Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingruppierung in der Frühförderung. Eingruppierung von Erzieherinnen mit staatlicher Anerkennung oder sonstigen Angestellten mit gleichwertigen Fähigkeiten und Erfahrungen in der Frühförderung

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Erzieherin mit staatlicher Anerkennung und sonderpädagogischer Zusatzausbildung oder eine sonstige Angestellte mit “gleichwertigen Fähigkeiten” und “Erfahrungen” in der Tätigkeit einer Frühförderin oder Früherzieherin in einer Frühförderstelle erfüllen in der Regel die Tätigkeitsmerkmale der VergGr. Vc Fallgr. 5 BAT/VKA.

 

Normenkette

BAT 1975 §§ 22-23; Anlage 1a VergGr. VIb, Vc, Vb “Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst” BAT/VKA vom 19. Juni 1970 in der Neufassung vom 24. April 1991

 

Verfahrensgang

LAG Saarland (Urteil vom 20.10.1993; Aktenzeichen 2 Sa 102/93)

ArbG Saarlouis (Urteil vom 11.05.1993; Aktenzeichen 2 Ca 52/93)

 

Tenor

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung der Klägerin nach der Anl. 1a zum BAT/VKA, insbesondere darüber, ob die Klägerinnen nach VergGr. Vb der Vergütungsgruppen für Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst im Wege des Bewährungsaufstiegs aus der VergGr. Vc Fallgr. 5 zu vergüten sind. Außerdem machen die Klägerinnen die Differenzbeträge zwischen der beanspruchten Vergütung nach VergGr. Vb und der erhaltenen Vergütung nach VergGr. Vc BAT/VKA für den Zeitraum vom 1. April 1991 bis einschließlich 31. März 1993 geltend.

Die am 13. Januar 1953 geborene Klägerin zu 1) ist Diplom-Psychologin. Sie besitzt eine sonderpädagogische Zusatzausbildung. Sie steht seit dem 16. März 1984 als “Therapeutin für die Frühförderstelle für geistig Behinderte” in einem Teilzeitarbeitsverhältnis zu dem beklagten Verein.

Die am 5. Oktober 1956 geborene Klägerin zu 2) ist ausgebildete Erzieherin mit staatlicher Anerkennung. Sie verfügt über eine sonderpädagogische Zusatzausbildung. Sie ist seit 1. August 1984 bei dem beklagten Verein “als Erzieherin in der Frühförderstelle” beschäftigt.

Die Klägerin zu 3) ist am 8. Juli 1958 geboren. Sie ist ausgebildete Erzieherin mit staatlicher Anerkennung und verfügt über eine sonderpädagogische Zusatzausbildung. Seit 1. Oktober 1982 ist sie bei dem beklagten Verein als “Erzieherin in der Frühförderstelle” tätig.

Die am 4. November 1956 geborene Klägerin zu 4) ist ausgebildete Erzieherin mit staatlicher Anerkennung mit einer sonderpädagogischen Zusatzausbildung. Sie ist am 1. September 1979 bei dem beklagten Verein als “Erzieherin für geistig Behinderte” eingestellt worden.

Nach den zuletzt geschlossenen Arbeitsverträgen richtet sich das jeweilige “Dienstverhältnis” nach den Vorschriften des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) vom 23. Februar 1961 und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen mit Ausnahme der Vorschriften über die betriebliche Altersversorgung.

Die Klägerinnen sind als Erzieherinnen in der Frühförderstelle des beklagten Vereins beschäftigt, der im Bereich der “Lebenshilfe für geistig Behinderte” tätig ist.

Das Ziel der Frühförderung umfaßt die Früherkennung und Frühbehandlung entwicklungsverzögerter, behinderter und von Behinderung bedrohter Kinder vom Säuglings- bis zum Schulalter. Die Tätigkeit der Klägerinnen besteht in der Einzelbetreuung dieser Kinder zu Hause unter Einbeziehung der Eltern in die Therapie.

Die Kosten der Frühförderung werden nach dem Bundessozialhilfegesetz von dem örtlichen Träger der Sozialhilfe übernommen.

Eine Frühförderin arbeitet mit 10 bis 12 Familien, insgesamt 22 Behandlungseinheiten pro Woche – die teilzeitbeschäftigte Klägerin zu 1) entsprechend weniger –. Die Behandlungseinheiten je Kind richten sich nach dem Grad der Behinderung oder der Entwicklungsverzögerung und differieren zwischen 1 bis 3 Behandlungseinheiten pro Woche. Eine Behandlungseinheit umfaßt 105 Minuten. Davon sind mindestens 45 Minuten Therapie in der Familie. Die restliche Zeit wird benötigt für schriftliche Vor- und Nachbereitung der Therapie, Ein- und Auspacken von Spielmaterial, Fahrwege, Teamarbeit, interdisziplinäre Zusammenarbeit, Berichtswesen, Abrechnungen, Besprechungen sowie Kontakte mit anderen Institutionen.

Der beklagte Verein vergütet die Klägerinnen seit 16. März 1986 bzw. 1. August 1984 bzw. 1. April 1984 bzw. 1. Januar 1981 nach VergGr. Vc BAT. Die Klägerinnen begehrten mit Schreiben vom 13. September 1991 erfolglos Vergütung nach VergGr. Vb BAT für die Zeit ab 1. April 1991. Mit den beim Arbeitsgericht am 20. Januar 1993 eingegangenen Klagen, die vom Arbeitsgericht verbunden worden sind, verfolgen die Klägerinnen weiter ihr Ziel, Vergütung entsprechend der VergGr. Vb BAT zu erhalten. Außerdem haben sie die jeweiligen Vergütungsdifferenzen für die Zeit ab 1. April 1991 bis 31. März 1993 geltend gemacht.

