Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Mehrbedarf wegen dezentraler Warmwassererzeugung. Warmwasserpauschale. abweichender Bedarf. keine Notwendigkeit einer separaten Verbrauchserfassung
Leitsatz (amtlich)
Die Anerkennung eines abweichenden Warmwassermehrbedarfs bei der Bewilligung von Arbeitslosengeld II setzt nicht den Nachweis des Energieverbrauchs für die Warmwassererzeugung durch separate Verbrauchszähler voraus.
Normenkette
SGB 2 § 21 Abs. 7 Sätze 1-2
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 28. Juli 2016 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Umstritten ist ein abweichender Mehrbedarf wegen dezentraler Warmwassererzeugung zwischen Januar 2011 und November 2012.
Der 1958 geborene, alleinstehende Kläger bewohnt eine Zweizimmer-Wohnung, die mit Kohle beheizt wird. Die Warmwassererzeugung erfolgt mittels eines elektrischen Durchlauferhitzers, dessen Verbrauch nicht gesondert erfasst wird. Der gesamte Stromverbrauch des Klägers belief sich vom 17.12.2010 bis zum 16.12.2011 auf 2372 kWh und vom 17.12.2011 bis zum 31.12.2012 auf 1910 kWh, wofür er dem Stromversorger 603,18 Euro bzw 534,93 Euro zahlte.
Das beklagte Jobcenter bewilligte dem Kläger für den streitbefangenen Zeitraum - mit Ausnahme der Zeit einer vom Rentenversicherungsträger erbrachten Teilhabeleistung vom 15.8. bis zum 7.10.2011 - Alg II unter Berücksichtigung ua des Regelbedarfs und des pauschalierten Mehrbedarfs für dezentrale Warmwassererzeugung, nicht aber eines abweichenden Bedarfs nach der 1. Alternative des § 21 Abs 7 Satz 2 Halbsatz 2 SGB II.
Das SG hat die Klage auf Gewährung von höherem Alg II unter Berücksichtigung eines Bedarfs zur Warmwassererzeugung von 27,88 Euro abgewiesen (Urteil vom 18.1.2016), das LSG die vom SG zugelassene Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 28.7.2016). Ein abweichender Bedarf bestehe nicht. Er sei nur anzuerkennen, wenn eine technische Einrichtung die konkrete Ermittlung erlaube, was hier nicht möglich sei. Beweis über die Verbrauchsdaten des Durchlauferhitzers sei nicht zu erheben, weil dies keine exakte Bestimmung des Stromverbrauchs zur Warmwassererzeugung erlaube. Für eine Schätzung fehle es an einer ausreichenden Grundlage.
Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 21 Abs 7 Satz 2 Halbsatz 2 SGB II. Zu Unrecht habe das LSG das Bestehen eines abweichenden Bedarfs zur Warmwassererzeugung von einer technischen Einrichtung abhängig gemacht. Das begründe eine unberechtigte Übertragung der Beweisführungslast auf ihn - den Kläger - und eine Ungleichbehandlung gegenüber Personen mit zentraler Warmwassererzeugung.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 28. Juli 2016 und des Sozialgerichts Berlin vom 18. Januar 2016 aufzuheben, die Bescheide des Beklagten vom 3. August 2011 und 19. Dezember 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Februar 2012 und die Bescheide des Beklagten vom 19. Dezember 2011 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 22. Februar 2012 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, ihm höheres Arbeitslosengeld II unter Berücksichtigung eines Warmwassermehrbedarfs in Höhe von 27,88 Euro monatlich vom 1. Januar 2011 bis zum 14. August 2011 und vom 8. Oktober 2011 bis zum 30. November 2012 zu zahlen.
Der Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung des Urteils des LSG und Zurückverweisung der Sache begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Zu Recht macht er geltend, dass die Anerkennung eines abweichenden Warmwasserbedarfs nicht von einer separaten Verbrauchserfassung abhängt. Inwiefern ihm deshalb höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zustehen, kann der Senat aufgrund der Feststellungen des LSG nicht abschließend entscheiden.
1. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind neben den vorinstanzlichen Entscheidungen die den streitbefangenen Zeitraum betreffenden Bescheide des Beklagten, soweit er es durch sie abgelehnt hat, dem Kläger für die Zeit von Januar 2011 bis November 2012 über den Regelbedarf in jeweiliger Höhe und den pauschalierten Mehrbedarf nach § 21 Abs 7 Satz 2 Halbsatz 1 SGB II hinaus unter Berücksichtigung eines Warmwassermehrbedarfs von 27,88 Euro monatlich höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu zahlen. Einbezogen in das Verfahren sind danach die jeweils zuletzt ergangenen Bescheide für den im Streit stehenden Zeitraum (vgl dazu in jüngerer Zeit nur BSG vom 1.12.2016 - B 14 AS 28/15 R - juris RdNr 11mwN).
Der danach streitbefangene Anspruch auf weitergehende Leistungen unter Berücksichtigung eines abweichenden Mehrbedarfs nach § 21 Abs 7 Satz 2 Halbsatz 2 SGB II stellt keinen eigenständigen, von den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts abtrennbaren Streitgegenstand dar (stRspr, siehe nur BSG vom 6.4.2011 - B 4 AS 3/10 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 11). Hingegen kann dem Vorbringen des Klägers mit hinreichender Deutlichkeit eine Beschränkung des Streitgegenstands insoweit entnommen werden, als die Bedarfe für Unterkunft und Heizung nicht im Streit stehen, was auch nach der Neufassung des SGB II zum 1.1.2011 möglich ist (BSG vom 4.6.2014 - B 14 AS 42/13 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 78 RdNr 10).
2. Der Sachentscheidung des Senats entgegenstehende prozessuale Hindernisse bestehen nicht. Insbesondere stand der streitbefangenen Berufungsentscheidung nicht die Wertgrenze des § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG entgegen, nachdem die Berufung gegen die erstinstanzliche Entscheidung vom SG zugelassen worden war. Zutreffende Klageart ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1, Abs 4 SGG), zulässig gerichtet auf die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts dem Grunde nach (§ 130 Abs 1 Satz 1 SGG), da mit Wahrscheinlichkeit von höheren Leistungen ausgegangen werden kann, wenn dem Klagebegehren gefolgt wird (vgl nur BSG vom 16.4.2013 - B 14 AS 81/12 R - SozR 4-4225 § 1 Nr 2 RdNr 10 mwN).
3. Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch des Klägers auf Zuerkennung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zwischen Januar 2011 und November 2012 sind die §§ 19 ff iVm §§ 7 ff SGB II idF, die das SGB II vor dem streitbefangenen Zeitraum zuletzt durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG) vom 24.3.2011 (BGBl I 453) insoweit mit Wirkung zum 1.1.2011 in Kraft erhalten hat (vgl Art 14 Abs 1 RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG). Denn in Rechtsstreitigkeiten über schon abgeschlossene Bewilligungsabschnitte ist das zum damaligen Zeitpunkt geltende Recht anzuwenden (vgl letztens BSG vom 30.8.2017 - B 14 AS 30/16 R - vorgesehen für SozR 4, RdNr 11).
a) Die Grundvoraussetzungen, um Alg II zu erhalten (§ 7 Abs 1 Satz 1 SGB II) erfüllte der Kläger; ebenso wenig lag ein Ausschlusstatbestand vor, wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG ergibt.
b) Ob der Beklagte den Bedarf des Klägers - soweit hier streitbefangen - neben dem zutreffend berücksichtigten Regelbedarf in der jeweiligen Höhe (§ 20 Abs 2 Satz 1 SGB II) mit den Warmwasserpauschalen fehlerfrei bemessen hat, vermag der Senat auf Grundlage der Feststellungen des LSG nicht zu beurteilen.
