Entscheidungsstichwort (Thema)
Mündliche Verhandlung. Beweisaufnahme. Entscheidung ohne mündliche Verhandlung. Berufungsverfahren. begründete Berufung
Leitsatz (amtlich)
Ob Art. 6 Abs. 1 EMRK stets Genüge getan ist, wenn zwar im erstinstanzlichen Verfahren des Verwaltungsgerichts, nicht aber im Berufungsverfahren des Oberverwaltungsgerichts die Möglichkeit der mündlichen Verhandlung bestand, bleibt offen.
Eine mündliche Verhandlung ist nach Art. 6 Abs. 1 EMRK jedenfalls dann im allgemeinen nicht im verwaltungsgerichtlchen Berufungsverfahren zwingend geboten, wenn eine Beweisaufnahme vor der voll besetzten Richterbank des Berufungsgerichts an Ort und Stelle stattgefunden hat, den Beteiligten hierbei Gelegenheit zur Äußerung gegeben war, das Berufungsgericht seine Auffassung über das Ergebnis der Beweisaufnahme mitgeteilt hat und – aus einem anderen Gesichtspunkt heraus – nur noch Rechtsfragen zu entscheiden waren.
Zur Auslegung und Anwendung des § 130 a VwGO im Sinne des Art. 6 Abs. 1 EMRK.
Normenkette
VwGO § 130a; EMRK Art. 6 Abs. 1; BauGB §§ 34-35
Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Beschluss vom 30.07.1998; Aktenzeichen 1 B 96.1428) |
VG München (Entscheidung vom 29.02.1996; Aktenzeichen M 11 K 95.1748) |
Tenor
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluß des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 30. Juli 1998 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 25 000 DM festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde ist nicht begründet. Das Beschwerdevorbringen ergibt nicht, daß die geltend gemachten Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 VwGO erfüllt sind.
1. Die Beschwerde trägt als eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung und gleichzeitig als einen Verfahrensverstoß vor, das Berufungsgericht habe durch seine Entscheidung im Verfahren nach § 130 a VwGO gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit des Verfahrens verstoßen und dadurch zudem Art. 6 Abs. 1 EMRK verletzt. Das Vorbringen rechtfertigt insgesamt keine Zulassung der Revision.
1.1 Der zu § 130 a VwGO geltend gemachte Verfahrensverstoß besteht nicht.
1.1.1 Werden die Voraussetzungen des § 130 a VwGO beachtet, kann das Berufungsgericht nach pflichtgemäßen Ermessen der Berufung ohne mündliche Verhandlung stattgeben. Bei seiner Ermessensentscheidung kann das Berufungsgericht unterschiedliche Gesichtspunkte erwägen. Dazu gehören beispielsweise die rechtliche oder tatsächliche Komplexität des Streitfalles, des weiteren etwa die Annahme, Prozeßbeteiligte könnten sich besser mündlich als schriftsätzlich äußern, es sei besser, die Fassung sachdienlicher Anträge zu besprechen, oder es seien so gewichtige neue Gesichtspunkte entstanden, die – ohne vorherige mündliche Erörterung – entsprechend § 130 VwGO eine Zurückverweisung der Sache an die erste Instanz nahelegen könnten. Verneint das Berufungsgericht derartige oder andere Gesichtspunkte, kann im Revisionsverfahren nur geprüft werden, ob das Berufungsgericht von seinem Ermessen fehlerhaft Gebrauch gemacht hat (vgl. BVerwG, Beschluß vom 10. April 1992 – BVerwG 9 B 142.91 – Buchholz 310 § 130 a VwGO Nr. 5 = NVwZ 1992, 890; Beschluß vom 3. September 1992 – BVerwG 11 B 22.92 – Buchholz 442.10 § 4 StVG Nr. 88 = NVwZ-RR 1993, 165; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 1989 – BVerwG 7 C 35.87 – BVerwGE 84, 220 ≪223≫). Das gilt auch für die nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO vorgetragene Rüge.
1.1.2 Im Streitfall ist dem Berufungsgericht – legt man das Vorbringen der Beschwerde zugrunde – ein Ermessensfehler in der Handhabung des § 130 a VwGO nicht unterlaufen.