Die Klägerinnen haben die Ansicht vertreten, die Arbeit in der Frühförderung stelle besonders hohe Anforderungen an die physische und psychische Belastbarkeit der Erzieherin. Gründe hierfür seien das offene, mit anderen Diensten kooperierende System der Frühförderung, die notwendig hohe Flexibilität, das immer wieder neu Sich-einstellen-müssen auf Normen und Werte der einzelnen Familien, die erforderliche Methodenvielfalt. Neben der beruflichen Qualifikation sei ein hohes Maß an Fort- und Weiterbildung nötig. An Sensibilität und persönliche Reife würden erhebliche Ansprüche gestellt. Die besonders schwierige fachliche Tätigkeit in der Frühförderung ergebe sich aus der großen Spannbreite der zu betreuenden Kinder, die alle Arten schwerer Behinderungen, aber auch Entwicklungsverzögerungen durch psychische Faktoren umfasse. Bei der Therapie in der Familie müsse ein Förderkonzept in Zusammenarbeit mit den Eltern erarbeitet werden. Dabei müßten die Eltern bei der Akzeptanz und Verarbeitung der Behinderung ihres Kindes unterstützt werden. Entwicklungshemmende Erziehungsstile müßten aufgedeckt werden. Bei dem individuellen und situativen Arbeiten mit dem Kind würden Eltern und kindliche Geschwister mit einbezogen, wobei vielfältige pädagogische Spielangebote mit dem Ziel der ganzheitlichen Förderung des Kindes gemacht würden, die die Bereiche Grob- und Feinmotorik, Wahrnehmung, Sprache, Konzentrationsfähigkeit und Sozialverhalten zusammenwirken ließen. Die Aufgabenstellung der Frühförderung sei so komplex, daß verschiedene Fachdisziplinen zusammenwirken müßten. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit erfasse Kindergärten, Logopäden, Krankengymnasten, Ergotherapeuten, Psychologen, Ärzte und pädiatrische Zentren. Erzieherinnen in der Frühförderung müßten sowohl medizinische als auch psychologische Zusammenhänge verstehen und interpretieren können. Die Arbeit in einer Familie setze auch detallierte Kenntnisse der Sozialarbeit (Persönlichkeitsstrukturen, Gesprächsführung, Beratung) voraus. Sie leisteten ihre Arbeit an Personen, die Eingliederungshilfe erhielten, weil sie nicht nur vorübergehend körperlich, geistig oder seelisch wesentlich behindert oder von einer Behinderung bedroht seien (§§ 39, 40 BSHG). Die Frühförderung zähle zu dem Bereich heilpädagogischer Maßnahmen für Kinder, die noch nicht im schulpflichtigen Alter seien (§ 40 Abs. 1 Nr. 2a BSHG). Um dem behinderten oder dem entwicklungsverzögerten Kind zu einer bestmöglichen Entfaltung und Aktivierung seiner Fähigkeiten zu verhelfen, müsse die Förderung so früh wie möglich einsetzen. Das bedeute, daß die Tätigkeit der Frühförderung beginnen müsse, bevor ein Kind eine Institution besuche und bevor es gruppenfähig sei. Ebenso wichtig wie die individuelle Förderung des Kindes und seine Vorbereitung auf eine spätere Integration in eine Gruppe sei auch die Arbeit mit den Eltern, um zu verhindern, daß die Familie in Resignation oder Isolation verfalle. Die Zusammenarbeit mit den Eltern stelle keine Entlastung der Frühförderung dar. Vielmehr habe die Erzieherin gegen Ängste, Vorurteile, extreme Stimmungsschwankungen, überhöhte Erwartungen und Spannungen innerhalb der Familie anzukämpfen. Da in der Erzieherausbildung die Bereiche Sonder- und Heilpädagogik eine eher untergeordnete Rolle spielten, würden die Erzieherinnen in der Frühförderung sehr oft von Kindergärten als Ansprechpartnerinnen bei behinderten oder entwicklungsverzögerten Kindern angesehen. Hier werde dann die Frühförderung im Kindergarten notwendig, wobei der Anteil an der Gesamtarbeitszeit etwa 30 % ausmache. Auch ohne Gruppenbezug sei die Tätigkeit der Klägerinnen eine besonders schwierige fachliche Tätigkeit. Gruppenarbeit stelle die Normalität dar. Das zeigten die Beispiele in der Protokollerklärung Nr. 6 Buchst. a und Buchst. b. Die Tätigkeit in der Integrationsgruppe sei deshalb herausgehoben, weil in dieser Gruppe sowohl behinderte als auch nicht behinderte Kinder gemeinsam gefördert würden, wobei der Anteil der behinderten Kinder i.S. des § 39 BSHG mindestens bei einem Drittel liegen müsse. Liege der Anteil darunter, handele es sich i.S. des Tarifvertrages um eine “normale” Gruppe, bei der das Heraushebungsmerkmal eben nicht gegeben sei. Im Beispiel Buchst. b werde nicht die Gruppenarbeit herausgehoben, sondern, daß die Tätigkeit mit Behinderten i.S. des § 39 BSHG stattfinde. Bei der Tätigkeit in geschlossenen (gesicherten) Gruppen im Beispiel Buchst. d ergebe sich die Heraushebung aus dem besonderen Personenkreis und den damit einhergehenden Gefährdungen. Die Tarifvertragsparteien seien wohl davon ausgegangen, daß Erziehungsarbeit grundsätzlich in Gruppen stattfinde. Gruppenarbeit sei als solche nicht Heraushebungsmerkmal, sondern die sozialtherapeutische Ausgangslage. Die Tätigkeit der Klägerinnen sei im fachlichen Schwierigkeitsgrad mit den Beispielstätigkeiten der Protokollnotiz Nr. 6 vergleichbar. Die Vergleichbarkeit ergebe sich daraus, daß die Klägerinnen ebenfalls Personen i. S. des § 39 BSHG und der Eingliederungshilfe-Verordnung nach § 47 BSHG betreuten, die körperlich, geistig oder seelisch wesentlich behindert seien. Jedenfalls ergebe sich der Anspruch im Wege der Ausfüllung einer unbewußten Tariflücke. Die Individualförderung rangiere gleichrangig mit der Gruppenarbeit i.S. der Protokollerklärung Nr. 6 zu VergGr. Vc BAT.

Die Klägerinnen haben zuletzt beantragt

festzustellen, daß der beklagte Verein verpflichtet ist, den Klägerinnen ab dem 1. April 1991 Vergütung nach VergGr. Vb BAT zu zahlen;

den beklagten Verein zu verurteilen, an die Klägerin zu 1) 8.016,19 DM brutto,

an die Klägerin zu 2) 8.720,90 DM brutto,

an die Klägerin zu 3) 8.625,07 DM brutto,

und an die Klägerin zu 4) 8.854,21 DM brutto

jeweils nebst 4 % Zinsen seit dem 6. April 1993 zu zahlen.

