Entscheidungsstichwort (Thema)

Fehlerhafte Prognose d. Arbeitgebers zur Dauer d. Befristung

 

Normenkette

BGB § 620

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Urteil vom 05.10.1989; Aktenzeichen 10 Sa 379/89)

ArbG Köln (Urteil vom 14.02.1989; Aktenzeichen 15 Ca 8398/88)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 5. Oktober 1989 – 10 Sa 379/89 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der im Jahre 1957 geborene Kläger ist Mitglied der Gewerkschaft ÖTV. Er wurde von der Beklagten durch schriftlichen Arbeitsvertrag vom 2. November 1987 für die Zeit vom 1. November 1987 bis zum 31. Dezember 1988 als vollbeschäftigter Angestellter unter Hinweis auf die Anlage 2 a (SR 2 a) zum Manteltarifvertrag für Angestellte der Beklagten (MTA) für Aufgaben von begrenzter Dauer bei dem Arbeitsamt K. eingestellt. Hinsichtlich der Aufgaben von begrenzter Dauer wurde im Arbeitsvertrag auf ein Schreiben der Beklagten an den Kläger vom 2. November 1987 Bezug genommen, in dem es u.a. heißt, dem Kläger werde für die Dauer der Befristung die Tätigkeit eines Aktenverwalters für Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe übertragen. Als „sachliche Begründung der Befristung” ist in diesem Schreiben ausgeführt, zur Vorbereitung der Neuorganisation u.a. der Arbeitsgebiete Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe müßten in der Aktenhaltung umfangreiche Aussonderungs- bzw. Kennzeichnungsarbeiten durchgeführt werden, diese Arbeiten verursachten eine zusätzliche vorübergehende Belastung der Aktenhaltung. Nach der Durchführung der Neuorganisation und der Dezentralisierung der Aktenhaltung einschließlich der Einrichtung der Zentralen Verteilerstelle müßten die durch die Umstellung vorübergehend entstehenden zusätzlichen Belastungen aufgefangen werden, dazu gehöre auch die Einrichtung einer ruhenden Aktenhaltung. Auch diese Arbeiten könnten mit den vorhandenen Plankräften nicht bewältigt werden, so daß der Kläger nach Beendigung der Aussonderungsaktion zusätzlich mit der Wahrnehmung dieser Aufgaben beauftragt werde. Die Beklagte gehe davon aus, daß die Vorbereitungs-, Umstellungs- und nachgehenden Arbeiten Ende 1988 abgeschlossen sein würden.

