Entscheidungsstichwort (Thema)

Folgebescheid. Widerspruchsverfahren. Rechtsbehelfsfrist. Klageänderung. Rechtsmittelbelehrung. Honorarbescheid. Honorarverteilung. Gesamtvergütung. Gesamtvertrag. Vergütungstopf. Fremdkassenfälle. Fremdarztfälle. Gestaltungsfreiheit. Neubescheidung

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Honorierung vertragsärztlicher Leistungen gegenüber Versicherten, die einer Krankenkasse angehören, deren Landesverband mit der KÄV des behandelnden Vertragsarztes keinen Gesamtvertrag abgeschlossen hat (Fremdkassenfälle).

 

Normenkette

SGG §§ 66, 84, 96, 99; SGB V §§ 75, 82-83, 85

 

Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 29.11.1995; Aktenzeichen L 5 Ka 1726/95)

SG Reutlingen (Urteil vom 10.05.1995; Aktenzeichen S 1 Ka 1038/94)

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 29. November 1995 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten auch für das Revisionsverfahren zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Der als Arzt für Allgemeinmedizin zugelassene Kläger wendet sich gegen die Höhe des Punktwertes, mit dem die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) seine Leistungen gegenüber solchen Versicherten honoriert hat, deren Krankenkasse ihren Sitz außerhalb des Bezirks der Beklagten hat (“Fremdkassenfälle”). Im Quartal III/93 blieben die Punktwerte in den Fremdkassenfällen um 2 Pf bei den Präventionsleistungen und um 1 Pf bei den übrigen Leistungen hinter den Punktwerten zurück, die für die Behandlung von Versicherten der südwürttembergischen Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) zur Auszahlung gelangten. Zur Begründung wies die Beklagte darauf hin, die Zahlungen der fremden KÄVen hätten schon seit längerem zur Vergütung der Fremdkassenleistungen mit dem südwürttembergischen AOK-Punktwert nicht mehr ausgereicht, so daß sich der Vorstand auf der Grundlage des § 6 Nr 9 des Honorarverteilungsmaßstabes (HVM) entschlossen habe, ab dem Quartal III/93 den Punktwert für alle Fremdkassenleistungen so (niedrig) festzusetzen, daß diese vollständig aus den von den anderen KÄVen im Fremdkassenausgleich geleisteten Zahlungen honoriert werden könnten (Bescheid vom 17. Januar 1994).

Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, der einheitliche Punktwert für die Fremdkassenleistungen benachteilige ihn gegenüber anderen südwürttembergischen Vertragsärzten erheblich, weil wegen der Lage seiner Praxis im Grenzbereich des Bezirks der Beklagten und in unmittelbarer Nähe der Bezirke der KÄVen Nord-Württemberg bzw Nordbaden zwischen 68 und 78 % seiner bei Primärkassen versicherten Patienten Mitglieder von Krankenkassen seien, die ihren Sitz außerhalb des Bezirks der Beklagten hätten. Für eine derartige Benachteiligung gebe es keine rechtliche Grundlage. Im Widerspruchsverfahren hatte der Kläger keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 27. Mai 1994).

Während das Sozialgericht (SG) die Klage abgewiesen hat (Urteil vom 10. Mai 1995), hat das Landessozialgericht (LSG) die angefochtenen Bescheide sowie die im Verlaufe des Klageverfahrens ergangenen Honorarbescheide für die Quartale IV/93 bis IV/94 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, über die Honoraransprüche des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Hinsichtlich des weitergehenden Antrages des Klägers, die in Fremdkassenfällen erbrachten Leistungen mit den für die Primärkassen im Zuständigkeitsbereich der Beklagten festgesetzten Punktwerten zu vergüten, hat das LSG die Berufung zurückgewiesen. Die Vorschriften des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB V) über die Honorarverteilung ließen es zu, für verschiedene Kassenarten gesonderte Verteilungstöpfe zu bilden, doch sei eine Regelung, die die rechnerisch abgetrennte, gesonderte Vergütung von Fremdkassenleistungen zulasse, weder im Gesetz angelegt noch mit diesem vereinbar. Die Beträge, die die einzelne KÄV im Fremdkassenausgleich erhalte, seien keine “Gesamtvergütung” iS des § 85 SGB V, weil ihnen kein Gesamtvertrag iS der § 72 Abs 2 und § 83 Abs 1 SGB V zugrunde liege, den die einzelne KÄV mit den Krankenkassen ihres Bereichs abzuschließen habe. Der Gesetzgeber habe sich zur Regelung des Fremdkassenausgleichs auf die Bestimmungen der § 75 Abs 7 und § 81 Abs 3 SGB V beschränkt. Diese Vorschriften regelten jedoch ebenso wie die auf ihrer Grundlage zwischen den Spitzenverbänden der Krankenkassen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KÄBV) geschlossenen Vereinbarungen lediglich die Rechtsbeziehungen zwischen den Krankenkassen und KÄVen. Sie enthielten keine Vorgaben für die Honorierung von Fremdkassenleistungen im Rechtsverhältnis zwischen dem Vertragsarzt und seiner KÄV. Die Bildung eines gesonderten Fremdkassentopfes lasse sich nicht auf § 85 Abs 4 Satz 5 SGB V stützen, weil Ärzte, die Versicherte von Fremdkassen behandelten, keine “Arztgruppe” iS dieser Vorschrift seien, und außerhalb des KÄV-Bezirks wohnenden Patienten nicht zusammengefaßt als “besonderes Versorgungsgebiet” angesehen werden könnten. Schließlich gestatte auch die Verteilungsautonomie der KÄV keine Differenzierung der Punktwerte nach bereichseigenen und bereichsfremden Krankenkassen, weil die damit verbundene Absicht einer Erleichterung der Abrechnung nicht zu den Gesichtspunkten gehöre, die die einzelne KÄV berechtigen könnten, vom Grundsatz der prinzipiell gleichmäßigen Honorarverteilung an alle Mitglieder abzuweichen. Es sei Sache der Beklagten, im Rahmen ihrer Gestaltungsfreiheit bei der Honorarverteilung eine gesetzeskonforme Lösung zu finden; jedenfalls könne das Gericht sie nicht unmittelbar zur Honorierung der Fremdkassenleistungen mit einem bestimmten Punktwert verurteilen (Urteil vom 29. November 1995).

