Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingruppierung einer Gruppenleiterin in Behindertenwerkstatt

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Klägerin ist Kinderpflegerin mit sonderpädagogischer Zusatzausbildung; sie hat damit keine staatliche Anerkennung als Erzieherin

 

Normenkette

BAT-KF: Mitarbeiter in Werkstätten für Behinderte – Fallgruppen 9–13

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Urteil vom 14.08.1990; Aktenzeichen 7 Sa 623/90)

ArbG Rheine (Urteil vom 07.02.1990; Aktenzeichen 2 Ca 578/89)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 14. August 1990 – 7 Sa 623/90 – wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Klägerin ist seit dem 1. Januar 1981 bei der Beklagten, die eine Werkstatt für Behinderte unterhält, als Gruppenleiterin beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung der Bundes-Angestelltentarifvertrag in kirchlicher Fassung (BAT-KF) Anwendung. Die Klägerin erhält Vergütung nach VergGr. V c BAT-KF.

Die Klägerin hat nach dem Hauptschulabschluß im Jahre 1966 eine Ausbildung als Kinderpflegerin am 1. Juni 1969 mit Erfolg abgeschlossen. In der Zeit vom 1. Oktober 1971 bis zum 31. Mai 1976 war sie an einer Heimsonderschule für geistig behinderte Schüler als sonderpädagogische Assistentin tätig. Während dieser Zeit absolvierte sie eine viersemestrige sonderpädagogische Zusatzausbildung in Verhaltens- und Behindertenpädagogik an der Universität Mainz und schloß diese am 18. Juni 1975 mit der sonderpädagogischen Zusatzprüfung für sozialpädagogische Fachkräfte ab. In der Zeit vom 12. April 1977 bis zum 31. Dezember 1978 war die Klägerin als Erzieherin in einer pädagogisch-therapeutischen Kindertagesstätte und anschließend bis zum 31. Dezember 1980 als Erzieherin bei der Arbeiterwohlfahrt beschäftigt.

Bei der Beklagten erhielt die Klägerin zunächst Vergütung nach VergGr. VI b BAT-KF und seit dem Jahre 1983 Vergütung nach VergGr. V c BAT-KF.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, daß ihr zumindest seit dem 1. Januar 1989 Vergütung nach VergGr. V b BAT-KF zustehe. Sie erfülle das Tätigkeitsmerkmal der VergGr. V b in der Fallgruppe 13 der allgemeinen Vergütungsordnung zum BAT-KF für Mitarbeiter in Werkstätten für Behinderte (2.34). Dieses setze eine einjährige Eingruppierung und Bewährung in der VergGr. V c für Mitarbeiter der Fallgruppen 11 und 12 voraus. Sie gehöre zu den Mitarbeitern der Fallgruppe 11. Insoweit werde eine Ausbildung wie in den Fallgruppen 9 a) bis c) und eine anerkannte Zusatzausbildung (z.B. Werkstattleiterlehrgang oder heilpädagogische Zusatzausbildung) gefordert. Dazu hat die Klägerin die Auffassung vertreten, daß sie als „staatlich anerkannte Erzieherin” im Sinne der Fallgruppe 9 a) anzusehen sei, da sie aufgrund der sonderpädagogischen Zusatzprüfung als sozialpädagogische Fachkraft anerkannt worden sei. Jedenfalls verfüge sie aber über eine „gleichwertige Fachausbildung” im Sinne der Fallgruppe 9 c). Dies folge aus ihrer staatlichen Anerkennung als Kinderpflegerin, ihrer langjährigen Tätigkeit als sozialpädagogische Fachkraft und der erfolgreich abgeschlossenen Zusatzausbildung, die grundsätzlich nur Erziehern, Sozialpädagogen oder Sozialarbeitern offen stehe. Ihre Zusatzausbildung erfülle auch die Anforderungen der Fallgruppe 11, da sie einem Werkstattleiterlehrgang bzw. einer heilpädagogischen Zusatzausbildung zumindest gleichwertig sei. Ihre Tätigkeit hätte damit von Anfang an dem Tätigkeitsmerkmal der VergGr. V b BAT-KF Fallgruppe 11 entsprochen, so daß ihr nach mehrjähriger Bewährung zumindest seit dem 1. Januar 1989 Vergütung nach VergGr. V b BAT-KF zustehe.

