Beteiligte
Klägerin und Beschwerdeführerin |
Beklagte und Beschwerdegegnerin |
Tatbestand
Die Beschwerde ist unbegründet.
Den im April 1989 gestellten Antrag auf Versichertenrente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit lehnte die Beklagte ab, die hiergegen eingelegten Rechtsmittel blieben ohne Erfolg. Das Landessozialgericht (LSG) ging davon aus, daß der bisherige Beruf der Klägerin der einer Haus- und Küchengehilfin war. Es stützte sich auf die tarifliche Einstufung. Eine dem Beruf einer Hauswirtschafterin entsprechende qualifizierte Tätigkeit habe sie nicht ausgeübt. Als angelernte Arbeiterin könne sie auf Tätigkeiten einer Platzanweiserin in einem Kino, Telefonistin oder Mitarbeiterin in der Poststelle oder Registratur verwiesen werden. Das beantragte berufskundliche Gutachten zu der Frage, ob die von der Klägerin ausgeübte Tätigkeit dem Berufsbild der Hauswirtschafterin entspreche, wurde nicht eingeholt mit der Begründung, hierzu bedürfe es keiner speziellen Sachkunde, über die das Gericht nicht verfüge.
Mit ihrer Beschwerde rügt die Klägerin als wesentlichen Verfahrensmangel (§ 160 Abs. 2 Nr. 3 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫), das LSG hätte durch die im Erörterungstermin am 2. September 1992 beantragte Anhörung eines Sachverständigen ermitteln müssen, ob ihre Tätigkeit der einer Hauswirtschafterin entsprochen habe. Der tariflichen Einstufung komme nur Indizwirkung zu. Es sei jeweils zu überprüfen, ob und in welchem Umfang die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit den Merkmalen einer höherrangigen Tarifgruppe entspreche. Diese Frage sei auch von grundsätzlicher Bedeutung.
Die Beklagte tritt der Beschwerde zu Recht entgegen. Der gerügte Verfahrensmangel liegt nicht vor. Es handelt sich hierbei auch nicht um eine Verfahrensfrage von grundsätzlicher Bedeutung.
Allerdings ist das LSG grundsätzlich nicht befugt, berufskundliche Feststellungen aus eigener Bewertung vorzunehmen, wenn es nicht über ausreichende Sachkunde verfügt und diese den Beteiligten offenbart hat (vgl Urteil des erkennenden Senats vom 17. Juli 1993 - 13 RJ 33/92 - SozR 3-2200 § 1246 Nr. 33). Dies betrifft auch die Feststellung, welche Qualifikationen aus dem Spektrum der Ausbildungsordnung eines Berufs (hier Hauswirtschafterin) in der zu beurteilenden Tätigkeit (hier beim staatlichen Aufbaugymnasium O. ) zumindest abgefordert sein müssen, damit diese Tätigkeit dem Berufsbild der Hauswirtschafterin zugeordnet werden kann. Da das LSG insoweit eigene Sachkunde nicht offenbart hat, wäre an sich eine fachkundige Begutachtung erforderlich gewesen.
Auf diesen Mangel kann die Nichtzulassungsbeschwerde jedoch nicht gestützt werden, weil das LSG seine Auffassung auch damit begründet hat, daß die ermittelten Inhalte der von der Klägerin ausgeübten Tätigkeit den Merkmalen der Lohngruppe II entsprachen, in die die Klägerin (abgesehen von einem späteren Bewährungsaufstieg in die Lohngruppe III) eingruppiert war, und daß diese Tarifgruppe keine Facharbeitergruppe ist. Diese Begründung trägt das angefochtene Urteil auch ohne weitere Ermittlungen.
Das Bundessozialgericht (BSG) hat den Tarifverträgen in zweierlei Weise Bedeutung beigemessen: Zum einen der abstrakten - "tarifvertraglichen" - Einordnung einer Tätigkeitsart (iS eines verselbständigten Berufsbildes) innerhalb eines nach Qualitätsstufen geordneten Tarifvertrages, zum anderen der - "tariflichen" - Eingruppierung in eine bestimmte Tarifgruppe des jeweils geltenden Tarifvertrages durch den Arbeitgeber aufgrund der in dieser Zeit ausgeübten konkreten Tätigkeit. Soweit ein Beruf (abstrakt) in einer Facharbeitergruppe des einschlägigen Tarifvertrages genannt wird, vermittelt die Ausübung dieses Berufs in der Regel Berufsschutz als Facharbeiter. Um diese Frage geht es hier jedoch nicht, da die Facharbeiterqualifikation einer Hauswirtschafterin mit Ausbildungsabschluß, der nach den Feststellungen des LSG eine dreijährige Ausbildung voraussetzt, nicht im Streit ist. Das LSG hat seine Entscheidung vielmehr darauf gestützt, daß die Klägerin im Rahmen ihrer Tätigkeit in eine Anlerngruppe eingruppiert war und die ausgeübte Tätigkeit den Merkmalen dieser Gruppe im wesentlichen entsprach. Dies ist nicht zu beanstanden. Der erkennende Senat hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß die tarifliche Eingruppierung des Versicherten durch den Arbeitgeber ein Indiz für die Wertigkeit der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit darstellt (vgl. u.a. BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 14 S. 55 f). Dieses Indiz kann zwar widerlegt werden. Voraussetzung dafür ist jedoch, daß die Eingruppierung eindeutig fehlerhaft war (Urteile des erkennenden Senats vom 17. Juni 1993 - 13 RJ 23/92 - SozR 3-2200 § 1246 Nr. 32 und vom 25. August 1993 - 13 RJ 49/92 - S. 9/10 des Abdrucks).
