagegrund nicht geändert wird (vgl. Urteile des Senats vom 14. September 1983 – 4 AZR 78/81 – n.v.; vom 8. September 1971 – 4 AZR 405/70 – AP Nr. 46 zu §§ 22, 23 BAT).

Auch die Zahlungsklage ist zulässig. Die Klägerin verlangt 8.488,72 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus 2.118,62 DM netto ab Klagezustellung und aus 2.974,60 DM netto seit dem 16. März 1995 als Vergütungsdifferenzen für die Zeit vom 1. März 1994 bis einschließlich 31. März 1995 einschließlich Zuwendung 1994 (Schriftsatz vom 30. Dezember 1994). Damit ist der Streitgegenstand i.S.d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmt.

II. Die Klage ist nicht begründet. Der Klägerin steht die von ihr verlangte Vergütung nach VergGr. Vb BAT nicht zu.

1. Die Klägerin erfüllt nicht die tariflichen Voraussetzungen für die geforderte Vergütung. Sie erfüllt weder die Tätigkeitsmerkmale der VergGr. VIb Fallgruppe 5 noch die der VergGr. Vc Fallgruppe 5 BAT mit der Folge, daß die Klägerin auch nicht im Wege der Bewährung in die VergGr. Vb Fallgruppe 5 der Vergütungsgruppen für Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst aufgestiegen ist.

Ihrem Vorbringen ist schon nicht zu entnehmen, daß sie über Kenntnisse und Erfahrungen verfügt, die einem Erzieher, einer Erzieherin mit staatlicher Anerkennung i.S.d. VergGr. VIb Fallgruppe 5, VergGr. Vc Fallgruppe 5, VergGr. Vb Fallgruppe 5 BAT/BL Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst gleichwertig sind.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft arbeitsvertraglicher Verweisung der BAT/BL und damit die Anl. 1a zum BAT/BL Anwendung.

2. Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt damit davon ab, ob mindestens die Hälfte der die Gesamtarbeitszeit der Klägerin ausfüllenden Arbeitsvorgänge den Tätigkeitsmerkmalen der von ihr in Anspruch genommenen Vergütungsgruppe Vb BAT/BL “Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst” entspricht (§ 22 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 BAT/BL).

a) Damit ist von dem von der Senatsrechtsprechung entwickelten Begriff des Arbeitsvorgangs auszugehen. Diesen hat der Senat verstanden als eine unter Hinzurechnung der Zusammenhangstätigkeiten bei Berücksichtigung einer sinnvollen, vernünftigen Verwaltungsübung nach tatsächlichen Gesichtspunkten abgrenzbare und rechtlich selbständig zu bewertende Arbeitseinheit der zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führenden Tätigkeit eines Angestellten (BAGE 51, 59; 51, 282; 51, 356 = AP Nr. 115, 116 und 120 zu §§ 22, 23 BAT 1975; ständige Rechtsprechung des Senats). Dabei ist es zwar rechtlich möglich, daß die gesamte Tätigkeit des Angestellten nur einen Arbeitsvorgang bildet, wenn der Aufgabenkreis nicht weiter aufteilbar und nur einer einheitlichen rechtlichen Bewertung zugänglich ist (vgl. Senatsurteile vom 30. Januar 1985 – 4 AZR 184/83 – AP Nr. 101 zu §§ 22, 23 BAT 1975; vom 23. Februar 1983 – 4 AZR 222/80 – BAGE 42, 29 = AP Nr. 70 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Tatsächlich trennbare Tätigkeiten mit unterschiedlicher Wertigkeit können jedoch nicht zu einem Arbeitsvorgang zusammengefaßt werden (vgl. Senatsurteile vom 20. Oktober 1993 – 4 AZR 45/93 – AP Nr. 172 zu §§ 22, 23 BAT 1975; vom 20. März 1991 – 4 AZR 471/90 – AP Nr. 156 zu §§ 22, 23 BAT 1975).

b) Das Landesarbeitsgericht hat zugunsten der Klägerin unterstellt, daß die Tätigkeiten einer Erzieherin, die wegen ihrer Gleichartigkeit zu einem Arbeitsvorgang zusammengefaßt werden könnten, mehr als die Hälfte der Arbeitszeit der Klägerin in Anspruch nehmen. Das Arbeitsgericht hat die gesamte Tätigkeit der Klägerin im Internat als einen einheitlichen Arbeitsvorgang bewertet. Es hat ausgeführt, ihre Tätigkeiten, zu denen die Hilfe beim Anziehen, Essen, die Teilnahme am öffentlichen Leben sowie Freizeitaktivitäten zählten, dienten einem einheitlichen Arbeitsvorgang. Denn sie stellten die umfassende Betreuung und Förderung der in der Gruppe lebenden Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen sicher.