Die Beklagte hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie ist der Auffassung, das Berufungsgericht habe verkannt, daß § 85 Abs 4 Sätze 1 bis 3 SGB V unmittelbar oder zumindest analog auf die Verteilung der der einzelnen KÄV für Fremdkassenleistungen von den anderen KÄVen im Bundesgebiet zufließenden Vergütung anwendbar sei. Zwar sei richtig, daß der Fremdkassenvergütung ein Gesamtvertrag zwischen ihr (Beklagte) und einem Landesverband der Krankenkassen nicht zugrunde liege. Bei den ihr im Fremdkassenausgleich zufließenden Beträge handele es sich gleichwohl um eine “Gesamtvergütung” iS des § 85 Abs 4 SGB V, weil die Vergütung aufgrund eines Gesamtvertrages zwischen einer fremden KÄV und dem für deren Bezirk zuständigen Landesverband der Krankenkassen gezahlt werde und über eine fremde KÄV an sie als KÄV des behandelnden Vertragsarztes gelange. Eine andere gesetzliche Regelung über die Verteilung der im Fremdkassenausgleich an die einzelne KÄV zur Abgeltung von Leistungen ihrer Mitglieder gelangten Beträge als § 85 Abs 4 SGB V bestehe nicht. Da mithin diese Vorschrift Rechtsgrundlage auch für die Verteilung des Honorars in Fremdkassenfällen sei, müsse der KÄV Gestaltungsfreiheit hinsichtlich ihrer Honorierung zugestanden werden. Wenn die einzelne KÄV entsprechend der Rechtsauffassung des LSG berechtigt sei, sämtliche ihr zufließenden Gesamtvergütungen nach Kassenarten getrennt zu verteilen, sei es nur konsequent, daß sie, die Beklagte einen einheitlichen “Topf” gebildet habe, in den alle Zahlungen, die sie von anderen KÄVen und damit mittelbar von zahlreichen Krankenkassen in der Bundesrepublik erhalte, eingebracht und aus dem dann einheitlich alle Leistungen ihrer Mitglieder gegenüber Versicherten bereichsfremder Krankenkassen honoriert würden. Auf diese Weise werde dem Gebot einer gleichmäßigen Honorarverteilung bezogen auf alle Fremdkassenleistungen am besten Rechnung getragen.

Im übrigen habe das LSG verkannt, daß die Honorierung der Fremdkassenleistungen aus einem gesonderten und einheitlichen Vergütungstopf als sog “Anfangs- und Erprobungsregelung” rechtmäßig sein könne. Erst nach dem Inkrafttreten des Gesundheitsstrukturgesetzes (GSG), als infolge der Budgetierung der Gesamtvergütungen die Zahlungen in Fremdkassenfällen zurückgegangen seien, habe sie sich gezwungen gesehen, von der Möglichkeit der Punktwertabsenkung in Fremdkassenfällen im Rahmen ihres HVM Gebrauch zu machen. Sie habe damit verhindern wollen, daß die mit den südwürttembergischen Krankenkassen vereinbarten Gesamtvergütungen zur Subventionierung der Punktwerte in Fremdkassenfällen herangezogen werden müßten. Schließlich habe sie zum 1. Januar 1995 hinsichtlich der Fremdkassenleistungen eine Neuregelung in ihrem HVM getroffen, die eine unterschiedliche Vergütung von Leistungen der Vertragsärzte für bereichseigene und bereichsfremde Krankenkassen verhindere.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 29. November 1995 abzuändern und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 10. Mai 1995 in vollem Umfang zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält das Berufungsurteil für zutreffend und ist der Auffassung, aus § 75 Abs 7 iVm § 81 Abs 3 Nr 2 SGB V sei abzuleiten, daß dem Vertragsarzt die Fremdkassenleistungen im Rahmen des für ihn geltenden HVM in gleicher Weise wie seine übrigen Leistungen zu vergüten seien. Der Fremdkassenausgleich erfolge ausschließlich zwischen den beteiligten KÄVen, die sich dazu der bei der KÄBV eingerichteten Clearingstelle bedienten, um eine Saldierung gegenseitiger Forderungen zu erreichen.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision der beklagten KÄV ist nicht begründet.