Die Beschwerde gibt konkrete Gesichtspunkte nicht an, die gerade eine mündliche Verhandlung im Sinne sachgerechter Aufklärung wichtiger Gesichtspunkte hätten als erforderlich erscheinen lassen müssen. Dafür ist – wie hinzugefügt werden mag – auch nach Maßgabe der Verfahrensakten nichts ersichtlich. Das Berufungsgericht hat von seinem Ermessen sachgerecht Gebrauch gemacht. Das vorinstanzliche Gericht hat in voll besetzter Richterbank eine Beweisaufnahme durch Augenschein vorgenommen. Die Beteiligten hatten dabei, aber auch später Gelegenheit, zu dem Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung zu nehmen. Das Berufungsgericht hat ferner im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Beweisaufnahme die Kläger darauf hingewiesen, daß eine Stattgabe der Berufung erwogen werde. Für die Kläger konnte nicht zweifelhaft sein, wie das Berufungsgericht das Beweisergebnis der Augenscheinseinnahme würdige.
Gerade dieses Beweisergebnis löste ein weiteres Vorbringen der Kläger aus. Diesem Vorbringen ging das Berufungsgericht nach. Das Gericht prüfte im Hinblick auf § 35 Abs. 2 BauGB, ob das Vorhaben öffentliche Belange beeinträchtigen könnte. Hierfür konnten – nach Lage der Dinge – nur Darstellungen des Flächennutzungsplans bedeutsam sein. Die damit zusammenhängenden Fragen waren für die letztlich prozeßentscheidende Frage, ob das klägerische Grundstück dem unbeplanten Innenbereich nach § 34 BauGB oder dem Außenbereich nach § 35 BauGB zuzuordnen sei, erkennbar von keiner ausschlaggebenden Bedeutung. Vielmehr war nunmehr anhand des den Beteiligten bekannten Kartenmaterials allein über solche Rechtsfragen zu befinden, die – anders als die Zuordnung einer Fläche in den Anwendungsbereich des § 34 oder des § 35 BauGB – keine tatrichterliche Bewertung erforderten. Kläger und Beklagte hatten hierzu erschöpfend Stellung genommen. Eine mündliche Verhandlung vor dem Berufungsgericht wäre in objektiver Hinsicht nicht in der Lage gewesen, für die Beantwortung der noch entscheidungserheblichen Rechtsfragen einen zusätzlichen Erkenntnisgewinn zu erbringen. Daß die Kläger die Rechtswirksamkeit der planerischen Entscheidungen der Gemeinde, wie sie in den Darstellungen des Flächennutzungsplans und des Landschaftsplans zum Ausdruck kamen, verneinten, ändert hieran nichts.
1.2 Auch Art. 6 Abs. 1 der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EMRK) erweiterte die verfahrensrechtliche Stellung der Kläger im vorliegenden Falle nicht. Auch insoweit liegt ein Verfahrensverstoß nach Maßgabe des Beschwerdevorbringens nicht vor.
Es kann dahinstehen, ob der Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 EMRK die von den Klägern geltend gemachten Ansprüche erfaßt. Das mag im Hinblick auf die extensive Auslegung des Art. 6 Abs. 1 EMRK durch die bisherige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zugunsten der Kläger unterstellt werden (vgl. EGMR, Urteil vom 25. November 1993 – EuGRZ 1995, 535 Ziff. 27 – Fall Zander; Urteil vom 27. Oktober 1987 – EuGRZ 1988, 452 Ziff. 30 = NJW 1989, 1423 – Fall Bodén; Urteil vom 26. Juni 1986 – EuGRZ 1988, 35 – Fall van Marle). Eine erste öffentliche mündliche Verhandlung hat jedenfalls stattgefunden. Das erstinstanzliche Gericht hat aufgrund öffentlicher mündlicher Verhandlung entschieden. Damit ist allerdings noch nicht entschieden, ob und in welcher Weise Art. 6 Abs. 1 EMRK auch im verwaltungsgerichtlichen Rechtsmittelverfahren zu beachten ist und in diesem Verfahren erneut eine öffentliche und mündliche Verhandlung erfordert.
