Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensbeteiligte, Voraussetzung für die Zulassung von – und Folgen der Nichthinzuziehung von –. Wahl von Gruppenmitgliedern in den Personalratsvorstand keine Anfechtungsfrist bei –. Anfechtungsfrist, keine – bei Wahl von Gruppenmitgliedern in den Personalratsvorstand. Losentscheid, Streichholzziehen als unzulässige Form des – bei Stimmengleichheit bei Wahl zum Personalratsvorstand. Streichholzziehen, unzulässige Form des Losentscheids bei Stimmengleichheit zum Personalratsvorstand
Leitsatz (amtlich)
Bei der Wahl von Gruppenmitgliedern in den Personalratsvorstand kann im Falle der Stimmengleichheit der notwendige Losentscheid nicht durch Streichholzziehen erfolgen, weil dieses Verfahren wenig transparent ist und es die Gefahr der Manipulation verstärkt in sich birgt.
Normenkette
BPersVG §§ 25, 32 Abs. 1 S. 3, Abs. 2 S. 1, § 83 Abs. 2; ArbGG § 83 Abs. 3; BRAGO § 8 Abs. 2, § 10 Abs. 1
Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Beschluss vom 09.08.1989; Aktenzeichen CB 145/89) |
VG Gelsenkirchen (Entscheidung vom 08.02.1989; Aktenzeichen PVB 370/88) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1) gegen den Beschluß des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen – Fachsenat für Bundespersonalvertretungssachen – vom 9. August 1989 wird zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren auf 6.000 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Der Antragsteller ist Mitglied des im Mai 1988 bei der Standortverwaltung Unna gewählten Personalrates. Er beanstandet die Durchführung des Losentscheids durch Streichholzziehen bei der Bestimmung des auf die Angestelltengruppe entfallenden Vorstandsmitglieds des Personalrates.
Bei der Wahl der Vorstandsmitglieder in der konstituierenden Sitzung des Personalrates am 19. Mai 1988 bewarben sich um einen Vorstandssitz für die Angestelltengruppe der Antragsteller und Frau M. Bei der geheimen Wahl, die von den beiden Vertretern der Angestelltengruppe durchgeführt wurde, entfiel auf jeden der beiden Kandidaten eine Stimme. Daraufhin wurde ein Losentscheid durch Streichholzziehen durchgeführt, bei dem Frau M. gewann.
Mit Schreiben vom 1. August 1988 hat der Antragsteller das verwaltungsgerichtliche Beschlußverfahren eingeleitet, weil nach seiner Auffassung der Losentscheid nicht korrekt durchgeführt worden war. Er beanstandete insbesondere, daß Vertreter aller Gruppen darüber abgestimmt hätten, wie der Losentscheid durchgeführt werden solle. Der Wahlleiter, der derselben Gewerkschaft wie Frau M. angehöre, habe trotz der Einwendungen der Vertreterin der Beamtengruppe sich für den Losentscheid durch Streichholzziehen entschieden und Frau M. das Recht zugestanden, als erste zu ziehen.
Demgegenüber hat der örtliche Personalrat, der Beteiligte zu 1, vorgetragen, nach Beendigung der Diskussion im Personalrat über die Art und Weise der Durchführung des Losentscheids habe Frau M. auf Streichholzziehen bestanden. Der Antragsteller habe nicht widersprochen, sondern im Gegenteil geantwortet, er warte darauf. Damit habe er sich mit dieser Art des Losziehens einverstanden erklärt.
Der Antragsteller hat beantragt,
die Wahl des Vertreters der Angestellten in den Vorstand des Personalrats für ungültig zu erklären.
Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag stattgegeben. Die dagegen eingelegte Beschwerde des Beteiligten zu 1 hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen und auf den erweiterten Antrag des Antragstellers auch die mittlerweile erfolgte Wahl von Frau M. zur Vorsitzenden des Personalrats für ungültig erklärt. Zur Begründung hat das Oberverwaltungsgericht im wesentlichen ausgeführt:
Die Erweiterung des Antrags ergebe sich aus einer im Laufe des Beschlußverfahrens eingetretenen Veränderung des Sachverhalts, so daß darin keine Antragsänderung im rechtlichen Sinne liege. Der Streitgegenstand sei dadurch nicht geändert worden. Die Anfechtung der Vorstandswahl sei auch an keine Frist gebunden, da es sich um einen Vorgang der Geschäftsführung des Vorstandes und nicht um eine Wahl im Sinne des § 25 BPersVG handele. Die angegriffene Wahl von Frau M. zum Vorstandsmitglied sei ungültig, weil die Form, in der der Losentscheid durchgeführt worden sei, nicht den daran zu stellenden Anforderungen genüge. Der besonderen wahlrechtlichen Bedeutung des Losentscheids zur Ermittlung eines gewählten Bewerbers bei gleicher Stimmenzahl sei in entsprechender Anwendung der Vorschriften zur Personalratswahl nur ein Verfahren angemessen, bei dem verdeckt gekennzeichnete Zettel oder Zettel in verschlossenem Briefumschlag gezogen würden. Aber auch wenn man sich dieser Auffassung nicht anschließe, gelte nichts anderes. Der Losentscheid müsse allen Bewerbern gleiche Chancen bieten und dürfe eine Einflußnahme auf das Zufallsergebnis nicht zulassen. Die ordnungsgemäße Durchführung des Losverfahrens müsse insbesondere für Dritte erkennbar und überprüfbar sein. Bei einem Losentscheid in der Form des Streichholzziehens sei Manipulation nicht völlig ausgeschlossen. Derjenige, der die Streichhölzer halte, könne Manipulationen durchführen, die für Dritte schwerer zu durchschauen seien als etwa beim Münzwurf. Das Streichholzziehen komme deshalb als Verfahren beim Losentscheid nicht in Betracht und sei ungültig. Es müsse wiederholt werden. Da gemäß § 32 Abs. 2 Satz 1 BPersVG nur ein Vorstandsmitglied den Vorsitz im Personalrat übernehmen könne, sei auch die Wahl von Frau M. zur Vorsitzenden für ungültig zu erklären.
Gegen diesen Beschluß richtet sich die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1. Nach seiner Auffassung ist der Antrag bereits unzulässig. Es müsse für die Anfechtung der Wahl eines Vorstandsmitglieds die in § 25 BPersVG für die Personalratswahl festgelegte Frist gelten. Auch wenn man dem nicht folge, sei allenfalls eine Anfechtungsfrist von einem Monat angemessen, wie sie das Bundesarbeitsgericht in anderen Fällen zugelassen habe. Diese Frist sei hier nicht eingehalten worden, weil die Wahl erst etwa zweieinhalb Monate später angefochten worden sei. Entgegen der Ansicht des Oberverwaltungsgerichts sei der Losentscheid mittels Ziehens von Streichhölzern auch nicht in größerem Maße manipulationsgefährdet als andere Formen des Losziehens. Auch Zettel und Briefumschläge könnten so gekennzeichnet werden, daß für Eingeweihte diese Hinweise erkennbar seien. Die Bedenken gegen die durchgeführte Form des Losentscheids seien deshalb nicht haltbar. Darüber hinaus seien die Entscheidungen der Vorgerichte schon deshalb aufzuheben, weil die betroffene Vertreterin der Angestelltengruppe, Frau M., nicht förmlich am Verfahren beteiligt und dementsprechend auch nicht angehört worden sei.
Der Beteiligte zu 1 und die im Rechtsbeschwerdeverfahren als Verfahrensbeteiligte zugelassene Frau M. beantragen,
den Beschluß des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen – Fachkammer für Bundespersonalvertretungssachen – vom 8. Februar 1909 sowie den Beschluß des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen – Fachsenat für Bundespersonalvertretungssachen – vom 9. August 1989 aufzuheben und den Antrag zurückzuweisen.
Der Antragsteller beantragt,
die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
Er verteidigt ebenso wie der Beteiligte zu 2 den angefochtenen Beschluß.
Entscheidungsgründe
II.
Die Rechtsbeschwerde bleibt ohne Erfolg.
Die Vorgerichte haben zutreffend entschieden, daß der Antrag des Antragstellers, die Wahl der Frau M. in den Vorstand des Personalrats der Standortverwaltung für ungültig zu erklären, zulässig und begründet ist. In gleicher Weise ist die Ungültigkeitserklärung der Wahl von Frau M. zur Vorsitzenden des Personalrats nicht zu beanstanden.
Der Beteiligte zu 1 hat zu Recht darauf hingewiesen, daß Frau M. in ihrer Eigenschaft jedenfalls als Vorsitzende des Personalrats am Verfahren beteiligt ist und daher schon in der Vorinstanz hätte angehört werden müssen. Dieser Verfahrensfehler führt aber nicht zur Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen.