In verfahrensrechtlicher Hinsicht hat das LSG zu Recht nicht nur über den ursprünglich allein streitbefangenen Honorarbescheid der Beklagten für das Quartal III/93 idF des Widerspruchsbescheides vom 27. Mai 1994, sondern auch über die Bescheide für die Folgequartale IV/93 bis IV/94 entschieden. Diese Erweiterung des Streitgegenstandes beruht allerdings nicht auf einer entsprechenden Anwendung des § 96 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), weil nach der neueren Rechtsprechung des Senats diese Vorschrift keine Anwendung findet, wenn während eines laufenden Honorarstreitverfahrens weitere Bescheide ergehen, die den Honoraranspruch des Vertragsarztes für spätere Abrechnungsquartale regeln (Senatsurteil vom 20. März 1996 – 6 RKa 51/95 – = SozR 3-2500 § 87 Nr 12). Die Abrechnungsbescheide für die Quartale IV/93 bis IV/94 sind jedoch im Wege einer gewillkürten Klageänderung auf der Grundlage des § 99 Abs 1 SGG Gegenstand bereits des sozialgerichtlichen Verfahrens geworden. Der Senat hat in dem genannten Urteil vom 20. März 1996 darauf hingewiesen, daß Honorarbescheide für spätere als das ursprünglich streitbefangene Quartal im anhängigen Prozeß mit überprüft werden können, wenn alle Beteiligten dies wünschen, weil dann vermutet werden kann, daß die Ausweitung des Streitstoffs auch aus prozeßökonomischen Erwägungen zweckmäßig ist. Wenn die Verfahrensbeteiligten eine entsprechende prozessuale Vereinbarung schließen, kann auf die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens hinsichtlich der Folgequartale verzichtet werden (vgl auch Senatsurteil vom 7. Februar 1996 – 6 RKa 42/95 – = SozR 3-2500 § 85 Nr 12). Grundsätzlich nicht verzichtet werden kann allerdings auf die Einhaltung der Rechtsbehelfsfristen, weil das Institut der Klageänderung nicht dazu dienen darf, bereits bestandskräftige Verwaltungsentscheidungen einer gerichtlichen Überprüfung zuzuführen, unabhängig davon, ob die Behörde damit einverstanden ist oder nicht. Die Rechtsbehelfsfrist hat der Kläger jedoch auch hinsichtlich der Honorarbescheide für die Quartale IV/93 bis IV/94 gewahrt.

Nach den für den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Kläger gegen den Honorarbescheid für das Quartal IV/93 vom 15. April 1994 rechtzeitig Widerspruch erhoben, den der Vorstand der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 3. August 1994 zurückgewiesen hat. Am 15. August 1994 hat der Kläger diesen Bescheid zu den Akten des sozialgerichtlichen Verfahrens gereicht und deutlich gemacht, daß er die Einbeziehung dieses Widerspruchsbescheides in das laufende Klageverfahren begehrt. Das steht einer eigenständigen Klageerhebung iS des § 90 SGG gleich, so daß die Klagefrist des § 87 Abs 1 SGG insoweit gewahrt ist. Die Honorarbescheide vom 15. Juli 1994 (Quartal 1/94), 17. Oktober 1994 (Quartal II/94), 16. Januar 1995 (Quartal III/94) und 18. April 1995 (Quartal IV/94) hat der Kläger erstmals ausdrücklich durch seinen am 10. Mai 1995 in der mündlichen Verhandlung vor dem SG gestellten Aufhebungsantrag angefochten; zu diesem Zeitpunkt ist die Klageerweiterung wirksam erfolgt (vgl Meyer-Ladewig, SGG-Komm, 5. Aufl, § 99 RdNr 3). Allerdings ist damit die Monatsfrist für die Erhebung des Widerspruchs (§ 84 Abs 1 SGG) nur für den Bescheid vom 18. April 1995 gewahrt. Gleichwohl sind am 10. Mai 1995 auch die übrigen Honorarbescheide noch rechtzeitig angegriffen worden, weil die Monatsfrist des § 84 Abs 1 SGG insoweit nicht gegolten hat. Gemäß § 66 Abs 2 Satz 1 SGG kann ein Rechtsbehelf zulässigerweise binnen eines Jahres nach der Bekanntgabe der anzufechtenden Entscheidung eingelegt werden, wenn die dem Verwaltungsakt beigefügte Rechtsmittelbelehrung gefehlt hat oder unrichtig erteilt worden ist. Dies war hier hinsichtlich der Bescheide der Beklagten für die Quartale I bis III/94 der Fall. Im Zusammenhang mit dem Widerspruchsverfahren betreffend den Honorarbescheid für das Quartal IV/93 hatte die Beklagte dem Kläger mit einem Schreiben vom 16. August 1994, welches in den vom Berufungsgericht zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Verwaltungsakten enthalten war, mitgeteilt, sie werde alle Honorarbescheide für die Quartale nach III/93 “automatisch zur Einbeziehung in das laufende Verfahren weiterleiten”. Diese (auch) als Rechtsmittelbelehrung zu wertende Mitteilung war im Hinblick auf die neuere Rechtsprechung des Senats zu § 96 Abs 1 SGG unrichtig. Das hat zur Folge, daß der Kläger jedenfalls binnen Jahresfrist nach Zuleitung der Honorarbescheide noch rechtzeitig einen Rechtsbehelf einlegen konnte. Das ist mit der Anfechtung beim SG am 10. Mai 1995 fristgerecht geschehen.

