Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch auf teilweise Rückgewähr eines Vorschußes

 

Orientierungssatz

Wer Geld als Vorschuß nimmt, verpflichtet sich damit, den Vorschuß dem Vorschußgeber zurückzuzahlen, wenn und soweit eine bevorschußte Forderung gegen den Vorschußgeber nichts oder nicht zeitgerecht entsteht (ständige Rechtsprechung, zuletzt BAG Urteil vom 28.6.1965 3 AZR 86/65 = AP Nr 3 zu § 614 BGB Gehaltsvorschuß).

Die Rückzahlungsforderung des Arbeitgebers ist insoweit kein tariflicher, sondern ein vertraglicher Anspruch.

 

Normenkette

BGB § 614

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Entscheidung vom 08.02.1984; Aktenzeichen 2 Sa 2343/83)

ArbG Siegen (Entscheidung vom 02.09.1983; Aktenzeichen 2 Ca 557/83)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin einen von ihr auf seinen Lohn und die Urlaubsvergütungen erhaltenen Vorschuß teilweise zurückzuerstatten.

Der Kläger war vom 21. April bis zum 9. Juli 1982 bei der Beklagten als Drucker beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fanden kraft beiderseitiger Organisationszugehörigkeit die Tarifverträge für die Druckindustrie, insbesondere der Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer der Druckindustrie im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (einschließlich Berlin- West) in der ab dem 1. Januar 1979 geltenden Fassung (in Zukunft MTV) Anwendung. Dessen hier interessierende Bestimmungen lauten wie folgt:

"Durchführungsbestimmungen zu § 11

(2) .....

Kündigt nach einem im Sinne des Absatzes 1 zum

Teil vorschußweise gewährten Urlaub im Laufe

eines Kalenderjahres der Arbeitgeber, ist der

auf den restlichen Teil des Kalenderjahres ent-

fallende Vorschuß auf die Urlaubsbezahlung eben-

falls endgültig zugunsten des Arbeitnehmers ver-

fallen. Letzteres gilt jedoch nicht, wenn die

Kündigung des Arbeitgebers auf Verschulden des

Arbeitnehmers beruht, welches den Arbeitgeber zur

fristlosen Entlassung berechtigen würde. In die-

dem Falle kann der auf den restlichen Teil des

Kalenderjahres entfallende Vorschuß auf die Ur-

laubsbezahlung seitens des Arbeitgebers zurück-

gefordert bzw. bei der letzten Lohnzahlung einbe-

halten werden.

.....

§ 13 Ausschlußfristen für die Geltendmachung

tariflicher Ansprüche

1. Ansprüche aus dem Manteltarifvertrag und den

Lohntarifverträgen sind wie folgt geltend zu

machen:

a) Ansprüche auf tarifliche Zuschläge und Antritts-

gebühren innerhalb von 2 Wochen nach Vorliegen

der Lohnabrechnung, bei der sie hätten abgerech-

net werden müssen.

b) Sonstige tarifliche Geldansprüche innerhalb von

8 Wochen nach dem Zeitpunkt, an dem sie hätten

erfüllt werden müssen.

2. Eine Geltendmachung nach Ablauf der unter Ziffer 1

festgesetzten Fristen ist ausgeschlossen.

3. Ist ein tariflicher Anspruch rechtzeitig geltend

gemacht und lehnt der andere Teil seine Erfüllung

ab, muß der Anspruch innerhalb von 12 Wochen seit

der ausdrücklichen Ablehnung rechtshängig gemacht

werden. Eine spätere Klageerhebung ist ausgeschlos-

sen."

Der Stundenlohn des Beklagten betrug 13,04 DM brutto.

Am Freitag, dem 9. Juli 1982, gewährte die Klägerin dem Beklagten, obwohl die hierfür erforderliche sechsmonatige Wartezeit noch nicht erfüllt war, Urlaub bis zum 23. Juli 1982. Darüber hinaus zahlte die Klägerin ihm gegen Quittung 2.000,-- DM (netto) mit dem Bemerken "Abschlag: Lohn/Urlaubsgeld Juli 1982". Am 23. Juli 1982 schickte der Beklagte der Klägerin ein Telegramm mit dem Inhalt, daß er erst am 2. August wegen eines Termins in Bukarest die Arbeit wieder aufnehmen könne. Der Beklagte nahm die Arbeit weder am 2. August noch in der Folgezeit wieder auf.