Ob Art. 6 Abs. 1 EMRK bereits stets Genüge getan ist, wenn in einem mehrere Instanzen umfassenden Verfahren die Verfahrensbeteiligten zumindest in einer Instanz die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erzwingen können, bedarf hier keiner näheren Erörterung (so BVerwG, Beschluß vom 26. Februar 1998 – BVerwG 9 B 169.98 – juris; Beschluß vom 28. September 1995 – BVerwG 1 B 21.95 – Buchholz 310 § 84 VwGO Nr. 3; Beschluß vom 7. Mai 1998 – BVerwG 3 B 208.97 – juris; Beschluß vom 2. August 1995 – BVerwG 9 B 303.95 – Buchholz 310 § 124 VwGO Nr. 26 = DVBl 1996, 105). § 130 a VwGO widerspricht jedenfalls nicht bereits als solches den Erfordernissen des Art. 6 Abs. 1 EMRK (vgl. BVerwG, Beschluß vom 10. April 1992 – BVerwG 9 B 142.91 – Buchholz 310 § 130 a VwGO Nr. 5 = NVwZ 1992, 890). Der EGMR hat mehrfach entschieden, daß nach Art. 6 Abs. 1 EMRK in Fällen einer erstinstanzlichen öffentlichen mündlichen Verhandlung nicht stets in der folgenden zweiten Instanz eine weitere öffentliche mündliche Verhandlung stattfinden müsse (vgl. EGMR, Urteil vom 8. Dezember 1983 – Sammlung Série A No. 72 Ziff. 28 bis 32 = EuGRZ 1985, 225 – Fall Axen; Urteil vom 26. Mai 1988 – Sammlung Série A No. 134 Ziff. 31, 33 – Fall Ekbatani; Urteil vom 29. Oktober 1991 – Sammlung Série A No. 212-C Ziff. 31 = EuGRZ 1991, 420 – Fall Fejde). Maßgebend sind vielmehr die festzustellenden Besonderheiten des jeweiligen Rechtsmittelverfahrens (vgl. EGMR, Urteil vom 22. Februar 1994 – Sammlung Série A Nr. 74 Ziff. 28 = EuGRZ 1985, 229 – Fall Sutter; Urteil vom 29. Oktober 1991 – Sammlung Série A 212-A Ziff. Nr. 31 = NJW 1992, 1813 = EuGRZ 1991, 415 – Fall Helmers; Urteil vom 29. Oktober 1991 – Série A No. 212-B Ziff. 22 = EuGRZ 1991, 419 – Fall Jan-Åke Andersson; Urteil vom 21. September 1993 – Série A Nr. 268-B Ziff. 58 f. = EuGRZ 1995, 537 – Fall Kremzow; vgl. auch Schweizerisches Bundesgericht, EuGRZ 1995, 660 ≪662≫; EuGRZ 1993, 465; vgl. ferner Frowein/Peukert, EMRK, 2. Aufl. 1996, Art. 6 Rn. 68; W. Roth, EuGRZ 1998, 495 ≪500 ff.≫). Einschränkungen bestehen unter anderem dann, wenn im Rechtsmittelzug nur noch über Rechtsfragen zu befinden ist (vgl. auch BVerwG, Beschluß vom 2. August 1995 – BVerwG 9 B 303.95 – Buchholz 310 § 124 VwGO Nr. 26 = DVBl 1996, 105 zu Zulässigkeitsfragen).
Im vorliegenden Berufungsverfahren war zunächst auch über Tatsachenfragen zu befinden. Sie betrafen – wie erörtert – die Frage, ob das klägerische Grundstück dem unbeplanten Innenbereich oder dem Außenbereich zuzuordnen ist. Der Berufungskläger hatte gegen die tatrichterliche Würdigung des erstinstanzlichen Gerichts substantiierte Einwendungen vorgetragen. Das erforderte eine Prüfung durch das zweitinstanzliche Gericht. Dem hat sich das Berufungsgericht nicht entzogen. Die erforderliche Beweisaufnahme und Beweiswürdigung haben die Berufungsrichter tatsächlich in mündlicher Erörterung mit den Prozeßbeteiligten im Rahmen der Beweisaufnahme zusammen mit der voll besetzten Richterbank an Ort und Stelle vorgenommen. Die Prozeßbeteiligten hatten damit die ihnen durch Art. 6 Abs. 1 EMRK eröffnete Möglichkeit, bei der Klärung der Tatsachenfragen unmittelbar beteiligt zu sein.
