Beteiligte

Kläger Revisionskläger

Beklagte und Revisionsbeklagte

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob die Regelungen der Anordnung des Verwaltungsrates der Bundesanstalt für Arbeit über die individuelle Förderung der beruflichen Ausbildung (A Ausbildung) rechtmäßig sind, soweit der Anspruch eines Kindes auf Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) bei getrennt lebenden Eltern niedriger ausfällt.

Der im Jahre 1965 geborene Kläger, dessen Eltern geschieden sind, absolvierte vom 1. September 1982 an bei der H zunächst eine Ausbildung als Chemielabor-Jungwerker und im Anschluß daran eine Ausbildung zum Chemielaboranten. Er war in verschiedenen Wohnheimen des Arbeitgebers untergebracht, wofür er Beträge zwischen 70,- DM und 180,- DM zu zahlen hatte. Den ersten Antrag auf Förderung der Ausbildung zum Chemielabor-Jungwerker lehnte die Beklagte mit bindend gewordenem Bescheid ab. Nach Beginn der weiteren Ausbildung zum Chemielaboranten am 1. September 1984 beantragte der Kläger erneut Gewährung von BAB, auch soweit schon bindend entschieden war. Die Beklagte hielt die Ausbildung dem Grunde nach für förderungsfähig, verneinte aber einen Anspruch auf BAB mit der Begründung, daß der Ausbildungsbedarf des Klägers durch seine Einkünfte bzw. die Unterhaltsleistungen der Eltern gedeckt sei (Bescheid vom 28. März und 10. Oktober 1985 sowie vom 25. Juni 1986 und 2. Dezember 1986). Das Sozialgericht (SG) wies die Klage ab (Urteil vom 27. März 1987). Die Berufung des Klägers blieb erfolglos (Urteil des Landessozialgerichts LSG vom 19. Januar 1989). Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, die Beklagte habe die Vorschriften der A Ausbildung richtig angewandt. Bei der Festsetzung des Ausbildungsbedarfs brauche die Beklagte die vom Kläger geltend gemachten Kosten für mehrfache Wochenendheimfahrten, Lernmittel und Gewerkschaftsbeiträge nicht zu berücksichtigen. Auf den Bedarf seien neben dem Einkommen des Klägers, bestehend aus Bar- und Sachleistungen, die Unterhaltsleistungen des Vaters in Höhe des titulierten Anspruchs von 257,50 DM, abzüglich eines Härtefreibetrages von 120,- DM, anzurechnen. Es komme nicht darauf an, ob diese Unterhaltsleistungen angesichts des Alters des Klägers und seiner Ausbildungsvergütung noch dem entsprochen habe, was der Vater nach bürgerlichem Unterhaltsrecht geschuldet habe.

Mit der vom Bundessozialgericht (BSG) zugelassenen Revision beanstandet der Kläger in erster Linie die Anrechnung der Unterhaltsleistung des Vaters auf seinen Ausbildungsbedarf. Diese Verfahrensweise führe zu einer ungerechtfertigten Benachteiligung von Auszubildenden, deren Eltern geschieden seien. Bei bestehender Ehe sei nach der A Ausbildung beim Einkommen der Eltern ein Freibetrag zu berücksichtigen, der in seinem Fall dazu geführt hätte, daß keinerlei Einkommen anzurechnen gewesen wäre. Die Verfahrensweise der Beklagten weiche auch erheblich von der Regelung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) ab. Des weiteren beanstandet der Kläger, daß ihm das LSG auch keine erhöhten Werbungskosten zugebilligt habe. Nicht eine Familienheimfahrt monatlich, sondern eine Familienheimfahrt wöchentlich sei anzuerkennen. Auch die Wohnheimkosten seien in voller Höhe vom Einkommen abzuziehen; deren Anrechnung nach der Sachbezugsverordnung (SachBezV) als Sachbezug wie Einkommen widerspreche der steuerlichen Behandlung. Die Wertbemessung als Sachbezug nach der SachBezV sei im übrigen zu hoch, weil er, der Kläger, das darin enthaltene Frühstück nicht einnehme und der Miethöhe in den Orten entspreche, wo sich die Wohnheime befunden hätten. Wegen des überhöhten Wertansatzes nach der SachBezV wäre ihm zumindest ein Härtefreibetrag nach § 15 A Ausbildung zu gewähren.