Aus diese Rechtsprechung ist zu folgern, daß Anlaß für weitere Ermittlungen des Gerichts nur dann gegeben ist, wenn sich nach Befragung der Versicherten zu ihrer Tätigkeit, Auskünften des Arbeitgebers oder sonstigen Umständen deutliche Anhaltspunkte für Fehler der tariflichen Eingruppierung ergeben. Anders als bei Arbeitsrechtsstreitigkeiten sind im Rahmen eines Rentenstreitverfahrens nicht die tariflichen Eingruppierungen als solche zu klären; vielmehr sind sie wegen ihres Indizcharakters nur Anhaltspunkte dafür, daß die tatsächlich verrichtete Tätigkeit in ihrer Wertigkeit der Tarifgruppe entspricht, nach der die Versicherte entlohnt wird. Dementsprechend bedarf es keiner detailgenauen Überprüfung; im übrigen würde eine so weitgehende Aufklärung den praktischen Wert der Indizwirkung, als Mittel, im Rahmen einer Massenverwaltung die Wertigkeit einer Berufstätigkeit leicht festzustellen, wieder zunichte machen, insbesondere, da in Rentenverfahren häufig weit zurückliegende Tätigkeiten zu überprüfen sind, deren genaue Abklärung erheblichen Ermittlungsaufwand mit zahlreichen Fehlerquellen zur Folge haben würde.
Dies gilt auch im negativen Sinne. Wenn der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer nicht in eine Facharbeitergruppe einstuft, ist dies - sofern es sich im einen geregelten Beruf handelt, der im Tarifvertrag erwähnt wird (BSG SozR 3-2200 § 1246 Nrn 12 und 21) - ein Indiz dafür, daß keine Facharbeitertätigkeit ausgeübt wurde. So war es auch hier. Der Beruf der Hauswirtschafterin ist ein geregelter Ausbildungsberuf - Regelausbildungsdauer drei Jahre - (Verordnung über die Berufsausbildung zum Hauswirtschafter/Hauswirtschafterin vom 14. August 1979 ≪BGBl. I, 1435≫) der auch insoweit im Tarifvertrag erwähnt ist, als in Lohngruppe VI Arbeiterinnen mit erfolgreich abgeschlossener Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf (Ausbildungsdauer mindestens 2 1/2 Jahre) genannt sind. Der Arbeitgeber hat die Klägerin aber nicht in die Lohngruppe VI, sondern in die Lohngruppe II (später III) eingruppiert. Anhaltspunkte dafür, daß die Eingruppierung unterhalb der Facharbeitergruppen eindeutig unrichtig war, haben sich nicht ergeben.
Das LSG hat sorgfältig den Aufgabenbereich der Klägerin ermittelt und diesen zu ihrer tariflichen Eingruppierung in Beziehung gesetzt. Zu dieser rechtlichen Bewertung der ermittelten Tätigkeit war es befugt. Es hat die Eingruppierung für zutreffend angesehen, mithin also Anhaltspunkte dafür, daß die Eingruppierung unterhalb der Facharbeitergruppen eindeutig fehlerhaft war, nicht feststellen können. Dadurch waren weitere Ermittlungen überflüssig. Soweit sich die Klägerin gegen Feststellungen des LSG zum Inhalt des Tarifvertrages und die Beweiswürdigung wenden will, ist darauf hinzuweisen, daß gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 3 SGG die Nichtzulassungsbeschwerde auf einen Verstoß gegen § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nicht gestützt werden kann.
Der Klägerin kann auch nicht gefolgt werden, soweit sie darlegt, daß die Abgrenzung des Umfangs der erforderlichen Ermittlungen grundsätzliche Bedeutung habe. Zwar hat das BSG bisher nur die Indizwirkung der tariflichen Eingruppierung betont; daraus folgt aber bereits, daß weitere Ermittlungen nicht erforderlich sind, wenn die Eingruppierung im wesentlichen durch die Feststellungen zum Inhalt der Tätigkeit bestätigt wird.
Die Nichtzulassungsbeschwerde war deshalb als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 SGG.13 BJ 261/92
BUNDESSOZIALGERICHT
Beschluß
Fundstellen