Entscheidungsstichwort (Thema)
Bebauungsplan. Rückwirkung. Abwägung. Abwägungsfehler. Behebung materieller Fehler. Inkrafttreten. Divergenz. Verfahren. Wiederholung. Bestandserhaltung. Verfahrensfehler. Parallelbeteiligung. Träger öffentlicher Belange. Benachrichtigung der Träger öffentlicher Belange. Offensichtlichkeit des Abwägungsfehlers. Rechtsfrage, schwierige. Gesamtanlage. Betriebsteil. Feuerwehrgerätefabrik. Verwaltungsgebäude. Sondergebiet. Einzelhandelsbetriebe, großflächige. Warensortiment. Normenkontrollverfahren. Abweichung. Abhilfe. Teilnichtigkeit
Leitsatz (amtlich)
Ein Bebauungsplan kann außerhalb des Anwendungsbereichs des § 215 Abs. 3 BauGB nicht rückwirkend in Kraft gesetzt werden.
Auch bei der Parallelbeteiligung der Träger öffentlicher Belange gemäß § 4 Abs. 2 BauGB genügt die bloße Benachrichtigung über die Auslegung des Planentwurfs grundsätzlich nicht den Anforderungen des § 4 Abs. 1 BauGB.
Beruht die Abwägungsentscheidung der Gemeinde auf rechtlich fehlerhaften Überlegungen, so ist ein darin liegender Fehler im Abwägungsvorgang nicht deshalb gemäß § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB mangels Offensichtlichkeit unbeachtlich, weil die rechtliche Beurteilung der Vortrage Schwierigkeiten bereitet.
Normenkette
BauGB § 3 Abs. 2 S. 3, § 4 Abs. 1-2, § 12 S. 4, § 214 Abs. 3 S. 2, § 215 Abs. 3; BBauG 1979 § 155a Abs. 5; BauNVO §§ 8-9, 11 Abs. 3; VwGO a.F. § 47 Abs. 7
Verfahrensgang
VGH Baden-Württemberg (Urteil vom 18.07.1996; Aktenzeichen 5 S 1786/94) |
Tenor
I.
1. Ein Bebauungsplan kann außerhalb des Anwendungsbereichs des § 215 Abs. 3 BauGB nicht rückwirkend in Kraft gesetzt werden.
2. Ein wegen eines Fehlers im Abwägungsvorgang für nichtig erklärter Bebauungsplan kann grundsätzlich auch durch eine neue fehlerfreie Abwägung und Wiederholung des dem Satzungsbeschluß nachfolgenden Verfahrens in Kraft gesetzt werden.
II.
1. Die Normenkontrollsache, in der der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg mit Urteil vom 18. Juli 1996 die Anträge abgewiesen hat, den Bebauungsplan „Pfannkuch-/Carl-Metz-Straße – Änderung” der Antragsgegnerin vom 15. März 1994 für nichtig zu erklären, wird zur erneuten Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.
2. Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt der Schlußentscheidung vorbehalten.
Tatbestand
I.
Die Antragsteller wenden sich im Normenkontrollverfahren gegen den Bebauungsplan „Pfannkuch-/Carl-Metz-Straße – Änderung” der Antragsgegnerin vom 15. März 1994.
Die Antragsteller sind Eigentümer eines im Plangebiet gelegenen Grundstücks von 31.287 qm Größe. Das Grundstück wurde früher auf der Grundlage eines Bebauungsplans aus dem Jahre 1971, der ein Industriegebiet festgesetzt hatte, für industrielle Zwecke genutzt. In den achtziger Jahren wurden auf ihm ein Baumarkt mit einer Bruttogeschoßfläche von etwa 5.500 qm und ein Elektrofachmarkt mit einer Bruttogeschoßflache von etwa 4.500 qm errichtet.
Der von den Antragstellern angegriffene Bebauungsplan weist im nordwestlichen Teil des Plangebiets entlang der Carl-Metz-Straße einen schmalen Streifen als Gewerbegebiet aus. Der übrige weitaus größere Teil, auf dem sich auch Anlagen einer Gießerei und einer Feuerwehrgerätefabrik befinden, ist als Industriegebiet festgesetzt. In beiden Gebieten sind (großflächige) Einzelhandelseinrichtungen nur als Ausnahme und nur für näher bezeichnete Branchen zulässig.
Einen Bebauungsplan mit denselben Festsetzungen, den der Gemeinderat der Antragsgegnerin am 3. September 1991 als Satzung beschlossen hatte, erklärte das Normenkontrollgericht in einem Normenkontrollverfahren mit Urteil vom 14. Januar 1994 für nichtig (8 S 2445/92). Zur Begründung führte es aus, der Bebauungsplan verstoße gegen das Abwägungsgebot des § 1 Abs. 6 BauGB. Der Antragsgegnerin sei ein Fehler im Abwägungsvorgang unterlaufen, weil ihrem Rat infolge fehlerhafter Einzeichnungen im Lageplan nicht bewußt gewesen sei, daß sich im vorgesehenen Gewerbegebiet auch Teile der (industriellen) Produktionseinrichtungen befänden und daß die Trennungslinie zwischen Gewerbe- und Industriegebiet durch ein Verwaltungsgebäude verlaufe und auch nicht mit den Grundstücksgrenzen übereinstimme.
Nach Mitteilung der Normenkontrollentscheidung und ihrer Begründung sowie nach Ergänzung des Lageplans beschloß der Gemeinderat am 15. März 1994 den Bebauungsplan erneut und unverändert als Satzung. Mit Rücksicht auf die Inhaltsgleichheit mit dem früheren Plan unterblieb eine nochmalige Anhörung der Träger öffentlicher Belange sowie eine erneute Auslegung des Entwurfs. Der Bebauungsplan wurde mit Rückwirkung auf den Tag seiner erstmaligen Bekanntmachung, nämlich den 18. Oktober 1991, in Kraft gesetzt.