Das LSG hat zu Recht angenommen, daß die angefochtenen Honorarbescheide rechtswidrig sind und den Kläger iS des § 54 Abs 2 SGG beschweren, soweit seine Leistungen gegenüber Versicherten von Primärkassen außerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Beklagten mit einem Punktwert honoriert worden sind, der allein an der Höhe der der Beklagten für Fremdkassenleistungen ihrer Mitglieder zufließenden Vergütungen anderer KÄVen ausgerichtet ist. Soweit der HVM der Beklagten eine entsprechende Honorierung von Fremdkassenleistungen gestattet und der Vorstand der Beklagten von der ihm in § 6 Nr 9 HVM erteilten Ermächtigung in den streitbefangenen Quartalen Gebrauch gemacht hat, steht dies mit höherrangigem Recht nicht in Einklang.

Honorarverteilungsregelungen einer KÄV sind in erster Linie an den gesetzlichen Vorgaben des § 85 Abs 4 SGB V zu messen. Zentrale Bedeutung kommt dabei der Bestimmung des § 85 Abs 4 Satz 3 SGB V zu, nach der bei der Verteilung der Gesamtvergütung Art und Umfang der Leistungen des Kassenarztes (eigentlich: Vertragsarztes) zugrunde zu legen sind. Dieser Vorschrift kann, wie der Senat zu der gleichlautenden früheren Regelung des § 368f Abs 1 Satz 4 Reichsversicherungsordnung (RVO) bereits entschieden hat, nicht die Forderung entnommen werden, die Leistungen müßten nach ihrer Art und ihrem Umfang stets gleichmäßig, dh mit einem für alle Leistungen einheitlichen Punktwert honoriert werden. Das Gesetz schließt danach eine Aufteilung der Gesamtvergütung in Teilbudgets mit der Folge, daß die kassen- und vertragsärztlichen Leistungen nicht mehr entsprechend dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) im selben Verhältnis, sondern, abhängig von der Mengenentwicklung im jeweiligen Leistungsbereich, unterschiedlich hoch vergütet werden, nicht grundsätzlich aus (Urteil vom 29. September 1993 – 6 RKa 65/91 – BSGE 73, 131, 134 = SozR 3-2500 § 85 Nr 4 S 22). Der Senat hat weiterhin Honorarverteilungsregelungen für rechtmäßig gehalten, die auf die durch das GSG zum 1. Januar 1993 eingeführte Budgetierung der Gesamtvergütungen mit der Bildung fachgruppenbezogener Honorarkontingente reagiert haben, obwohl dies bei unterschiedlicher Mengenentwicklung in einzelnen ärztlichen Fachgebieten zur Folge habe kann, daß die gleichen Leistungen für Vertragsärzte aus unterschiedlichen Fachgebieten unterschiedlich hoch vergütet werden (Senatsurteil vom 7. Februar 1996 – 6 RKa 68/94 – = SozR 3-2500 § 85 Nr 11 S 67 ff). Schließlich hat der Senat die KÄVen zumindest in den Jahren 1993 und 1994 für berechtigt gehalten, fachgruppenübergreifend einen einheitlichen Vergütungstopf für die Leistungen des ambulanten Operierens zu bilden, um auf diese Weise die gesetzlichen Maßnahmen zur Förderung des ambulanten Operierens umzusetzen, selbst wenn diese Topfbildung im Ergebnis dazu geführt hat, daß die ambulanten Operationsleistungen von Vertragsärzten mit einem niedrigeren Punktwert als die übrigen ärztlichen Leistungen vergütet worden sind (Senatsurteil vom 7. Februar 1996 – 6 RKa 61/94 – = SozR 3-2500 § 85 Nr 10 S. 59 ff). Der Senat hat dabei allerdings stets betont, daß im Hinblick auf die berufsregelnde Tendenz von Honorarverteilungsvorschriften die KÄV die Verteilung nicht frei nach ihrem Ermessen gestalten darf; sie ist vielmehr an den Grundsatz der leistungsproportionalen Verteilung gebunden. Dieser besagt, daß die ärztlichen Leistungen prinzipiell gleichmäßig zu vergüten sind (BSGE 73, 131, 136 = SozR 3-2500 § 85 Nr 4 S 24; vgl auch BSGE 75, 187, 191 = SozR 3-2500 § 72 Nr 5 S 9). Der normsetzenden Körperschaft verbleibt aber für sachlich gerechtfertigte Abweichungen von dem genannten Grundsatz ein Spielraum, der es ihr ermöglicht, ihrem Sicherstellungsauftrag und ihren sonstigen gesetzlichen und vertraglichen Verpflichtungen gerecht zu werden. Gemessen an diesen Vorgaben ist die Honorierung von Fremdkassenleistungen aus einem Honorartopf, der nur aus den der KÄV zufließenden Vergütungen für Fremdkassenleistungen gespeist wird, nicht zu rechtfertigen.