Der Kläger hält die Befristung seines Arbeitsvertrages für rechtsunwirksam. Er sei nicht für die im Arbeitsvertrag in Verbindung mit dem Schreiben vom 2. November 1987 bezeichneten Aufgaben von begrenzter Dauer eingestellt worden, denn der ihm zugewiesene Arbeitsplatz sei ein Dauerarbeitsplatz und als Planstelle für die Aktenhaltung ausgewiesen gewesen. Sogleich nach seiner Einarbeitungszeit sei er in der Aktenhaltung mit den gleichen Tätigkeiten wie die übrigen dort eingesetzten Aktenhalter beschäftigt worden, obwohl das Schreiben vom 2. November 1987 nicht einen allgemeinen Mehrbedarf als Aufgabengebiet des Klägers bezeichnet habe, sondern ganz konkret das Aussondern von Akten und die Einrichtung der Restaktenhaltung. Daher fehle es auch an einem sachlichen Grund für die Befristung, weil im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses der Wegfall eines zusätzlichen Arbeitsbedarfs nicht mit einiger Sicherheit zu erwarten gewesen sei. In Wahrheit sei er als Dauervertretung eingestellt worden, denn weitgehend habe er die Tätigkeit des krankheitsbedingt ausgefallenen planmäßigen Aktenhalters E. ausgeübt und weitere Krankheits- und Urlaubsvertretungen übernommen. Nicht die Neuorganisation der Aktenhaltung, sondern die notdürftige Aufrechterhaltung des Betriebs angesichts des ständigen Anstiegs der Arbeitslosen sei Veranlassung und Grund für die Befristung gewesen.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß zwischen den Parteien über den 31. Dezember 1988 hinaus ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat im wesentlichen vorgetragen, zur Zeit der Einstellung des Klägers habe der Umzug des Arbeitsamts Köln in ein neues Dienstgebäude bevorgestanden, der dann tatsächlich am 31. Januar/1. Februar 1988 durchgeführt worden sei. Mit dem Umzug sei eine Organisationsänderung der Aktenhaltung verbunden worden, die unter der Bezeichnung „Alternative Ablauf Organisation” u.a. beinhaltet habe, daß die etwa 400.000 in der bisherigen zentralen Aktenhaltung verwalteten Akten auf acht dezentrale Aktenhaltungen verteilt worden seien; dabei sei neben einer weiterhin zentralen Aktenhaltung für ruhende Akten je eine Aktenhaltung in den jeweiligen Leistungsabteilungen verbunden worden. Die notwendige Vorbereitung dieser Umorganisation und die nach ihrer Durchführung zu erwartenden Übergangsschwierigkeiten hätten zu einem Mehranfall von Arbeiten geführt, die zusätzlich zu den laufenden Aufgaben hätten erledigt werden müssen. Diese Mehrarbeiten hätten durch die ständig beschäftigten Mitarbeiter nicht bewältigt werden können. Nach Erledigung dieser Mehrarbeiten sei indessen ein zusätzlicher Arbeitskräftebedarf nicht mehr zu erwarten gewesen. Nur wegen dieses vorübergehenden Mehrbedarfs sei der Kläger eingestellt worden. Eine exakte Prognose für das Auslaufen des Mehrbedarfs sei nicht möglich gewesen, da es für eine Umorganisation der vorliegenden Größenordnung noch kein Vorbild gegeben habe. Es sei jedoch zu erwarten gewesen und durch den tatsächlichen Ablauf bestätigt worden, daß sich der Mehrbedarf allmählich verringern und zum Jahresende 1988 endgültig auslauten würde. Die Endzeitpunkte der abgeschlossenen befristeten Arbeitsverträge mit dem zusätzlich benötigten Personal seien daher bis zum Jahresende 1988 gestaffelt worden, wobei dem Kläger zu seinen Gunsten der letztmögliche Beendigungszeitpunkt zugestanden worden sei.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe nicht nachvollziehbar dargelegt, wieso der vorübergehende Beschäftigungsbedarf gerade nur bis zum 31. Dezember 1988 bestanden habe. Die Beklagte habe selbst eingeräumt, daß sie den durch die Umorganisation anfallenden Mehrbedarf an Arbeitskräften bei Vertragsabschluß nicht hinreichend sicher habe prognostizieren können. Dann aber sei es sachlich nicht gerechtfertigt, den Arbeitnehmer nur befristet einzustellen und ihm damit den Bestandsschutz des Kündigungsschutzgesetzes zu entziehen.

Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des Ersturteils. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn das Arbeitsverhältnis des Klägers hat aufgrund rechtswirksamer Befristung mit dem 31. Dezember 1988 geendet.

I. Aus Gründen des Tarifrechts, hier der Nr. 2 der Anlage 2 a zum MTA (SR 2 a), ergeben sich keine Bedenken gegen die Wirksamkeit der vereinbarten Befristung. Gemäß Abs. 1 dieser Vorschrift ist im Arbeitsvertrag zu vereinbaren, ob der Angestellte als Zeitangestellter, als Angestellter für Aufgaben von begrenzter Dauer oder als Aushilfsangestellter eingestellt wird. Gemäß Abs. 2 Unterabs. 2 dieser Vorschrift ist im Arbeitsvertrag des Angestellten für eine Aufgabe von begrenzter Dauer die Aufgabe zu bezeichnen und anzugeben, mit Ablauf welcher Frist oder durch Eintritt welchen Ereignisses das Arbeitsverhältnis enden soll.