Die Beklagte dürfe auch nicht sonstige Werbungskosten, wie Ausgaben für Fachbücher oder Gewerkschaftsbeiträge, unberücksichtigt lassen. Nach § 40 Abs. 1a Satz 3 AFG sei das nur für bestimmte Werbungskosten, nämlich Lernmittel, zulässig.

Da die Bedarfssätze der Beklagten allgemein zu niedrig seien, müsse ihm ein Härtefreibetrag zugebilligt werden, wie ihn die Beklagte auch sonst durch Rundverfügungen gewähre, z.B. bei auswärtiger Unterbringung in München und Augsburg. Die A Ausbildung enthalte belastende Regelungen, die durch § 39 AFG nicht gedeckt und aus verfassungsrechtlichen Gründen nur durch förmliches Gesetz wie im BAföG geregelt werden dürften.

Der Kläger beantragt, die Urteile der Vorinstanzen abzuändern und

1.

die Bescheide vom 25. Juni 1986 sowie 2. Dezember 1986 aufzuheben und die Beklagte unter Rücknahme der Bescheide vom 28. Oktober 1982 und 11. Januar 1983 zu verurteilen, dem Kläger für die Zeit ab 1. September 1982 bis 31. August 1984 zur Ausbildung zum Chemielabor-Jungwerker Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) für die Ausbildung zu gewähren;

2.

die Bescheide vom 28. März 1985 sowie 10. Oktober 1985 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ab 1. September 1984 BAB zum Chemielaboranten zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des Klägers ist teilweise begründet.

Zwar reicht das eigene Einkommen des Klägers während der Ausbildung zum Laboranten (ab 1. September 1984) zur Bedarfsdeckung aus. Während des ersten Teils der Ausbildung hat die Beklagte jedoch zu Unrecht den Anspruch auf BAB verneint. Der zivilrechtliche Unterhaltsanspruch des Klägers, der gegen den Vater festgesetzt ist, darf nicht angerechnet werden, weil die Eltern des Klägers im Sinne des öffentlichen Förderungsrechts nicht leistungsfähig sind. Die Leistungsfähigkeit ist auch bei getrennt lebenden Eltern allein pauschaliert nach dem System der Freibeiträge, wie es in der A Ausbildung und im BAföG vorgesehen ist, zu ermitteln.

Gemäß § 152 AFG (idF durch das 8. Gesetz zur Änderung des AFG vom 14. Dezember 1987 BGBl. I 2602 ) hat die Beklagte die entgegenstehenden früheren Bescheide abweichend von § 44 Abs. 1 SGB X mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen; für die Vergangenheit steht die Entscheidung über die Rücknahme grundsätzlich im Ermessen der Beklagten. Die Kannvorschrift (Halbsatz 2 des § 152 Abs. 1), die durch das oben genannte Gesetz eingefügt worden ist, stellt lediglich die Rechtslage klar, die schon vorher gegolten hat (vgl. BSGE 61, 184 = SozR 1300 § 44 Nr. 26), so daß sich übergangsrechtliche Fragen nicht stellen.

Die Voraussetzungen für die Rücknahme liegen vor. Die früheren Bescheide waren rechtswidrig, weil die Beklagte auf den Bedarf des Klägers Unterhaltszahlungen seines Vaters nicht anrechnen durfte.