Die Vergütung von Leistungen, die Mitglieder einer KÄV gegenüber Versicherten erbringen, deren Krankenkasse ihren Verwaltungssitz nicht im Bezirk dieser KÄV hat (Fremdkassenleistungen), richtet sich nach den für die Honorarverteilung geltenden Vorschriften, insbesondere nach § 85 Abs 4 SGB V und den dazu vom Senat entwickelten Rechtsgrundsätzen. Die Vergütung dieser Leistungen ist Bestandteil der “Verteilung der Gesamtvergütung unter die Kassenärzte” iS des § 85 Abs 4 Satz 1 SGB V. Sie erfolgt – ausdrücklich oder konkludent – auf der Grundlage des festgesetzten HVM nach § 85 Abs 4 Satz 2 SGB V. Daran ändert nichts, daß sich die Fremdkassenleistungen dadurch von anderen Leistungen unterscheiden, daß ihrer Vergütung kein Gesamtvertrag zwischen der KÄV des behandelnden Arztes und dem Landesverband der Krankenkasse, der der behandelte Patient angehört, zugrunde liegt. Die Gesamtverträge, die ua die Vergütung der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte regeln, werden nach § 82 Abs 2 und § 83 Abs 1 SGB V von den einzelnen KÄVen mit den in ihrem Bezirk bestehenden oder für ihn zuständigen Landesverbänden der Krankenkassen bzw Verbänden der Ersatzkassen mit Wirkung für die dem Landesverband angehörenden “beteiligten” Krankenkassen abgeschlossen. Die Krankenkasse entrichtet über ihren Landesverband die Vergütung für die vertragsärztliche Versorgung ihrer Mitglieder einheitlich und ausschließlich an die für sie zuständige KÄV unabhängig davon, ob und in welchem Umfang sich ihre Versicherten von Vertragsärzten behandeln lassen, die dieser KÄV angehören. Umgekehrt rechnet jeder Vertragsarzt alle Behandlungsfälle ausschließlich gegenüber seiner KÄV ab, ohne Rücksicht darauf, ob ein Patient Versicherter einer Kasse ist, mit der – über den zuständigen Landesverband – seine KÄV einen Gesamtvertrag geschlossen hat oder nicht. Der Vertragsarzt erhält Honorar auch allein von seiner KÄV nach Maßgabe des von ihr festgesetzten HVM. Das hat zwangsläufig zur Folge, daß jede KÄV Gesamtvergütungsanteile erhält, die der Honorierung vertragsärztlicher Leistungen von Mitgliedern anderer KÄVen dienen (Fremdarztfälle), und daß sie auf der anderen Seite vertragsärztliche Leistungen honorieren muß, die wirtschaftlich von für sie fremden Krankenkassen zu bezahlen sind (Fremdkassenfälle). Diese für das regionalisierte Gesamtvertragssystem untypische und problematische Situation beruht darauf, daß die Versicherten ungeachtet ihrer Krankenkassenzugehörigkeit ihren behandelnden Arzt unter den zugelassenen Vertragsärzten grundsätzlich frei auswählen können (§ 76 Abs 1 Satz 1 SGB V), und die zugelassenen Vertragsärzte Versicherte aller Krankenkassen behandeln dürfen unabhängig davon, ob diese mit ihrer KÄV einen Gesamtvertrag geschlossen haben oder nicht. Die gesetzliche Regelung dieses Sachverhalts beschränkt sich seit dem Inkrafttreten des GSG auf die Vorschrift des § 75 Abs 7 Satz 2 SGB V, wonach die KÄBVen insbesondere die überbezirkliche Durchführung der vertragsärztlichen Versorgung und den Zahlungsausgleich hierfür zwischen den KÄVen zu regeln haben. Die in § 83 Abs 1 Satz 2 SGB V idF des Gesundheits-Reformgesetzes (GRG) enthaltene Bestimmung, wonach die KÄBVen mit den Bundes- oder Landesverbänden von Krankenkassen Gesamtverträge für Krankenkassen schließen konnten, die sich über den Bereich einer KÄV hinaus erstrekken, ist zum 1. Januar 1993 durch Art 1 Nr 41 GSG gestrichen worden (vgl zu den Konsequenzen Kasseler Komm-Hess, § 83 SGB V RdNr 7).