Beide Voraussetzungen sind erkennbar erfüllt. Der Kläger ist im Arbeitsvertrag vom 2. November 1987 als Angestellter für Aufgaben von begrenzter Dauer bezeichnet worden; als Ende des Arbeitsverhältnisses ist der 31. Dezember 1988 angegeben worden. In dem Schreiben der Beklagten vom 2. November 1987, das durch Bezugnahme zum Bestandteil des Arbeitsvertrages wurde, sind die Aufgaben von begrenzter Dauer, für die der Kläger eingestellt wurde, im einzelnen näher bezeichnet worden. Ob der Kläger später auch mit anderen Aufgaben beschäftigt wurde, ist schon deshalb unerheblich, weil es für die Wirksamkeit der Befristung nur auf die Umstände im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ankommt und die Befugnis des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer im Rahmen des Arbeitsvertrages und der tariflichen Vorschriften auch andere Tätigkeiten zu übertragen, gegenüber einem befristet eingestellten Arbeitnehmer nicht geringer ist als gegenüber unbefristet eingestellten Arbeitnehmern. Im übrigen hat das Landesarbeitsgericht, ohne daß die Revision dies angegriffen hätte, festgestellt, daß die Aufgaben, mit denen der Kläger tatsächlich beschäftigt wurde, zu den ihm mit Schreiben vom 2. November 1987 übertragenen Aufgaben gehörten. Denn dem Kläger sei durch dieses Schreiben uneingeschränkt die Tätigkeit eines Aktenverwalters übertragen worden.

II. Das Landesarbeitsgericht hat auch rechtsfehlerfrei angenommen, daß die vereinbarte Befristung durch einen sachlichen Grund (vgl. dazu grundlegend BAG Großer Senat Beschluß vom 12. Oktober 1960, BAGE 10, 65 = AP Nr. 16 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag; zuletzt etwa BAG Urteil vom 27. Januar 1988, BAGE 57, 256, 263 = AP Nr. 6 zu § 620 BGB Hochschule, zu II 2 der Gründe, m.w.N.) gerechtfertigt ist.

1. Das Landesarbeitsgericht hat insoweit im wesentlichen ausgeführt, der Kläger sei für einen von Anfang an zutreffend als vorübergehend einzuschätzenden Arbeitsbedarf eingestellt worden, der ein quantitativer Mehrbedarf von vorübergehender Dauer gewesen sei. Mit der befristeten Einstellung zusätzlicher Arbeitskräfte habe dem Umstand Rechnung getragen werden sollen, daß infolge der unstreitigen Umorganisation beim Arbeitsamt K. zusätzliche Arbeiten u.a. im Bereich der Aktenhaltung zu erledigen waren, die den normalen Arbeitsablauf behinderten oder verzögerten. Diese zusätzlichen Belastungen seien jedoch nur vorübergehend bis zum Abschluß der Umstellung sowie noch für eine weitere Umgewöhnungszeit zu erwarten gewesen. Damit habe zugleich festgestanden, daß die in der Aktenhaltung beschäftigten Angestellten nach dem Wegfall dieser Belastungen voraussichtlich wieder in der Lage sein würden, die in diesem Arbeitsbereich fortbestehenden Daueraufgaben einschließlich etwaiger Vertretungsfälle normalen Ausmaßes zu bewältigen.

2. Die Würdigung des Berufungsgerichts, ob ein sachlicher Befristungsgrund vorliegt, unterliegt in der Revisionsinstanz nur einer eingeschränkten Nachprüfung. Bei dem Begriff der sachlichen Rechtfertigung einer Befristung handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der vom Revisionsgericht nur beschränkt überprüft werden kann. Eine nachprüfbare Rechtsverletzung liegt insoweit nur vor, wenn der Rechtsbegriff selbst verkannt. Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt oder wesentliche Umstände bei der Bewertung übersehen worden sind (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. zuletzt etwa Senatsurteil vom 21. Januar 1987 – 7 AZR 265/85 – AP Nr. 4 zu § 620 BGB Hochschule, m.W.N.).

Ein derartiger Rechtsfehler des Berufungsurteils ist nicht ersichtlich. Vielmehr ist das Landesarbeitsgericht in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. z.B. BAGE 37, 283, 295 = AP Nr. 64 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu B II 2 der Gründe; Urteil vom 15. November 1989 – 7 AZR 529/88 –, n.v.) rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, daß ein vorübergehender Mehrbedarf an Arbeitskräften als sachlicher Grund für die Befristung des Arbeitsvertrages anzuerkennen ist, wenn im Zeitpunkt der Befristung aufgrund greifbarer Tatsachen mit einiger Sicherheit der Wegfall des Mehrbedarfs mit dem Auslaufen des befristeten Arbeitsvertrages zu erwarten ist.