Die gesamte Tätigkeit der Klägerin, die gemeinsam mit anderen eine Gruppe von Mehrfachbehinderten im Internat des Landesbildungszentrums für Blinde betreut und der ein Bewohner zur eingehenden Betreuung besonders zugewiesen ist, ist als ein Arbeitsvorgang anzusehen, und zwar unabhängig davon, ob der Klägerin überwiegend kinderpflegerische Tätigkeiten oder überwiegend erzieherische Tätigkeiten übertragen worden sind. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats zu der Tätigkeit von Gruppenbetreuern (Senatsurteile vom 14. September 1994 – 4 AZR 589/93 – n.v., vom 30. November 1994 – 4 AZR 888/93 – n.v. und vom 14. Juni 1995 – 4 AZR 271/94 – AP Nr. 17 zu §§ 22, 23 BAT Sozialarbeiter). Für diese spricht insbesondere, daß die Tarifvertragsparteien in der Protokollnotiz Nr. 11 Tätigkeiten in Integrationsgruppen (Erziehungsgruppen, …), Tätigkeiten in Gruppen von Behinderten i.S.d. § 39 BSHG …, Tätigkeiten in geschlossenen (gesicherten) Gruppen als Beispiele für “schwierige fachliche Tätigkeiten” genannt haben. Dadurch haben sie zum Ausdruck gebracht, daß sie alle Einzeltätigkeiten eines Angestellten, die zu der bezeichneten Aufgabe (“Tätigkeiten in Gruppen”) gehören, tariflich einheitlich bewerten wollen.

3.a) Für die Eingruppierung der Klägerin sind die speziellen Tätigkeitsmerkmale für Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst der Anl. 1a zum BAT/BL maßgebend. Diese haben, soweit sie für den Rechtsstreit von Bedeutung sind, folgenden Wortlaut:

“Vergütungsgruppe VIb

5. Erzieherinnen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben.

(Hierzu Protokollnotizen Nr. 1, 6 und 7)

Vergütungsgruppe Vc

5. Erzieherinnen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben,

mit besonders schwierigen fachlichen Tätigkeiten.

(Hierzu Protokollnotizen Nr. 1, 6, 7 und 8)

Vergütungsgruppe Vb

5. Erzieherinnen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben,

mit besonders schwierigen fachlichen Tätigkeiten.

nach vierjähriger Bewährung in Vergütungsgruppe Vc Fallgruppe 5.

(Hierzu Protokollnotizen Nr. 1, 6, 7 und 8)

…”

Die Protokollnotiz Nr. 8 lautet:

“Besonders schwierige fachliche Tätigkeiten sind z.B. die

  • Tätigkeiten in Integrationsgruppen (Erziehungsgruppen, denen besondere Aufgaben in der gemeinsamen Förderung behinderter und nicht behinderter Kinder zugewiesen sind) mit einem Anteil von mindestens einem Drittel von Behinderten im Sinne des § 39 BSHG in Einrichtungen der Kindertagesbetreuung,
  • Tätigkeiten in Gruppen von Behinderten im Sinne des § 39 BSHG oder von Kindern oder Jugendlichen mit wesentlichen Erziehungsschwierigkeiten,
  • Tätigkeiten in Jugendzentren/Häusern der offenen Tür,
  • Tätigkeiten in geschlossenen (gesicherten) Gruppen,
  • fachliche Koordinierungstätigkeiten für mindestens vier Angestellte mindestens der Vergütungsgruppe VIb,
  • Tätigkeiten eines Facherziehers mit einrichtungsübergreifenden Aufgaben.”

Die von der Klägerin für sich in Anspruch genommenen Tätigkeitsmerkmale der VergGr. Vb Fallgruppe 5 bauen auf der VergGr. Vc Fallgruppe 5 auf, die ihrerseits auf der VergGr. VIb Fallgruppe 5 fußt.