Die Antragsteller griffen auch den Bebauungsplan vom 15. März 1994 im Normenkontrollverfahren an. Ihre Normenkontrollanträge wurden mit Urteil vom 18. Juli 1996 als unbegründet abgewiesen.
Gegen diese Entscheidung wenden sich die Antragsteller mit der Nichtvorlagebeschwerde nach § 47 Abs. 7 VwGO (a.F.). Sie machen geltend, das Normenkontrollgericht habe seine Vorlagepflicht nach § 47 Abs. 5 Satz 1 Nrn. 1 und 2 VwGO (a.F.) hinsichtlich mehrerer Fragen verletzt. Die Antragsgegnerin ist der Beschwerde entgegengetreten.
Mit Beschluß vom 16. Dezember 1996 hat das Normenkontrollgericht der Beschwerde wegen einer der Fragen abgeholfen. Es hat die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt, ob ein Bebauungsplan auch außerhalb des Anwendungsbereichs des § 215 Abs. 3 BauGB rückwirkend in Kraft gesetzt werden könne. Im übrigen hat es der Beschwerde nicht abgeholfen.
Entscheidungsgründe
II.
A. Die Beschwerde gegen die Nichtvorlage der Sache ist gemäß § 47 Abs. 7 Satz 1 i.V.m. Abs. 5 VwGO (i.d.F. vom 8. Dezember 1986, BGBl I S. 2191, 2233 ≪a.F.≫) statthaft. Zwar sind die genannten Vorschriften durch Art. 1 Nr. 2 b 6. VwGOÄndG vom 1. November 1996 (BGBl. I S. 1626) mit Wirkung vom 1. Januar 1997 an aufgehoben worden. Nach der Überleitungsvorschrift des Art. 10 Abs. 2 6. VwGOÄndG sind jedoch Rechtsmittel gegen im Jahre 1996 erlassene gerichtliche Entscheidungen nach altem Recht zu bescheiden; dies gilt auch für die Nichtvorlagebeschwerde.
Über die Beschwerde entscheidet der Senat in der Besetzung mit fünf Richtern. Einer besonderen Überweisung der Sache durch den mit drei Richtern besetzten (Beschwerde-)Senat bedarf es hier nicht, weil schon das Normenkontrollgericht mit seinem Abhilfebeschluß vom 16. Dezember 1996 über die Zulässigkeit und Begründetheit der Beschwerde hinsichtlich der Verletzung der Vorlagepflicht (wegen einer der in der Beschwerde aufgeworfenen Fragen) entschieden hat. Damit ist die Sache durch die nachträgliche Entscheidung des Normenkontrollgerichts in die Zuständigkeit des mit fünf Richtern voll besetzten Senats des Bundesverwaltungsgerichts übergegangen (vgl. hierzu den Beschluß vom 8. Dezember 1987 – BVerwG 4 NB 3.87 – DVBl 1988, 497 ≪498≫). Nach der Praxis des Senats ist über die weiteren Beschwerdefragen ebenfalls durch den voll besetzten Senat zu entscheiden.
B. Die Beschwerde ist auch zum Teil begründet. Das Normenkontrollgericht hat seine Vorlagepflicht aus § 47 Abs. 5 Satz 1 VwGO (a.F.) verletzt, weil es die Sache dem Bundesverwaltungsgericht wegen zwei der in der Beschwerde formulierten Fragen hätte vorlegen müssen. Im übrigen ist die Beschwerde unbegründet.
1 a) Zu Recht rügt die Beschwerde, daß das Normenkontrollgericht ursprünglich die Sache nicht wegen der Frage, ob ein Bebauungsplan auch außerhalb des Anwendungsbereichs des § 215 Abs. 3 BauGB rückwirkend in Kraft gesetzt werden könne, dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt hat.
Allerdings ergab sich die Vorlagepflicht im Zeitpunkt der Normenkontrollentscheidung und auch im Zeitpunkt der Einlegung der Beschwerde nicht aus § 47 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 VwGO (a.F.), wie die Beschwerde mit ihrer Abweichensrüge geltend macht und wovon auch das Normenkontrollgericht in seinem Abhilfebeschluß ausgeht. Eine Abweichung von dem Urteil des Senats vom 18. April 1996 – BVerwG 4 C 22.94 – (BVerwGE 101, 58 ≪61≫) war nämlich im rechtlichen Sinne nicht möglich, weil die Verneinung der Beschwerdefrage in diesem Urteil die Entscheidung des Senats nicht trägt, sondern nur ein obiter dictum darstellt. Auf eine Divergenz gegenüber einem obiter dictum kann eine Abweichensrüge jedoch nicht gestützt werden (BVerwG, Beschluß vom 25. Oktober 1995 – BVerwG 4 B 216.95 – BVerwGE 99, 351 ≪353≫, m.w.N.).