Die Klägerin hat beantragt

festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihr rückwirkend zum 1. Januar 1989 eine Vergütung entsprechend der VergGr. V b BAT-KF zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, daß der Klägerin ein Anspruch auf Vergütung nach VergGr. V b BAT-KF nicht zustehe, da sie die Voraussetzungen der Fallgruppe 11 und damit diejenigen der Fallgruppe 13 nicht erfülle. Ihr fehle die staatliche Anerkennung als Erzieherin. Auch sei die Ausbildung zur Kinderpflegerin keine gleichwertige Fachausbildung. Außerdem verfüge sie nicht über die in Fallgruppe 11 geforderte anerkannte Zusatzausbildung. Ihre sonderpädagogische Zusatzausbildung reiche insoweit nicht aus, da sie sich speziell auf den Einsatz in Sonderschulen und damit auf den Umgang mit behinderten Kindern und Jugendlichen, nicht aber auf den mit behinderten Erwachsenen bezogen habe.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat mit Recht erkannt, daß der Klägerin ein Anspruch auf Vergütung nach VergGr. V b BAT-KF nicht zusteht.

Auf das Arbeitsverhältnis findet aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung der sog. Bundes-Angestelltentarifvertrag in kirchlicher Fassung (BAT-KF) Anwendung. Dabei handelt es sich nicht um einen Tarifvertrag im Sinne des Tarifvertragsgesetzes, sondern um eine einseitig von der Kirchenleitung gesetzte Ordnung der arbeitsvertraglichen Beziehungen, die in der Praxis allerdings wie ein Tarifvertrag behandelt wird (vgl. BAG Beschluß vom 5. Januar 1989 – 4 AZN 629/88 – AP Nr. 37 zu § 72 a ArbGG 1979 Grundsatz).

Auf die Regelungen des BAT-KF ist im Arbeitsvertrag Bezug genommen. Daraus folgert das Landesarbeitsgericht mit Recht, daß der Klägerin nicht nur die arbeitsvertraglich vereinbarte Vergütung nach VergGr. V c BAT-KF, sondern gegebenenfalls eine höhere Vergütung zusteht, wenn ihre Tätigkeit die entsprechenden Tätigkeitsmerkmale der allgemeinen Vergütungsordnung zum BAT-KF erfüllt (vgl. BAG Urteil vom 12. Dezember 1990 – 4 AZR 306/90 –, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen). Als solche kommen allein in Betracht:

2.3.4 Mitarbeiter in Werkstätten für Behinderte

Fallgruppe Tätigkeitsmerkmal Verg.-Gr.

9.

Mitarbeiter in Werkstätten für Behinderte(1)

a)

mit abgeschlossener Ausbildung als Handwerksmeister,

b)

mit staatlicher Anerkennung als Erzieher,

c)

mit gleichwertiger Fachausbildung,

d)

mit Gesellenbrief und anerkannter Zusatzausbildung².

VI b

11.

Mitarbeiter in Werkstätten für Behinderte mit einer Ausbildung wie in Fallgruppe 9 a bis c und anerkannter Zusatzausbildung (z.B. Werkstattleiterlehrgang der Lebenshilfe oder heilpädagogische Zusatzausbildung)(1)

V c

13

Mitarbeiter der Fallgruppen 11 und 12 nach einjähriger Eingruppierung und Bewährung in der VergGr. V c.

V b

Das Landesarbeitsgericht nimmt an, daß die Klägerin das Tätigkeitsmerkmal der VergGr. V b BAT-KF Fallgruppe 13 nicht erfüllt, weil sie nicht zu den in Fallgruppe 11 genannten Mitarbeitern gehöre. Dabei könne dahinstehen, ob sie die geforderte anerkannte Zusatzausbildung habe, weil sie schon nicht über die in den Fallgruppen 9 a bis c verlangte Ausbildung verfüge. Sie sei weder staatlich anerkannte Erzieherin (Fallgruppe 9 b), noch habe sie eine gleichwertige Fachausbildung (Fallgruppe c).

Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts ist zuzustimmen. Die Klägerin hat nicht die „staatliche Anerkennung” als Erzieherin. Mit der staatlichen Anerkennung wird eine die erfolgreiche Berufsausbildung zur Erzieherin abschließende staatliche Verleihung der Berechtigung, die Berufsbezeichnung „staatlich anerkannte Erzieherin” zu führen, verlangt (vgl. Blätter zur Berufskunde, 2 IV A 20, S. 42). Diese hat die Klägerin unstreitig nicht. Eine staatliche Anerkennung liegt entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht in der Zulassung und im Abschluß der sonderpädagogischen Zusatzausbildung. Die staatliche Anerkennung ist ein formeller Akt, der nicht durch die Zulassung zu anderweitigen Ausbildungen und deren erfolgreichen Abschluß ersetzt werden kann.