Das Landesarbeitsgericht hat der Sache nach angenommen, die Klägerin übe “entsprechende Tätigkeiten” i.S.d. genannten Vergütungsgruppen aus. Es fehle aber daran, daß die Klägerin die einer Erzieherin entsprechende Tätigkeit aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten ausübe, während in bezug auf die von der Klägerin gesammelten Erfahrungen keine Bedenken bestünden.

b) Das Landesarbeitsgericht hat zunächst darauf hingewiesen, daß es nicht möglich sei, aus dem Umstand, daß die Klägerin Tätigkeiten einer Erzieherin ausübe, auf das Vorhandensein von Fähigkeiten zu schließen, die denen einer staatlich geprüften Erzieherin entsprächen. Dieser Schluß sei deswegen nicht möglich, weil es für Angestellte in der Tätigkeit von Erzieherinnen mit staatlicher Anerkennung in VergGr. VII Fallgruppe 3 eine spezielle Eingruppierungsvorschrift gebe.

Es hat weiter ausgeführt, insofern befinde sich die Kammer im Gegensatz zur Auffassung der 13. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen – Urteil vom 22. Februar 1994 – 13 Sa 1601/93 –, so daß gem. § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG die Zulassung der Revision geboten sei.

Der Auffassung der 13. Kammer des LAG Niedersachsen ist der Senat in seinem Urteil vom 17. Januar 1996 (– 4 AZR 602/94 – AP Nr. 3 zu § 1 TVG Tarifverträge: Arbeiterwohlfahrt) nicht gefolgt und hat das in seinem Urteil vom 6. März 1996 (– 4 AZR 801/94 – n.v.) bestätigt.

In diesen Entscheidungen ist der Senat von folgendem ausgegangen:

Bei dem Tätigkeitsmerkmal der “gleichwertigen Fähigkeiten und Erfahrungen” handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff (ständige Rechtsprechung des Senats, z.B. Urteil vom 26. November 1980 – 4 AZR 809/78 – AP Nr. 37 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Bei der Anwendung eines solchen unbestimmten Rechtsbegriffes ist den Tatsachengerichten ein weiter Beurteilungsspielraum eröffnet. Insoweit ist daher die revisionsrechtliche Prüfung darauf beschränkt, ob das Landesarbeitsgericht vom zutreffenden Rechtsbegriff ausgegangen ist, ob es diesen bei der Subsumtion beibehalten hat, ob ihm bei seiner Anwendung Verstöße gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze unterlaufen sind und ob es alle entscheidungserheblichen Umstände berücksichtigt hat (ständige Rechtsprechung, z.B. BAGE 51, 59, 85 f. = AP Nr. 115 zu §§ 22, 23 BAT 1975, m.w.N.).

Wenn die Arbeitnehmerin keine Erzieherin mit staatlicher Anerkennung ist, kommt für sie nur die zweite Alternative der Tätigkeitsmerkmale der VergGr. VIb Fallgruppe 5, Vc Fallgruppe 5, Vb Fallgruppe 5 BAT/BL in Betracht. Danach muß die Angestellte zunächst subjektiv über die einer Erzieherin gleichwertigen Fähigkeiten und Erfahrungen verfügen. Dabei wird zwar nicht ein Wissen und Können verlangt, wie es durch die Ausbildung zur staatlich anerkannten Erzieherin vermittelt wird, wohl aber eine ähnlich gründliche Beherrschung eines entsprechend umfangreichen Wissensgebietes, wobei Fähigkeiten und Erfahrungen auf einem eng begrenzten Teilgebiet erzieherischer Tätigkeiten nicht ausreichend sind (vgl. Senatsurteile vom 29. Oktober 1980 – 4 AZR 750/78 –, vom 28. Februar 1979 – 4 AZR 427/77 –, vom 13. Dezember 1978 – 4 AZR 322/77 – und vom 25. Oktober 1978 – 4 AZR 177/77 – AP Nr. 41, 16, 12 und 10 zu §§ 22, 23 BAT 1975, zu diesem Merkmal bei technischen Angestellten). Außerdem muß der Angestellte noch “entsprechende Tätigkeiten” auszuüben haben. Nur wenn diese beiden Erfordernisse kumulativ erfüllt sind, wird den tariflichen Anforderungen genügt (Senatsurteile vom 29. Oktober 1980 – 4 AZR 750/78 – und vom 13. Dezember 1978 – 4 AZR 322/77 – AP Nr. 41 und 12 zu §§ 22, 23 BAT 1975).