Der beklagte Verein hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, die Klägerinnen seien in VergGr. Vc Fallgr. 7 BAT zutreffend eingruppiert. Sie verrichteten zwar im Einzelfall auch schwierige, aber keine besonders schwierige fachliche Tätigkeit. Ansonsten verrichteten sie nur die normale Tätigkeit einer Erzieherin. Die Einzelbetreuung durch die Klägerinnen unterscheide sich gravierend von der Betreuung von Gruppen von Behinderten in der Tagesstätte und im Wohnheim, wobei der einzelnen Gruppe bis zu 14 behinderte Kinder angehörten. Die Tätigkeit dieser Mitarbeiter betreffe den gesamten Lebensbereich der behinderten Kinder, wobei eine Rundumbetreuung durchgeführt werde einschließlich aller Samstage, Sonntage und Feiertage 24 Stunden täglich. Naturgemäß müßten diese Mitarbeiter Wechselschicht fahren. Die Klägerinnen betreuten dagegen im Rahmen der Frühförderung jeweils nur ein einziges Kind in der Wohnung der Eltern. Die Behandlungseinheit von jeweils 105 Minuten pro Kind umfasse auch die An- und Abfahrt mit dem PKW, die sich anschließende Berichterstattung und in regelmäßigen Abständen auch eine Teambesprechung. Der Zeitaufwand für das zu betreuende Kind selbst betrage allenfalls 45 Minuten pro Behandlungseinheit. Eine Regelungslücke liege nicht vor. Die Frühförderung sei zwar ein relativ junger Tätigkeitsbereich der Sonderpädagogik, die etwa seit 1975 durchgeführt werde. Es handele sich aber nicht um eine Minderheit im Erziehungsbereich. Allein die Frühförderstellen der Lebenshilfe beschäftigten bundesweit über 6000 Personen. Bei der Neufassung der Anl. 1a zum BAT – gültig ab 1. Januar 1991 – seien sowohl die Tätigkeitsmerkmale als auch die Protokollerklärung unverändert übernommen worden. Daraus ergebe sich, daß auch die Tarifvertragsparteien bei der Neufassung nicht von einer Regelungslücke ausgegangen seien.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Klägerinnen das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und der Klage stattgegeben, die Zinsen allerdings nur “aus den sich ergebenden Nettobeträgen” zugesprochen. Mit der Revision verfolgt der beklagte Verein seinen Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerinnen beantragen, die Revision des beklagten Vereins zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

I. Die Klage ist zulässig.

1. Die Klägerinnen haben eine der allgemein üblichen Eingruppierungsfeststellungsklagen erhoben. Für solche Klagen besteht auch außerhalb des öffentlichen Dienstes – die Lebenshilfe ist privatrechtlich organisiert – das nach § 256 ZPO erforderliche besondere Feststellungsinteresse (Senatsurteile vom 25. September 1991 – 4 AZR 87/91 – AP Nr. 7 zu § 1 TVG Tarifverträge: Großhandel, zu I der Gründe; vom 26. Mai 1993 – 4 AZR 358/92 – AP Nr. 2 zu § 12 AVR Caritasverband, zu B I der Gründe; vom 4. Mai 1994 – 4 AZR 443/93 –, n.v., zu I der Gründe). Im übrigen hat der beklagte Verein in der Gütesitzung am 2. März 1993 vor dem Arbeitsgericht zu Protokoll erklärt, daß er sich ggf. auch einem Feststellungsurteil beugen werde.

2. Die im Wege der Klageerweiterung erhobene Leistungsklage auf die Vergütungsdifferenzen für die Zeit vom 1. April 1991 bis einschließlich 31. März 1993 ist zulässig (§ 264 Nr. 2 ZPO; arg. § 12 Abs. 7 ArbGG).

Die Revision ist insoweit nicht schon deswegen begründet, weil die Berufung der Klägerinnen insoweit unzulässig gewesen wäre.

Die Klägerinnen haben in ihrer Berufungsbegründung nur Ausführungen gemacht, warum nach ihrer Ansicht die Abweisung der Eingruppierungsfeststellungsklage fehlerhaft war. Zur Abweisung des Zahlungsantrages hat die Berufung nichts vorgetragen. Die fehlende Begründung zur Abweisung des Zahlungsantrages macht die Berufung indessen insoweit nicht unzulässig. Gesonderte Ausführungen zum abgewiesenen Zahlungsbegehren waren deswegen nicht nötig, weil die Begründetheit des einen Anspruchs denknotwendig von der des anderen abhängt (vgl. z.B. BAG Urteil vom 24. März 1977 – 3 AZR 232/76 – AP Nr. 12 zu § 630 BGB). Ist die Eingruppierungsfeststellungsklage begründet, ist in der Regel auch die Zahlungsklage begründet.

II. Die Klage ist auch begründet.

Die Klägerinnen haben Anspruch auf die von ihnen begehrte Vergütung aus VergGr. Vb BAT (Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst) des 6. Tarifvertrages zur Änderung der Anl. 1a zum BAT/VKA vom 19. Juni 1970 in der Neufassung des Tarifvertrages zur Änderung der Anl. 1a zum BAT/VKA vom 24. April 1991 mit Wirkung vom 1. Januar 1991 im Wege des Bewährungsaufstiegs ab 1. April 1991.

1. Auf das jeweilige Arbeitsverhältnis finden der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) vom 23. Februar 1961 und die Anl. 1a hierzu in der für den Bereich der kommunalen Arbeitgeberverbände geltenden Fassung (BAT/VKA) Anwendung. Das haben die Parteien in der Revisionsinstanz unstreitig gestellt.

2. Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt damit davon ab, ob mindestens die Hälfte der die Gesamtarbeitszeit der Klägerinnen ausfüllenden Arbeitsvorgänge den Tätigkeitsmerkmalen der von ihnen in Anspruch genommenen VergGr. Vb BAT/VKA “Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst” entspricht (§ 22 Abs. 2 Unterabs. 2 BAT/VKA).