Bei dem ersten Teil der Ausbildung handelte es sich, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist, um eine dem Grunde nach förderungsfähige Berufsausbildung i.S. von § 40 Abs. 1 Satz 1 AFG in der hier maßgeblichen Fassung durch das Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetz (AFKG) vom 22. Dezember 1981 (BGBl. I 1497). Nach dieser Vorschrift gewährt die Bundesanstalt Auszubildenden BAB für eine berufliche Ausbildung u.a. in Betrieben, soweit ihnen nach Maßgabe des AFG oder der Anordnung der Bundesanstalt die hierfür erforderlichen Mittel anderweitig nicht zur Verfügung stehen. Dabei macht das Gesetz keine Vorgaben dazu, ob Auszubildenden ein höherer Unterhaltsbetrag angerechnet werden kann, wenn ihre Eltern dauernd getrennt leben oder geschieden sind, als wenn sie in einer intakten Ehe leben.

Diese Unterscheidung trifft die A Ausbildung vom 31. Oktober 1969 (ANBA 1970, 213), hier i.d.F. der 21. Änderungsanordnung vom 16. März 1982 (ANBA S. 551) durch § 16 A Ausbildung, der nur für zusammenlebende Eltern gilt. Elterneinkommen wird danach erst dann angerechnet, wenn es Freibeträge überschreitet, die unabhängig sind von dem sog. Selbstbehalt nach den Grundsätzen des bürgerlichen Rechts und die weit höher liegen. Wie hoch der zivilrechtlich geschuldete Unterhalt wäre, wird nicht geprüft. Nach § 1603 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) besteht aber ein Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes selbst dann, wenn die Eltern durch die Unterhaltsgewährung ihren eigenen angemessenen Unterhalt gefährden würden. Der Selbstbehalt lag nach bürgerlichem Recht damals bei nur 900,- DM (vgl. Düsseldorfer Tabelle - NJW 1984, 2330); der Freibetrag nach der A Ausbildung lag bei 1.350,- DM.

Wenn die Eltern getrennt leben oder geschieden sind und der Unterhaltsanspruch gegen einen Elternteil festgesetzt wird, steigt der zivilrechtliche Anspruch nicht. Die Beklagte rechnet den festgestellten, d.h. titulierten Unterhaltsanspruch dann jedoch nach § 18 A Ausbildung an, ohne zu prüfen, ob die Einkünfte der Eltern die Freibeträge des § 16 A Ausbildung überschreiten. Dieses Vorgehen der Beklagten führt in aller Regel zu einer erheblichen Benachteiligung der Kinder, die aus einer gescheiterten Ehe stammen, gegenüber den Kindern, deren Eltern in einer intakten Ehe leben, obwohl die Trennung der Eltern ohnehin in aller Regel die finanzielle Lage aller Beteiligten verschlechtert. Die Praxis der Beklagten bewirkt die zusätzliche Verschlechterung der Unterhaltssituation des auszubildenden Kindes, weil die Freibeträge der A Ausbildung eben die zivilrechtliche Leistungsfähigkeit der Eltern nicht ausschöpfen.

Der vorliegende Fall macht das besonders deutlich. Die Mutter des Klägers hatte kein Einkommen; das Einkommen des Vaters lag weit unter der Freigrenze des § 16 A Ausbildung, wenn die Zuschläge für Unterhaltsberechtigte berücksichtigt werden. Nach der Trennung der Eltern hat aber die Beklagte § 18 A Ausbildung angewendet und deshalb den titulierten Betrag von 257,50 DM als Einkommen berücksichtigt. Die Benachteiligung des Klägers wird auch tatsächlich nicht dadurch ausgeglichen, daß die Beklagte von dem titulierten Unterhaltsanspruch 120,- DM bzw. 125,- DM anrechnungsfrei gelassen hat, so daß schon aus diesem Grund offen bleiben kann, ob die Durchführungsanweisung 15.02 zu § 15 A Ausbildung, wonach u.a. bei Wohnheimunterbringung Unterhaltsleistungen bis zu einer bestimmten Höhe nicht auf den Bedarf anzurechnen sind, dem Gesetz und dem Anordnungsrecht entspricht. Im übrigen ist es auch nicht Zweck dieser Praxis, die Benachteiligung bei getrennt lebenden Eltern auszugleichen.