Bei der subjektiven Voraussetzung der “gleichwertigen Fähigkeiten und Erfahrungen” hat der Senat zwar anerkannt und hervorgehoben, daß es rechtlich möglich ist, aus der ausgeübten Tätigkeit eines Angestellten Rückschlüsse auf seine Fähigkeiten und Erfahrungen zu ziehen (z.B. Senatsurteile vom 13. Dezember 1978 – 4 AZR 322/77 – und vom 29. September 1982 – 4 AZR 1161/79 – AP Nr. 12 und 66 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Daraus können jedoch weder der Rechtssatz noch der allgemeine Erfahrungssatz hergeleitet werden, daß immer dann, wenn ein “sonstiger Angestellter” eine “entsprechende Tätigkeit” ausübt, dieser auch über “gleichwertige Fähigkeiten und Erfahrungen” im tariflichen Sinne verfügt. Vielmehr zeigt die Lebenserfahrung, daß “sonstige Angestellte”, selbst wenn sie im Einzelfall eine “entsprechende Tätigkeit” ausüben, gleichwohl – anders als ein Angestellter mit der in der ersten Alternative vorausgesetzten Ausbildung – häufig an anderen Stellen deswegen nicht eingesetzt werden können, weil ihnen für andere Tätigkeiten Kenntnisse und Erfahrungen fehlen (Senatsurteil vom 26. November 1980 – 4 AZR 809/78 – AP Nr. 37 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Auch im Erziehungsdienst kann nicht zwingend von der Ausübung einer “entsprechenden Tätigkeit” auf “gleichwertige Fähigkeiten und Erfahrungen” des sonstigen Angestellten geschlossen werden. Vielmehr muß auch hier geprüft werden, ob der eine entsprechende Tätigkeit ausübende Angestellte das Wissensgebiet eines Angestellten mit der in der ersten Alternative vorausgesetzten Ausbildung mit ähnlicher Gründlichkeit beherrscht.

Daran hält der Senat fest.

Das Landesarbeitsgericht hat weiter ausgeführt, es gebe keinen Anhaltspunkt dafür, daß die Klägerin über Fähigkeiten verfüge, die denen von Erzieherinnen mit staatlicher Anerkennung gleichwertig seien. Das beklagte Land habe Bildungsvoraussetzungen, Ausbildungsdauer und Ausbildungsinhalte für den Beruf der Erzieherin einerseits und der Kinderpflegerin andererseits dargestellt. Es sei auch aus dem Vortrag der Klägerin nicht ersichtlich, daß sie sich durch die Erzieherinnenausbildung vermittelte Kenntnisse und Fähigkeiten, soweit sie über die in der Kinderpflegerinnenausbildung vermittelten Kenntnisse und Fähigkeiten hinausgingen, von Teilbereichen abgesehen, auf andere Weise angeeignet haben könnte. Die von der Klägerin aufgeführten Fortbildungsveranstaltungen seien u.a. wegen ihrer geringen Häufigkeit und ihrer kurzen Dauer nicht geeignet gewesen, eine Gleichwertigkeit der Fähigkeiten der Kinderpflegerin mit denen einer Erzieherin mit staatlicher Anerkennung herzustellen. Aus ihrer ausführlichen Schilderung ihrer Tätigkeit in der mündlichen Verhandlung sei kein weiterer Hinweis darauf zu entnehmen gewesen, daß das tarifliche Merkmal der gleichwertigen Fähigkeiten i.S.d. Vergütungsgruppen erfüllt sein könne.

Dem ist zuzustimmen.

Der Vortrag der Klägerin, der es oblag, alle Tatsachen vorzutragen und im Bestreitensfalle zu beweisen, aus denen sich die Erfüllung sämtlicher Tätigkeitsmerkmale ergeben (Senatsurteil vom 13. Dezember 1978 – 4 AZR 322/77 – AP Nr. 12 zu §§ 22, 23 BAT 1975, m.w.N.), läßt diesen Schluß nicht zu.

Die Revision räumt ein, es verbiete sich, allein aus der längerfristigen Ausübung der Erziehertätigkeit zwingend auf die Fähigkeiten rückzuschließen. Sie meint aber, anders als in technischen Berufen oder in Arbeitsgebieten, in denen Arbeitsergebnisse in Papierform gefaßt seien, sei das Vorhandensein “gleichwertiger Fähigkeiten” im sozialpädagogischen Bereich nur sehr schwer objektivierbar. Es gehe nur teilweise um die Beherrschung eines entsprechend umfangreichen “Wissensgebietes”, sondern um Fähigkeiten, die auf der Ebene der Entwicklung von Persönlichkeiten lägen (Sensibilität, Schwingungsfähigkeit, die Fähigkeit, pädagogisch einzuwirken und Gruppenprozesse flexibel zu lenken, die Fähigkeit, den Entwicklungsstand von Kindern und Jugendlichen zu erfassen und sich in deren Lebens- und Erfahrungswelt hineinzuversetzen etc.). Diesem Umstand sei Rechnung zu tragen. Zwar dürfe nicht allein auf den Zeitablauf abgestellt werden. Es dürften aber keine überzogenen Anforderungen an den Nachweis gleichwertiger Fähigkeiten gestellt werden. Die Anforderungen müßten andere sein als in Berufsfeldern, in denen eine Objektivierung eher möglich sei.