Daraufhin kündigte die Klägerin das Arbeitsverhältnis mit dem Beklagten mit Schreiben vom 5. August 1982 und erteilte gleichzeitig eine Abrechnung über den dem Beklagten gezahlten Vorschuß, die mit einem Guthaben der Klägerin in Höhe von 1.185,22 DM endete.

Mit Schreiben vom 10. November 1982 nahm der Beklagte zu dem Schreiben der Klägerin wie folgt Stellung:

"1) Stellen Sie eine genaue Abrechnung aus, Ihre

weist erhebliche Mängel auf.

Ich beanspruche für die gesamte Arbeitsdauer

bei Ihnen die tariflich abgesicherten Überstd.-

Zuschläge.

2) An meinem letzten Arbeitstag 12.7.82 weist

mein Tageszettel 1/2 Url.-Tag aus, trifft

aber nicht zu, da Sie angeordnet haben, daß

ich den Blickpunkt fertig drucke. Haben ja

erst gegen 16.00 das Geld von der Kasse

geholt.

Senden Sie mir an obige Anschrift mein Versiche-

rungsheft und Lohnsteuerkarte, sowie die neue

Abrechnung. Sollte ich in den nächsten 14 Tg.

nicht im Besitz der Unterlagen sein, so werde

ich die mir dadurch bei dem Arbeitsamt entste-

henden finanziellen Nachteile gegen Ihre Forde-

rung aufrechnen."

Die Klägerin übersandte dem Beklagten daraufhin mit Schreiben vom 15. November 1982 dessen Arbeitspapiere und eine berichtigte Abrechnung, die mit einem Guthaben der Klägerin in Höhe von 1.126,56 DM abschließt, mit folgendem Zusatz:

"Weitere Forderungen erkennen wir nach Rück-

sprache mit dem Verband der Druckindustrie,

Herrn H , nicht an. Unsere Forderungen aus

dem Vorschuß in Höhe von 1.126,56 DM an Sie sind

durch Mahnbescheid beantragt."

Der Beklagte antwortete darauf mit Schreiben vom 5. Dezember 1982 an die Klägerin u. a. was folgt:

"Da Ihre nun mir zugesandte Abrechnung weiter-

hin unvollständig ist, werde ich Ihre Forderungen

nicht anerkennen und sobald mir der Mahnbescheid

zugeht, dagegen Einspruch erheben.

Halten Sie sich erst mal an die Ihnen mir gemach-

ten Zusagen (14,34 DM Stundenlohn) + Überstunden-

zuschläge. Danach bin ich erst bereit, Ihnen die

Überbezahlung zu überweisen."

Die Klägerin ließ ihre Forderung unter dem 29. Dezember 1982 durch ein Inkassobüro anmahnen. Der Beklagte lehnte die Zahlung mit Schreiben vom 4. Januar 1983 ab.

Mit der am 23. März 1983 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage machte die Klägerin daraufhin ihren Anspruch auf Zahlung der 1.126,56 DM gerichtlich geltend.

Die Klägerin hat vorgetragen, der Beklagte habe seine Arbeit nach dem ihm bewilligten Urlaub nicht wieder aufgenommen; das Arbeitsverhältnis sei deshalb aufgrund seines Vertragsbruchs beendet worden. Aus der vorzeitigen Auflösung des Arbeitsvertrages ergebe sich die geltend gemachte Überzahlung, die der Beklagte zu erstatten habe. Die Rückzahlungsverpflichtung von Vorschüssen auf die Urlaubsbezahlung sei unter Nr. 2 der Durchführungsbestimmungen zu § 11 des Manteltarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer der Druckindustrie geregelt. Gegenansprüche stünden dem Beklagten nicht zu. Seine Behauptung, 35 Überstunden geleistet zu haben, sei unzutreffend. Soweit der Beklagte behauptet habe, ihm seien keine Zuschläge gezahlt worden, sei sein Vortrag unsubstantiiert. Eine Vereinbarung des Inhalts, daß er ab Juni 1982 einen um 1,30 DM höheren Stundenlohn erhalten sollte, sei nicht getroffen worden. Im übrigen seien etwaige Forderungen des Beklagten, die sie mit ihrem Schreiben vom 15. November 1982 abgelehnt habe, nach § 13 Nr. 3 MTV Druckindustrie verfallen.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie

1.126,56 DM nebst 4 % Zinsen seit dem

28. März 1983 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat geltend gemacht, ihm sei zwar klar, daß er noch etwas zahlen müsse. Er habe jedoch Gegenforderungen, weil auch die Klägerin den Arbeitsvertrag nicht eingehalten habe, insbesondere habe er Anspruch auf Zuschläge für den Monat Juni 1982 und für von ihm geleistete Überstunden. Darüber hinaus stehe ihm weiteres Urlaubsentgelt und tarifliches Urlaubsgeld zu, insgesamt habe er eine Forderung gegen die Klägerin von 2.190,72 DM brutto. Schließlich sei die Forderung der Klägerin auch gemäß § 13 Nr. 3 MTV verfallen. Er habe sowohl dem Inkassobüro als auch der Klägerin am 10. November 1982 unmißverständlich mitgeteilt, daß er die Zahlung verweigere. Mithin hätte die Klägerin innerhalb von zwölf Wochen ihren Anspruch gerichtlich geltend machen müssen. Dies sei jedoch unterblieben. Die Klageschrift datiere nämlich erst vom 21. März 1983. Die Verfallvorschrift des § 13 Nr. 3 MTV sei hier anwendbar, da die Klägerin einen tariflichen Anspruch gegen ihn erhebe.

Das Arbeitsgericht hat der Klageforderung entsprochen. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageanspruch weiter. Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht.

I. 1. Nach § 11 Nr. 5 des MTV hat der Arbeitnehmer Anspruch auf eine Urlaubszahlung, bestehend aus dem Durchschnittslohn und dem zusätzlichen Urlaubsgeld. Er hat ferner Anspruch auf die Auszahlung einer angemessenen Pauschale bei Antritt seines Urlaubs. Die endgültige Abrechnung der Urlaubszahlung erfolgt nach dieser Vorschrift zum Zeitpunkt der nächsten Lohnabrechnung.

Die dazu ergangenen Durchführungsbestimmungen, die ebenfalls Gegenstand des MTV sind, bestimmen unter Nr. 2 Abs. 3 Satz 2, daß der Arbeitgeber einen auf den restlichen Teil des Kalenderjahres entfallenden Vorschuß auf die Urlaubszahlung zurückfordern kann, wenn das Arbeitsverhältnis aufgrund seiner Kündigung, die auf Verschulden des Arbeitnehmers beruht und ihn zur fristlosen Entlassung berechtigen würde, vorzeitig endet.

Damit ist nicht nur der Anspruch des Arbeitnehmers auf Urlaubsgeld ein tariflicher Anspruch, sondern gegebenenfalls auch der Rückzahlungsanspruch des Arbeitgebers. Er unterliegt damit ohne weiteres der Ausschlußklausel des § 13 Nr. 1 b des MTV. Dort ist bestimmt, daß u. a. sonstige tarifliche Geldansprüche aus dem MTV innerhalb von acht Wochen nach dem Zeitpunkt geltend gemacht werden müssen, an dem sie zu erfüllen gewesen wären. Nach § 13 Nr. 3 MTV ist ein rechtzeitig geltend gemachter tariflicher Anspruch, dessen Erfüllung vom anderen Teil abgelehnt worden ist, innerhalb von zwölf Wochen seit der ausdrücklichen Ablehnung rechtshängig zu machen; eine spätere Klageerhebung ist ausgeschlossen.

2. Die Klägerin hat nach ihrem eigenen Vortrag etwa 2/3 des Abschlags über 2.000,-- DM netto auf den Urlaubslohn und das zusätzliche Urlaubsgeld gezahlt, während das restliche Drittel als ein Lohnvorschuß anzusehen sei. Wie die Klägerin weiterhin selbst vorgetragen hat, hat sie mit dem Abschlag auf die Urlaubszahlung den Anspruch des Beklagten auf eine Pauschale nach § 11 Nr. 5 MTV erfüllt. Diesen Teil des Vorschusses hätte sie also innerhalb der Fristen des § 13 MTV geltend machen bzw. bei Ablehnung durch den Beklagten einklagen müssen.