Diese durch die A Ausbildung bedingte Benachteiligung von Kindern aus gescheiterten Ehen entspricht nicht der gesetzlichen Ermächtigung. Sie ist durch eine ermächtigungskonforme Auslegung zu beseitigen, indem § 16 A Ausbildung entgegen dem Wortlaut auch nach dem Scheitern der Ehe der Eltern angewandt wird, solange sich nicht mittels des zivilrechtlichen Unterhaltsanspruchs ausnahmsweise eine höhere BAB ergibt (vgl. auch BVerfG, Beschluß vom 6. November 1985, BVerfGE 71, 146 = Familienrechtzeitung 1986, 143 zu § 11 BAföG). Das Gesetz ermächtigt durch § 40 Abs. 1 a Satz 2 AFG die BA ohne nähere Vorgaben, den Bedarf festzulegen. Auch § 40 Abs. 1b Satz 1 AFG definiert den Bedarf nur bruchstückhaft: "für den Lebensunterhalt und für die Ausbildung". Es handelt sich um eine Leerformel. Auch aus § 39 AFG, wonach die Bundesanstalt durch Anordnung das Nähere über Voraussetzungen, Art und Umfang der Förderung der beruflichen Bildung zu bestimmen hat, ergibt sich keine Maßgabe, wie Unterhaltsleistungen zu berücksichtigen sind.

Daraus folgt aber nicht, daß der Bundesanstalt hier vom Gesetzgeber ein freier Gestaltungsraum überlassen worden wäre; dies wäre mit der Verfassung nicht zu vereinbaren. Zwar muß der Gesetzgeber, wenn er eine Regelung der autonomen Satzungsgewalt überläßt, nicht wie bei der Übertragung an den Verordnungsgeber "Inhalt, Zweck und Ausmaß" (Art 80 GG) der Ermächtigung bestimmen. Er darf sich aber seiner Rechtsetzungsbefugnis nicht völlig entäußern, sondern muß die grundlegenden Entscheidungen selbst treffen (vgl. die Zusammenfassung der Rechtsprechung des BVerfG zu Ermächtigungen für Satzungsregelungen in BVerfG, Beschluß vom 27. September 1979, SozR 4495 Allg Nr. 1). Die grundlegenden Entscheidungen des Gesetzgebers, die bei der Ausführung der Ermächtigung zu beachten sind, müssen sich allerdings nicht in dem ermächtigenden Gesetz befinden. Die Ermächtigung ist schon dann in verfassungsrechtlicher Hinsicht hinreichend bestimmt, wenn sich die Satzungsregelungen "sinnvoll in das Gesamtsystem der gesetzlichen Ordnung einfügen" lassen (BVerfGE 33, 125, 156 f.). Zu dem System, in das sich die hier zu beurteilende Satzung - die A Ausbildung - einzufügen hat, gehört das gesamte Recht der Bildungsförderung, also auch das BAföG. Beide Förderungsbereiche sollen nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers soweit wie möglich übereinstimmen (vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs zum BAföG, BT-Drucks. IV/1975, S. 20). Im BAföG hat der demokratisch gewählte Gesetzgeber selbst festgelegt, wie der Bedarf zu ermitteln ist und was auf diesen Bedarf anzurechnen ist. Diesen Vorgaben hat das Satzungsrecht zu folgen.

Hinsichtlich der Bedarfssätze nimmt die Beklagte auch nicht an, daß sie in ihrem Satzungsermessen lägen. Sie hat sich bei der Anpassung der Bedarfssätze in der Vergangenheit stets an denen des BAföG orientiert. Hinsichtlich der Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen hat sie sich aber vom System des § 25 BAföG gelöst, das im Unterschied zur Anordnungsregelung Kinder von getrennt lebenden oder geschiedenen Eltern nicht anders behandelt als die Kinder zusammenlebender Eltern. Dort wird stets für jeden Elternteil ein Freibetrag zugrunde gelegt, der sich um einen Freibetrag für jeden nach bürgerlichem Recht Unterhaltsberechtigten erhöht. Dadurch erhält der gegenüber seiner geschiedenen Ehefrau unterhaltsverpflichtete Ehemann denselben Freibetrag, wie wenn die Ehegatten zusammenleben würden. Diese gesetzliche Wertung auf dem anderen Gebiet der Bildungsförderung hat auch die BA zu beachten, weil insoweit kein Unterschied zwischen der Allgemein- und Hochschulbildung und der beruflichen Bildung besteht, der verschiedenartige Regelungen rechtfertigen könnte.