Auch dazu hat der Senat in seinen Urteilen vom 17. Januar 1996 (– 4 AZR 602/94 – aaO) und vom 6. März 1996 (– 4 AZR 801/94 – n.v.) bereits das Erforderliche gesagt:

Der Beruf der Erzieherin umfaßt heute die früher getrennten Berufe “Krippenerzieherin”, “Kindergärtnerin”, “Hortnerin”, “Jugenderzieherin” und “Heimerzieherin”. In ihrer beruflichen Arbeit können Erzieherinnen sowohl in Einrichtungen der Kleinkind- und Kindererziehung tätig werden als auch in der pädagogischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen außerhalb der Schule und des Ausbildungs- oder Arbeitsplatzes. In den letzten Jahren übernehmen Erzieherinnen – wenn auch noch in geringem Umfang – häufig auch sozialpädagogische Aufgaben in Bereichen, die sich nicht oder nicht ausschließlich an Kinder und Jugendliche wenden, z.B. in Freizeit- und in heilpädagogischen Einrichtungen, die auch oder überwiegend mit jungen und älteren Erwachsenen arbeiten (Blätter zur Berufskunde, Erzieher/Erzieherin, 2-IV A 20, 7. Aufl. 1994, S. 3 f.). Die Ausbildung zur Erzieherin qualifiziert für die Arbeit in vielseitigen Aufgabenfeldern (aaO, S. 6, 11). Umfang und Verschiedenartigkeit der Ausübungsformen der Tätigkeit einer Erzieherin lassen sich deutlich an der Aufzählung von Einrichtungen ablesen, in denen Erzieherinnen ihrer Ausbildung entsprechend eingesetzt werden können. Das sind z.B. Kinderkrippen, Beratungsstellen zur Frühförderung, Kindergärten, Vorklassen und Schulkindergärten, Horte, Häuser der offenen Tür, Einrichtungen für behinderte Kinder und Jugendliche, Krankenhäuser, Psychiatrische Kliniken, Schulen, Jugendwohnheime, Kinderheime usw. Diese Aufzählung vermittelt auch, welchen verschiedenen Personengruppen die Arbeit der Erzieherin dient und welche unterschiedlichen Inhalte sie haben kann.

Der umfangreiche Aufgabenbereich einer Erzieherin findet seinen Niederschlag in der Senatsrechtsprechung zu deren Eingruppierung. So hat der Senat in jüngerer Zeit beispielsweise entschieden über Vergütungsgruppenansprüche einer Erzieherin/eines Erziehers in einem Psychiatrischen Krankenhaus (Urteil vom 29. Januar 1992 – 4 AZR 217/91 – ZTR 1992, 200), in einer Wohngruppe für geistig behinderte Frauen (Urteil vom 26. Mai 1993 – 4 AZR 358/92 – AP Nr. 2 zu § 12 AVR Caritasverband), im Arbeitstrainingsbereich einer Behindertenwerkstatt (Urteil vom 26. Mai 1993 – 4 AZR 383/92 – AP Nr. 4 zu § 12 AVR Caritasverband), in einer Wohngruppe von Kindern aus zerrütteten Familienverhältnissen (Urteil vom 25. August 1993 – 4 AZR 534/92 – n.v.), als Lehrkraft an Sonderschulen (Urteil vom 23. Februar 1994 – 4 AZR 219/93 – AP Nr. 51 zu Art. 119 EWG-Vertrag) und in der Frühförderung (Urteil vom 22. März 1995 – 4 AZR 30/94 – AP Nr. 195 zu §§ 22, 23 BAT 1975).

Für eine so breit gefächerte Verwendung ist die Klägerin nicht ausgebildet. Die von der Klägerin ausgeübten Tätigkeiten im Internat für Mehrfachbehinderte des Landesbildungszentrums für Blinde belegen nur gleichwertige Kenntnisse und Erfahrungen auf einem eng begrenzten Teilgebiet der Aufgabenfelder einer Erzieherin, nämlich zusammen mit anderen blinde oder nahezu blinde Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, die weitere Behinderungen aufweisen, zu betreuen. Sie belegen nicht, daß die Klägerin Fähigkeiten und Erfahrungen auf andersartigen Aufgabenfeldern besitzt, auf denen die in der Regel zu einer Tätigkeit in allen Bereichen ausgebildeten Erzieherinnen einsetzbar sind.