4. Rechtsgrundlage für den geltend gemachten höheren Warmwasserbedarf bei dezentraler Versorgung ist seit dem 1.1.2011 die Mehrbedarfsregelung des § 21 Abs 7 SGB II, sofern die Versorgung nicht Teil einer dezentralen Heizung ist und deshalb insoweit § 22 Abs 1 SGB II gilt.
a) Bis zur Änderung durch das RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG sollten die Aufwendungen für die Warmwassererzeugung nach der gesetzlichen Konzeption grundsätzlich aus der Regelleistung (heute: dem Regelbedarf) bestritten werden. Ausdrücklich hatte der Gesetzgeber dazu - in Bekräftigung der bereits in der Ursprungsfassung des SGB II angelegten Konzeption (vgl BSG vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 15/07 R - BSGE 100, 94 = SozR 4-4200 § 22 Nr 5, RdNr 21) - mit dem Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 (BGBl I 1706) die Nennung der durch den Regelbedarf insbesondere umfassten Bedarfe in § 20 Abs 1 Satz 1 SGB II dahin ergänzt, dass dazu auch die "Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung entfallenden Anteile" rechnete.
Bei dezentraler Warmwassererzeugung waren die Leistungsbezieher danach darauf verwiesen, die Aufwendungen hierfür ausschließlich über den Regelbedarf zu decken. Wurde das Warmwasser dagegen über die zentrale Hausheizungsanlage bezogen und der Verbrauchsanteil hierfür nicht gesondert erhoben, gingen die Aufwendungen auch der Warmwassererzeugung in die Aufwendungen für Heizung ein, die - gekürzt um einen schätzungsweise ermittelten pauschalen Anteil der Warmwasserbereitungskosten in der Regelleistung (vgl BSG vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 15/07 R - BSGE 100, 94 = SozR 4-4200 § 22 Nr 5, RdNr 23 ff; zur Fortschreibung vgl Brehm/Schifferdecker, SGb 2010, 331 ff) - über den Bedarf für Heizung nach § 22 Abs 1 SGB II in tatsächlicher Höhe Berücksichtigung fanden, sofern nicht die Aufwendungen für die Heizung als unangemessen anzusehen waren (zu den Maßstäben hierfür vgl BSG vom 12.6.2013 - B 14 AS 60/12 R - BSGE 114, 1 = SozR 4-4200 § 22 Nr 69, RdNr 22 ff).
b) Diese Zuordnung hat der Gesetzgeber des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG grundlegend umgestaltet und den Bedarf für die Warmwassererzeugung (vollständig) aus dem Regelbedarf herausgelöst. Demzufolge umfasst der Regelbedarf nunmehr die Haushaltsenergie "ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile" (§ 20 Abs 1 Satz 1 SGB II idF des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG) und es sind deshalb weder bei zentraler noch bei dezentraler Versorgung Anteile des Regelbedarfs für die Warmwassererzeugung einzusetzen. Beim Bezug über eine zentrale Hausheizungsanlage sind die Aufwendungen als Teil des Bedarfs für Heizung nach § 22 Abs 1 SGB II nunmehr vielmehr ohne Kürzung um einen Regelbedarfsanteil in tatsächlicher Höhe anzuerkennen, sofern die Aufwendungen für die Heizung nicht insgesamt als unangemessen anzusehen sind. Wird Warmwasser dagegen dezentral erzeugt, ist dies den Mehrbedarfen nach § 21 SGB II zugeordnet. Danach ist ein Mehrbedarf dem Grunde nach anzuerkennen, "soweit Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und deshalb keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 anerkannt werden" (§ 21 Abs 7 Satz 1 SGB II).
c) Zur Höhe des Mehrbedarfs bestimmt § 21 Abs 7 Satz 2 SGB II für Alleinstehende wie den Kläger: "Der Mehrbedarf beträgt für jede im Haushalt lebende leistungsberechtigte Person jeweils … 2,3 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 1 …, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht oder ein Teil des angemessenen Warmwasserbedarfs nach § 22 Absatz 1 anerkannt wird."
