Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung einer Sonderschullehrerin
Leitsatz (redaktionell)
Keine Eingruppierung in VergGr. III BAT-O einer Sonderschullehrerin mit Fachschulausbildung und einem nur zweijährigen für das Lehramt geeigneten wissenschaftlichen Hochschulstudium.
Normenkette
BAT §§ 22, 23 Lehrer; BAT-O § 11
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Brandenburg vom 23. August 1995 – 7 Sa 24/95 – wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung der Klägerin.
Die Klägerin absolvierte in der Zeit vom 1. September 1954 bis zum 31. Juli 1958 eine Fachschulausbildung am Institut für Lehrerbildung in Neuzelle und erwarb damit die Lehrbefähigung für die Unterstufe der allgemeinbildenden Schulen und die Befähigung zur Arbeit als Erzieher in Heimen und Horten. In der Zeit vom 1. September 1960 bis zum 31. Juli 1962 absolvierte sie ein Studium an der Humboldt-Universität zu Berlin, Spezialrichtung Pädagogik der Schwachsinnigen, und legte das Staatsexamen (Erweiterungsprüfung) für die Arbeit an Hilfsschulen ab.
Seit dem 24. Juli 1958 ist die Klägerin im Schuldienst tätig. Seit dem 1. August 1962 arbeitet sie an einer zunächst „Hilfsschule” genannten Einrichtung in E. Sie erteilt Unterricht in den Fächern Deutsch und Mathematik in den Klassen 1 bis 10. Unter dem 23. April 1992 schlossen die Parteien einen „Arbeitsvertrag für Lehrkräfte”, in dem es u.a. heißt:
…”
§ 2
Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts – Manteltarifliche Vorschriften – (BAT-O) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) jeweils geltenden Fassung. Außerdem finden die für den Arbeitgeber jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge Anwendung.
§ 4
Für die Eingruppierung gilt § 2 Nr. 3 Änderung TV Nr. 1 vom 8. Mai 1991 zum BAT-O i.V.m. Abschnitt E 6) der Richtlinien der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) über die Eingruppierung der nicht von der Anlage 1 a zum BAT-O erfaßten Angestellten vom 24. Juni 1991 in der jeweiligen Fassung. Danach ist der/die Angestellte in der Vergütungsgruppe IV a eingruppiert.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr stehe ab dem 1. Juli 1991 ein Anspruch auf Vergütung nach VergGr. III BAT-O zu. Aufgrund der tariflichen Bestimmungen richte sich die Eingruppierung nach der Zweiten Verordnung über besoldungsrechtliche Übergangsregelungen nach Herstellung der Einheit Deutschlands (2. BesÜV) vom 21. Juni 1991. Danach erfülle sie die Voraussetzung für eine Einstufung in die Besoldungsgruppe A 12, die der VergGr. III BAT-O entspreche. Sie erteile Unterricht an einer Sonderschule und habe wegen ihrer langjährigen Tätigkeit als Sonderschullehrerin Fähigkeiten erworben, die der einer Sonderschullehrerin mit einem vierjährigen Hochschulstudium gleichkämen. Die in der 2. BesÜV enthaltene Bewertung der an einer Sonderschule tätigen Lehrer weise eine unbewußte Regelungslücke auf. Maßgeblich komme es nicht auf die Ausgangsqualifikation, sondern auf die Abschlußqualifikation am Ende der Qualifizierung zum Sonderschullehrer an.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, daß das beklagte Land verpflichtet ist, ihr Vergütung nach der VergGr. III BAT-O seit dem 1. Juli 1991 zu zahlen.
Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, der Klägerin stehe ein Anspruch auf Vergütung nach VergGr. III BAT-O weder nach der 2. BesÜV noch nach den TdL-Richtlinien zu, da sie die insoweit in beiden Rechtsgrundlagen inhaltsgleiche Voraussetzung eines wissenschaftlichen Hochschulstudiums von mindestens vier Studienjahren nicht erfülle.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin haben die Parteien vor dem Landesarbeitsgericht einen Teilvergleich geschlossen, in dem das beklagte Land sich verpflichtet hat, der Klägerin ab dem 1. Juli 1995 Vergütung nach der VergGr. III BAT-O zu zahlen. Den nicht erledigten Teil der Berufung hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin den Klageanspruch auf Eingruppierung in VergGr. III BAT-O bis zum 30. Juni 1995 weiter. Das beklagte Land beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Der Klägerin steht für die Zeit vom 1. Juli 1991 bis zum 30. Juni 1995 kein Anspruch auf Vergütung nach VergGr. III BAT-O zu.
I. Die Klägerin hat weder nach den aufgrund der tariflichen Bestimmungen anzuwendenden Vorschriften der 2. BesÜV noch nach den arbeitsvertraglich vereinbarten TdL-Richtlinien einen Anspruch auf Vergütung nach VergGr. III BAT-O.