Das kann die Klägerin auch nicht mit Erfolg mit dem Hinweis entkräften, die Arbeit im Behindertenbereich sei nicht ein “aliud” gegenüber der Arbeit mit gesunden Kindern, sondern ein “Mehr”.

Dabei verkennt die Klägerin schon, daß die Ausbildung zur Erzieherin auf völlig verschiedene Tätigkeiten in den unterschiedlichsten Einrichtungen ausgerichtet ist, während sich die Ausbildung zur Kinderpflegerin im Behindertenbereich vom Grundsatz her auf die Unterstützung von Erziehern und Sozialpädagogen beschränkt.

Auch die erfolgreiche Teilnahme an der vierteiligen, insgesamt vierwöchigen Weiterbildungsmaßnahme “Blindenpädagogik für pädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter” des Niedersächsischen Landesinstituts für Lehrerfortbildung, Lehrerweiterbildung und Unterrichtsforschung von Sommer 1990 bis Herbst 1993 läßt ebenfalls nicht den Schluß zu, daß die Klägerin einer Erzieherin gleichwertige Fähigkeiten und Erfahrungen aufweist. Ziel dieser Kursreihe war nämlich die Qualifikation von pädagogischen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen und Betreuungskräften ohne Fachausbildung in Blindenpädagogik im Landesbildungszentrum für Blinde. Es wurden also Spezialkenntnisse auf einem eng begrenzten Teilgebiet vermittelt, in dem die Klägerin tätig ist. Ein Bezug zur Erzieherinnenausbildung ist nicht gegeben.

Auch soweit die Klägerin sich darauf beruft, daß sie sich durch ständigen Austausch mit Psychologen und Diplompädagogen in den Bereichen Psychologie und Pädagogik weiterqualifiziert habe, hat sie nicht vorgetragen, daß und inwiefern sie sich dadurch über ihre im Landesbildungszentrum für Blinde des beklagten Landes ausgeübte Tätigkeit hinaus so qualifiziert haben soll, daß das Tätigkeitsmerkmal der gleichwertigen Fähigkeiten erfüllt ist. Diese Gespräche bewegen sich notwendigerweise in erster Linie auf dem Tätigkeitsfeld der Klägerin. Es geht um die in ihrer Gruppe betreuten blinden oder fast blinden Personen mit weiteren Behinderungen und möglicherweise um den ihr als Bezugsperson besonders anvertrauten behinderten Menschen. Jedenfalls hat die Klägerin nicht vorgetragen, inwiefern dieser ständige Austausch Kenntnisse vermittelt haben soll, die über Kenntnisse auf dem eng begrenzten Gebiet hinausgehen, in dem die Klägerin tätig ist, sich also auf andere Aufgabenfelder der Erzieher bezogen haben. Deshalb geht auch die Auffassung der Revision fehl, der Hinweis auf diesen ständigen Austausch reiche aus. Es sei dann Aufgabe des beklagten Landes gewesen vorzutragen, warum der Austausch mit Pädagogen und Psychologen nicht qualifiziere, pauschales Bestreiten reiche nicht aus. Denn das beklagte Land kann nicht wissen, welchen Inhalt dieser ständige Austausch über die von der Klägerin mitbetreute Gruppe von Behinderten, über die Angehörigen dieser Gruppe hinaus gehabt haben kann. Den Bezug zu den in der Ausbildung zur Erzieherin vermittelten Kenntnisse muß die Klägerin schon herstellen. Insoweit handelt es sich um ihre Sphäre. Der von der Klägerin angeführte Gesichtspunkt des Grundsatzes der Beweisnähe greift nicht, solange nicht die Klägerin dargelegt hat, welche über das Teilgebiet, in dem sie tätig ist, hinausgehenden Kenntnisse ihr vermittelt worden seien.

Zu den Fortbildungsveranstaltungen hat das Landesarbeitsgericht das Erforderliche gesagt. Die Revision räumt ein, daß die von der Klägerin aufgeführten Fortbildungsveranstaltungen für sich genommen nicht geeignet sind, den Nachweis gleichwertiger Fähigkeiten zu erbringen.

