Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Urteil vom 26.01.2007; Aktenzeichen 1 BV 02.2147) |
Tenor
Die Beschwerde der Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 26. Januar 2007 wird zurückgewiesen.
Die Beigeladene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 225,84 € festgesetzt.
Gründe
Die auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beigeladene beimisst.
1. Die Beigeladene möchte in einem Revisionsverfahren rechtsgrundsätzlich geklärt wissen,
ob für die Erhebung einer Verpflichtungsklage auf Neubescheidung zur Durchsetzung der Verpflichtung einer Behörde aus einem Urteil gemäß § 113 Abs. 5 VwGO das Rechtschutzbedürfnis gegeben ist, wenn auch ein Antrag nach § 172 VwGO gestellt werden kann.
Entscheidungserheblich wäre diese Frage nur für den hier gegebenen Fall, dass die Bauaufsichtsbehörde den Antrag, über den Bauantrag entsprechend der rechtskräftig festgestellten Verpflichtung neu zu entscheiden und die Baugenehmigung zu erteilen, ablehnt, weil die Gemeinde nach Eintritt der Rechtskraft des Bescheidungsurteils einen dem Vorhaben entgegenstehenden Bebauungsplan oder eine Veränderungssperre zur Sicherung eines solchen Bebauungsplans bekannt gemacht hat. Dass in einem solchen Fall die Möglichkeit, einen Antrag nach § 172 VwGO zu stellen, der Zulässigkeit einer erneuten, auf Erteilung der Baugenehmigung gerichteten Verpflichtungsklage nicht entgegensteht, ergibt sich ohne weiteres aus dem Gesetz und der bereits vorliegenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts.
Kommt die Behörde im Fall des § 113 Abs. 5 VwGO der ihr im Urteil auferlegten Verpflichtung nicht nach, kann das Gericht des ersten Rechtszugs auf Antrag unter Fristsetzung gegen sie ein Zwangsgeld bis 10 000 € durch Beschluss androhen, nach fruchtlosem Fristablauf festsetzen und von Amts wegen vollstrecken (§ 172 Satz 1 VwGO). Ist der Behörde im Urteil gemäß § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO die Verpflichtung auferlegt worden, über den Bauantrag des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden, kann sie einem auf Vollziehung dieser Verpflichtung gerichteten Antrag entgegenhalten, dass sich nach Eintritt der Rechtskraft des Bescheidungsurteils die Rechtslage zum Nachteil des Klägers geändert habe. Der Anspruch auf erneute Entscheidung über den Bauantrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts steht, auch wenn er tituliert ist, unter dem Vorbehalt, dass sich die Sach- und Rechtslage nicht in rechtlich relevanter Weise ändert; insoweit reicht die Rechtskraft eines Bescheidungsurteils nicht weiter als die eines Urteils, das die Behörde verpflichtet, die beantragte Baugenehmigung zu erteilen (vgl. Urteile vom 26. Oktober 1984 – BVerwG 4 C 53.80 – BVerwGE 70, 227, vom 27. Januar 1995 – BVerwG 8 C 8.93 – Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 70 S. 8 und vom 19. September 2002 – BVerwG 4 C 10.01 – BVerwGE 117, 44 ≪47≫). Ob der Einwand, dass sich die Rechtslage nachträglich zum Nachteil des Klägers geändert habe, ohne weiteres die Vollstreckung nach § 172 VwGO ausschließt oder ob die Behörde – wozu der Verwaltungsgerichtshof neigt (UA S. 11) – eine Vollstreckungsgegenklage (§ 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 767 ZPO) erheben muss, kann dahinstehen. Wenn eine Behörde – wie hier – den erneuten Antrag, die Baugenehmigung zu erteilen, unter Berufung auf eine Änderung der Rechtslage ablehnt, ist nicht zweifelhaft, dass sie auf einen Vollstreckungsantrag, sollte dies erforderlich sein, auch eine Vollstreckungsgegenklage erheben dürfte. Kann der Kläger mithin durch einen Antrag nach § 172 VwGO ein neues Klageverfahren nicht vermeiden, besteht kein Grund, das Rechtsschutzbedürfnis für eine erneute Verpflichtungsklage zu verneinen und ihn auf das Vollstreckungsverfahren zu verweisen.