1. Auf das Arbeitsverhältnis finden aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit der BAT-O und die diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in ihrer jeweiligen Fassung Anwendung. Damit gelten für die Eingruppierung der Klägerin für die Zeit bis zum 30. Juni 1995 folgende Bestimmungen:
a) § 2 des Änderungstarifvertrages Nr. 1 zum BAT-O vom 8. Mai 1991
3. Die Anlage 1 a ist, soweit sie keine besonderen Tätigkeitsmerkmale enthält, nicht auf Angestellte anzuwenden, die
als Lehrkräfte, auch wenn sie nicht unter die SR 2 l I fallen,
beschäftigt sind. Diese Angestellten sind – gegebenenfalls nach näherer Maßgabe von Richtlinien – in der Vergütungsgruppe eingruppiert, die nach § 11 Satz 2 BAT-O der Besoldungsgruppe entspricht, in welcher der Angestellte eingestuft wäre, wenn er im Beamtenverhältnis stünde. …
b) Sonderregelungen für Angestellte als Lehrkräfte (SR 2 l I BAT-O)
Nr. 1
Zu §§ 1 und 2 – Geltungsbereich –
Diese Sonderregelungen gelten für Angestellte als Lehrkräfte an allgemeinbildenden Schulen und berufsbildenden Schulen (Berufs-, Berufsfach- und Fachschulen)
Protokollnotiz:
Lehrkräfte im Sinne dieser Sonderregelungen sind Personen, bei denen die Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten im Rahmen eines Schulbetriebes der Tätigkeit das Gepräge gibt.
Nr. 3 a
Zu §§ 23 bis 25 – Eingruppierung –
Die Lehrkräfte werden nach § 11 Satz 2 in die Vergütungsgruppen eingruppiert, die sich bei Anwendung der Zweiten Besoldungs-Übergangsverordnung ergeben.
Soweit in der Zweiten Besoldungs-Übergangsverordnung Ämter für entsprechende Lehrkräfte nicht ausgebracht sind, ist die Vergütung unter Berücksichtigung der Ausbildung der Lehrkraft auf der Grundlage der Zweiten Besoldungs-Übergangsverordnung arbeitsvertraglich zu regeln.
c) Zweite Verordnung über besoldungsrechtliche Übergangsregelungen nach Herstellung der Einheit Deutschlands (2. BesÜV) vom 21. Juni 1991 (BGBl. I S. 1345)
§ 7
Besoldungsordnungen
(1) Für Beamte an allgemeinbildenden und beruflichen Schulen sowie an Sonderschulen gilt ergänzend Anlage 1 dieser Verordnung. …
Anlage 1
Besoldungsgruppe A 12
Sonderschullehrer 2) 4)
– als Sonderschulpädagoge im Unterricht an einer Sonderschule –
…
2) Als Eingangsamt.
…
4) Mit einem für das Lehramt geeigneten wissenschaftlichen Hochschulstudium von mindestens vier Studienjahren.
2. Die Klägerin ist Lehrkraft i.S. dieser tariflichen Bestimmungen. Sie hat in der noch streitgegenständlichen Zeit an einer Sonderschule des beklagten Landes Kenntnisse und Fertigkeiten im Rahmen eines Schulbetriebes vermittelt. Deshalb ist für ihre Eingruppierung nach § 2 Nr. 3 Satz 1 des Änderungstarifvertrages Nr. 1 die Anlage 1 a zum BAT-O nicht anzuwenden.
3. Die Eingruppierung erfolgt gem. § 2 Nr. 3 Satz 2 des Änderungstarifvertrages Nr. 1 vielmehr in die Vergütungsgruppe, die nach § 11 Satz 2 BAT-O der Besoldungsgruppe entspricht, in welcher der Angestellte eingestuft wäre, wenn er im Beamtenverhältnis stünde. Dabei verweisen die Tarifvertragsparteien in Nr. 3 a Unterabs. 1 SR 2 l I BAT-O auf die Vorschriften der 2. BesÜV. Diese tarifliche Verweisung auf die beamtenrechtlichen Vorschriften ist zulässig (vgl. BAG Urteil vom 24. November 1993 – 4 AZR 16/93 – AP Nr. 1 zu § 2 BAT-O; Urteile vom 13. Juni 1996 – 6 AZR 972/94 – AP Nr. 9 zu § 11 BAT-O und – 6 AZR 858/94 – AP Nr. 45 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).
4. Nach der 2. BesÜV steht der Klägerin während der Zeit ihrer Tätigkeit an der Sonderschule bis zum 30. Juni 1995 kein Anspruch auf VergGr. III BAT-O zu, die der Besoldungsgruppe A 12 entspricht.