Zutreffend führt das Landesarbeitsgericht ferner aus, daß die Ausbildung der Klägerin als staatlich anerkannte Kinderpflegerin keine „gleichwertige Fachausbildung” im Sinne der Fallgruppe 9 c sei. Bei der Interpretation des Rechtsbegriffs der „gleichwertigen Fachausbildung” kann die Senatsrechtsprechung zum Rechtsbegriff der „gleichwertigen Fähigkeiten und Erfahrungen” herangezogen werden (vgl. BAG Urteil vom 29. September 1982 – 4 AZR 1161/79 – AP Nr. 66 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Danach muß es sich um eine Ausbildung handeln, die nicht dasselbe Wissen und Können vermittelt, wie die Ausbildung zur staatlich anerkannten Erzieherin, wohl aber eine ähnlich gründliche Beherrschung eines entsprechend umfangreichen Wissensgebietes.

Dies hat das Landesarbeitsgericht mit Recht verneint. Die Ausbildungen zur staatlich anerkannten Erzieherin und zur staatlich anerkannten Kinderpflegerin unterscheiden sich nach den Zugangsvoraussetzungen, den Inhalten und der Zielrichtung, wie das Landesarbeitsgericht eingehend ausführt und auch der Senat im Urteil vom 15. Februar 1984 (– 4 AZR 497/81 – AP Nr. 84 zu §§ 22, 23 BAT 1975) deutlich gemacht hat. Die Ausbildung zur Kinderpflegerin ist darauf gerichtet, diejenigen Kenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln, die zur Unterstützung sozialpädagogischer Fachkräfte, wie Erziehern, notwendig sind (Blätter zur Berufskunde, 2 IV A 12, S. 1). Sie führt damit nicht zur Beherrschung eines entsprechend umfangreichen Wissensgebietes wie eine Erzieherausbildung. Dies kommt, wie das Landesarbeitsgericht mit Recht ausführt, auch in der geringeren tariflichen Bewertung der Tätigkeiten von Kinderpflegern in den tariflichen Bestimmungen der Anl. 1 a zum BAT zum Ausdruck. Mit Recht verweist das Landesarbeitsgericht auch darauf, daß in Fallgruppe 9 c allein an die Ausbildung, nicht aber an die Art der Tätigkeit angeknüpft wird. Daraus folgt, daß die langjährigen praktischen Erfahrungen der Klägerin als Erzieherin die Anforderungen hinsichtlich des formalen Ausbildungsabschlusses nicht ersetzen können.

Der erfolgreiche Abschluß der sonderpädagogischen Zusatzausbildung läßt ebenfalls nicht den Schluß zu, daß die Klägerin eine „gleichwertige Fachausbildung” im Sinne der Fallgruppe 9 c hat. Zu der Zusatzausbildung sind grundsätzlich nur Erzieher, Sozialpädagogen oder Sozialarbeiter zugelassen. Dies zeigt, daß grundsätzlich eine entsprechende Fachausbildung, auf der die Zusatzausbildung aufbaut, vorliegen muß. Die Zusatzausbildung vermittelt damit nicht die der einschlägigen Fachausbildung entsprechenden Fähigkeiten und Kenntnisse, sondern Spezialkenntnisse auf einem eng begrenzten Teilgebiet, hier auf dem Gebiete der sonderpädagogischen Tätigkeit in Sonderschulen. Auch wenn die Klägerin aufgrund einer Ausnahmegenehmigung zu der Zusatzausbildung zugelassen worden ist, läßt ihre erfolgreiche Teilnahme an der Weiterbildungsmaßnahme nur auf den Erwerb entsprechenden speziellen Wissens und Könnens schließen, ersetzt aber nicht eine entsprechende Grundausbildung.

Erfüllt die Klägerin damit nicht die Ausbildungsanforderungen der Fallgruppe 9 b oder c, so kann dahinstehen, ob ihre sonderpädagogische Zusatzausbildung einer anerkannten Zusatzausbildung, insbesondere einer heilpädagogischen Zusatzausbildung im Sinne der Fallgruppe 11 – wofür vieles spricht –, gleichsteht.

Die Klägerin hat die Kosten ihrer erfolglosen Revision nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

 

Unterschriften

Schaub, Dr. Etzel, Dr. Freitag, Schamann, Dr. Apfel

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1070647

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