Hiernach gelten seit der Neuregelung durch das RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG für die Anerkennung des Bedarfs bei dezentraler Warmwassererzeugung drei Bemessungsansätze: Erstens die Bemessung nach den Warmwasserpauschalen des § 21 Abs 7 Satz 2 Halbsatz 1 SGB II, zweitens die Bedarfsbestimmung bei einer teils dezentralen und teils zentralen Warmwassererzeugung nach der 2. Alternative des § 21 Abs 7 Satz 2 Halbsatz 2 SGB II (gemischte Warmwasserversorgung, vgl Brehm/Schifferdecker, SGb 2011, 505, 507; Geiger, Unterkunfts- und Heizkosten nach dem SGB II, 4. Aufl 2017, 155) und drittens die Anerkennung eines (sonst) abweichenden Bedarfs nach der 1. Alternative des § 21 Abs 7 Satz 2 Halbsatz 2 SGB II (allgemeine Öffnungsklausel, vgl Brehm/Schifferdecker, aaO, 506; ähnlich Behrend in jurisPK-SGB II, 4. Aufl 2015, § 21 RdNr 140).
5. Anspruch auf Berücksichtigung eines Warmwassermehrbedarfs über die Warmwasserpauschale hinaus besteht hiernach, soweit die Aufwendungen für die Warmwassererzeugung durch die Warmwasserpauschale nicht vollständig gedeckt werden und sie nicht unangemessen sind.
a) Maßgebend dafür, ob ein abweichender Bedarf im Sinne der 1. Alternative des § 21 Abs 7 Satz 2 Halbsatz 2 SGB II besteht, sind die für die dezentrale Warmwassererzeugung tatsächlich anfallenden Aufwendungen. Keine Bedeutung hat hingegen insoweit, ob besondere Lebensumstände wie ein krankheitsbedingt höherer Hygienebedarf oder das Alter der Anlage zur Warmwassererzeugung abweichende Aufwendungen begründen können (so aber etwa LSG Berlin-Brandenburg vom 20.4.2017 - L 32 AS 2665/15 - juris RdNr 92 ff: abweichender Bedarf vornehmlich personenbezogen zu verstehen). Bereits im Verhältnis der Halbsätze 1 und 2 des § 21 Abs 7 Satz 2 SGB II kann sich die Abweichung ("soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht") ausschließlich auf den (Geld-)Betrag der jeweiligen Warmwasserpauschale beziehen ("Der Mehrbedarf beträgt"), wie er sich aus den Prozentsätzen von § 21 Abs 7 Satz 2 Halbsatz 1 SGB II in Euro ergibt. Auch die mit dem RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG eingeführte Übergangsregelung stellt für eine etwaige Nachzahlung darauf ab, ob Leistungen ohne Berücksichtigung "der tatsächlichen Aufwendungen für die Erzeugung von Warmwasser" festgesetzt wurden (vgl § 77 Abs 6 SGB II). Im Übrigen können die nach § 21 SGB II anzuerkennenden Mehrbedarfe im Hinblick auf § 19 Abs 3 SGB II auch systematisch ausschließlich aufwandsbezogen zu verstehen sein, wonach die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung ua der Mehrbedarfe erbracht werden, soweit sie nicht durch das zu berücksichtigende Einkommen und Vermögen gedeckt sind, die Aufwendungen also aus den zur Verfügung stehenden Mitteln nicht bestritten werden können.
b) Eine Abweichung nach der allgemeinen Öffnungsklausel des § 21 Abs 7 Satz 2 Halbsatz 2 Alternative 1 SGB II liegt danach vor, soweit die tatsächlichen Aufwendungen für die dezentrale Warmwasserversorgung im jeweils maßgebenden Bewilligungszeitraum höher (oder niedriger) als die im Einzelfall maßgebliche Warmwasserpauschale sind und nicht ein (Sonder-)Fall der gemischten Warmwassererzeugung im Sinne der 2. Alternative des § 21 Abs 7 Satz 2 Halbsatz 2 SGB II vorliegt.