Eine weitere Entscheidungsfindung im Berufungsverfahren war aufgrund des wechselseitigen Prozeßvorbringens nach erfolgter Beweisaufnahme und Vorlage des Flächennutzungsplans nunmehr aufgrund der Aktenlage sachgerecht möglich (vgl. EGMR, Urteil vom 29. Oktober 1991 – Sammlung Série A 212-A Ziff. Nr. 31 = NJW 1992, 1813 = EuGRZ 1991, 415 – Fall Helmers; Urteil vom 29. Oktober 1991 – Série A No. 212-B Ziff. 22 = EuGRZ 1991, 419 – Fall Jan-Åke Andersson; Urteil vom 29. Oktober 1991 – Sammlung Série A No. 212-C Ziff. 31 = EuGRZ 1991, 420 – Fall Fejde). Im Streitfall ergab sich dies unter anderem aufgrund des vorgelegten Kartenmaterials im Sinne eines Urkundsbeweises. Diese weitere Entscheidung betraf danach lediglich Rechtsfragen, die das Berufungsgericht – wie noch darzulegen ist – nicht als kompliziert ansehen mußte. Jedenfalls hat die Beschwerde insoweit andere Gesichtspunkte nicht mit ihrer Verfahrensrüge vorgetragen. Damit war den Anforderungen des Art. 6 Abs. 1 EMRK entsprochen. Es ist nicht erkennbar, daß insoweit durch eine mündliche Verhandlung ein höheres Maß an Sicherheit in der Entscheidungsfindung erreichbar gewesen wäre (vgl. EGMR, Urteil vom 29. Oktober 1991 – Sammlung Série A 212-A Ziff. Nr. 31 = NJW 1992, 1813 = EuGRZ 1991, 415 – Fall Helmers).
1.3 Diese vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu Art. 6 Abs. 1 EMRK angegebenen Kriterien sind aber bei konventionskonformer Auslegung zumindest deckungsgleich mit jenen, in denen es auch § 130 a VwGO dem Berufungsgericht nicht gestattet, von einer mündlichen Verhandlung abzusehen. Insoweit stellen sich die von der Beschwerde geltend gemachten grundsätzlichen Fragen mangels Klärungsbedürftigkeit nicht. Die von ihr vorgetragenen Bedenken sind in der bisherigen Rechtsprechung vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte behandelt worden. Ein weiterer Klärungsbedarf ergibt sich aus dem Beschwerdevorbringen nicht.
2. Die Beschwerde rügt als Verfahrensfehler, das Berufungsgericht habe gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme verstoßen und § 108 Abs. 1 VwGO verletzt. Es habe erst nach einem Jahr nach erfolgter Beweisaufnahme entschieden. Nach Ansicht der Beschwerde hat das Berufungsgericht damit gleichzeitig § 86 Abs. 1 VwGO verletzt. Ein Verfahrensverstoß ergibt sich aus diesem Vorbringen jedoch nicht.
Der Beschwerde ist einzuräumen, daß nach den Vorstellungen des Gesetzgebers zwischen einer Beweisaufnahme und der hierauf beruhenden Entscheidung ein zeitlicher Zusammenhang bestehen muß. Das Prozeßrecht gibt hierzu allerdings keine bestimmten Fristen vor. Aus diesem Grunde gelten die allgemeinen Regeln. Diese gehen im Rahmen des § 108 Abs. 1 VwGO dahin, daß für das Gericht noch eine verläßliche Entscheidungsgrundlage gegeben sein muß.