a) Damit ist von dem von der Senatsrechtsprechung entwickelten Begriff des Arbeitsvorgangs auszugehen. Diesen hat der Senat verstanden als eine unter Hinzurechnung der Zusammenhangstätigkeiten bei Berücksichtigung einer sinnvollen, vernünftigen Verwaltungsübung nach tatsächlichen Gesichtspunkten abgrenzbaren und rechtlich selbständig zu bewertende Arbeitseinheit der zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führenden Tätigkeit eines Angestellten (BAGE 51, 59; 51, 282; 51, 356 = AP Nr. 115, 116 und 120 zu §§ 22, 23 BAT 1975; ständige Rechtsprechung des Senats). Dabei ist es zwar rechtlich möglich, daß die gesamte Tätigkeit des Angestellten nur einen Arbeitsvorgang bildet, wenn der Aufgabenkreis nicht weiter aufteilbar und einer rechtlichen Bewertung zugänglich ist (vgl. Urteil des Senats vom 30. Januar 1985 – 4 AZR 184/83 – AP Nr. 101 zu §§ 22, 23 BAT 1975; Urteil des Senats vom 23. Februar 1983 – 4 AZR 222/80 – BAGE 42, 29 = AP Nr. 70 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Tatsächlich trennbare Tätigkeiten mit unterschiedlicher Wertigkeit können jedoch nicht zu einem Arbeitsvorgang zusammengefaßt werden (vgl. Urteil des Senats vom 20. Oktober 1993 – 4 AZR 45/93 – AP Nr. 172 zu §§ 22, 23 BAT 1975; Urteil des Senats vom 20. März 1991 – 4 AZR 471/90 – AP Nr. 156 zu §§ 22, 23 BAT 1975).

b) Das Landesarbeitsgericht hat die von jeder Klägerin ausgeübte Tätigkeit in der Frühförderung als einen Arbeitsvorgang angesehen. Es hat ausgeführt, die Tätigkeit jeder Klägerin bestehe im wesentlichen in der Einzelbetreuung behinderter, von Behinderung bedrohter und entwicklungsverzögerter Kinder vom Säuglings- bis zum Schulalter zu Hause unter Einbeziehung der Eltern in die Therapie. Der Anteil entwicklungsverzögerter Kinder sei sehr gering. Entwicklungsverzögerte Kinder seien in der Regel auch von der Behinderung bedroht. Unterschiede in der Förderung bestünden nicht. Soweit eine Klägerin eine Frühförderung nicht im Elternhaus, sondern im Kindergarten durchführe, handele es sich ebenfalls um Einzelförderung, wenn auch mit Hilfe der Gruppe, wobei sich die Tätigkeit nicht von der Förderung im Elternhaus unterscheide. Die Tatsache, daß die Klägerinnen bei ihren Tätigkeiten in der Frühförderung von den zwei bis drei Behandlungseinheiten zu jeweils 105 Minuten, die auf jedes zu betreuende Kind verwandt würden, nur einen bestimmten Bruchteil – jeweils 45 Minuten – auf die unmittelbare Betreuung des jeweiligen Kindes verwende, während die übrige Zeit mit Vor- und Nacharbeiten, Berichterstellung, Fahrten usw. verbracht werde, ändere nichts daran, daß es sich bei der Tätigkeit jeder Klägerin um einen einheitlichen Arbeitsvorgang handele, der zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führe. Jene anderen Tätigkeiten stellten sog. Zusammenhangstätigkeiten i.S. der Protokollnotiz zu § 22 Abs. 2 BAT dar. Diese Beurteilung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Senat hat in Eingruppierungsstreitigkeiten von Sozialarbeitern/Sozialpädagogen regelmäßig angenommen, daß die gesamte einem Sozialpädagogen übertragene Tätigkeit als einheitlicher Arbeitsvorgang anzusehen sei, da deren Tätigkeit auf ein einheitliches Arbeitsergebnis, nämlich die Betreuung des ihnen zugewiesenen Personenkreises gerichtet sei, sei es in Form der Beratung, der begleitenden oder nachgehenden Fürsorge oder in einer sonstigen Erscheinungsform (vgl. z.B. Urteile des Senats vom 14. Dezember 1994 – 4 AZR 950/93 – und – 4 AZR 935/93 –, beide zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen, m.w.N.). Nichts anderes gilt für den Bereich der Frühförderung. Alle Einzelaufgaben der jeweiligen Klägerin dienen einem Arbeitsergebnis, nämlich der Früherziehung bzw. Frühförderung der ihnen anvertrauten wesentlich behinderten Kinder, und sind deshalb nach tatsächlichen Gesichtspunkten nicht weiter aufteilbar. Die von dem beklagten Verein praktizierte Zuweisung der Frühförderung an die Klägerinnen zeigt, daß die Frühförderung, die ersichtlich nur wegen ihres Umfangs auf mehrere Mitarbeiterinnen verteilt wurde, praktisch und bei natürlicher Betrachtungsweise nicht in einzelne Fallbearbeitungen oder in einzelne Tätigkeiten, wie Therapie des Kindes, Beratung der Eltern, Fahrten, Teamarbeit, interdisziplinäre Zusammenarbeit, Berichts- und Abrechnungswesen usw aufgeteilt werden kann, mag die Frühförderung auch von mehreren Mitarbeiterinnen – etwa nach fachlichen oder regionalen Gesichtspunkten – wahrgenommen werden.

3.a) Für die Eingruppierung der Klägerinnen sind die speziellen Tätigkeitsmerkmale für Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst der Anl. 1a zum BAT/VKA maßgebend. Diese haben, soweit sie für den Rechtsstreit von Bedeutung sind, folgenden Wortlaut:

“Vergütungsgruppe VIb

  • Erzieherinnen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben.

    (Hierzu Protokollerklärungen Nr. 1, 3 und 5)

Vergütungsgruppe Vc

  • Erzieherinnen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben,

    mit besonders schwierigen fachlichen Tätigkeiten.

    (Hierzu Protokollerklärungen Nr. 1, 3, 5 und 6)

Vergütungsgruppe Vb

  • Erzieherinnen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben,

    mit besonders schwierigen fachlichen Tätigkeiten

    nach vierjähriger Bewährung in Vergütungsgruppe Vc Fallgr. 5.

    (Hierzu Protokollerklärungen Nr. 1, 3, 5 und 6)

Die Protokollerklärung Nr. 6 lautet:

“Besonders schwierige fachliche Tätigkeiten sind z.B. die

  • Tätigkeiten in Integrationsgruppen (Erziehungsgruppen, denen besondere Aufgaben in der gemeinsamen Förderung behinderter und nicht behinderter Kinder zugewiesen sind) mit einem Anteil von mindestens einem Drittel von Behinderten i.S. des § 39 BSHG in Einrichtungen der Kindergartenbetreuung,
  • Tätigkeiten in Gruppen von Behinderten i.S. des § 39 BSHG oder von Kindern oder Jugendlichen mit wesentlichen Erziehungsschwierigkeiten,
  • Tätigkeiten in Jugendzentren/Häusern der offenen Tür,
  • Tätigkeiten in geschlossenen (gesicherten) Gruppen,
  • fachlichen Koordinierungstätigkeiten für mindestens vier Angestellte mindestens der VergGr. VIb,
  • Tätigkeiten eines Facherziehers mit einrichtungsübergreifenden Aufgaben.”

