Tenor
Dem Kläger wird für die versäumte Frist zur Begründung der Revision Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
Gründe
Der Kläger ist mit Gerichtsschreiben vom 12. Dezember 2005 darauf hingewiesen worden, dass der Revisionsbegründungsschriftsatz vom 5. Dezember 2005, der zur Begründung lediglich “auf die Begründung des Revisionszulassungsbeschlusses des Bundesverwaltungsgerichts vom 20.10.2005 – 5 B 75.05/5 C 26.05 –” verweist und “die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts in jenem Beschluss (…) zum Gegenstand der Revisionsbegründung” macht, den Anforderungen an eine Revisionsbegründung nicht entsprechen dürfte. Der Kläger hat dem mit Schriftsatz vom 5. Januar 2006 widersprochen und (hilfsweise) beantragt, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand für die Revisionsbegründung zu bewilligen. Seine Anwälte hätten die Revision unter Zuhilfenahme eines gängigen Kommentars zur Verwaltungsgerichtsordnung (Kopp/Schenke, VwGO, 14. Auflage 2005) begründet. Dort werde zu den Anforderungen an eine Revisionsbegründung ausgeführt (§ 139 Rn. 19): “Ausreichend ist auch eine Verweisung auf den Inhalt des Zulassungsbeschlusses (22.2.2001 – 7 C 14/00).”
Der Kläger hat die Revision nicht rechtzeitig begründet. Als die Revisionsbegründungsfrist am 5. Dezember 2005 endete, lag dem Gericht nur der Revisionsbegründungsschriftsatz der Klägerbevollmächtigten vom 5. Dezember 2005 vor. Diese Begründung enthielt zwar, insofern § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO entsprechend, einen bestimmten Antrag. Auch lässt sich dieser Begründung mit ihrer Verweisung auf die Begründung des Revisionszulassungsbeschlusses zur Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage zu Art. 34 Genfer Flüchtlingskonvention entnehmen, dass der Kläger Art. 34 Genfer Flüchtlingskonvention als verletzt rügen will. Für eine Revisionsbegründung genügt aber die bloße Behauptung nicht, ein Gesetz sei verletzt oder das angefochtene Urteil verstoße gegen ein Gesetz. Dazu gehört nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffes und eine damit verbundene sachliche Auseinandersetzung mit den die Entscheidung des Berufungsgerichts tragenden Gründen, aus der hervorgeht, warum der Revisionskläger diese Begründung als nicht zutreffend erachtet (BVerwGE 106, 202). Daran fehlt es im Schriftsatz vom 5. Dezember 2005. Dem Begründungserfordernis wird dieser Schriftsatz auch nicht dadurch gerecht, dass er auf die Begründung des Revisionszulassungsbeschlusses, durch die die Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen worden war, weil sie zur Klärung der Frage beitragen könne, “inwieweit sich aus Art. 34 Genfer Flüchtlingskonvention eine Verpflichtung ergibt, die Kosten des Einbürgerungsverfahrens herabzusetzen”, verweist und die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts in jenem Beschluss zum Gegenstand der Revisionsbegründung macht (unter Hinweis auf Kopp/Schenke, VwGO, § 139 Rn. 19 mit Verweis auf BVerwG, Urteil vom 22. Februar 2001 – BVerwG 7 C 14.00 –).
Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht Bezugnahmen auf Zulassungsbeschlüsse ausreichen lassen, aber nicht generell. So hat es eine Bezugnahme auf einen auf Divergenz gestützten Zulassungsbeschluss als ausreichend erachtet, weil sich der Rechtsmittelführer damit die Einschätzung und die dafür maßgeblichen Erwägungen des zulassenden Gerichts zu der vom Ausgangsgericht abweichend beurteilten Rechtsfrage zu Eigen macht (BVerwGE 114, 155 zur Zulassung der Berufung). Auch lässt das Bundesverwaltungsgericht die Bezugnahme auf eine Zulassung wegen eines Verfahrensmangels genügen (BVerwG, Urteil vom 22. Februar 2001 – BVerwG 7 C 14.00 – juris). Denn damit stützt sich die Begründung auf den im Zulassungsbeschluss festgestellten Verfahrensfehler. Ist die Revision aber allein wegen grundsätzlicher Bedeutung und mit der Begründung, eine bestimmte Rechtsfrage sei klärungsbedürftig, zugelassen worden, so verhält sich der Zulassungsbeschluss gerade nicht dazu, ob die Rechtsfrage vom Berufungsgericht richtig oder falsch entschieden worden ist, sondern eröffnet für diese Klärung die Revision.
Dem Kläger ist nach § 60 VwGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
Der Kläger hat auf die Mitteilung des Gerichts vom 12. Dezember 2005 mit Schriftsatz vom 5. Januar 2006 rechtzeitig innerhalb der Monatsfrist nach § 60 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 VwGO in Bezug auf die Frist zur Begründung der Revision Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Er hat im Schriftsatz vom 5. Januar 2006, den Anforderungen an eine Revisionsbegründung entsprechend, ausgeführt, weshalb seiner Auffassung nach das Berufungsgericht § 90 AuslG und Art. 34 Genfer Flüchtlingskonvention verletzt habe.
Die Prozessbevollmächtigten des Klägers trifft hier kein Verschulden (§ 60 Abs. 1 VwGO). Mangelnde Rechtskenntnisse entschuldigt allerdings eine Fristversäumung grundsätzlich nicht (BVerwG, Beschluss vom 29. April 1992 – BVerwG 5 B 70.92 – Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 179; stRspr); dies gilt gerade auch für einen rechtskundigen Prozessbevollmächtigten. Die Sorgfaltspflichten auch eines Prozessbevollmächtigten dürfen indes nicht überspannt werden (BVerwG, Beschluss vom 31. August 1999 – BVerwG 9 B 171.99 – Buchholz 310 § 124a VwGO Nr. 11). Denn es genügt die übliche, von einem Rechtsanwalt zu fordernde Sorgfalt, der sich gewissenhaft und sachgemäß über die Rechtslage unterrichtet hat. Aus dem Gesetzeswortlaut selbst ergeben sich keine differenzierten Begründungserfordernisse für die “Angabe der verletzten Rechtsnorm”. Deshalb genügt ein Rechtsanwalt seiner Sorgfaltspflicht, wenn er sich in einem gängigen Kommentar zur Verwaltungsgerichtsordnung zu den Anforderungen an die Revisionsbegründung vergewissert. Er ist für die Rechtsvertretung in der Vielzahl der Rechtsgebiete und Verfahrensordnungen auf Informationen aus Kommentaren angewiesen. Dabei ist es seine Aufgabe, juristische Texte geschult und kritisch zu lesen, nicht aber, ohne weiteren Anlass eine eindeutige und uneingeschränkte Aussage in einem weit verbreiteten Kommentar, die zur Bestätigung auf eine – in einer Fachzeitschrift nicht veröffentlichte – Entscheidung eines obersten Bundesgerichtes hinweist, zu hinterfragen. In der Kommentarstelle heißt es zur Revisionsbegründung ohne Einschränkung: “Ausreichend ist auch eine Verweisung auf den Inhalt des Zulassungsbeschlusses (22.2.2001 – 7 C 14/00)”; hierauf haben sich die Anwälte des Klägers erkennbar auch gestützt. Für die Prozessbevollmächtigten ergab sich hier auch aus dem Kontext dieser Kommentarstelle keine Notwendigkeit zur weiteren Überprüfung der Rechtslage.
Unterschriften
Dr. Säcker, Schmidt, Dr. Brunn
Fundstellen