Von dem Maßstab des BAföG abzuweichen, besteht auch dann kein Grund, wenn dem Auszubildenden tatsächlich Unterhaltsleistungen eines Elternteils zufließen. Diese sind nach der Systematik des Gesetzes ohne Bedeutung, solange die Eltern nach BAföG als nicht leistungspflichtig gelten. Deshalb kann hier offen bleiben, ob dem Kläger die zu Händen der Mutter geleisteten Unterhaltszahlungen zugute gekommen sind. Selbst wenn dies der Fall wäre, würde es sich um nach dem Ausbildungsförderungsrecht unzumutbare und damit unbeachtliche Leistungen handeln. Die Beklagte wird deshalb bei der erneuten Berechnung des Anspruchs auf BAB den Elternfreibetrag in der Höhe zugrunde legen müssen, wie er sich beim Zusammenleben der Ehegatten ergeben würde.

Im übrigen hat das Berufungsurteil Bestand. § 18 Abs. 4 A Ausbildung, der ausdrücklich erklärt, daß Werbungskosten des Auszubildenden nicht zu berücksichtigen sind, ist nicht zu beanstanden, weil solche Kosten bereits bei der Festlegung des Bedarfs für den Lebensunterhalt und die Ausbildung in den §§ 11 bis 13 A Ausbildung berücksichtigt werden. Bei auswärtiger Unterbringung wird - in Übereinstimmung mit § 13 Abs. 2 BAföG - ein erhöhter Bedarfssatz zugrunde gelegt. Abweichend vom BAföG wird nach § 13 Nr. 2 A Ausbildung zur Aufrechterhaltung der Familienbande im Regelfall sogar monatlich eine Heimfahrt als bedarfserhöhend anerkannt. Wöchentliche Heimfahrten, wie sie im Steuerrecht als notwendige Werbungskosten anerkannt werden, beruhen auf den besonderen Gesichtspunkten eines hier nicht einschlägigen Regelungsbereichs. Innerhalb der jeweiligen Regelungsbereiche besteht für den Gesetzgeber und damit im Rahmen der Ermächtigung auch für den Satzungsgeber ein weiter Gestaltungsspielraum, Lebenssachverhalte zu bewerten und gesetzgeberische Konsequenzen daraus zu ziehen. In welchem Umfang der Staat finanzielle Mittel zur Förderung einer Ausbildung tatsächlich zur Verfügung stellt, richtet sich nach anderen Gesichtspunkten, als in welchem Umfang er Erwerbseinkommen unversteuert läßt. Das Anordnungsrecht, das unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sowie der begrenzt aus Beiträgen zur Verfügung stehenden Finanzierungsmittel eine Familienheimfahrt monatlich in der Regel für ausreichend hält, trägt damit im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung des § 39 AFG auch dem Schutzgebot des Art 6 Abs. 1 GG hinreichend Rechnung.

Etwas anderes folgt auch nicht aus § 40 Abs. 1a Satz 3 AFG, der für die Lernmittel, für die nach § 6 Abs. 1 Ziff 3 Berufsbildungsgesetz der Ausbilder aufzukommen hat (vgl. Hoppe/Berlinger, Förderung der beruflichen Bildung, § 40 Anm. 18) klarstellt, daß sie nicht bedarfserhöhend wirken. Das gibt keinen Hinweis darauf, ob und in welcher Form andere Kosten der Ausbildung bedarfserhöhend zu berücksichtigen sind. Es sind daher weder mehr als eine Familienheimfahrt monatlich, noch sonstige Ausgaben des Klägers für Bücher, Gewerkschaftsbeiträge usw über den pauschalen Grundbedarf hinaus bedarfserhöhend zu berücksichtigen.