Die Revision vermißt aber der Sache nach eine Gesamtschau. Sie will darauf hinaus, daß alles zusammengenommen – jahrelange Tätigkeit, ständiger Austausch mit Diplompädagogen und Psychologen, Weiter- und Fortbildung – den Nachweis der gleichwertigen Fähigkeiten ergebe. Es fehlt aber der anhand von Tatsachen belegte Vortrag, warum das so sein soll. Auch wenn keine “gleichwertige Fachausbildung” vorliegen muß, wird doch eine ähnlich gründliche Beherrschung eines entsprechend umfangreichen Wissensgebietes verlangt, wie der Senat wiederholt ausgeführt hat (vgl. oben, unter Ziff. II 3b).

Die Revision wirft dem Landesarbeitsgericht vor, es habe nicht hinreichend berücksichtigt, daß die Klägerin einschlägig vorgebildet sei. Die schulischen Ausbildungen für die Berufe Kinderpflegerin und Erzieherin wiesen weitgehende Überschneidungen auf. Wie der Aufstellung, die sich auf die Ausbildung in Niedersachsen beziehe, entnommen werden könne, seien die Stundentafeln weitgehend identisch. Entsprechendes gelte für die Zahl der Jahreswochenstunden.

Dabei verkennt die Klägerin folgendes:

Die vorhandenen Ausbildungen zur Kinderpflegerin und zur Erzieherin unterscheiden sich in Niedersachsen wie folgt:

Die Ausbildung erfolgt an einer Berufsfachschule für Kinderpflege. Sie dauert zwei Jahre. Während dieser zwei Jahre ist ein Praktikum von acht Wochen abzuleisten. Aufnahmevoraussetzung ist der Hauptschulabschluß oder ein gleichwertiger Abschluß. Die Ausbildung soll dazu befähigen, Aufgaben der Erziehung und Pflege des Säuglings und des Kindes im vorschulischen Alter in Familien, sozialpflegerischen und sozialpädagogischen Einrichtungen zu übernehmen. Außerdem haben die Schüler die Möglichkeit, den Sekundarabschluß I – Realschulabschluß – oder den erweiterten Sekundarabschluß I zu erwerben (Verordnung über Berufsfachschulen – Kinderpflege – vom 19. Juli 1979, GVBl S. 228 i.V.m. “Bestimmungen über Berufsfachschulen – Kinderpflege in Niedersachsen”, Runderlaß des MK vom 20. Juli 1979, SVBl S. 1335 = Handbuch des gesamten Jugendrechts, Rechts- und Verwaltungsvorschriften, Bd. 4 – V I 2.7.1.1.; 2.7.1.2.). Diese Gelegenheit hat die Klägerin auch wahrgenommen.

Die Ausbildung zum Erzieher/zur Erzieherin erfolgt an Fachschulen für Sozialpädagogik und dauert in der Fachschule – Sozialpädagogik – in Vollzeitform zwei Jahre. Vorauszugehen hat eine einjährige praktische Tätigkeit in sozialpädagogischen Einrichtungen oder eine gleichwertige Tätigkeit. Während der Ausbildung an der Fachschule Sozialpädagogik ist ein Praktikum von zwölf Wochen abzuleisten. Aufnahmevoraussetzung ist der Sekundarabschluß I – Realschulabschluß – oder ein gleichwertiger Abschluß. Als Ausbildungsziel für die Ausbildung an der Fachschule Sozialpädagogik ist die Befähigung, in sozialpädagogischen Einrichtungen als Erzieher tätig zu sein. Die Ausbildung wird dadurch abgeschlossen, daß nach der Abschlußprüfung ein einjähriges Berufspraktikum abgeleistet wird, das mit einem Kolloquium abgeschlossen wird. Nach erfolgreich abgeschlossenem Berufspraktikum erhält der Praktikant die Berechtigung, die Berufsbezeichnung “Staatlich anerkannter Erzieher” zu führen (Verordnung für Fachschulen – Sozialpädagogik – vom 22. Juli 1977, GVBl S. 282 = aaO, V I 2.7.2. i.V.m. “Bestimmungen über Fachschulen – Sozialpädagogik – in Niedersachsen” Runderlaß des MK vom 1. August 1977, Nds MBl S. 849, mit späteren Änderungen = aaO, V I 2.7.2.2.).

Es handelt sich bei der zweijährigen Ausbildung an einer Berufsfachschule um die unterste Stufe der Ausbildungen für soziale Berufe. Die auf dieser Stufe Ausgebildeten werden in der Praxis oft als sog. Zweitkräfte oder in Helferfunktion angestellt (vgl. Rauschenbach, NDV 1990, 270 ≪272≫), wie es auch bei der Klägerin erfolgt ist, wie ihr Arbeitsvertrag zeigt.