Im vorliegenden Fall gab es diese Entscheidungsgrundlage. Das Berufungsgericht hatte – wie bereits dargelegt – die Einnahme des Augenscheins mit der voll besetzten Richterbank vorgenommen, die auch später über die Sache selbst entschied. In dieser Besetzung konnte sich der Spruchkörper anhand der vorhandenen Pläne, Luftbilder und der Niederschrift über die Beweisaufnahme, aber auch des Parteivorbringens die tatsächliche Situation ohne weiteres vergegenwärtigen. Es kam hinzu, daß sich das Berufungsgericht alsbald nach Einnahme des Augenscheins seine Meinung über die bauplanungsrechtliche Qualifizierung des klägerischen Grundstücks gebildet hatte. Das war auch den Klägern anhand der gerichtlichen Mitteilungen bewußt. Wenn sich der weitere Prozeßablauf verzögerte, dann beruhte dies im wesentlichen auf dem weiteren Vorbringen der Kläger, hilfsweise eine ihnen günstige Klärung auch bei angenommener Außenbereichslage zu erreichen. Die darin liegende Verzögerung der Prozeßbeendigung entzog der Beurteilung, daß das klägerische Grundstück nämlich dem Außenbereich zuzuordnen sei, nicht die einmal getroffene sichere Grundlage. Zwar ist zu verlangen, daß Urteilsgründe nach verkündeter Entscheidung alsbald, spätestens binnen fünf Monaten abgesetzt sein müssen (vgl. GemS-OGB, Beschluß vom 27. April 1993 – BVerwGE 92, 367). Diese Rechtsprechung ist für den vorliegenden Sachverhalt indes nicht vergleichbar. Da das verkündete Urteil aufgrund der mündlichen Verhandlung ergeht und das dortige Vorbringen nicht schriftlich festgehalten zu werden pflegt, ist in diesem Falle die erforderliche Erinnerungsleistung der beteiligten Richter eine andere als bei einer durchgeführten Beweisaufnahme, welche der Bestätigung von solchen tatsächlichen Ergebnissen diente, die sich bereits aus vorhandenen Plänen und Lichtbildern ergaben. Übrigens haben die Kläger später keinen Anlaß gesehen, einen Antrag auf Wiederholung der Einnahme des Augenscheins zu stellen.
3. Die Beschwerde trägt vor, das Berufungsurteil weiche von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Juni 1970 – BVerwG 4 C 77.68 – (BVerwGE 35, 256) und vom 17. November 1972 – BVerwG 4 C 13.71 – (BRS Bd. 25, 41) ab. Eine Divergenz liegt jedoch nicht vor. Die Beschwerde mißversteht die von ihr angeführte Rechtsprechung.
Ein Bebauungszusammenhang im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB reicht so weit, wie die aufeinanderfolgende Bebauung trotz vorhandener Baulücken den Eindruck der Geschlossenheit vermittelt (BVerwG, Urteil vom 6. November 1968 – BVerwG 4 C 2.66 – BVerwGE 31, 20; Urteil vom 22. März 1972 – BVerwG 4 C 121.68 – BauR 1972, 222 = BayVBl 1972, 557). Das Grundstück, für welches das beantragte Bauvorhaben erst genehmigt werden soll, bleibt für die Feststellung des Bebauungszusammenhanges grundsätzlich unberücksichtigt, wenn es – aus anderen Gründen – nicht bereits Teil des Bebauungszusammenhangs ist. Unberücksichtigt bleiben ferner katastermäßige Grundstücksgrenzen (vgl. BVerwG, Beschluß vom 11. Juni 1992 – BVerwG 4 B 88.92 – Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 151).
Hiervon geht das von der Beschwerde bezeichnete Urteil vom 12. Juni 1970 aus. Es betont die Irrelevanz von Grundstücksgrenzen, um dem Irrtum zu begegnen, daß Teile eines Buchgrundstücks dann in den Bebauungszusammenhang gleichsam hineingezogen werden, wenn ein anderer Teil desselben Buchgrundstücks in tatsächlicher Hinsicht einem Bebauungszusammenhang zuzuordnen ist. Entsprechend wird dies in dem von der Beschwerde ferner bezeichneten Urteil vom 17. November 1972 dargelegt. Von dieser Rechtsprechung hat sich das Berufungsgericht nicht entfernt. Vielmehr hat es in Übereinstimmung mit dieser Judikatur zu Recht gefragt, ob das klägerische Grundstück am Eindruck der (baulichen) Geschlossenheit teilnimmt. Dies hat es unter Angabe seiner leitenden Erwägungen verneint. Soweit sich die Beschwerde hiergegen wendet, erhebt sie keine Divergenzrüge, sondern greift die tatrichterliche Beweiswürdigung und Überzeugungsbildung an. Dies ist im Rahmen des Zulassungsgrundes des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht möglich.
4. Die Beschwerde erachtet eine Abweichung vom Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Juni 1970 – BVerwG 4 C 77.68 – (BVerwGE 35, 256) und desgleichen vom Urteil vom 12. Dezember 1990 – BVerwG 4 C 40.87 – (Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 138 = DVBl 1991, 810) auch in anderer Weise als gegeben. Das trifft ebenfalls nicht zu.