Die von den Klägerinnen in Anspruch genommenen Tätigkeitsmerkmale der VergGr. Vc Fallgr. 5 und, nach vierjähriger Bewährung in dieser Tätigkeit, der VergGr. Vb Fallgr. 5 bauen auf der VergGr. VIb Fallgr. 5 auf.

Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Klägerinnen erfüllten die Voraussetzungen der VergGr. VIb Fallgr. 5 und es lägen bei den Klägerinnen besonders schwierige fachliche Tätigkeiten i.S. der VergGr. Vc Fallgr. 5 vor mit der Folge, daß die Klägerinnen mit Erfolg im Wege des Bewährungsaufstiegs aus der VergGr. Vc Fallgr. 5 Vergütung nach der VergGr. Vb BAT verlangen könnten.

Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

b) Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Klägerinnen die Voraussetzungen für die Eingruppierung in die VergGr. VIb Fallgr. 5 erfüllen.

Die Klägerinnen zu 2) bis 4) sind Erzieherinnen mit staatlicher Anerkennung. Die Klägerin zu 1) ist Diplom-Psychologin und seit dem 16. März 1984 in der Frühförderung des beklagten Vereins tätig. Sie erfüllt daher sowohl die persönliche Anforderung der “gleichwertigen Fähigkeiten” als auch die der weiter geforderten “Erfahrungen”.

Die Klägerinnen verrichten auch entsprechende Tätigkeiten. Zwar übt der Erzieher seinen Beruf in der Regel in einer Gruppe von Kindern und/oder Jugendlichen aus. Das schließt aber nicht aus, daß er – insbesondere im Umgang mit verhaltensauffälligen oder beeinträchtigten Kindern – auch die gezielte Förderung einzelner oder nur weniger Personen übernehmen kann (vgl. Derschau/Dittrich/Ebert, Blätter zur Berufskunde, Erzieher/Erzieherin, 2-IV A 20, 7. Aufl., S. 13). Den Klägerinnen obliegt die Einzelbetreuung entwicklungsverzögerter, behinderter und von Behinderung bedrohter Kinder vom Säuglings- bis zum Schulalter zu Hause unter Einbeziehung der Eltern. Diese Tätigkeit entspricht damit dem Berufsbild eines Erziehers/einer Erzieherin.

c) Das Landesarbeitsgericht hat weiter ausgeführt, die Klägerinnen erfüllten mit dem Arbeitsvorgang Frühförderung die Voraussetzungen der VergGr. Vc Fallgr. 5. Es hat dieses Ergebnis damit begründet, die von den Klägerinnen wahrgenommenen Tätigkeiten entsprächen ihrer Wertigkeit nach den von den Tarifvertragsparteien in der Protokollerklärung Nr. 6 gewählten Beispielen und seien auch unter die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale zu subsumieren.

Auch das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Das Merkmal der besonders schwierigen fachlichen Tätigkeit i.S. der Fallgr. 5 der VergGr. Vc BAT Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst haben die Tarifvertragsparteien in der Protokollerklärung Nr. 6 durch konkrete Beispiele erläutert (vgl. Urteil des Senats vom 4. Mai 1988 – 4 AZR 728/87 – BAGE 58, 230, 236 = AP Nr. 143 zu §§ 22, 23 BAT 1975 zum Tätigkeitsmerkmal der besonders schwierigen Aufgaben der VergGr. IVb Fallgr. 7 BAT/VKA Angestellte im Sozialdienst a.F., das die Tarifvertragsparteien in der Protokollnotiz Nr. 9 a.F. näher erläutert hatten). Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist dann, wenn eines dieser Tätigkeitsbeispiele zutrifft, auch das Merkmal des Oberbegriffs erfüllt (Urteile des Senats vom 5. Juli 1978 – 4 AZR 795/76 – AP Nr. 7 zu §§ 22, 23 BAT 1975; Urteil vom 29. April 1981 – 4 AZR 1007/78 – AP Nr. 11 zu § 1 TVG Tarifverträge: Rundfunk sowie Urteil vom 12. Dezember 1990 – 4 AZR 306/90 – EzA § 3 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 4). Wird kein Tätigkeitsbeispiel erfüllt, ist auf den allgemeinen Begriff zurückzugreifen, wobei dann aber dessen Bestimmung von den Maßstäben der Beispielstatbestände aus zu erfolgen hat; die Tarifvertragsparteien haben mit den Beispielen Maß und Richtung für die Auslegung des allgemeinen Begriffs vorgegeben (BAGE 45, 121, 126 = AP Nr. 134 zu § 1 TVG Auslegung; BAGE 51, 59, 87 f. = AP Nr. 115 zu §§ 22, 23 BAT 1975).

Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, der Arbeitsvorgang Frühförderung falle nicht unter die in der Protokollerklärung Nr. 6 beispielhaft genannten “besonders schwierigen fachlichen Tätigkeiten”. Die Klägerinnen arbeiteten nicht “in Integrationsgruppen”, “in Gruppen von Behinderten i.S. des § 39 BSHG” oder in “Gruppen von Kindern oder Jugendlichen mit wesentlichen Erziehungsschwierigkeiten” und nicht “in geschlossenen (gesicherten) Gruppen”. Vielmehr betreuten die Klägerinnen in der Frühförderung einzelne Behinderte, von Behinderung bedrohte oder entwicklungsverzögerte Kinder, und zwar in deren Elternhaus unter Einbeziehung der Eltern und eventueller kindlicher Geschwister in die Therapie. Dadurch entstehe keine Gruppe i.S. der Protokollerklärung Nr. 6. Eine Gruppe könne zwar auch aus zwei Personen bestehen. Die Eltern seien jedoch mit ihrem behinderten Kind nicht durch den therapeutischen Zweck, sondern durch das Eltern-Kind-Verhältnis miteinander verbunden. Die Klägerinnen übten demnach ihre Tätigkeit nicht “in Gruppen” von Behinderten usw. aus. Das ist zutreffend. Die Klägerinnen üben keine Tätigkeiten in Gruppen der in der Protokollerklärung Nr. 6 Buchst. a, b, d genannten Art aus. Die übrigen Beispiele der Buchst. c, e und f kommen ohnehin nicht in Betracht.