Die Vorlage wegen Abweichung ist aber nur ein spezieller Fall der Vorlage wegen grundsätzlicher Bedeutung (BVerwG, Beschluß vom 9. November 1979 – BVerwG 4 N 1.78, 2–4.79 – BVerwGE 59, 87 ≪93≫). Erweist sich bei einer Vorlage wegen Abweichung, daß es zwar an der angenommenen Abweichung fehlt, die Rechtssache aber in dem fraglichen Punkt grundsätzliche Bedeutung besitzt, so führt das zur Zulässigkeit der Vorlage gemäß § 47 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 VwGO (a.F.). So ist es hier. Die Entscheidung des Normenkontrollgerichts beruht auf der Auffassung, daß auch ein wegen (behebbarer) materieller Mängel nichtiger Bebauungsplan – zwar nicht nach § 215 Abs. 3 Satz 2 BauGB, wohl aber nach allgemeinen Grundsätzen – rückwirkend in Kraft gesetzt werden könne. Diese Frage hat grundsätzliche Bedeutung. Im übrigen liegt nunmehr auch eine „nachträgliche” Divergenz vor, nachdem der Senat in seinem Urteil vom 21. August 1997 – BVerwG 4 C 6.96 – entscheidungstragend ausgesprochen hat, daß eine rückwirkende Inkraftsetzung städtebaulicher Satzungen nur nach § 215 Abs. 3 Satz 2 BauGB möglich ist.
b) Der Senat hält an seiner Rechtsauffassung fest, daß ein Bebauungsplan außerhalb des Anwendungsbereichs des § 215 Abs. 3 BauGB nicht rückwirkend in Kraft gesetzt werden kann. § 12 Satz 4 BauGB regelt abschließend, daß der Bebauungsplan mit der Bekanntmachung in Kraft tritt (BVerwG, Urteil vom 18. April 1996 – BVerwG 4 C 22.94 – BVerwGE 101, 58 ≪61≫). Eine Abweichung hiervon läßt allein § 215 Abs. 3 Satz 2 BauGB zu; bei der Behebung von Fehlern, die sich aus der Verletzung der in § 214 Abs. 1 BauGB bezeichneten Vorschriften oder aus der Verletzung sonstiger Verfahrens- oder Formfehler nach Landesrecht ergeben, darf die Gemeinde einen Bebauungsplan auch mit Rückwirkung erneut in Kraft setzen. In allen übrigen Fällen, insbesondere bei der Korrektur materieller Fehler, gilt mangels besonderer Regelung die für den Ersterlaß des Plans geltende Vorschrift des § 12 Satz 4 BauGB (BVerwG, Urteil vom 21. August 1997 – BVerwG 4 C 6.96 –).
Zwar dürfte es zutreffen, daß die vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätze über die Rückwirkung von Normen (vgl. BVerfGE 22, 330 ≪347 f.≫) einer weitergehenden rückwirkenden Inkraftsetzung von Bebauungsplänen nicht entgegenstehen; insbesondere dürfte der verfassungsrechtliche Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht verletzt sein, wenn die Gemeinde einen materiellen Mangel eines Bebauungsplans behebt und ihn sodann mit Rückwirkung auf das Datum der ersten Bekanntmachung erneut in Kraft setzt. Denn ein schutzwürdiges Vertrauen darauf, daß ein nichtiger Bebauungsplan nach Fehlerbehebung nicht erneut erlassen wird, besteht nicht. Darauf kommt es jedoch nicht an, weil durch § 215 Abs. 3 Satz 2 BauGB einfachgesetzlich geregelt ist, wann ein rückwirkendes Inkraftsetzen zulässig sein soll und wann nicht. Diese Vorschrift geht auf § 155 a Abs. 5 BBauG 1979 zurück. Durch ihn hat der Gesetzgeber die in der Rechtsprechung des Senats offengelassene Frage entschieden, ob einem Bebauungsplan überhaupt Rückwirkung beigelegt werden könne (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Mai 1975 – BVerwG 4 C 51.73 – Buchholz 406.11 § 12 BBauG Nr. 8). Sie wurde in dem Sinne entschieden, daß eine rückwirkende Inkraftsetzung (nur) bei der Behebung von Verfahrens- oder Formfehlern nach Bundes- oder Landesrecht zulässig sei. In dieser einschränkenden Interpretation des § 215 Abs. 3 Satz 2 BauGB sieht sich der Senat durch die am 1. Januar 1998 in Kraft tretende Vorschrift des § 215 a BauGB i.d.F. des BauROG vom 18. August 1997 (BGBl I S. 2081 ≪2100≫) bestätigt. Obwohl sie mit ihrem Absatz 1 auch die Behebung von materiellen Mängeln in einem ergänzenden Verfahren zuläßt, bleibt die rückwirkende Inkraftsetzung nach Absatz 2 auf die Behebung von Verfahrens- und Formfehlern beschränkt.
2 a) Rechtsgrundsätzliche Bedeutung hat auch die zweite Frage, ob eine Gemeinde einen wegen eines Fehlers im Abwägungsvorgang für nichtig erklärten Bebauungsplan nur nach Wiederholung des gesamten Aufstellungsverfahrens in Kraft setzen kann oder ob dafür die Wiederholung des Verfahrens ab dem Satzungsbeschluß genügt. In § 215 Abs. 3 Satz 1 BauGB ist die Behebung materieller Fehler nicht geregelt; soweit er zuläßt, daß die Gemeinde nach der Fehlerbehebung lediglich das nachfolgende Verfahren wiederholt, gilt dies nur bei der Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften. Auch in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist diese Frage noch nicht geklärt. Zwar hat der Senat in seinem Beschluß vom 6. August 1992 – BVerwG 4 N 1.92 – (Buchholz 406.11 § 16 BauGB Nr. 1 – ZfBR 1992, 292) ausgeführt, daß § 215 Abs. 3 BauGB eine abschließende Regelung zur Behebung einer Rechtsverletzung nicht zu entnehmen sei. Auch ohne besondere gesetzliche Regelung bedürfe es in aller Regel auch bei materiellen Fehlern nur der Wiederholung solcher Verfahrensabschnitte oder der Erfüllung jener inhaltlichen Voraussetzungen, deren Fehlen gerade die Rechtswidrigkeit des ursprünglichen Rechtsaktes begründet hatte. Die Entscheidung ist aber zu dem besonderen Fall einer Veränderungssperre ergangen, die vor der Bekanntmachung des Aufstellungsbeschlusses bekanntgemacht worden war und damit zwar an einem materiellen Fehler gelitten hatte, weil ihr eine materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung fehlte. Ein solcher Fehler ist jedoch für den Inhalt der Veränderungssperre ohne Bedeutung. Es bedarf deshalb näherer Prüfung, ob sich die für die Veränderungssperre beim Fehlen der Bekanntmachung des Aufstellungsbeschlusses ergangene Rechtsprechung auf die Behebung eines Abwägungsfehlers in einem Bebauungsplan übertragen läßt.