Gemäß § 83 Abs. 2 BPersVG i.V.m. § 83 Abs. 3 ArbGG sind in dem personalvertretungsrechtlichen Beschlußverfahren neben dem Dienststellenleiter die Beschäftigten und die Stellen (als Verfahrensbeteiligte) zu hören, die nach dem Personalvertretungsgesetz im einzelnen Fall beteiligt sind. Die Beteiligung wird nicht erst durch einen Akt des Gerichts begründet, sondern sie ergibt sich unmittelbar aus dem materiellen Recht (Beschluß vom 15. Dezember 1978 – BVerwG 6 P 13.78 – ≪Buchholz 238.3 A § 76 BPersVG Nr. 1 m.w.N.≫). Es kommt also darauf an, ob Befugnisse oder Pflichten, die das Personalvertretungsrecht Stellen, Personengruppen oder Einzelpersonen gewährt oder auferlegt, unmittelbar durch die begehrte Entscheidung betroffen werden (Beschluß vom 8. Juli 1977 – BVerwG 7 P 28.75 – ≪BVerwGE 54, 172≫ m.w.N.).
Zwar greift der Antragsteller nur den Wahlvorgang als solchen an, von der Entscheidung wird aber auch Frau M. unmittelbar in ihren Rechten berührt. Im Falle des Obsiegens des Antragstellers, d.h. der Ungültigkeitserklärung der Wahl würde sie ihre Rechte als Personalratsvorsitzende verlieren, denn gemäß § 32 Abs. 2 Satz 1 BPersVG kann die Personalratsvorsitzende nur aus den Reihen der Vorstandsmitglieder bestimmt werden.
Im Hinblick auf die unmittelbar berührten Rechte von Frau M. hätte diese als Verfahrensbeteiligte von dem Beschwerdegericht am Verfahren beteiligt werden müssen. Diese Beteiligung, die von Amts wegen zu beachten ist, hat der Senat in der Rechtsbeschwerdeinstanz nachgeholt. Trotz des Verfahrensfehlers war der angefochtene Beschluß aber nicht aufzuheben. Zum einen ist die Nichtanhörung von Frau M. nur durch den Beteiligten zu 1 gerügt worden. Das ist unzureichend, denn die übrigen Verfahrensbeteiligten haben kein Recht darauf, zu fordern, daß andere Beteiligte angehört werden (Beschluß vom 15. August 1978 – BAG 6 ABR 56/77 – BAGE 31, 58 m.w.N.). Zum anderen kann der Verfahrensfehler der Nichtanhörung eines Beteiligten nur dann mit Erfolg beanstandet werden, wenn die Entscheidungen der Vorgerichte auf dem Fehler beruhen (§ 72 Abs. 5 ArbGG i.V.m. §§ 549, 551 ZPO). Eine Entscheidung basiert auf einem solchen Verfahrensfehler, wenn die Gerichte nach Anhörung der Beteiligten zu einem anderen Ergebnis gekommen wären. Das ist hier nicht geschehen. Zu der hier zu behandelnden Rechtsfrage, ob das Streichholzziehen als Losverfahren zulässig und geeignet ist, konnte Frau M. auch in der Anhörung vor dem Senat keine neuen Tatsachen vortragen, die geeignet wären, zur Klärung beizutragen. Ihre Darstellung des zwischen den Verfahrensbeteiligten streitigen Sachverhalts, wie es zu dieser Art des Losverfahrens gekommen ist und wie sich die Beteiligten dazu gestellt haben, war schon für die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts nicht erheblich, weil auch nach der Auffassung dieses Gerichts das Streichholzziehen grundsätzlich nicht die an einen zulässigen Losentscheid zu stellenden rechtlichen Anforderungen erfüllt.
Das Oberverwaltungsgericht hat auch zutreffend festgestellt, daß der Antrag, die Wahl für ungültig zu erklären, nicht wegen Verspätung unzulässig ist.