4.1 Lassen sich im Anschluß an eine die Merkmale des § 34 Abs. 1 BauGB erfüllende Bebauung keine (weiteren) Merkmale finden, die eine zum Außenbereich abgrenzbare Fläche markieren und diese deshalb als noch zum Bebauungszusammenhang gehörig erscheinen lassen, dann endet der Bebauungszusammenhang mit dem „letzten Haus”. Es fehlt dann an der von § 34 Abs. 1 BauGB vorausgesetzten Möglichkeit festzustellen, ob sich ein beabsichtigtes Vorhaben noch in den „prägenden” Bebauungszusammenhang einfügt.
Die Größe eines Grundstücks ist hierfür zwar – für sich genommen – kein Merkmal, das die Annahme eines Bebauungszusammenhangs im Sinne der in § 34 Abs. 1 BauGB vorausgesetzten Geschlossenheit von vornherein ausschließt. In dieser Ansicht ist der Beschwerde zu folgen. Jedoch enthält die wachsende Größe ein Indiz dafür bereit, daß ein Bebauungszusammenhang eher zu verneinen ist. Dies ist eine aus der Erfahrung abzuleitende Faustformel. Ein Grundstück liegt im Rechtssinne auch nicht bereits deshalb innerhalb eines Bebauungszusammenhangs, weil es von Bebauung umgeben ist. Erforderlich ist vielmehr weiter, daß das Grundstück selbst einen Bestandteil dieses Zusammenhangs bildet (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Dezember 1972 – BVerwG 4 C 6.71 – BVerwGE 41, 227 = NJW 1973, 1014).
Das Berufungsgericht hat sich an diese Rechtsprechung gehalten. Es hat keineswegs die Größe des klägerischen Grundstücks zum alleinigen Beurteilungskriterium erhoben. Vielmehr hat es diese Größe – richtigerweise – in den Zusammenhang der übrigen Umgebung – und zwar sowohl der bebauten als auch der unbebauten – gestellt und erst dies zur Grundlage seiner Bewertung gemacht.
4.2 Auch die Rüge einer Abweichung des Berufungsurteils von den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. Dezember 1972 – BVerwG 4 C 6.71 – (BVerwGE 41, 227) und vom 12. Dezember 1990 – BVerwG 4 C 40.87 – (Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 138 = DVBl 1991, 810) greift nicht durch.
Die Rüge ist unzulässig. Die Beschwerde legt ihrem Vorbringen keinen Vergleich zweier abstrakter Rechtssätze zugrunde, die miteinander unverträglich sind. Vielmehr kritisiert sie im Gewande einer Divergenzrüge die tatrichterliche Überzeugungsbildung nach Maßgabe des konkreten Sachverhalts. Das ist mit dem Zulassungsgrund der Divergenz nicht erreichbar. Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits mehrfach entschieden, daß es in Abgrenzung zwischen Innen- und Außenbereich möglich ist, von einem „Außenbereich im Innenbereich” auszugehen. Von dieser Beurteilung hat sich das Berufungsgericht leiten lassen.
5. Die Beschwerde macht als Verfahrensfehler geltend, das Berufungsgericht habe das Vorbringen der Kläger zum Flächennutzungsplan nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen. Darin liege eine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs im Sinne auch des Art. 103 Abs. 1 GG. Das Berufungsgericht habe zugleich der Begründungspflicht des § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO nicht genügt. Beide vorgetragenen Mängel bestehen nicht.
5.1 Die Beschwerde rügt, das Berufungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, daß das klägerische Grundstück von der Darstellung des Flächennutzungsplans mit der Angabe „Grünfläche” erfaßt sei. Die Kläger hätten im Berufungsverfahren das Gegenteil ausdrücklich vorgetragen. Das Beschwerdegericht hat sich indes nach Aktenlage nicht davon überzeugen können, daß den Klägern ihr Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verkürzt wurde.