3. Das tatsächliche Vorliegen eines derartigen nur vorübergehenden Mehrbedarfs hat das Landesarbeitsgericht festgestellt, ohne daß die Revision dies angegriffen hätte. Die Revision läßt ausdrücklich dahingestellt, ob der vom Landesarbeitsgericht angenommene Sachgrund die Befristung des Arbeitsverhältnisses der Parteien rechtfertigt. Sie zieht die Wirksamkeit der Befristung nur deshalb in Zweifel, weil die vereinbarte Dauer der Befristung bis zum 31. Dezember 1988 nicht sachlich begründet sei, zumal die Beklagte selbst nicht habe darlegen können, aufgrund welcher objektiver Kriterien sie habe davon ausgehen dürfen, daß der Mehrbedarf an Arbeitskräften gerade zum Jahresende 1988 auslauten würde.

Mit diesen Ausführungen zur Dauer der Befristung hat die Revision einen Rechtsfehler des Berufungsurteils nicht aufgezeigt. Entscheidend für die Wirksamkeit der Befristung ist nur das – vom Landesarbeitsgericht festgestellte – Vorliegen des Sachgrundes für die Befristung selbst. Entgegen der Ansicht der Revision wirken sich im Entscheidungsfalle auch etwaige Mängel der Prognose der Beklagten hinsichtlich der Befristungsdauer nicht auf den Sachgrund aus.

a) Nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts seit dem Senatsurteil vom 26. August 1988 (BAGE 59, 265 = AP Nr. 124 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag) bedarf es zur wirksamen Befristung eines Arbeitsvertrages außer einem sachlichen Grund für die Befristung selbst nicht noch zusätzlich einer eigenen sachlichen Rechtfertigung auch der gewählten Dauer der Befristung. Die vereinbarte Vertragsdauer hat nur Bedeutung im Rahmen der Prüfung des sachlichen Befristungsgrundes selbst: Die vereinbarte Vertragsdauer darf dem Sachgrund der Befristung nicht in einer Weise widersprechen, daß sich aus ihr ergibt, daß der Sachgrund tatsächlich nicht besteht oder nur vorgeschoben wurde. Denn spricht die vereinbarte Vertragsdauer nicht gegen das Vorliegen eines sachlichen Befristungsgrundes, so führt die – wenn auch fehlerhaft gewählte – Vertragsdauer nicht zu einer Umgehung des kündigungsschutzrechtlichen Bestandsschutzes, weil der Arbeitnehmer auch im Falle der Vereinbarung der an sich zutreffenden Vertragsdauer nur in einem befristeten und damit nicht bestandsgeschützten Arbeitsverhältnis gestanden hätte.

b) Aus diesen Grundsätzen ergibt sich für die vorliegende Fallgestaltung einer ungesicherten bzw. sogar fehlerhaften Prognose des Arbeitgebers hinsichtlich des exakten Zeitpunkts des Wegfalls eines vorübergehenden Mehrbedarfs, daß derartige Prognosefehler nur dann zur Unwirksamkeit der vereinbarten Befristung führen können, wenn sie auf den Sachgrund der Befristung selbst durchschlagen.

aa) Zum Sachgrund der Befristung selbst gehört lediglich die Prognose des Arbeitgebers, daß es sich um einen vorübergehenden Mehrbedarf handelt, daß also im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses aufgrund hinreichend konkreter tatsächlicher Anhaltspunkte davon ausgegangen werden kann, daß der Mehrbedarf nur vorübergehender Natur ist, also in absehbarer Zeit die anfallende Arbeit wieder mit der normalen Belegschaftsstärke bewältigt werden kann.

Diese Prognose des künftigen Wegfalls des Mehrbedarfs überhaupt muß der Arbeitgeber stellen können; die Unsicherheit des Arbeitgebers, ob der Mehrbedarf von Dauer sein oder demnächst wegfallen werde, reicht als sachlicher Befristungsgrund nicht aus. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. z.B. Urteil vom 3. Dezember 1986, BAGE 54, 10 = AP Nr. 110 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag) sind Unsicherheiten in der künftigen Entwicklung des Arbeitsanfalls für sich allein nicht geeignet, die Befristung eines Arbeitsvertrags sachlich zu rechtfertigen. Dem Arbeitgeber ist beispielsweise nicht gestattet, Arbeitnehmer nur befristet einzustellen, weil er den Umfang künftiger Auftragseingänge nicht übersehen kann. Diese Unsicherheit gehört zum unternehmerischen Risiko des Arbeitgebers, das er nicht durch den Abschluß befristeter Arbeitsverträge auf seine Arbeitnehmer abwälzen kann. Dies gilt auch für den öffentlichen Dienst; auch hier kann allein die Unsicherheit der künftigen Bedarfsentwicklung die Befristung von Arbeitsverhältnissen nicht sachlich rechtfertigen.