In Ausführung des § 75 Abs 7 Satz 2 SGB V bzw der Vorläufervorschrift des § 368n Abs 4 Satz 2 RVO hat die KÄBV mit den Bundesverbänden der Krankenkassen die “Vereinbarung über die Abrechnung von Fremdfällen zwischen Kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenkassen” vom 19. März 1975 geschlossen sowie die “Technischen Richtlinien für die Abrechnung von Fremdarztleistungen und die Durchführung des Zahlungsausgleichs zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen” vom 7. Oktober 1978 erlassen. Diese Regelungen haben entsprechend dem Wortlaut des § 75 Abs 7 Satz 2 SGB V allein die Abwicklung des Fremdkassenausgleichs im Verhältnis zwischen den KÄVen und den Krankenkassen zum Gegenstand. Dabei legen die “Technischen Richtlinien” insbesondere fest, daß der Fremdkassenausgleich zwischen allen KÄVen, in deren Bezirk Fremdarztleistungen bzw Fremdkassenleistungen erbracht worden sind, über eine bei der KÄBV eingerichtete Clearingstelle erfolgt, um so eine Saldierung gegenseitiger Forderungen der KÄVen zu erreichen (vgl Kasseler Komm-Hess, § 75 SGB V RdNr 44; Heinemann/Liebold, Kassenarztrecht, RdNr C 81-20). Die gesetzlichen und untergesetzlichen Normen, nach denen der Fremdkassenausgleich abgewickelt wird, beziehen sich auf die in § 85 Abs 1 und 2 SGB V angesprochene Gesamtvergütung und betreffen damit nur die Rechtsbeziehungen zwischen Krankenkassen und KÄVen. Regelungen über die Verteilung der der einzelnen KÄV im Fremdkassenausgleich zufließenden Zahlungen an die Vertragsärzte enthalten § 75 Abs 7 Satz 2 SGB V sowie die auf dieser Grundlage getroffenen Vereinbarungen und erlassenen Richtlinien nicht. Der Gesetzgeber hat mithin die Fremdarzt- wie die Fremdkassenproblematik gesehen, sich aber auf eine Regelung der Rechtsverhältnisse zwischen den Krankenkassen und ihren Verbänden einerseits sowie zwischen KÄVen und der KÄBV andererseits beschränkt. Da aber kein Zweifel daran bestehen kann, daß der einzelne Vertragsarzt für die in Fremdkassenfällen erbrachten Leistungen einen Honoraranspruch hat, der nur gegenüber seiner KÄV bestehen und durchgesetzt werden kann, kann die Honorierung von Fremdkassenleistungen nur auf der Grundlage des HVM der einzelnen KÄV und im Rahmen der Vorgaben des § 85 Abs 4 SGB V erfolgen.

Die Beklagte hat im streitbefangenen Zeitraum die Honorierung der Fremdkassenleistungen in der Weise geregelt, daß nach § 6 Nr 9 des HVM idF vom 24. März 1993 Fremdkassenleistungen südwürttembergischer Vertragsärzte mit den Auszahlungspunkten für KÄV-interne Leistungen südwürttembergischer Ortskrankenkassen vergütet werden. Sofern die Zahlungen fremder KÄVen hierfür nicht ausreichen oder Überschüsse anfallen, ist der Vorstand berechtigt, die Auszahlungspunktwerte für Fremdkassenleistungen in den Folgequartalen entsprechend anzupassen. Von dieser Anpassungsbefugnis hat der Vorstand der Beklagten erstmals zum dritten Quartal 1993 Gebrauch gemacht, nachdem die Abrechnung der ersten beiden Quartale nach Einführung einer budgetierten Gesamtvergütung (§ 85 Abs 3a SGB V) ergeben hatte, daß die ihr im Fremdkassenausgleich zufließenden Beträge nicht ausreichten, um die Leistungen südwürttembergischer Vertragsärzte gegenüber Versicherten bereichsfremder Krankenkassen, mit den Auszahlungspunktwerten für südwürttembergische Ortskrankenkassen zu honorieren. Die in § 6 Nr 9 Satz 2 HVM vorgesehene “Anpassung” der Auszahlungspunktwerte durch den Vorstand ist nach den Feststellung des LSG in der Weise erfolgt, daß für die Leistungsbereiche “Prävention”, “ambulantes Operieren” sowie “übrige Leistungen” gesonderte Verteilungsstöpfe für Fremdkassenleistungen gebildet und die Leistungen der Vertragsärzte in diesen drei Leistungsbereichen nach einem einheitlichen, von der Kassenzugehörigkeit des einzelnen Versicherten unabhängigen Punktwert (Fremdkassenpunktwert) vergütet worden sind. Der Senat läßt offen, ob gegenüber dieser Form der Honorarverteilung schon deshalb Bedenken bestehen, weil die Entscheidung, ob Fremdkassenleistungen nach einem rechnerisch gesondert ermittelten Fremdkassenpunktwert vergütet werden oder nicht, dem Vorstand übertragen und nicht im HVM von der Vertreterversammlung selbst getroffen worden ist. Im Hinblick auf das Erfordernis, bei der Festsetzung des HVM das Benehmen mit den Krankenkassen herzustellen (§ 85 Abs 4 Satz 2 SGB V), ist fraglich, ob die KÄV eine Frage von solcher wirtschaftlicher Bedeutung zumindest für einen größeren Teil der Vertragsärzte der Regelungskompetenz der Vertreterversammlung und damit mittelbar auch der Mitwirkungsbefugnis der Krankenkassen entziehen darf, indem der Vorstand lediglich für berechtigt erklärt wird, entsprechende Punktwertkorrekturen vorzunehmen. Das gilt insbesondere, wenn – wie nach dem Wortlaut des § 6 Nr 9 Satz 2 HVM der Beklagten – die Entschließungsfreiheit des Vorstands durch Vorgaben im HVM nicht determiniert wird. Diese Frage bedarf jedoch hier keiner abschließenden Entscheidung, weil selbst dann, wenn die entsprechende Ermächtigung für den Vorstand rechtmäßig gewesen sein sollte, die von ihm getroffene Entscheidung für die Bildung gesonderter Fremdkassentöpfe in den drei genannten Leistungsbereichen im streitbefangenen Zeitraum rechtswidrig war.