Die Klägerin erfüllt nicht die Voraussetzungen der Fußnote 4 für eine Einstufung in die Besoldungsgruppe A 12.
a) In die Besoldungsgruppe A 12 sind einzustufen Sonderschullehrer als Sonderschulpädagogen im Unterricht an einer Sonderschule. Dabei definiert der Verordnungsgeber den Begriff des Sonderschullehrers in der Fußnote 4. Sonderschullehrer müssen danach ein für das Lehramt geeignetes wissenschaftliches Hochschulstudium von mindestens vier Studienjahren absolviert haben. Diese Anforderung erfüllt die Klägerin nicht, wie sie selbst einräumt. Das von der Klägerin absolvierte Hochschulstudium an der Humboldt-Universität zu Berlin dauerte nur vom 1. September 1960 bis zum 31. Juli 1962, also zwei Jahre. Mithin verfügt die Klägerin nicht über ein Hochschulstudium von mindestens vier Studienjahren.
b) Ob die von der Klägerin als Lehrerin an einer Hilfsschule und Sonderschullehrerin erworbene Qualifikation und ihre langjährige praktische Erfahrung in der Unterrichtserteilung in den Fächern Deutsch und Mathematik in den Klassen 1 bis 10 mit der in der Besoldungsgruppe A 12 geforderten Ausbildung gleichwertig ist, kann dahinstehen. Die beamtenrechtlichen Vorschriften sehen Ämter für Lehrer, die über die geforderte Ausbildung nicht verfügen, aber gleichwertige Fähigkeiten und Erfahrungen besitzen, nicht vor.
c) Entgegen der Auffassung der Revision liegt auch keine unbewußte Regelungslücke vor. Eine unbewußte Regelungslücke ist gegeben, wenn der Normgeber einen bestimmten Sachverhalt nicht behandelt hat, weil er ihn bei Schaffung der Norm nicht bedacht hat (vgl. BAG Urteil vom 24. Februar 1988 – 4 AZR 614/87 – BAGE 57, 334, 342 = AP Nr. 2 zu § 1 TVG Tarifverträge: Schuhindustrie). Davon kann hier jedoch nicht ausgegangen werden. Nach der 2. BesÜV ist für die Einstufung in Besoldungsgruppe A 12 ein Hochschulstudium von mindestens vier Studienjahren erforderlich, während bei der Besoldungsgruppe A 11 für den Lehrer im Unterricht an einer Sonderschule ein Hochschulstudium von mindestens zwei Studienjahren gefordert wird. Dies macht deutlich, daß der Verordnungsgeber hinsichtlich der Dauer der erforderlichen Hochschulstudien differenziert hat und die Länge der erforderlichen Studiengänge unterschiedlich bewertet hat. Damit liegt eine unbewußte Regelungslücke nicht vor.
5. Die Klägerin erfüllt auch nicht die Voraussetzungen der VergGr. III BAT-O nach den arbeitsvertraglich vereinbarten TdL-Richtlinien. Diese hatten im Klagezeitraum vom 1. April 1992 bis 30. Juni 1995 folgenden Wortlaut:
„Vergütungsgruppe III
3. Sonderschullehrer als Sonderschulpädagoge mit einem für das Lehramt geeigneten wissenschaftlichen Hochschulstudium von mindestens vier Studienjahren, die Unterricht an einer Sonderschule erteilen.”
Zum 1. Januar 1994 wurde in der VergGr. III eine Fallgruppe 4 mit folgendem Wortlaut aufgenommen:
„Lehrer mit abgeschlossener pädagogischer Hochschulausbildung als Diplomlehrer und einem für das Lehramt geeigneten wissenschaftlichen Hochschulstudium von mindestens zwei Studienjahren, die Unterricht an einer Sonderschule erteilen.”
a) Die Klägerin erfüllte während der Zeit ihrer Tätigkeit an der Sonderschule bis zum 30. Juni 1995 nicht die Anforderungen der VergGr. III Fallgruppe 3 in der bis zum 1. Januar 1994 geltenden Fassung, da sie – wie ausgeführt wurde – nicht über ein wissenschaftliches Hochschulstudium von mindestens vier Studienjahren verfügt. Die Tätigkeitsmerkmale sind insoweit mit denen der 2. BesÜV identisch.
b) Die Klägerin erfüllte auch nicht die Anforderungen der Fallgruppe 4 in der ab 1. Januar 1994 geltenden Fassung. Ab diesem Zeitpunkt genügt für die Eingruppierung in VergGr. III BAT-O zwar nur noch ein Hochschulstudium von mindestens zwei Studienjahren Dies gilt aber nur auf der Grundlage einer abgeschlossenen pädagogischen Hochschulausbildung als Diplomlehrer. Über eine solch verfügt die Klägerin jedoch nicht.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Peifer, Dr. Freitag, Dr. Armbrüster, R. Hinsch, P. Stahlheber
Fundstellen