Auch den Sachwert für Unterkunft und Verpflegung hat die Beklagte neben der gezahlten Ausbildungsvergütung zutreffend - und unter Abzug des vom Kläger dafür gezahlten Entgelts auf den Bedarf des Klägers angerechnet. Soweit der Kläger meint, durch die vom Arbeitgeber gewährte Unterkunft und Verpflegung habe er anderweitig nichts erspart, ist das ohne Bedeutung. Schon wegen der auswärtigen Unterbringung ist ihm ein höherer Bedarf zugebilligt worden. Gegen die von der Beklagten angenommene Höhe des Mehrbedarfs bestehen entgegen der Meinung des Klägers keine durchgreifenden Bedenken. Der Mehrbedarf entspricht demjenigen, den auch der Gesetzgeber in § 13 BAföG bei auswärtiger Unterbringung festgelegt hat. Soweit spezielle Sachleistungen den Mehrbedarf decken, sind sie als Einnahmen zu berücksichtigen. Gegen die Anwendung des § 18 SachBezV bestehen keine Bedenken, weil diese Verordnung einen einheitlichen Maßstab für die Bewertung von freier Kost und Wohnung zum Zwecke einer vereinfachten Beitragserhebung in der Sozialversicherung festlegt (§ 17 Abs. 1 Nr. 3 Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften - SGB IV ) und ein besserer und praktikablerer Maßstab für eine solche Bewertung nicht zur Verfügung steht. Sachleistungen anhand ortsüblicher Preise zu ermitteln, wäre mit einem erheblichen Verwaltungsaufwand verbunden, dessen Erfolg fraglich wäre und letztlich ebenfalls auf Schätzungen hinausliefe. Aus Gründen der Praktikabilität und der Rechtssicherheit sind deshalb die Schätzwerte der SachBezV einer konkreten Berechnung vorzuziehen, zumal die A Ausbildung Härteregelungen bereithält, durch die unbillige Ergebnisse im Einzelfall vermieden werden können. Weil die Beklagte pauschal die Werte der SachBezV ansetzen durfte, kommt es auf die Qualität von Unterkunft und Verpflegung im konkreten Fall ebensowenig an wie darauf, in welchem Umfang der Kläger davon Gebrauch macht.

Das Vorbringen des Klägers, die Beklagte habe ihm weitere Härtefreibeträge gemäß § 15 Satz 2 A Ausbildung zubilligen müssen, hat ebenfalls keinen Erfolg. Nach dieser Vorschrift kann zwar davon abgewichen werden, Einkommen des Auszubildenden auf den Bedarf anzurechnen, wenn dies zur Vermeidung unbilliger Härten gerechtfertigt ist. Es ist aber nicht ersichtlich, daß die Anrechnung des Einkommens des Klägers in Form der Ausbildungsvergütung und der Sachleistung des Arbeitgebers auf den Bedarf zu einer unbilligen Härte führt. Die "unbillige Härte" ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, dessen Voraussetzungen vom Gericht voll überprüft werden können und der Beklagten keinen Ermessensspielraum belassen (vgl. BSG SozR 4100 § 40 Nr. 18; Gagel/Richter, AFG, § 39 Rdnr. 28). Wenn die BA durch die 25. Änderungsanordnung zur A Ausbildung vom 28. Januar 1986 (ANBA S. 544) in § 15 Abs. 2 und in § 11 Abs. 4 Änderungen vorgenommen hat, mag sie einem erkennbar gewordenen besonderen Bedarf Rechnung getragen haben. Das führt aber nicht zur Annahme, daß die zuvor bestehende Rechtslage unbillige Härten enthielt. Nach seiner gesamten wirtschaftlichen Lage war der Kläger in der Lage, seinen Lebensunterhalt und Ausbildungsbedarf zu bestreiten. Von seiner Ausbildungsvergütung in Höhe von netto fast 500 ,- DM hatte er nur einen relativ geringen Betrag von 70,- DM monatlich für Unterkunft und Teilverpflegung abzuführen, so daß ihm für die restliche Verpflegung und seinen persönlichen Bedarf ein erheblicher Betrag verblieb. Diese Art der Berechnung stellte ihn besser als bei einer Unterbringung durch den Arbeitgeber mit voller Verpflegung. Dann wäre ihm gemäß § 12 Abs. 2 A Ausbildung nur noch ein Betrag von 115,- DM monatlich für die sonstigen Bedürfnisse verblieben. Der finanzielle Spielraum des Klägers war erheblich größer. Weitere Hinweise des Klägers auf erhöhten Mietbedarf und erhöhte Elternfreibeträge bei auswärtiger Unterbringung in München und Augsburg sind ohne Belang, weil der Mietbedarf des Klägers konkret feststeht und Elterneinkommen ohnedies nicht anzurechnen ist.