Die Bildung eines gesonderten Honorartopfes für Fremdkassenleistungen kann dazu führen und hat ab dem Quartal III/93 bei dem Kläger und zahlreichen anderen südwürttembergischen Vertragsärzten auch tatsächlich dazu geführt, daß ein und dieselbe vertragsärztliche Leistung unterschiedlich vergütet wird, je nachdem, ob der behandelte Versicherte einer Krankenkasse angehört, die ihren Sitz im Bezirk der Beklagten hat, oder ob er Mitglied einer bereichsfremden Krankenkasse ist. Insoweit zieht die Anwendung der Anpassungsermächtigung des § 6 Nr 9 Satz 2 HVM eine Durchbrechung des Grundsatzes der leistungsproportionalen Verteilung nach sich, wonach alle ärztlichen Leistungen prinzipiell gleichmäßig zu vergüten sind. Diese wäre nach der oben dargestellten Rechtsprechung des Senats nur zulässig, wenn dafür eine besondere sachliche Rechtfertigung bestünde. Das ist nicht der Fall.

Aus der Regelung des § 85 Abs 4 Satz 5 SGB V selbst kann eine Rechtfertigung nicht abgeleitet werden. Diejenigen Vertragsärzte, die Fremdkassenleistungen erbringen, können schon deshalb keine “Arztgruppe” iS dieser Vorschrift bilden, weil der Begriff erkennbar an die Aufgliederung der ärztlichen Tätigkeit in verschiedene Disziplinen anknüpft und weil zumindest in kleineren KÄVen nahezu jeder Vertragsarzt auch Versicherte bereichsfremder Kassen behandelt. Die Grenzgebiete eines KÄV-Bezirks bilden auch kein eigenständiges “Versorgungsgebiet” iS des § 85 Abs 4 Satz 5 SGB V, weil die Lage der einzelnen Praxis in der geographischen Mitte oder am Rand eines KÄV-Bezirks für sich genommen keinen Zusammenhang zu besonderen Versorgungsnotwendigkeiten hat, wie sie etwa im Hinblick auf die medizinische Versorgung der Bewohner einer abgelegenen und schwer erreichbaren Ortschaft gegeben sein könnten.

Auch die der KÄV bei der Honorarverteilung im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben zukommende Gestaltungsfreiheit rechtfertigt die Abweichung vom Grundsatz der leistungsproportionalen Verteilung nicht. Der Senat hat die Bildung besonderer Vergütungstöpfe in Fällen gebilligt, in denen die normsetzende KÄV mit der Topfbildung jeweils bestimmte Steuerungszwecke verbunden hatte, die ihrerseits im vertragsärztlichen Vergütungssystem bzw im Gesetz selbst angelegt waren oder die zu verfolgen zu den legitimen Aufgaben der KÄV im Rahmen ihres Sicherstellungsauftrags gehörte. Dazu zählt etwa die Absicht, den auf gesamtvertraglicher Ebene in den Vergütungsbeziehungen zwischen KÄV und Krankenkassen getroffenen strukturellen Entscheidungen Rechnung zu tragen und insbesondere dort vereinbarte Leistungsmengenbegrenzungen über die Honorarverteilung in geeigneter Weise an die betroffenen Ärzte weiterzugeben (BSGE 73, 131, 134 = SozR 3-2500 § 85 Nr 4 S 22). Dasselbe gilt für die Zielsetzung, durch Honorarverteilungsregelungen das Risiko des mit jeder Mengenausweitung verbundenen Punktwertverfalls auf die einzelne Arztgruppe zu begrenzen (Senatsurteil vom 7. Februar 1996 – 6 RKa 68/94 – SozR 3-2500 § 85 Nr 11), und zu verhindern, daß das Leistungsgeschehen in einem einzelnen Bereich der vertragsärztlichen Tätigkeit zu Punktwertverminderungen in anderen, weniger stark expandierenden Bereichen führt (Senatsurteil vom 7. Februar 1996 – 6 RKa 61/94 – SozR 3-2500 § 85 Nr 10). Eine aus der Aufgabenstellung der KÄV zu rechtfertigende Gestaltungsabsicht von vergleichbarer Bedeutung und ähnlichem Stellenwert liegt der Bildung eines gesonderten Fremdkassentopfs nicht zugrunde. Neben dem für sich genommen legitimen Zweck einer buchungstechnischen und haushaltsmäßigen Verwaltungsvereinfachung will die Beklagte mit der Punktwertanpassung auf der Grundlage des § 6 Nr 9 HVM verhindern, daß die ihr von den südwürttembergischen Krankenkassen entrichteten Gesamtvergütungen zur Subventionierung solcher vertragsärztlichen Leistungen ihrer Mitglieder herangezogen werden müssen, die im Wege des Fremdkassenausgleichs wirtschaftlich von anderen KÄVen zu vergüten sind.

Diese Maßnahme führt dazu, daß bei der Honorarverteilung der Vertragsarzt privilegiert wird, der mehr Versicherte bereichseigener Krankenkassen behandelt als derjenige, der – ua wegen der Lage seiner Praxis im Grenzbereich zu den Bezirken anderer KÄVen – mehr Versicherte bereichsfremder Krankenkassen versorgt. Eine Rechtfertigung dafür ist nicht erkennbar, denn darauf, ob ein Patient einer bereichseigenen oder einer bereichsfremden Krankenkasse angehört, hat weder der Arzt noch hatte jedenfalls im streitbefangenen Zeitraum 1993/1994 der einzelne Primärkassenversicherte Einfluß.