Da die Tätigkeit der Klägerinnen nicht unter eines der in der Protokollerklärung genannten Beispiele fällt, hat das Landesarbeitsgericht zutreffend auf dem Hintergrund der Beispiele der Protokollerklärung Nr. 6 geprüft, ob aus anderen Gründen nach den allgemeinen Merkmalen der VergGr. Vc Fallgr. 5 “besonders schwierige fachliche Tätigkeiten” vorliegen. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, besonders schwierige fachliche Tätigkeiten einer Erzieherin lägen dann vor, wenn sich ihre Aufgabe aus der Normal- oder Grundtätigkeit einer Erzieherin sehr deutlich heraushöbe. Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Zwar ist die vom Landesarbeitsgericht insoweit genannte Entscheidung des Senats vom 12. Dezember 1990 – 4 AZR 306/90 – AP Nr. 1 zu § 12 AVR Diakonisches Werk (die vom Landesarbeitsgericht genannte Fundstelle ist später in die hier zitierte verändert worden) nicht einschlägig, weil sie sich auf das Heraushebungsmerkmal “besonders schwierige Aufgaben” i.S. der VergGr. IVb der AVR Diakonisches Werk bezieht. Daß die Heraushebung durch “schwierige fachliche Tätigkeiten” eine sehr deutliche Heraushebung der Aufgaben aus der Normal- oder Grundtätigkeit bezogen auf die Tätigkeiten einer Erzieherinnen verlangt, ergibt sich aus der Tarifstruktur. Schwierige fachliche Tätigkeiten einer Kinderpflegerin sind Qualifikationsmerkmal für die Eingruppierung in VergGr. VII. Eine Kinderpflegerin verrichtet schwierige fachliche Tätigkeiten, wenn die Arbeitsaufgabe aufgrund der gesteigerten Anforderungen von der Normalität nicht nur unerheblich abweicht. Die Tätigkeit muß sich z.B. im Hinblick auf das geforderte fachliche Können oder die körperliche oder geistige Belastung gegenüber dem üblichen Maß herausheben (Urteil des Senats vom 26. Oktober 1994 – 4 AZR 734/93 –, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen, zu II 4a der Gründe). Besonders schwierige fachliche Tätigkeiten einer Erzieherin, die zur Vergütung nach VergGr. Vc führen, müssen sich dann sehr deutlich aus der Grund- oder Normaltätigkeit der Erzieherin herausheben (vgl. insoweit Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, BAT, Teil II, VergO/BL, Stand November 1994 Anm. 240 n; Claus, Lexikon der Eingruppierung, Stand Mai 1994, Stichwort “schwierige fachliche Tätigkeiten”, Ziff. 2, S. 13 f.). Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Tarifvertragsparteien setzten für das Tätigkeitsmerkmal der besonders schwierigen fachlichen Tätigkeit nicht die Tätigkeit als “Gruppenerzieher” oder Gruppenarbeit voraus, was die Beispiele der Buchst. e und f der Protokollerklärung Nr. 6 zeigten. Es sieht die sehr deutliche Heraushebung der Tätigkeit der Klägerinnen aus der Normaltätigkeit des Erziehers, die allerdings in Gruppenarbeit bestehe, darin, daß die Klägerinnen im Rahmen der Frühförderung einzelne Kinder betreuten, die im Sinne des § 39 Abs. 1 BSHG nicht nur vorübergehend körperlich, geistig oder seelisch wesentlich behindert seien oder die diesen nach § 39 Abs. 2 BSHG gleichgestellt seien, weil sie von einer Behinderung bedroht seien, und als Eingliederungshilfe i.S. des § 40 Abs. 1 Nr. 2a BSHG heilpädagogische Maßnahmen durchführten. Die Klägerinnen betreuten zwar auch entwicklungsverzögerte Kinder. Deren Anteil sei aber sehr gering. Darüber hinaus seien entwicklungsverzögerte Kinder in der Regel auch von Behinderung bedrohte Kinder. Zu den Aufgaben einer Erzieherin gehöre zwar auch die Betreuung behinderter Kinder und Jugendlicher. Die von den Klägerinnen zu betreuenden Kinder seien aber wesentlich behinderte Kinder oder ihnen gleichgestellte. Entscheidend sei, daß die Klägerinnen mit den von ihnen zu betreuenden Kindern heilpädagogische Maßnahmen i.S. des § 40 Abs. 1 Nr. 2a BSHG und des § 11 der Eingliederungshilfe-Verordnung (i.d.Fassung vom 1. Februar 1975, BGBl I S. 434) durchführten. Die Aufgabe der Eingliederungshilfe sei es, eine drohende Behinderung zu verhüten oder eine vorhandene Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und den Behinderten in die Gesellschaft einzugliedern (vgl. § 39 Abs. 3 BSHG). Damit stelle sich die Tätigkeit der Klägerinnen in ihrem Kern als eine heilpädagogische Tätigkeit dar. Eine heilpädagogische Tätigkeit sei eine Tätigkeit, die mit besonders spezifischen Erziehungsformen die Förderung und Betreuung behinderter Menschen umfasse, wobei die individuelle und umfassende Förderung eines jeden Behinderten nach seiner spezifischen Behinderung und Persönlichkeit im Vordergrund der Betreuungsarbeit stehe. Dadurch unterscheide sich eine heilpädagogische Tätigkeit von der üblichen erzieherischen Tätigkeit in Gruppen von Behinderten, die im wesentlichen durch pflegerische Tätigkeiten, die Schaffung eines familienähnlichen Umfeldes und die Bewältigung der im Lebensalltag regelmäßig anfallenden Aufgaben geprägt werde.

Auch das hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Dadurch, daß die Klägerinnen Kinder i.S. des § 39 Abs. 1 und Abs. 2 BSHG zu betreuen haben, und durch die Art der Betreuungstätigkeit heben sich die Tätigkeiten der Klägerinnen sehr deutlich aus der Grund- oder Normaltätigkeit einer Erzieherin heraus.