3. a) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, daß die Klägerin es versäumt hat, ihren insoweit rechtzeitig geltend gemachten Anspruch innerhalb von zwölf Wochen seit dessen ausdrücklicher Ablehnung durch den Beklagten rechtshängig zu machen. Mit dem Landesarbeitsgericht ist davon auszugehen, daß der Beklagte den Anspruch der Klägerin spätestens mit seinem Schreiben vom 5. Dezember 1982 endgültig abgelehnt hat. Er hat dort unmißverständlich ausgeführt, er werde die Forderung der Klägerin nicht anerkennen und gegen den Mahnbescheid nach dessen Zugang Einspruch erheben. Sein Hinweis darauf, daß er eine etwaige Überzahlung zurückzuzahlen bereit sei, wenn die Klägerin seine höhere Lohnforderung und die von ihm geltend gemachten Überstunden-Zuschläge berücksichtige, ändert daran nichts. Die Klägerin hat dies zuvor bereits mit dem Schreiben vom 15. November 1982 ausdrücklich und eindeutig abgelehnt. Die Frist zur Klageerhebung lief damit Ende Februar 1983 ab.

b) Entgegen der Auffassung der Revision kann das Schreiben des Beklagten vom 5. Dezember 1982 auch berücksichtigt werden, obwohl es ausdrücklich nur in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils und nicht auch im Tatbestand erwähnt ist. Abgesehen davon, daß sich das nach § 561 ZPO zu berücksichtigende Parteivorbringen auch aus den Entscheidungsgründen ergeben kann, hat das Landesarbeitsgericht im Tatbestand auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Das Schreiben des Beklagten vom 5. Dezember 1982 hat die Klägerin aber selbst als Anlage 10 ihrem Schriftsatz vom 11. Januar 1984 beigefügt.

4. Welchen Anteil die Urlaubsbezahlung an dem Vorschuß hat, läßt sich in der Revisionsinstanz mangels entsprechender Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht feststellen, insbesondere weil der Vorschuß netto gewährt wurde, der Beklagte aber nur Anspruch auf Bruttobeträge hinsichtlich der Urlaubszahlung hat. Das Landesarbeitsgericht wird die entsprechenden Feststellungen nachzuholen haben.

II. 1. Soweit die Klägerin mit dem Abschlag vom 9. Juli 1982 einen Vorschuß auf zukünftige Lohnansprüche des Beklagten geleistet hat, handelt es sich bei dessen Rückforderung dagegen nicht um einen tariflichen Anspruch. Er unterfällt deshalb nicht der Ausschlußklausel des § 13 MTV.

§ 13 MTV will schon nach seiner Überschrift nur Ansprüche tariflicher Natur erfassen. Dies wird darüber hinaus besonders deutlich an dem Wortlaut von Nr. 1, wonach nur "Ansprüche aus dem Manteltarifvertrag und Lohntarifverträgen" in den dort niedergelegten Fristen geltend zu machen sind. Das gleiche ergibt sich aus dem übrigen Wortlaut, wo ständig nur von tariflichen Ansprüchen die Rede ist.

Der Beklagte hat aber selbst nicht behauptet, daß er nach dem MTV oder den einschlägigen Lohntarifverträgen einen Anspruch auf Vorschuß auf den zukünftig fällig werdenden Lohn hat.

2. Der Rückzahlungsanspruch der Klägerin hinsichtlich des Lohnvorschusses ergibt sich vielmehr aus der Vorschußvereinbarung. Wer Geld als Vorschuß nimmt, verpflichtet sich damit, den Vorschuß dem Vorschußgeber zurückzuzahlen, wenn und soweit eine bevorschußte Forderung gegen den Vorschußgeber nicht oder nicht zeitgerecht entsteht (ständige Rechtsprechung, zuletzt BAG Urteil vom 28. Juni 1965 - 3 AZR 86/65 - AP Nr. 3 zu § 614 BGB Gehaltsvorschuß, zu 3 der Gründe m. w. N.). Die Rückzahlungsforderung der Klägerin ist insoweit also kein tariflicher, sondern ein vertraglicher Anspruch. In welcher Höhe es sich bei dem Abschlag um verdienten Lohn für die ersten sieben Arbeitstage handelt und welcher Vorschußanteil darin steckt, hat das Landesarbeitsgericht ebenfalls nicht festgestellt. Auch insoweit kann der Senat daher keine abschließende Entscheidung treffen (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).

Dr. Thomas Michels-Holl Schneider

Dr. Kalb Halberstadt

 

Fundstellen

Dokument-Index HI439840

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