Die Beklagte hat bei der Neuberechnung der BAB nach Maßgabe dieses Urteils den Kläger erneut zu bescheiden (§ 131 Abs. 3 SGG) und dabei nach ihrem Ermessen zu prüfen, ob und inwieweit sie die bindend gewordene frühere Ablehnung zurücknimmt. Eine Verurteilung der Beklagten zur Rücknahme dieser Bescheide kann nicht erfolgen, weil nicht erkennbar ist, daß das Ermessen rechtmäßig nur im Sinne einer Rücknahme ausgeübt werden könnte (vgl. dazu BSG SozR 1300 § 35 Nr. 4). Der Kläger weist zwar zu Recht darauf hin, daß sich in einem vergleichbaren Fall, der nach dem BAföG zu beurteilen wäre, eine Rechtspflicht zur Rücknahme ergeben könnte, weil sich die Verwaltungstätigkeit der für die Ausbildungsförderung nach dem BAföG zuständigen Behörden nach dem SGB X richtet (vgl. § 1 SGB X, § 18 SGB I). Der Gesetzgeber hat aber die Sonderregelung des § 152 AFG bewußt in Abweichung von § 44 Abs. 1 SGB X getroffen, um den Besonderheiten der Arbeitsverwaltung im Hinblick auf massenhafte Vorgänge und dem häufig nur kurzfristigen Leistungsbezug Rechnung zu tragen (vgl. Regierungsentwurf zum SGB X, BT-Drucks. 8/4022, zu Art II 1. Abschnitt zu § 2). Der Gesetzgeber mag dabei in erster Linie an andere Leistungen gedacht haben als an die BAB. Das hat die Beklagte in eigener Verantwortung bei ihrer Ermessensentscheidung zu berücksichtigen.

Soweit es um BAB für die weitere Ausbildung zum Chemielaboranten geht, ist die Klage zu Recht abgewiesen worden. Die Gewährung von BAB scheitert insoweit schon an der Höhe der Ausbildungsvergütung des Klägers, ohne daß Unterhaltsleistungen der Eltern berücksichtigt werden. Wie das Berufungsgericht im einzelnen dargelegt hat, verbliebe ein monatlicher Zahlbetrag von weniger als 20,- DM, der nach § 20 Abs. 11 A Ausbildung (hier i.d.F. der 22. Änderungsanordnung vom 15. März 1983 ANBA S. 449 und der 23. Änderungsanordnung vom 23. Mai 1984 ANBA S. 1037 ) nicht ausbezahlt wird. Diese Regelung wird durch die Ermächtigung des § 39 AFG gedeckt (BSG SozR 4100 § 39 Nr. 22).

Die Verfahrensrügen führen schon deshalb nicht zum Erfolg, weil es der Kläger unterlassen hat darzulegen, daß das Urteil auf den behaupteten Verfahrensfehlern beruhen kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 121

NZA 1992, 389

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