2. Die Beigeladene möchte weiter rechtsgrundsätzlich geklärt wissen,
ob die Absicht einer Gemeinde, einen wegen Mängeln unwirksamen, aber heilbaren Bebauungsplan nach Fehlerheilung neu zu erlassen, grundsätzlich geeignet ist, die Versagung einer Ausnahme im Rahmen einer Ermessensausübung nach § 34 Abs. 2 i.V.m. § 31 Abs. 1 BauGB zu begründen, wenn die Ausnahme mit den Festsetzungen des zu erlassenden Bebauungsplans nicht vereinbar ist.
Auch diese Frage würde sich in einem Revisionsverfahren so allgemein nicht stellen. Der Verwaltungsgerichtshof hat es als ermessensfehlerhaft angesehen, die Erteilung einer Ausnahme gemäß § 34 Abs. 2 i.V.m. § 31 Abs. 1 BauGB aus allgemeinen Erwägungen zu versagen, die zum völligen Ausschluss der ausnahmsweise zulässigen Nutzung in dem Gebiet führen (UA S. 20). Nach diesem Maßstab dürfe die Ausnahme für die Spielhalle nicht aus dem von der Beigeladenen genannten Grund versagt werden, dass Vergnügungsstätten in dem hier in Rede stehenden Gebiet generell ausgeschlossen sein sollten, aber in anderen Gewerbegebieten der Beigeladenen zulässig seien (UA S. 21). Entscheidungserheblich wäre mithin lediglich die Frage, ob die Absicht einer Gemeinde, die Zulassung von Vergnügungsstätten in einem faktischen Gewerbegebiet durch Erlass eines Bebauungsplans im gesamten Gewerbegebiet auszuschließen, geeignet ist, die Versagung einer Ausnahme im Rahmen der Ermessensausübung zu rechtfertigen. Dass diese Frage mit dem Verwaltungsgerichtshof zu verneinen ist, ergibt sich ohne weiteres aus dem Gesetz. Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der in der BauNVO bezeichneten Baugebiete, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Abs. 1 BauGB, im Übrigen ist § 31 Abs. 2 BauGB entsprechend anzuwenden (§ 34 Abs. 2 BauGB). Vorhaben, die in einem durch Bebauungsplan ausgewiesenen Baugebiet nach der BauNVO ausnahmsweise zulässig sind, sollen nach dieser Vorschrift auch in einem faktischen Baugebiet im Wege einer Einzelfallentscheidung nach Ermessen zugelassen werden können. Diese Grundentscheidung des Gesetzes für die ausnahmsweise Zulässigkeit der in der BauNVO bezeichneten Nutzungen darf die Behörde durch ihre Ermessenserwägungen nicht in Frage stellen. Nach der BauNVO ausnahmsweise zulässige Vorhaben kann sie deshalb aus Erwägungen, die für das gesamte Gebiet Geltung beanspruchen, nicht im Wege einer Ermessensentscheidung, sondern nur mit den Mitteln der Bauleitplanung (vgl. § 1 Abs. 6 Nr. 1 BauNVO) ausschließen. Eine Befreiung kann nach der Rechtsprechung des Senats im Rahmen der Ermessensausübung zwar auch versagt werden, wenn die Gemeinde die Absicht hat, einen bestehenden Bebauungsplan zu ändern, und die Befreiung mit der vorgesehenen Planänderung nicht vereinbar ist (Urteil vom 19. September 2002 – BVerwG 4 C 13.01 – BVerwGE 117, 50 ≪56≫). Auf Ausnahmen nach § 34 Abs. 2 i.V.m. § 31 Abs. 1 BauGB kann diese Rechtsprechung jedoch nicht übertragen werden. Denn eine das Ermessen begrenzende Grundentscheidung für die ausnahmsweise Zulässigkeit der in der BauNVO entsprechend bezeichneten Nutzungen gibt es für Nutzungen, die nur im Wege einer Befreiung zugelassen werden können, nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertentscheidung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Dr. Paetow, Prof. Dr. Rojahn, Dr. Philipp
Fundstellen