c) Höhere Aufwendungen zur dezentralen Warmwassererzeugung sind danach als Warmwassermehrbedarf anzuerkennen, soweit sie nicht unangemessen sind. Das bringt der Wortlaut des § 21 Abs 7 SGB II bereits mit der Wendung "ein Teil des angemessenen Warmwasserbedarfs" zum Ausdruck, die der 2. Alternative in Satz 2 Halbsatz 2 vorangestellt ist. In ihr ist der das Existenzsicherungsrecht allgemein beherrschende Grundsatz aufgenommen, dass existenzsichernde Leistungen nur zur Deckung angemessener Bedarfe zu erbringen sind. Systematisch zwingt dazu auch die Gleichstellung mit der Bedarfsbemessung bei zentraler Warmwasserversorgung und der insoweit ausdrücklich maßgeblichen Grenze des § 22 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB II (Bedarfe für … Heizung werden übernommen, "soweit diese angemessen sind"). Auch ohne ausdrückliche Einfügung dieser Begrenzung in den Normtext gilt für einen abweichenden Bedarf bei dezentraler Warmwassererzeugung nichts Anderes (vgl dazu näher Brehm/Schifferdecker, SGb 2011, 505, 507; ebenso Behrend in jurisPK-SGB II, 4. Aufl 2015, § 21 RdNr 141; Geiger, Unterkunfts- und Heizkosten nach dem SGB II, 4. Aufl 2017, 154; S. Knickrehm/Hahn in Eicher/Luik, SGB II, 4. Aufl 2017, § 21 RdNr 82; Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, Stand V/2011, K § 21 RdNr 102).
6. Die Anerkennung eines abweichenden Warmwassermehrbedarfs setzt entgegen der Auffassung des LSG keine separate Verbrauchserfassung durch technische Einrichtungen wie zB einen Verbrauchszähler voraus.
a) Dem Wortlaut nach besteht Anspruch auf einen abweichenden höheren Warmwassermehrbedarf, soweit ein abweichender Bedarf "besteht". Voraussetzung ist danach dem Sprachgebrauch zufolge allein, dass ein von den pauschalierenden Bemessungsansätzen abweichender Bedarf tatsächlich vorhanden ist (da, vorhanden sein; existieren vgl Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache in zehn Bänden, 3. Aufl 1999, Bd 2, 560; Duden, Das Bedeutungswörterbuch, 4. Aufl 2010, 210). Besondere Anforderungen an den für seine Feststellung nötigen Grad an Überzeugungsgewissheit - wie insbesondere mit einem Nachweiserfordernis (so aber etwa bei Inkrafttreten des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG § 24 Abs 1 Satz 1 oder § 29 Abs 4 SGB II oder nunmehr § 41a Abs 3 Satz 3 SGB II) - begründet die Vorschrift ihrem Wortlaut nach hingegen nicht.
b) Dass die abweichende Mehrbedarfsbemessung eine Verbrauchserfassung durch separate technische Einrichtungen voraussetzen soll, liegt auch systematisch nicht nahe. Ausgeschlossen ist eine solche Annahme jedenfalls für die (Sonder-)Regelung der gemischten Warmwassererzeugung nach der 2. Alternative des § 21 Abs 7 Satz 2 Halbsatz 2 SGB II. Würde die Bedarfsabgrenzung hiernach zwischen dem Heizungsbedarf nach § 22 Abs 1 SGB II einerseits und dem Mehrbedarf nach § 21 Abs 7 SGB II andererseits von der Möglichkeit einer gesonderten Verbrauchsermittlung abhängen, würde die für diese Fälle ersichtlich intendierte Herabsetzung des im Einzelfall anzuerkennenden (zusätzlichen) Mehrbedarfs wegen dezentraler Warmwassererzeugung zumeist leerlaufen. Sind Verwaltung und ggf auch Gerichte dennoch beauftragt, für diese Fallgruppe unbeschadet der im Einzelfall vergleichsweise geringen Beträge Ermittlungen auch ohne technische Messgeräte aufzunehmen, dann spricht das eher dafür, dass nach der gesetzlichen Konzeption dem konkreten Verbrauch im Zweifel für alle Fälle des § 21 Abs 7 Satz 2 Halbsatz 2 SGB II Vorrang zukommen soll vor den pauschalierenden Bemessungsansätzen nach § 21 Abs 7 Satz 2 Halbsatz 1 SGB II.