Bei der von den Klägerinnen zu verrichtenden Tätigkeit handelt es sich zwar nicht um solche der Protokollerklärung Nr. 6. An die Klägerinnen werden aber ähnlich hohe Anforderungen gestellt. Richtig ist, daß, wie die Revision ausführt, Gruppenarbeit von den Klägerinnen nicht verrichtet wird. Entgegen der Auffassung der Revision ist nicht Voraussetzung für das Merkmal der besonders schwierigen fachlichen Tätigkeiten, daß es sich um einen “Gruppenerzieher” handeln muß oder daß die Tätigkeit “in Gruppen von Behinderten” (Gruppenarbeit), verrichtet werden muß. Es ist auch nicht richtig, daß die Protokollerklärung Nr. 6 in den Beispielstätigkeiten Buchst. a – d von einer Gruppentätigkeit ausgeht und lediglich die fachliche Koordinierungstätigkeit für mindestens vier Angestellte (Buchst. e) und die Tätigkeit eines Facherziehers mit einrichtungsübergreifenden Aufgaben (Buchst. f) dieser Tätigkeit gleichstellt. Denn auch bei Tätigkeiten in Jugendzentren/Häusern der offenen Tür (Buchst. c) ist eine Gruppentätigkeit in der Regel gerade nicht gegeben. Im sog. offenen Betrieb von Jugendtreffs, Jugendzentren, Freizeitheimen, betreuten Spielplätzen (Abenteuerspielplätzen) u.ä. gibt es kaum strukturierte feste Gruppen. Der Erzieher übt seinen Beruf in diesem Bereich mehr als Ansprechpartner für Kinder und Jugendliche aus (vgl. Derschau/Dittrich/Ebert, Blätter für Berufskunde, aaO, S. 3). Es geht dabei in erster Linie um Animation, Freizeitanimation, bei der die Ent- und Weiterentwicklung von Freizeitinteressen- und aktivitäten angestrebt wird durch unverbindliche Angebote und geeignete Förderung und Unterstützung aus dem Besucherkreis kommender Ideen, Wünsche und Anregungen. Gruppenarbeit im herkömmlichen Sinne ist das nicht und findet nicht statt.

Im übrigen können andere als in der Protokollerklärung genannte Tätigkeiten ebenfalls “besonders schwierige fachliche Tätigkeiten” sein, wenn sie sich ebenso wie die Beispiele aus der Grundtätigkeit sehr deutlich herausheben, also auch solche Tätigkeiten, die keine Gruppenarbeit sind. Das folgt zum einen daraus, daß die Tarifvertragsparteien die Abkürzung “z.B.” verwendet haben und dann enumeratorisch Beispielstätigkeiten angeführt haben. Zum anderen ergibt sich das daraus, daß das Berufsbild des Erziehers sich nicht darin erschöpft, daß er, zum Teil mit anderen Erziehern, über einen längeren Zeitraum mit einer Gruppe von Kindern oder Jugendlichen kontinuierlich arbeitet und einen Teil des Tages oder den ganzen Tag mit der Gruppe zusammenlebt. Es wurde schon ausgeführt, daß es auch dem Berufsbild des Erziehers/der Erzieherin entspricht, die gezielte Förderung einzelner Kinder oder Jugendlicher zu übernehmen, insbesondere bei Auffälligkeiten im Verhalten oder bei Behinderungen. Das räumt die Revision an anderer Stelle auch ein.

Bei den von den Klägerinnen betreuten Kindern handelt es sich um Behinderte i.S. des § 39 BSHG, also um Angehörige der in der Protokollerklärung Nr. 6 Buchst. a und b ausdrücklich aufgeführten Problemgruppen. Es liegt zwar keine Gruppenarbeit vor. Darauf kommt es aber deswegen nicht an, weil die Einzelbetreuung von Kindern in der Frühförderung vergleichbare Anforderungen stellt. Die Tätigkeit mit oder in einer Gruppe von Kindern oder Jugendlichen ist die Mitwirkung an der Gruppenzusammensetzung, die flexible Leitung von Gruppenprozessen entsprechend den Lern- und Erziehungszielen unter Beachtung der situativen Gegebenheiten der Gruppe, die Umsetzung des Gruppenplanes. Zwar soll der Erzieher soweit wie möglich auf die individuellen Bedürfnisse, Anforderungen und Interessen der Mitglieder der Gruppe eingehen. Entscheidend ist aber die Gruppe. Sie muß “funktionieren” und der Einzelne in ihr. Bei Auffälligkeiten des einzelnen Gruppenmitglieds werden Sozialpädagogen, Psychologen oder sonstige Mitarbeiter mit speziellen Aufgaben herangezogen. Demgegenüber muß die Früherzieherin/Frühförderin ganz gezielt und ausschließlich bezogen auf das einzelne zu betreuende wesentlich behinderte Kind eingehen. Sie muß sich ständig nicht nur auf ein anderes Kind einstellen, sondern auch auf dessen gesamtes Umfeld, Eltern, Geschwister, Wohnsituation, sonstige soziale Verhältnisse usw., und zwar stets neu und immer wieder. Deshalb ist die Tätigkeit in der Frühförderung mit der in Integrationsgruppen, in Gruppen von Behinderten durchaus vergleichbar. Dem kann daher nicht von der Revision mit Erfolg entgegengehalten werden, die Gruppenbetreuung Behinderter weise gerade deswegen besondere Schwierigkeiten auf, weil die Erzieherin sich zeitgleich mit mehreren Personen befassen müsse, während sich die Früherzieherin bei ihrer Einzelbetreuung ganz auf ein behindertes Kleinkind konzentrieren könne, was eine erhebliche Erleichterung der Arbeit darstelle. Es spricht auch nicht gegen das Vorliegen des Heraushebungsmerkmals, daß die Betreuung regelmäßig im Elternhaus des Kindes stattfindet, was die Revision als weitere Erleichterung der Arbeit der Frühförderung wertet. Die Revision räumt selbst ein, daß sich die Klägerinnen auf die unterschiedlichen Familienverhältnisse einstellen und diese berücksichtigen müssen, meint aber, gerade durch die Anwesenheit der Eltern werde die Arbeit mit dem Kind erheblich erleichtert. Abgesehen davon, daß das nicht zwingend ist, kann die Anwesenheit der Eltern die Arbeit der Klägerinnen nicht unerheblich erschweren, etwa weil die Eltern der Auffassung sind, das Kind werde über- oder unterfordert usw.

Die Revision greift den für das Landesarbeitsgericht entscheidenden Gesichtspunkt mit der Erwägung an, auch “einfache” Kindergärtnerinnen führten diese heilpädagogischen Maßnahmen durch, ohne daß “besonders schwierige fachliche Tätigkeiten” verrichtet würden; auch die Betreuung wesentlich behinderter Kinder gehöre zum Aufgabenbereich einer Erzieherin mit der Folge, daß sich die Tätigkeit der Klägerinnen in der Frühförderung nicht sehr deutlich aus der Grundtätigkeit eines Erziehers heraushebe.