b) In der Sache folgt der Senat der Rechtsauffassung des Normenkontrollgerichts. Ein wegen eines Fehlers im Abwägungsvorgang für nichtig erklärter Bebauungsplan kann grundsätzlich auch durch eine neue fehlerfreie Abwägung und Wiederholung des dem Satzungsbeschluß nachfolgenden Verfahrens in Kraft gesetzt werden.
Der Beschwerde ist einzuräumen, daß es nahe liegen mag, § 215 Abs. 3 Satz 1 BauGB ebenso wie seinen Satz 2 als abschließende Regelung zu interpretieren, also im Umkehrschluß anzunehmen, daß ein neues Planaufstellungsverfahren mit sämtlichen Verfahrensschritten erforderlich ist, um einen Abwägungsfehler eines Bebauungsplans zu beheben. Der Senat hält jedoch nach erneuter Prüfung an der bereits in seinem Beschluß vom 6. August 1992 – BVerwG 4 N 1.92 – (Buchholz 406.11 § 16 BauGB Nr. 1 – ZfBR 1992, 292) vertretenen Rechtsauffassung fest, daß § 215 Abs. 3 BauGB das Verfahren zur Behebung von Fehlern nicht abschließend regelt. Der Gesetzgeber wollte die Möglichkeit, Fehler in einem abgekürzten Verfahren zu beheben, nicht auf Verfahrens- und Formfehler beschränken; eine solche Beschränkung wäre auch nicht mit dem Sinn der §§ 214 bis 216 BauGB vereinbar.
Vorläufer des § 215 Abs. 3 BauGB war § 155 a Abs. 5 BBauG 1979. Er regelte erstmals, daß die Gemeinde nach Behebung näher beschriebener Verfahrens- und Formfehler den Flächennutzungsplan oder die Satzung mit Rückwirkung erneut in Kraft setzen könne. Der Zweck der Vorschrift bestand allein darin, die Zulässigkeit eines rückwirkenden Inkraftsetzens auszusprechen (vgl. Tittel, in Schlichter/Stich/Tittel, BBauG-Kommentar, 3. Aufl. 1979, § 155 a Rn. 8). Auf welche Weise die Gemeinde den Fehler beheben könne, wurde dagegen nicht geregelt. Nach allgemeiner Auffassung reichte es aus, die fehlerhafte Handlung und das gesamte, sich daran anschließende Verfahren fehlerfrei zu wiederholen (vgl. von Mutius/Hill, Die Behandlung fehlerhafter Bebauungspläne durch die Gemeinden, 1983, S. 79, m.w.N.). Die Erforderlichkeit einer gesetzlichen Regelung für diesen „selbstverständlichen Rechtsgrundsatz” wurde im Schrifttum ausdrücklich verneint (Söfker, ZfBR 1981, 60 ≪62≫). Tatsächlich war auch die Rechtsprechung schon vor dem Inkrafttreten des § 155 a Abs. 5 BBauGB 1979 von der Zulässigkeit der Fehlerbehebung in einem derart abgekürzten Verfahren ohne besondere gesetzliche Rechtsgrundlage ausgegangen (z.B. VGH Baden-Württemberg, Beschluß vom 9. November 1966 – I 5/65 – ESVGH 17, 118 ≪122≫; BVerwG, Beschluß vom 12. Dezember 1975 – BVerwG 4 B 176.75 – BRS 29 Nr. 14).
Die Neufassung des § 155 a Abs. 5 BBauG 1979 in § 215 Abs. 3 BauGB diente dem Zweck herauszustellen, daß auch ohne Rückwirkung, mit Wirkung „ex nunc”, in Kraft gesetzt werden könne; außerdem sollte das Verfahren der „‚nachträglichen Heilung’ klargestellt werden” (BTDrucks 10/4630, S. 157). Die Vorschrift wurde deshalb neu formuliert, ohne daß die bestehende Rechtslage geändert werden sollte. Insbesondere ließ § 215 Abs. 3 Satz 1 BauGB nunmehr ausdrücklich zu, daß die in ihm genannten Verfahrens- und Formfehler nur durch Wiederholung des nachfolgenden Verfahrens behoben würden. Zum Verfahren der Behebung materieller Fehler enthält § 215 Abs. 3 BauGB dagegen keine Aussage, weil es um diese Fehler in ihm nicht geht. Das Gegenteil ergibt sich auch nicht aus dem Bericht des Bundestagsausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau vom 15. Oktober 1986 (BTDrucks 10/6166, S. 135). Dort wird zwar das vorgeschlagene „Konzept” dadurch gekennzeichnet, daß bei Form- und Verfahrensfehlern die nachträgliche Behebung dieser Fehler nach § 215 Abs. 3 BauGB in Betracht komme, während bei materiellen Fehlern, z.B. der Abwägung, die „Prüfung, ggf. Aufstellung eines neuen Bebauungsplans” angezeigt sei. Über das Verfahren zur Aufstellung des neuen Bebauungsplans enthält jedoch auch der Bericht keine Aussage. Angesichts des mit dem Erlaß des Baugesetzbuchs weiterhin verfolgten Ziels, „die Bestandskraft der Bauleitpläne zu erhöhen” (BTDrucks 10/6166, S. 134), läßt sich aus der Beschreibung des Konzepts nicht ableiten, daß die Behebung eines materiellen Fehlers durch einen neuen – inhaltlich unveränderten – Bebauungsplan nur in einem vollständigen neuen Planaufstellungsverfahren möglich sein sollte.