c) In eine andere Richtung weist auch die Entstehungsgeschichte nicht. Zu der hier maßgeblichen, erst auf die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses hin (vgl BT-Drucks 17/4719 S 3) verabschiedeten Mehrbedarfsregelung liegen amtliche Materialien nicht vor. Auch sonst streitet die Entstehungsgeschichte nicht dafür, über die Warmwasserpauschalen hinausreichende Bedarfe nur aufgrund einer gesonderten Verbrauchserfassung anzuerkennen.
Die im Anschluss an die Regelsatz-Entscheidung des BVerfG vom 9.2.2010 (BVerfG vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12) durch das RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG veränderte Regelbedarfsbemessung zielte darauf ab, bis dahin empirisch nicht ausreichend belegte Wertansätze durch realitätsgerecht ermittelte, ausschließlich auf statistische Erhebungen und Auswertungen gestützte Verbrauchspositionen zu ersetzen. Nicht zuletzt gilt das für die hier streitbefangene Haushaltsenergie (vgl BVerfG vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175, 240 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12 RdNr 177 f) mit der Sonderauswertung beim Haushaltsstrom (vgl im Einzelnen BT-Drucks 17/3404 S 52 f). Solche empirisch ermittelten Daten konnten im Vermittlungsverfahren für die dezentrale Warmwassererzeugung schon aus Zeitgründen nicht zur Verfügung stehen; nach einer Äußerung der Bundesregierung kann ohnehin zweifelhaft erscheinen, ob sie vertretbar zu erlangen wären (vgl die Antwort der Bundesregierung vom 29.7.2013 auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Bulling-Schröter ua und der Fraktion DIE LINKE - BT-Drucks 17/14365 -, BT-Drucks 17/14473 S 5: "Kosten der elektrischen Warmwasserbereitung, die üblicherweise in einer Gesamtrechnung der Stromkosten nicht separat ausgewiesen sind, lassen sich nicht mit einem vertretbaren Aufwand hinreichend belastbar ermitteln"). Mussten die Pauschalen danach auf Schätzungen gestützt werden, spricht das angesichts der grundsätzlich intendierten Abkehr hiervon nicht dafür, höhere tatsächliche Energieaufwendungen nur bei Verbrauchsnachweisen mit gesonderten technischen Einrichtungen als beachtlich anzusehen; jedenfalls dann nicht, solange die gesetzliche Regelung nach Wortlaut und Systematik eine von der Form der Bedarfsermittlung unabhängige Berücksichtigung der tatsächlichen Verbrauchsaufwendungen vorsieht.
d) Dieser Ermittlung sind Gerichte und Verwaltungen nach der gesetzlichen Konzeption (zur Bedeutung der Höhe der Warmwasserpauschale vgl aber unten 7.) auch nicht wegen der vom LSG aufgezeigten Schwierigkeiten der Aufwandsbestimmung enthoben. Zutreffend ist zwar, dass ohne separate Verbrauchszähler kein präziser Anhalt für den tatsächlichen Warmwasserverbrauch im Einzelfall besteht. Maßgeblich ist er aber wie dargelegt ohnehin nur in den Grenzen des Angemessenen (vgl oben 5. c). Sofern keine Besonderheiten des Einzelfalls bestehen, wird deshalb dem Energieverbrauch regelmäßig ein durchschnittlicher, als angemessen anzusehender Warmwasserverbrauch zu Grunde gelegt werden können. Dass Verwaltungen und Gerichte ausgehend davon im Rahmen ihres Amtsermittlungsauftrags (§ 20 SGB X, § 103 SGG) unter Berücksichtigung des im Einzelfall erforderlichen Energieverbrauchs für die Warmwassererzeugung - dessen Ermittlung auch vorliegend nach Einschätzung des LSG nicht unmöglich ist - und der jeweils maßgeblichen Energiekosten die zu ihrer Überzeugung (vgl § 128 Abs 1 Satz 1 SGG) im Einzelfall zu berücksichtigenden angemessenen tatsächlichen Aufwendungen für die dezentrale Warmwassererzeugung nicht hinreichend bestimmen könnten, ist nicht zu erkennen.