Immerhin räumt die Revision damit ein, daß die Einzelbetreuung, insbesondere behinderter Kinder, zum Berufsbild des Erziehers gehört. Damit ist über die Grundtätigkeit des Erziehers und zu der Eingruppierung eines Erziehers, der einzelne wesentlich behinderte Kinder gezielt fördert, nichts gesagt. Die Frühförderung wesentlich behinderter Kinder i.S. des § 39 BSHG hebt sich aus der Grundtätigkeit eines Erziehers sehr erheblich heraus. Die Revision führt aus, zu den vom Landesarbeitsgericht als entscheidendes Heraushebungsmerkmal qualifizierten heilpädagogischen Maßnahmen i.S. von § 40 Abs. 1 Nr. 2a BSHG zählten vor allem gezielte Einzel- oder Gruppenmaßnahmen, Frühförderungsprogramme in sozialpädagogischen Einrichtungen, sprachtherapeutische Behandlung in einem Sondertagesheim sowie die Unterbringung in einem Kindergarten, und zwar nicht nur in einem Sonderkindergarten, sondern auch in einem anderen Kindergarten, wenn sie gerade im Hinblick auf die Behinderung geboten sei. Nur ist die Schlußfolgerung der Revision daraus nicht richtig, daß auch “einfache” Kindergärtnerinnen diese heilpädagogischen Maßnahmen durchführten, ohne daß “besonders schwierige fachliche Tätigkeiten” verrichtet würden.

Abgesehen davon, daß es in dem von der Revision zitierten Kommentar LPK-BSHG § 40 Rz 19 in der neuen, 4. Aufl., zusätzlich heißt, “insbesondere die Betreuung in einer Sondergruppe eines Kindergartens nach einem heilpädagogischen Konzept (OVG Lüneburg FEVS 42, 22)”, unterscheidet sich die Tätigkeit einer Früherzieherin vom Inhalt her deutlich von der einer “einfachen” Kindergärtnerin, wenn damit die Kinderpflegerin gemeint sein sollte. Davon ist auszugehen. Denn der frühere Beruf “Kindergärtnerin” ist in dem Beruf “Erzieherin” aufgegangen. Die Tarifvertragsparteien unterscheiden zwischen Angestellten in der Tätigkeit von Erziehern/Erzieherinnen und Kinderpflegerinnen (Urteil des Senats vom 15. Februar 1984 – 4 AZR 497/81 – AP Nr. 84 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Die Kinderpflegerin ist tätig als pädagogisch-pflegerische Fachkraft und unterstützt in Einrichtungen für behinderte Kinder Sozialpädagogen, Erzieher und heilpädagogisches Fachpersonal dadurch, daß sie pädagogische und pflegerische Aufgaben übernimmt. Die Tätigkeiten von Kinderpflegerinnen werden geringer bewertet und vergütet als die Tätigkeit von Erzieherinnen. Da die Aufgaben der Frühförderung zum Berufsbild des Erziehers gehören (vgl. Derschau/Dittrich/Ebert, Blätter zur Berufskunde, aaO, S. 22), wovon auch die “Vereinbarung” zwischen der Arbeitsgemeinschaft der Frühförderverbände des Saarlandes und der Arbeitsgemeinschaft der Sozialhilfeträger im Saarland über die Festsetzung von Pauschalsätzen für die Abgeltung der Behandlungseinheiten in der ambulanten Frühförderung ausgeht, in der diejenigen, die unterhalb der Leitungsebene die Aufgaben der Frühförderung wahrnehmen als “Früherzieher” bezeichnet werden, kommt es nur darauf an, ob die Frühförderer das Heraushebungsmerkmal erfüllen. Und das ist der Fall, nachdem die Klägerinnen mit ihrer Tätigkeit Angehörige der Problemgruppe betreuen, die in Buchst. a und b der Protokollerklärung Nr. 6 genannt ist, und sich von daher die von den Klägerinnen der Sache nach an diesem Personenkreis ausgeübte Vorschulheilpädagogik als Teil der Sonderpädagogik sehr erheblich aus der Grund- oder Normaltätigkeit eines Erziehers heraushebt, was sich auch darin zeigt, daß alle Klägerinnen eine sonderpädagogische Zusatzausbildung aufweisen. Dem entspricht es, daß auch in der “Vereinbarung” für die Früherzieher von einer Vergütung aus VergGr. Vc ausgegangen wird. Zwar ist von “einer durchschnittlichen Eingruppierung” die Rede; es wird aber kaum davon ausgegangen werden können, daß lediglich stets die Vergütung aus der VergGr. Vc im Wege des Bewährungsaufstiegs aus VergGr. VIb Fallgr. 5 BAT/VKA gemeint ist, zumal in dem Formular “zur Ermittlung von Kostensätzen der ambulanten pädagogischen Frühförderung” bereits für zehn “30 Jahre” alte “verheiratete” Mitarbeiter “ohne Kind”, die “Früherziehung” durchführen, jeweils die VergGr. Vc ausgewiesen ist.

d) Die Klägerinnen erfüllen die Voraussetzungen der VergGr. Vb Fallgr. 5. Das Landesarbeitsgericht hat insoweit ausgeführt, die Klägerinnen hätten sich bis zum 1. April 1991 mindestens vier Jahre lang bewährt i.S. des Fallgruppen-Bewährungsaufstiegs aus VergGr. Vc Fallgr. 5 nach VergGr. Vb Fallgr. 5. Sie hätten sich offensichtlich allen auftretenden Anforderungen einer Erzieherin mit besonders schwierigen fachlichen Tätigkeiten gewachsen gezeigt. Da die subjektiven Voraussetzungen für eine Eingruppierung in die begehrte Vergütungsgruppe zwischen den Parteien nicht streitig waren, konnte sich das Landesarbeitsgericht mit dieser pauschalen Prüfung begnügen. Sie ist von der Revision nicht angegriffen worden.

III. Damit haben die Klägerinnen Anspruch auf Vergütung nach VergGr. Vb BAT/VKA seit dem 1. April 1991.

IV. Der Anspruch auf die geltend gemachten Differenzbeträge für die Zeit vom 1. April 1991 bis 31. März 1993, die der Höhe nach von dem beklagten Verein nicht bestritten wurden, ergibt sich aus § 611 BGB. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288, 291 BGB.

V. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Schaub, Bott, Friedrich, Brocksiepe, Pfeil

 

Fundstellen

Haufe-Index 870898

NZA 1995, 1009

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