Ergibt sich deshalb aus § 215 Abs. 3 BauGB nicht, daß die – in ihm nicht angesprochenen – materiellen Fehler nur in einem neuen vollständigen Planaufstellungsverfahren behoben werden können, so sind auch sonst keine Gründe erkennbar, die generell zur Wiederholung auch derjenigen Verfahrensschritte nötigen, die zeitlich vor dem erkannten Fehler lagen und für sich nicht beanstandet werden können. Das Verfahren der bauplanungsrechtlichen Normgebung durch die Gemeinde ist im Baugesetzbuch in Verfahrensabschnitte gegliedert, die zwar aufeinander aufbauen, sich aber grundsätzlich voneinander trennen lassen. Soweit die Verfahrensabschnitte unterschieden werden können, ist grundsätzlich auch eine auf Verfahrensabschnitte begrenzte Fehlerkorrektur möglich. Dabei ist es unerheblich, ob der (behebbare) Fehler formeller oder materieller Natur ist. Zwar werden materielle Mängel einer städtebaulichen Satzung häufig schwerer auszuräumen sein als formelle. In vielen Fällen wird bei materiellen Fehlern sogar nur der Erlaß einer inhaltlich veränderten Satzung in Betracht kommen; dann werden häufig schon die Anderungen zu einer Wiederholung des gesamten Verfahrens zwingen. Soll die Satzung jedoch unverändert erlassen werden, so folgt nicht schon aus der materiellrechtlichen Natur eines Fehlers, daß auch die vorangegangenen korrekten Verfahrensschritte wiederholt werden müssen (vgl. auch OVG Lüneburg, Urteil vom 12. August 1986 – 1 C 14/85 – BRS 46 Nr. 16 und Schmaltz, DVBl 1990, 1120, zur nachträglichen Aufhebung einer Landschaftsschutzverordnung im Geltungsbereich eines Bebauungsplans).
Zu den behebbaren materiellen Mängeln eines Bebauungsplans gehören auch Fehler im Abwägungsvorgang, die im Sinne von § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB erheblich sind. Auch sie können grundsätzlich durch eine neue korrekte Abwägungsentscheidung und Wiederholung des anschließenden Verfahrens behoben werden. Beruht der Satzungsbeschluß des Gemeinderats – wie das Normenkontrollgericht hier im vorangegangenen Normenkontrollverfahren angenommen hat – auf falschen tatsächlichen Vorstellungen seiner Mitglieder, weil die Planungsunterlagen Fehler enthalten, so kann es zur Behebung des darin liegenden Abwägungsmangels ausreichen, daß nur die Unterlagen berichtigt werden und der Gemeinderat sodann in Kenntnis der zutreffenden Voraussetzungen an seiner Planung festhält, indem er einen neuen inhaltsgleichen Satzungsbeschluß faßt (und das nachfolgende Verfahren wiederholt).
Ein Verzicht auf eine Wiederholung des vorangegangenen Verfahrens wäre allerdings unzulässig, wenn es schon selbst durch den Fehler „infiziert” ist. Insoweit ist der Beschwerde zu folgen, wenn sie darauf hinweist, daß gerade ein Fehler im Abwägungsvorgang, der auf der Verwendung fehlerhafter Planunterlagen beruht, ein Indiz dafür sein kann, daß bereits das Beteiligungsverfahren mangelhaft gewesen ist. Hiermit wird jedoch der Grundsatz nicht in Frage gestellt, daß ein Verfahren nicht wiederholt werden muß, solange und soweit es noch fehlerfrei war. Liegt eine „Fehlerinfektion” vor, so lag nicht nur ein Fehler bei der Abwägung, sondern auch schon ein Fehler (beispielsweise) im Beteiligungsverfahren vor, so daß auch das Beteiligungsverfahren wiederholt werden muß. Zum vorliegenden Fall führt das Normenkontrollgericht allerdings aus, daß die Mängel der Unterlagen aus tatsächlichen Gründen für das Beteiligungsverfahren unerheblich waren.
Nicht durchgreifend ist schließlich die Überlegung, daß der Gemeinderat sachfremd motiviert sein kann, wenn er im abgekürzten Verfahren nur die Wahl zwischen einer inhaltlichen Wiederholung der Satzung oder ihrer Ablehnung hat, nicht jedoch – wie in einem kompletten neuen Verfahren – auch Änderungen vornehmen darf. Denn einerseits läßt sich eine psychische Bindung an den früheren Satzungsbeschluß auch in einem neuen Aufstellungsverfahren nicht ausschließen; andererseits würde ein auf sachfremden Motiven beruhender Satzungsbeschluß ebenfalls an einem Abwägungsfehler leiden und deshalb erneut zur Nichtigkeit des Plans führen. Wenn sogar der Fehler, daß ein Satzungsbeschluß überhaupt nicht gefaßt worden ist (§ 214 Abs. 1 Nr. 3 BauGB), nach der ausdrücklichen Regelung des § 215 Abs. 3 BauGB im abgekürzten Verfahren behoben werden darf, muß dies auch zulässig sein, wenn der Satzungsbeschluß an einem behebbaren Mangel leidet.