e) Eine andere Wertung folgt schließlich nicht aus der Rechtsprechung des BSG zur Rechtslage vor dem 1.1.2011, nach der höhere tatsächliche Kosten bei zentraler Warmwassererzeugung nur dann anstelle des schätzungsweise ermittelten pauschalen Anteils der Warmwassererzeugungskosten in der Regelleistung von den Aufwendungen für Heizung in Abzug zu bringen waren (vgl oben 4. a), wenn diese Kosten über die Einrichtung getrennter Zähler oder sonstiger Vorrichtungen konkret zu erfassen waren (vgl nur BSG vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 15/07 R - BSGE 100, 94 = SozR 4-4200 § 22 Nr 5, RdNr 27). Denn diese Rechtsprechung hatte allein die Frage zum Gegenstand, ob tatsächliche (Heizungs-)Aufwendungen auch ohne konkreten Nachweis über den pauschalen Regelleistungsanteil hinaus gekürzt werden konnten, und nicht, unter welchen Voraussetzungen höhere tatsächliche (angemessene) Aufwendungen anstelle einer empirisch nicht belegten Pauschale als Bedarf zu berücksichtigen sind.
7. Dass eine einzelfallbezogene Ermittlung hier trotzdem entbehrlich war, weil die Warmwasserpauschalen zur Deckung der Aufwendungen für die dezentrale Warmwassererzeugung im Allgemeinen - von besonders gelagerten Umständen abgesehen - ausreichend bemessen sind, vermag der Senat den Feststellungen des LSG nicht zu entnehmen.
Empirische Erhebungen, auf die sich eine solche Einschätzung stützen könnte, hat das LSG nicht festgestellt. Aus der Rechtsprechung zu den pauschalen Abzugsbeträgen bei zentraler Warmwassererzeugung nach alter Rechtslage (vgl oben 4. a) ist insoweit ebenfalls nichts zu gewinnen, weil die Höhe des Anteils, der für die Warmwasserbereitung maximal in der Regelleistung enthalten war (vgl BSG vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 15/07 R - BSGE 100, 94 = SozR 4-4200 § 22 Nr 5, RdNr 24) keinen Schluss darauf zulässt, ob die Warmwasserpauschalen die angemessenen Aufwendungen für die dezentrale Warmwassererzeugung bezogen auf die gegenwärtigen Verhältnisse - sowohl der Energiekosten als auch des Energiebedarfs zur Warmwassererzeugung unter Einbeziehung auch älterer Anlagen - im Allgemeinen tatsächlich vollständig decken können.
Davon kann schließlich ungeachtet der fehlenden statistischen Erhebungen im Allgemeinen auch im Fall hier nicht hinreichend sicher ausgegangen werden, nachdem zwar der Energieverbrauch des Klägers im streitbefangenen Zeitraum nach Einschätzung des LSG für einen Haushalt mit dezentraler Warmwassererzeugung als durchschnittlich anzusehen ist, die Ausgaben für Haushaltsstrom von 50,27 Euro bzw 44,58 Euro monatlich (603,18 Euro bzw 534,93 Euro ÷ 12) mit den darauf entfallenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 36,29 Euro bzw 37,66 Euro monatlich (2011: 28,29 Euro Regelbedarfsanteil Strom + 8 Euro Mehrbedarfspauschale; 2012: 29,06 Euro Regelbedarfsanteil Strom + 8,60 Euro Mehrbedarfspauschale) jedoch nicht vollständig zu bestreiten waren.
Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens bleibt dem LSG vorbehalten.
Fundstellen
BSGE 2019, 22 |
NJW 2018, 10 |
FEVS 2019, 9 |
NZS 2018, 509 |
SGb 2018, 98 |
ZfF 2018, 159 |
ZfSH/SGB 2018, 390 |
info-also 2018, 187 |