Die beigeladene Gemeinde trug erstmals mit Schriftsatz vom 13. September 1996 vor, das klägerische Flurstück werde im Flächennutzungsplan als Grünfläche dargestellt (S. 1). Die Kläger gingen hierauf in ihrem Schriftsatz vom 23. Oktober 1996 (S. 7) ein. Sie bestritten darin nicht die tatsächliche Behauptung der Beigeladenen, sondern hielten aus Rechtsgründen deren Vorbringen für unerheblich. Der Flächennutzungsplan enthalte – so trugen die Kläger vor – im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts insoweit keine einleuchtende „Fortschreibung bestimmter tatsächlicher Gegebenheiten”. Ferner griffen die Kläger das Konzept des Flächennutzungsplans als solches an und machten eine unzulässige Negativplanung geltend. Auch im Schriftsatz vom 1. September 1997 bezweifelten die Kläger nicht, daß das Flurstück Nr. 1354 von der Darstellung als „Grünfläche” erfaßt werde (S. 8). Wiederum wurde nur vorgetragen, daß dies rechtlich unerheblich sei. In ihrem Schriftsatz vom 29. Oktober 1997 betonte die Beigeladene unter Vorlage des gemeindlichen Flächennutzungsplans erneut ihre Auffassung, daß das klägerische Grundstück von der Darstellung als Grünfläche erfaßt werde. Auch im Schriftsatz vom 5. Dezember 1997 (S. 7 f.), der auf Fragen der Bedeutung des Flächennutzungsplans eingeht, bestritten die Kläger nicht, daß ihr Grundstück von der Darstellung erfaßt werde. Er kritisierte vor allem die Wirksamkeit der Darstellung und erachtete die Verbindung von Flächennutzungsplan und Landschaftsplan für fehlerhaft und aus diesem Grunde im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB nicht für aussagefähig. Hierauf bezog sich auch ein schriftsätzlich gestellter Beweisantrag. Ferner wurden die gemeindlichen Pläne als abwägungsfehlerhaft angegriffen. Im weiteren Schriftsatz vom 13. März 1998 vertieften die Kläger ihr Vorbringen nochmals (S. 6 f.). Danach sei es nicht zulässig, eine im Landschaftsplan enthaltene Darstellung auf den Flächennutzungsplan zu übertragen.
Diesem klägerischen Vorbringen ist das Berufungsgericht durchaus gerecht geworden. Es ist der Frage nachgegangen, ob eine Darstellung im Landschaftsplan im vorliegenden Falle im Sinne des § 35 Abs. 3 BauGB als Darstellung des Flächennutzungsplans aufzufassen ist. Dies hat es unter Bezugnahme auf das landesrechtliche Naturschutzrecht bejaht. Es ist damit allerdings in rechtlicher Hinsicht der klägerischen Auffassung entgegengetreten. Dies ist in knappen, aber ausreichenden Worten geschehen. Danach steht hinreichend fest, daß das Berufungsgericht das rechtliche Anliegen der Kläger erfaßt und beurteilt hat. Allerdings verlangt Art. 103 Abs. 1 GG selbstverständlich nicht, daß das Gericht dem Vorbringen eines Prozeßbeteiligten auch folgt.
Soweit die Beschwerde die Auffassung des Berufungsgerichts als inhaltlich verfehlt angreifen sollte, kann hierauf eine Verfahrensrüge nicht schlüssig gestützt werden. Für einen Verstoß gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO fehlt es an jedem Anhalt.
5.2 Die Beschwerde rügt des weiteren, das Berufungsgericht sei auf das klägerische Vorbringen nicht eingegangen, daß die Darstellung landwirtschaftlicher Flächen in einem näher bezeichneten Umgriff im Hinblick auf die tatsächliche Entwicklung hinfällig geworden sei.
Dieser Vorhalt trifft nicht zu. Das Berufungsgericht hat – wenngleich knapp – dargelegt, daß die Darstellungen jedenfalls nicht für das klägerische Grundstück obsolet geworden seien. Im übrigen zwingt Art. 103 Abs. 1 GG ein Gericht keineswegs auf jedes einzelne Vorbringen ausführlich einzugehen. Die Beschwerde überspannt mit ihrer Rüge derartige Anforderungen. Auch die Bedeutung des Flurstücks Nr. 1351 hat das Berufungsgericht gesehen, indes als unerheblich gewürdigt, um die für das klägerische Grundstück wirksame Darstellung als Grünfläche in Zweifel zu ziehen.
6. Die Beschwerde sieht es als eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung an, ob der rechtlich erhebliche Gehalt einer Darstellung eines in einem Flächennutzungsplan integrierten Landschaftsplans in der Weise aufgespalten werden kann, daß lediglich der eine Teil der Darstellung rechtliche Bedeutung besitzt.
6.1 Dieses Vorbringen – seine Zulässigkeit unterstellt – rechtfertigt ebenfalls keine Zulassung der Revision. Ihm fehlt die erforderliche Klärungsbedürftigkeit.