Die danach an den Sachgrund der Befristung selbst zu stellenden Anforderungen sind indessen im Entscheidungsfalle erfüllt, was auch die Revision nicht in Zweifel zieht. Das Landesarbeitsgericht hat unangegriffen festgestellt, daß der Wegfall der durch die Umorganisation entstehenden zusätzlichen Belastungen nach dem Abschluß der Umstellung und einer Umgewöhnungszeit und damit der Wegfall des Bedarfs an zusätzlichen Arbeitskräften zu erwarten gewesen sei.

bb) Demgegenüber betrifft die Prognose, zu welchem genauen Zeitpunkt der Mehrbedarf wegfallen werde, die Frage der Dauer der Befristung. Greift der Arbeitgeber hierbei fehl, so liegt darin keine Umgehung des kündigungsschutzrechtlichen Bestandsschutzes, weil der Arbeitnehmer – wegen der feststehenden vorübergehenden Natur des Mehrbedarfs – auch bei einer Befristung, die zum der zutreffenden Prognose entsprechenden Beendigungszeitpunkt vereinbart worden wäre, keinen Kündigungsschutz gehabt hätte.

Nach den Grundsätzen der angeführten Senatsrechtsprechung zur Dauer der Befristung könnten sich daher Mängel der Prognose hinsichtlich des genauen Zeitpunkts des Wegfalls des Mehrbedarfs nur dann auf den Sachgrund der Befristung selbst auswirken, wenn sich aus diesen Mängeln ergeben würde, daß der Sachgrund – hier der vorübergehende Mehrbedarf – tatsächlich nicht vorlag oder lediglich vorgeschoben wurde. Hierfür gibt der Sachverhalt jedoch keine Anhaltspunkte. Vielmehr steht die Befristung gerade zum 31. Dezember 1988 auch angesichts der Ungesichertheit der Prognose der Beklagten über den genauen Zeitpunkt des Wegfalls des Mehrbedarfs an Arbeitskräften in der Aktenhaltung nicht im Widerspruch zu der Annahme, daß der Kläger tatsächlich zur Deckung des durch die Umorganisation ausgelösten Mehrbedarfs eingestellt worden war. Die Beklagte hat unwidersprochen vorgetragen, daß Erfahrungen über den Zeitraum eines derartigen Mehrbedarfs gefehlt hätten; die Beklagte sei davon ausgegangen, daß sich der Mehrbedarf allmählich verringern werde, wobei als letztmöglicher Zeitpunkt für den endgültigen Wegfall des Mehrbedarfs das Jahresende 1988 angenommen worden sei. Die Beendigungszeitpunkte der befristeten Arbeitsverträge seien daher gestaffelt worden; der Kläger gehöre zu denjenigen Arbeitnehmern, dem der letztmögliche Zeitpunkt (31. Dezember 1988) eingeräumt worden sei.

Hierbei handelt es sich um eine plausible Erklärung der Beklagten dafür, weshalb trotz Fehlens konkreter Anhaltspunkte für den Zeitpunkt des Wegfalls des Mehrbedarfs das Arbeitsverhältnis des Klägers auf den 31. Dezember 1988 befristet wurde. Durch diese Erklärung ist ein möglicher Widerspruch zwischen dem gewählten Beendigungszeitpunkt und dem Sachgrund der Befristung ausgeräumt, der einen Rückschluß darauf hätte zulassen können, der Sachgrund habe nicht vorgelegen oder sei lediglich vorgeschoben worden. Für das allein maßgebliche Vorliegen des Sachgrundes ist daher auch unerheblich, ob, wie die Revision meint, im Entscheidungsfalle die Wahl des Beendigungszeitpunkts 31. Dezember 1988 auf einer unzulänglichen oder gar fehlerhaften Prognose der Beklagten beruhte.

 

Unterschriften

Dr. Seidensticker, Schliemann, Dr. Steckhan, Dr. Gentz, Dr. Zachert

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1081310

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