Es kann dahingestellt bleiben, ob – wie vom Berufungsgericht angenommen – die von der Beklagten im streitbefangenen Zeitraum praktizierte Bildung gesonderter Vergütungstöpfe für jede Primärkassenart (Orts-, Betriebs- und Innungskrankenkassen sowie landwirtschaftliche Krankenkasse) mit der Folge unterschiedlicher Auszahlungspunktwerte für die vertragsärztlichen Leistungen je nach Kassenart grundsätzlich zulässig war. Jedenfalls vermag diese Differenzierung die gesonderte Honorierung von Fremdkassenleistungen nicht zu rechtfertigen. Denn Differenzierungskriterium ist insoweit nicht die Zugehörigkeit eines Versicherten zu einer bestimmten Kassenart, sondern allein der Gesichtspunkt, ob die Krankenkasse des Versicherten über ihren Landesverband mit der Beklagten einen Gesamtvertrag geschlossen hat oder nicht. Dabei ist jede noch so mittelbare Beziehung zur Kassenzugehörigkeit des jeweils behandelten Versicherten aufgegeben. Alle Fremdkassenleistungen eines Vertragsarztes werden nämlich nach einem einheitlichen Punktwert unabhängig davon vergütet, ob der Versicherte einer Krankenkasse bzw einer Kassenart angehört, die mit der für sie zuständigen KÄV eine Gesamtvergütung vereinbart hat, die zu einem höheren oder niedrigeren Punktwert als die kassenartbezogene Gesamtvergütung in Südwürttemberg führen kann. Im übrigen können die von der Beklagten für die von ihr praktizierte Honorarverteilung in Fremdkassenfällen in Anspruch genommenen Gründe der verwaltungsmäßigen Vereinfachung kaum von erheblichem Gewicht sein, denn anderenfalls wäre nicht zu erklären, daß die Beklagte ab dem 1. Januar 1995 ihren HVM geändert hat und nunmehr alle vertragsärztlichen Leistungen ihrer Mitglieder nach einem einheitlichen, über alle Kassenarten und über bereichseigene und bereichsfremde Krankenkassen hinweg gemischten Punktwert honoriert. Es ist weder von der Beklagten vorgetragen noch für den Senat ersichtlich, daß sich zwischen 1994 und 1995 die für die Honorarverteilung wichtigen tatsächlichen Verhältnisse in der Weise geändert haben, daß das, was 1995 ebenfalls noch unter Geltung von strikt budgetierten Gesamtvergütungen praktisch durchführbar war, in den Jahren 1993 und 1994 nicht auch hätte realisiert werden können.

Die Bildung eines einheitlichen kassenartübergreifenden Fremdkassentopfes im streitbefangenen Zeitraum läßt sich schließlich auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Anfangs- und Erprobungsregelung rechtfertigen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), der sich der Senat für die untergesetzliche Normsetzung angeschlossen hat, kann es im Fall komplexer Sachverhalte vertretbar sein, dem Normgeber zunächst eine angemessene Zeit zur Sammlung von Erfahrungen einzuräumen und ihm in diesem Anfangsstadium zu gestatten, sich mit gröberen Typisierungen und Generalisierungen zu begnügen, die unter dem Gesichtspunkt der Praktikabilität gerechtfertigt werden können (vgl BVerfGE 70, 1, 34; 33, 171, 189 und BSG SozR 2200 § 368 f Nr 14 S 50; BSGE 73, 131, 140 = SozR 3-2500 § 85 Nr 4 S 28; BSG SozR 3-2200 § 368 f Nr 3 S 8). Die zum 1. Januar 1993 durch § 85 Abs 3a SGB V eingeführte Budgetierung der vertragsärztlichen Gesamtvergütungen mag iS dieser Rechtsprechung als komplexer, in seinen Auswirkungen für den Satzungsgeber schwer zu übersehender neuer Sachverhalt beurteilt werden können. Der Wertung als – zulässiger – Anfangs- und Erprobungsregelung steht indessen entgegen, daß die Differenzierung zwischen bereichseigenen und bereichsfremden Krankenkassen bei der Honorierung vertragsärztlicher Leistungen grundsätzlich kein zulässiges Gestaltungsmittel darstellt, das allenfalls in Randbereichen im Laufe der Zeit unzuträgliche Auswirkungen gezeitigt hat. Es ist vielmehr ein prinzipiell systemfremdes Unterscheidungsprinzip, das im übrigen nach dem eigenen Vortrag der Beklagten bereits seit 1989 in ihrem HVM verankert war und lediglich infolge der Budgetierung der Gesamtvergütung sowie der steigenden Leistungsanforderungen der Vertragsärzte erstmals im dritten Quartal 1993 zur Anwendung gekommen ist.

Zu Recht hat das LSG die Beklagte nicht zur Honorierung der Fremdkassenleistungen des Klägers in einer bestimmten Höhe verurteilt, sondern ihr im Rahmen der Neubescheidung lediglich aufgegeben, dem Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts für die streitbefangenen Quartale neue Honorarabrechnungen zu erteilen. Dabei hat es die Gestaltungsfreiheit der Beklagten hinsichtlich der Regelung ihrer Honorarverteilung hinreichend beachtet und ihr nur beispielhaft Regelungsmöglichkeiten aufgezeigt, die ihr für eine gesetzeskonforme Honorierung der Fremdkassenleistungen in den streitbefangenen Quartalen zur Verfügung stehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 955660

SozSi 1998, 238

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