Der Bundesgesetzgeber hat durch Änderung des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauGB zum Ausdruck gebracht, daß alle Pläne, die einen gemeindlichen oder einen anderen öffentlichen Willen in verfahrensmäßiger Weise konkretisieren und festlegen, geeignet sind, ein öffentlicher Belang zu sein, dem ein „sonstiges Vorhaben” widersprechen kann. Zu derartigen Fachplänen gehören kraft ausdrücklicher gesetzgeberischer Entscheidung insbesondere Landschaftspläne. Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage stellt sich danach in Zukunft jedenfalls so nicht mehr. Das läßt die Notwendigkeit einer revisionsgerichtlichen Klärung unabhängig davon entfallen, daß die in § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB genannten öffentlichen Belange ohnedies nicht abschließend waren und sind und daß § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauGB insoweit – was hier nicht zu entscheiden ist – nur klarstellende Bedeutung hat.
6.2 Soweit die Beschwerde die konkrete Auslegung der gewählten Darstellungen und planerischen Bezeichnungen durch das Berufungsgericht angreifen sollte, kann dies nicht Gegenstand einer Grundsatzrüge sein. Der in diesem Zusammenhang geltend gemachte Verstoß gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO, gegen § 86 Abs. 1 VwGO und gegen Art. 103 Abs. 1 GG besteht nicht.
Das Berufungsgericht hat angegeben, welche Gründe es für das von ihm als zutreffend angesehene Verständnis der Planungsinhalte hat. Das genügt den Anforderungen an eine sachgerechte Begründung. Auch von einer Überraschungsentscheidung kann keine Rede sein. Was die Beschwerde insoweit gewertet wissen will, ist allein der Umstand, daß das Berufungsgericht der Auffassung der Kläger in der Sache nicht gefolgt ist. Darin liegt kein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG. Schließlich fehlt insoweit auch für eine Verletzung des § 86 Abs. 1 VwGO jeder Anhalt. Die Beschwerde gibt selbst nicht an, mit welchen konkreten Beweismitteln und mutmaßlichem Beweisergebnis sich dem Gericht eine nähere Ermittlung in der von der Beschwerde gewünschten Richtung hätte aufdrängen müssen. Daß sich das Berufungsgericht bei veröffentlichten Plänen in erster Linie an dem objektiv verlautbarten Gehalt ausgerichtet hat, ist übrigens sachgerecht und entspricht gerade den Erfordernissen der Rechtssicherheit. Es ist grundsätzlich Sache der beigeladenen Gemeinde, ob und wie lange sie im Rahmen ihrer Planungshoheit an den Darstellungen im Flächennutzungsplan festhalten will.
7. Die Beschwerde wendet sich mit der Verfahrensrüge gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, die von den Klägern vorgesehene Bebauung wäre auch siedlungsstrukturell zu mißbilligen.
Einer näheren Erörterung bedarf dieses Vorbringen nicht. Das Berufungsgericht hat seine Erwägungen selbständig neben seine Auffassung gestellt, die vorgesehene Bebauung widerspräche der Darstellung im Flächennutzungsplan. Ist eine Berufungsentscheidung in dieser Weise auf zwei selbständig tragende Erwägungen gestützt, ist eine Revisionszulassung bereits dann nicht möglich, wenn hinsichtlich der einen tragenden Erwägung ein Zulassungsgrund nicht gegeben ist (vgl. BVerwG, Beschluß vom 9. Dezember 1994 – BVerwG 11 PKH 28.94 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 4).
So liegt es hier. Durchgreifende Zulassungsgründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO haben sich hinsichtlich des öffentlichen Belangs, wie er in der Darstellung des Flächennutzungs- und des Landschaftsplans zum Ausdruck kommt und vom Berufungsgericht als erheblich angesehen wurde, nicht ergeben. Damit bedarf es keiner Erörterung der weiteren Erwägungen des Berufungsgerichts.
8. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 14 Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Unterschriften
Gaentzsch, Berkemann, Heeren
Fundstellen
NJW 1999, 3573 |
NVwZ 1999, 763 |
DÖV 1999, 735 |
NJ 1999, 551 |
NuR 2000, 180 |
SGb 2000, 550 |
DVBl. 1999, 987 |
UPR 1999, 318 |
SächsVBl. 1999, 185 |