3. Nicht vorlagepflichtig nach § 47 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 VwGO (a.F.) war das Normenkontrollgericht dagegen wegen der Frage, ob im Falle der Parallelbeteiligung gemäß § 4 Abs. 2 BauGB die bloße Benachrichtigung der von der Planung berührten Träger öffentlicher Belange nach § 3 Abs. 2 Satz 3 BauGB von der Auslegung des Entwurfs eines Bebauungsplans den Anforderungen des § 4 Abs. 1 BauGB genügt. Denn diese Frage ist nicht entscheidungserheblich, weil sie von einem Sachverhalt ausgeht, den das Normenkontrollgericht so nicht festgestellt hat. Die Frage knüpft daran an, daß die Antragsgegnerin das Verfahren der Beteiligung der Träger öffentlicher Belange wiederholt hat, nachdem das erste Beteiligungsverfahren zu einer Änderung des Planentwurfs geführt hatte. Nach den Feststellungen im Normenkontrollurteil hat sich die Antragsgegnerin im Rahmen der erneuten Beteiligung der Träger öffentlicher Belange aber nicht auf eine Benachrichtigung über die Auslegung beschränkt, sondern hat den Trägern öffentlicher Belange auch jeweils einen Abdruck des (geänderten) Bebauungsplanentwurfs übersandt.
Im übrigen ergibt sich schon aus dem Gesetzeswortlaut und ist vom Normenkontrollgericht nicht in Zweifel gezogen worden, daß auch im Falle der Parallelbeteiligung nach § 4 Abs. 2 BauGB dessen Absatz 1 anwendbar bleibt. In der bloßen Benachrichtigung über die Auslegung gemäß § 3 Abs. 2 Satz 3 BauGB wird deshalb auch im Falle der gleichzeitigen Beteiligung nach § 4 Abs. 2 BauGB grundsätzlich keine hinreichende Beteiligung liegen. In welcher Weise jedoch die Beteiligung durchzuführen ist, insbesondere ob die Träger öffentlicher Belange ausdrücklich zu einer Stellungnahme aufzufordern sind oder ob sie bei einer erneuten Beteiligung auf Änderungen des Planentwurfs aufmerksam gemacht werden müssen, ist nicht rechtsgrundsätzlich klärungsfähig. Insbesondere bei einer zweiten Beteiligung der Träger öffentlicher Belange kann in der Übersendung des geänderten Planentwurfs und der Benachrichtigung nach § 3 Abs. 2 Satz 3 BauGB schlüssig zugleich eine Aufforderung der Gemeinde zur (erneuten) Stellungnahme liegen. Ob damit den Anforderungen des § 4 Abs. 1 BauGB genügt ist, hängt von den Umständen des jeweiligen Einzelfalles ab.
4. Zu Unrecht macht die Beschwerde ferner geltend, das Normenkontrollgericht habe seine Vorlagepflicht nach § 47 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 VwGO (a.F.) im Hinblick auf die Erheblichkeit des Abwägungsfehlers verletzt, der dem Rat der Antragsgegnerin bei der rechtlichen Einordnung der Feuerwehrgerätefabrik unterlaufen sei.
Das Normenkontrollgericht nimmt zugunsten der Antragsteller an, daß die im Plangebiet bestehende Feuerwehrgerätefabrik ein Industriebetrieb sei. Deshalb liege hier ein Fehler im Abwägungsvorgang vor, weil die Antragsgegnerin verkannt habe, daß die Festsetzung (nur) eines Gewerbegebietes für einen „untergeordneten Teilbereich der Feuerwehrgerätefabrikation”, nämlich der „Zurichtung” (im Bestandsplan „Blechnerei” genannt), dazu führe, daß dem Betrieb insoweit keine über den Bestandsschutz hinausreichenden Entwicklungsmöglichkeiten belassen würden; dies sei jedoch beabsichtigt gewesen. Der Abwägungsfehler sei jedoch gemäß § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB unerheblich, weil er weder offensichtlich noch auf das Abwägungsergebnis von Bedeutung gewesen sei.
Soweit das Normenkontrollgericht die Offensichtlichkeit dieses Mangels im Abwägungsvorgang mit der Erwägung verneint, die Einordnung der Feuerwehrgerätefabrik in die Betriebskategorien der §§ 8 und 9 BauNVO bereite Schwierigkeiten, kann ihm allerdings nicht gefolgt werden. Zutreffend sieht die Beschwerde hierin eine Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, nach der ein offensichtlicher Mangel im Abwägungsvorgang dann anzunehmen ist, wenn konkrete Umstände positiv und klar auf einen solchen Mangel hindeuten (BVerwG, Beschluß vom 29. Januar 1992 – BVerwG 4 NB 22.90 – Buchholz 406.11 § 214 BauGB Nr. 6 = NVwZ 1992, 662; Beschluß vom 20. Januar 1995 – BVerwG 4 NB 43.93 – Buchholz 406.11 § 9 BauGB Nr. 74 = NVwZ 1995, 692). Das Merkmal der Offensichtlichkeit soll zum Ausdruck bringen, daß es nicht auf die „innere Seite” des Abwägungsvorgangs, also etwa auf die Vorstellungen oder Motive der Ratsmitglieder, ankommt. Abzustellen ist vielmehr auf die leichte Erkennbarkeit des Mangels und damit auf die „äußere Seite” des Abwägungsvorgangs. Beachtlich bleibt alles, was auf objektiv erfaßbaren Sachumständen beruht, also auch Fehler und Irrtümer, die die Zusammenstellung und Aufbereitung des Abwägungsmaterials betreffen, wenn sie sich aus den Planungsunterlagen ergeben (BVerwG, Urteil vom 21. August 1981 – BVerwG 4 C 57.80 – BVerwGE 64, 33 ≪38≫). Schwierigkeiten in der rechtlichen Beurteilung baurechtlicher Vortragen stehen in keinem Zusammenhang mit diesem Maßstab; sie sind nicht mit fehlender Offensichtlichkeit gleichzusetzen. Ergibt sich aus den Planungsakten, daß die Abwägungsentscheidung des Gemeinderats auf rechtlich unzutreffenden Überlegungen beruhte, so ist der darin liegende Fehler im Abwägungsvorgang nicht deshalb mangels Offensichtlichkeit unbeachtlich, weil die rechtliche Beurteilung der Vortrage Schwierigkeiten bereitet.