Auf der nächsten Stufe ist die Ausbildung für Erzieherinnen angesiedelt, die in Niedersachsen wie auch oft anderswo in der Regel nur mit einem Realschulabschluß aufgenommen werden kann und die insgesamt drei Jahre dauert. Bei der Erzieher/innenausbildung handelt es sich also um eine sozialpädagogische Fachschulausbildung. Erzieher/innen (zu über 90 % Frauen) sind vor allem im Elementarbereich, insbesondere im Kindergarten, tätig. Daneben sind sie auch in der Heimerziehung und im Behindertenbereich anzutreffen und stehen dort in Konkurrenz zu den höherqualifizierten Sozialpädagogen/innen (vgl. Rauschenbach, aaO).

In Anbetracht dieser Unterschiede geht es nicht an, auf nahezu gleichlautende Stundentafeln im theoretischen Anteil der Ausbildung zu verweisen.

Schon wegen der unterschiedlichen Ausbildungsziele sind die Schwerpunkte in den einzelnen Fächern notgedrungen anders gesetzt. Es geht um den ausbildungszielbezogenen Unterricht in den Grundlagenfächern wie Pädagogik, Psychologie, Deutsch, zum anderen um die Vermittlung praktischer Fertigkeiten, wobei bei der Kinderpflegerin die Versorgung der Kinder im Vordergrund stehen muß, während die Erzieherin Kenntnisse in den Bereichen Kunst, Werken, Musik, Sport, Spiel erwerben soll, die im Rahmen der Durchführung von Erziehungskonzeptionen erforderlich sind.

Es kann mit der Revision unterstellt werden, daß die Klägerin aufgrund ihrer beruflichen Vorbildung näher am Qualifikationsniveau einer Erzieherin “dran” ist “als beispielsweise eine Angestellte mit Erziehertätigkeit, die den Beruf der Zahnarzthelferin erlernt hat”, um die Formulierung der Revision aufzugreifen. Die Klägerin hat aber nicht anhand von Tatsachen belegt, daß und warum sie inzwischen der zweiten Stufe der Ausbildung für soziale Berufe gleichwertige Fähigkeiten ausweist. Ihr Hinweis auf die Bewältigung der gleichen Aufgaben wie ihre Kolleginnen mit abgeschlossener Erzieherinnenausbildung belegt nicht, daß sie wie eine Erzieherin mit staatlicher Anerkennung aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten auf dem weiten Betätigungsfeld für ausgebildete Erzieherinnen ohne weiteres einsetzbar ist. Es fehlt die Darstellung der über die aufgrund der praktischen Tätigkeit bewahrten und weiterentwickelten Kenntnisse hinaus erworbenen Fachkenntnisse, z.B. in der modernen Jugendhilfe, etwa in Kindergärten mit hohem Ausländeranteil.

Die Klägerin sagt nicht, woraus sich ergeben soll, daß ihre Fähigkeiten breit gestreut sind und sich nicht nur auf einen Teilbereich erzieherischer Tätigkeit beziehen. Ein Bezug zur geforderten ähnlich gründlichen Beherrschung eines entsprechend umfangreichen Wissensgebietes wie bei einer Erzieherin mit staatlicher Anerkennung ist nicht hergestellt. Auch die von der Revision vermißte Zusammenschau vermag zu einem anderen Ergebnis nicht zu führen. Einer Erzieherin mit staatlicher Anerkennung etwa gleichwertige Fachkenntnisse, die einen breit gefächerten Einsatz der Klägerin als Erzieherin ermöglichen, sind nicht erkennbar.

Zu Unrecht rügt die Revision verschiedentlich, das Landesarbeitsgericht habe die ihm gem. § 139 ZPO obliegende Hinweispflicht verletzt, indem es die Klägerin nicht darauf hingewiesen habe, ihr Vortrag sei nicht ausreichend gewesen.

Die Rügen sind unzulässig. Nach allgemeiner Meinung muß derjenige, der eine Verletzung des § 139 ZPO rügt, im einzelnen angeben, was er auf einen entsprechenden Hinweis vorgetragen hätte (vgl. z.B. Urteil des Zweiten Senats vom 11. August 1994 – 2 AZR 9/94 – AP Nr. 31 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit, zu II 1b der Gründe). Diesen Anforderungen genügen die Prozeßrügen der Klägerin nicht. Die Revision legt nicht dar, was sie bei Ergehen der vermißten Hinweise noch vorgetragen hätte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Schaub, Schneider, Friedrich, Hecker, Gotsche

 

Fundstellen

Haufe-Index 884859

BB 1998, 596

RdA 1998, 126

RiA 1998, 288

ZMV 1998, 86

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