Die Divergenz hinsichtlich der Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Offensichtlichkeit nötigte jedoch nicht zur Vorlage der Rechtssache, weil sie nicht entscheidungserheblich war. Das Normenkontrollurteil beruht nämlich auf der Rechtsauffassung, daß es auf den unterstellten Abwägungsmangel auch deshalb nicht ankomme, weil er für das Abwägungsergebnis ohne Bedeutung war; es fehle nämlich die konkrete Möglichkeit eines Einflusses auf das Abwägungsergebnis.
Soweit die Beschwerde geltend macht, das Normenkontrollurteil weiche auch mit seinen Ausführungen zum Tatbestandsmerkmal „auf das Abwägungsergebnis von Einfluß gewesen” in § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB von den oben genannten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts sowie von seinem Beschluß vom 20. Januar 1992 – BVerwG 4 B 71.90 – (Buchholz 406.11 § 214 BauGB Nr. 5 = NVwZ 1992, 663) ab, ist sie zumindest unbegründet. Das Normenkontrollgericht referiert ausdrücklich die einschlägige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in dem Beschluß vom 29. Januar 1992 – BVerwG 4 NB 22.90 – (Buchholz 406.11 § 214 BauGB Nr. 6 = NVwZ 1992, 662) und legt sie seiner Entscheidung zugrunde. Der von der Beschwerde als zusätzlicher, einengender Rechtssatz des Normenkontrollgerichts verstandene Satz, genügende Anhaltspunkte für eine andere Entscheidung des Gemeinderates seien nicht erkennbar, ist bereits Teil der Rechtsanwendung im konkreten Fall. Das Normenkontrollgericht führt näher aus, daß sich der Gemeinderat hier wegen der vorhandenen Bebauung in einer Zwangslage befunden habe, die eine andere Bestimmung des Abwägungsergebnisses in keiner Weise wahrscheinlich mache. Ersichtlich soll damit lediglich für den hier streitigen Bebauungsplan die konkrete Möglichkeit, daß der unterstellte Abwägungsfehler auf das Abwägungsergebnis von Einfluß gewesen sein könnte, verneint werden. Der Sache nach macht die Beschwerde nur eine fehlerhafte Anwendung der höchstrichterlichen Rechtsprechung geltend; für eine Abweichensrüge genügt dies nicht.
5. Das Normenkontrollurteil weicht auch nicht von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. November 1991 – BVerwG 4 C 17.88 – (Buchholz 406.12 § 6 BauNVO Nr. 11 = NVwZ-RR 1992, 402) ab.
Hierzu trägt die Beschwerde sinngemäß vor, daß nach diesem Urteil ein Vorhaben, das zu einem Gesamtvorhaben gehöre, in planungsrechtlicher Hinsicht nur zulässig sei, wenn die Gesamtanlage zulässig sei; ob ein betriebliches Vorhaben zu einer Gesamtanlage gehöre, richte sich danach, ob es räumlich und funktional in den Betrieb eingegliedert und damit Teil des Gesamtbetriebes sei. Die Beschwerde rügt nun, das Normenkontrollgericht habe das im festgesetzten Gewerbegebiet stehende Verwaltungsgebäude der nur im Industriegebiet zulässigen Feuerwehrgerätefabrik als in einem Gewerbegebiet zulässig angesehen, weil ein reines Verwaltungsgebäude – im Unterschied zu einer Lagerhalle – bauplanungsrechtlich nicht in Abhängigkeit von dem eigentlichen Betrieb, sondern selbständig zu beurteilen sei.
Mit ihrer Rüge verkennt die Beschwerde, daß die Frage, ob ein bestimmtes Vorhaben räumlich und funktional in einen Betrieb eingegliedert und damit Teil des Gesamtbetriebes ist, von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles abhängt. Hier hat das Normenkontrollgericht nicht generell in Zweifel gezogen, daß es für die Zuordnung auf die räumliche und auf die funktionale Eingliederung in die Gesamtanlage ankomme. Es hat vielmehr ausgeführt, daß die Verwaltung der Feuerwehrgerätefabrik zwar räumlich, nicht aber funktional der Produktionsstätte zugeordnet sei. Damit hat es den vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Rechtssatz lediglich in tatrichterlicher Würdigung auf den konkreten Fall angewendet. Seine Rechtsanwendung bleibt eine Bewertung der konkreten Umstände des Einzelfalls, auch wenn der folgende Satz in der Normenkontrollentscheidung rechtssatzartig formuliert ist, ein reines Verwaltungsgebäude sei dem gewerblichen Prozeß nicht in gleicher bauplanungsrechtlich relevanter Weise wie eine Lagerhalle zugeordnet. Eine Grundsatzfrage stellt sich insoweit nicht.
Im übrigen wäre die geltend gemachte Abweichung jedoch auch unerheblich, weil sie nicht entscheidungserheblich ist. Das Normenkontrollgericht verneint nämlich hilfsweise die Offensichtlichkeit und die Ursächlichkeit des unterstellten Abwägungsfehlers. Die hiergegen gerichtete Divergenzrüge müßte ebenfalls erfolglos bleiben. Zwar weicht das Normenkontrollgericht im Hinblick auf das Merkmal der Offensichtlichkeit wiederum von der Rechtsprechung des Senats ab. Es fehlt aber an jeglichem Anhalt für die konkrete Möglichkeit, daß der Gemeinderat in Kenntnis des Mangels anders entschieden hätte. Die gegenteilige Auffassung der Beschwerde betrifft allein die konkrete Rechtsanwendung im vorliegenden Fall.
6. Keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung hat schließlich die Frage, „ob zur Widerlegung der Regelvermutung des § 11 Abs. 3 Satz 3 BauNVO gemäß § 11 Abs. 3 Satz 4 BauNVO eine Festsetzung im Bebauungsplan zum zulässigen Warensortiment ausreichend ist mit der Folge, daß insoweit auf eine Prüfung im Einzelfall anhand der in § 11 Abs. 3 Satz 4 BauNVO genannten betrieblichen und städtebaulichen Gesichtspunkte verzichtet wird”.
Die Beschwerde wirft diese Frage auf, weil der streitige Bebauungsplan textliche Festsetzungen enthält, nach denen im Gewerbe- und im Industriegebiet als Ausnahme Einzelhandelsbetriebe mit bestimmten Warengruppen (Möbeln, Teppiche, Fußbodenbeläge, Gartenbedarf, Gartenpflanzen, Baustoffe, Bauelemente ≪z.B. Türen, Fenster≫, Baumaterialien, Fliesen, sanitäre Einrichtungsgegenstände, sanitärer Installationsbedarf, Fahrzeuge und Zubehör) zulässig sind. Das Normenkontrollgericht hält diese Festsetzungen für mit § 11 Abs. 3 BauNVO vereinbar, weil es sich bei den zugelassenen Einzelhandelseinrichtungen um solche handele, die wegen ihres Warensortiments und ihrer Verkaufsform keine Auswirkungen im Sinne von § 11 Abs. 3 Satz 2 und 4 BauNVO erwarten ließen, obwohl sie auch großflächig im Sinne von § 11 Abs. 3 Satz 3 BauNVO sein, mithin die Geschoßfläche von 1.200 qm überschreiten dürften.
Die von der Beschwerde formulierte Frage hat keine grundsätzliche Bedeutung, weil sie sich einer allgemeinverbindlichen Beantwortung entzieht. Ob sich schon allein durch die Beschränkung des Warensortiments die Ansiedlung von Einzelhandelsbetrieben verhindern läßt, von denen negative städtebauliche Auswirkungen im Sinne von § 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO ausgehen und die deshalb nur in Kerngebieten oder in für sie festgesetzten Sondergebieten zugelassen werden dürfen, hängt von weiteren Umständen ab, etwa von der Art des zugelassenen Warensortiments, der Größe des Plangebiets und seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gemeinde. Der Beschwerde ist einzuräumen, daß die Beschränkung auf ein bestimmtes Warensortiment allein häufig nicht geeignet sein wird, negative städtebauliche Auswirkungen auszuschließen, beispielweise wenn die Regelgrenze des § 11 Abs. 3 Satz 3 BauNVO aufgrund der örtlichen Verhältnisse ganz erheblich überschritten werden kann. Es sind aber auch Fallgestaltungen vorstellbar, in denen großflächige Einzelhandelsbetriebe mit negativen städtebaulichen Auswirkungen ohne zusätzliche Festsetzung einer Größenbegrenzung allein durch die Sortimentsbeschränkung abgewehrt werden können; zu denken wäre etwa an einen sehr kleinen Planbereich in einer Großstadt, der für besonders große Einzelhandelsbetriebe gar keinen Raum enthält. In einem solchen Fall kann die Prüfung der negativen Auswirkungen eines großflächigen Einzelhandelsbetriebs im Baugenehmigungsverfahren entfallen, weil sie bereits für alle denkbaren Fälle bei der Aufstellung des Bebauungsplans vorgenommen worden ist. Daß dies generell ausgeschlossen sein soll, ist nicht ersichtlich und wird auch in der von der Beschwerde zitierten Literatur nicht angenommen. Das Normenkontrollgericht hat hier einen solchen Fall angenommen; rechtsgrundsätzliche Fragen werden dadurch nicht aufgeworfen.
C. Das Normenkontrollgericht hat die Frage, ob ein Bebauungsplan außerhalb des Anwendungsbereichs des § 215 Abs. 3 BauGB rückwirkend in Kraft gesetzt werden könne, abweichend von der Rechtsauffassung des Senats bejaht; darauf beruht seine Entscheidung zumindest zum Teil. Wie im Nichtabhilfebeschluß vom 16. Dezember 1996 im Verfahren 5 S 3580/94 (= BVerwG 4 B 267.96) bereits zutreffend ausgeführt worden ist, kann das Rückwirkungsverbot zur (Teil-)Nichtigkeit des Bebauungsplans für den Zeitraum der angeordneten Rückwirkung führen (vgl. auch Hölzl/Hien, Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern, Art. 23 Anm. 5 b). Die Sache ist deshalb an das Normenkontrollgericht zurückzuverweisen, damit dieses unter Aufhebung seines Urteils neu entscheiden kann (§ 47 Abs. 7 Satz 6 VwGO a.F.).
Gerichtskosten sind für das Beschwerdeverfahren nicht zu erheben, weil die Beschwerde gegen die Nichtvorlage zulässig und begründet ist (vgl. § 1 Abs. 1 Buchst. b und § 11 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 2502 des als Anlage 1 beigefügten Kostenverzeichnisses). Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens richtet sich nach der neuen Entscheidung, die das Normenkontrollgericht über den Antrag zu treffen hat.
Unterschriften
Berkemann, Hien, Lemmel, Heeren, Halama
Fundstellen
BauR 1998, 200 |
NuR 1998, 256 |
BRS 1997, 121 |
BRS 1998, 121 |
BayVBl. 1998, 343 |
DVBl. 1998, 331 |
UPR 1998, 114 |