Im Gegensatz zu § 25 BPersVG, wonach die Wahl zum Personalrat nur innerhalb einer Frist von zwölf Arbeitstagen, vom Tag der Bekanntmachung des Wahlergebnisses an gerechnet, beim Verwaltungsgericht angefochten werden kann, ist die Geltendmachung der Unwirksamkeit der Wahl eines Vorstandsmitglieds gemäß § 32 Abs. 1 Satz 3 BPersVG an keine Frist gebunden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Beschlüsse vom 13. Juni 1957 – BVerwG 2 CO 3.56 – BVerwGE 5, 118, vom 10. Oktober 1957 – BVerwG 2 CO 5.56 – BVerwGE 5, 261, vom 3. Oktober 1958 – BVerwG 7 P 12.57 – BVerwGE 7; 253 und zuletzt vom 27. September 1990 – BVerwG 6 P 23.88 – Buchholz 250 § 33 BPersVG Nr. 4) ist die Bildung des Vorstands eines Personalrats weder ein Verwaltungsakt noch eine Wahl im Sinne von § 25 BPersVG. Sie ist vielmehr ein Akt der Geschäftsführung des Personalrates. Die Geltendmachung der Unwirksamkeit der Wahl eines Gruppenmitglieds in den Vorstand entspricht deshalb nicht der Ausübung eines regelmäßig zeitlich begrenzten Anfechtungsrechts. Diese Unterscheidung ist auch im Hinblick auf die unterschiedliche Bedeutung der beiden Wahlen gerechtfertigt. Mit der Ungültigkeitserklärung der Personalratswahl steht fest, daß die gewählten Beschäftigten keine Personalratsmitglieder sind, auch wenn diese Entscheidung hinsichtlich der Gültigkeit der bis dahin vorgenommenen Rechtsgeschäfte keine rückwirkende Kraft hat. Bis zum Abschluß der Wiederholungswahl tritt zwangsläufig für einen längeren Zeitraum ein grundsätzlich unerwünschter Zustand ein, in dem es keinen Personalrat gibt. Das Gebot der Rechtssicherheit sowie das Interesse an der Handlungsfähigkeit der Dienststelle und an der Wahrung des Rechtsfriedens in ihr erfordern es, daß nach Ablauf der in diesem Sinne absichtsvoll kurz gehaltenen Wahlanfechtungsfrist die Gültigkeit der Personalratswahl und damit die Rechtmäßigkeit des gewählten Personalrats grundsätzlich nicht mehr in Frage gestellt werden kann (Beschluß vom 13. Mai 1987 – BVerwG 6 P 20.85 – Buchholz 251.0 § 82 BaWüPersVG Nr. 3). Die Ungültigkeitserklärung der Wahl eines Gruppenvertreters in den Personalratsvorstand berührt dagegen die Geschäftsführung durch den Vorstand und dessen Handlungsfähigkeit grundsätzlich nicht. Sie führt (nur) zur Neuwahl eines Gruppenmitglieds und läßt die Rechtsstellung der anderen Vorstandsmitglieder unberührt.
Das auf die Feststellung der Unwirksamkeit gerichtete Antragsrecht kann somit grundsätzlich ohne zeitliche Beschränkung ausgeübt werden. Es würde nur dann als verwirkt anzusehen sein, wenn dem Antragsteller entgegengehalten werden könnte, daß seine Ausübung angesichts seiner Verhaltensweise mit Treu und Glauben nicht mehr zu vereinbaren sei (Beschluß vom 3. Oktober 1958 – BVerwG 7 P 12.57 – a.a.O.). Das ist beim Antragsteller nicht der Fall.
Wann bei der Wahl eines Gruppenmitglieds in den Personalratsvorstand das Recht der Geltendmachung der Unwirksamkeit verwirkt ist, d.h. wann die Geltendmachung mit Treu und Glauben nicht mehr zu vereinbaren ist, kann nicht anhand feststehender Fristen bestimmt werden. Dies kann nur aufgrund der dem Einzelfall zugrundeliegenden Tatsachen ermittelt werden. Nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts kann trotz der zwischen dem Wahlvorgang am 19. Mai 1988 und dem Eingang des Antrags beim Verwaltungsgericht (3. August 1988) verstrichenen Zeit nicht die Feststellung getroffen werden, der Antragsteller habe durch das lange Zuwarten von rund zweieinhalb Monaten sein Antragsrecht verwirkt. Nach der Niederschrift über die Sitzung des Personalrats der Standortverwaltung Unna vom 30. Mai 1988 ist das Protokoll über die konstituierende Sitzung des Personalrats (am 19. Mai 1988) zu diesem Punkt mit zwei Gegenstimmen nicht einstimmig genehmigt worden. Zwar läßt sich daraus nicht ersehen, ob sich gerade der Antragsteller insoweit gegen die Niederschrift gewandt hat, jedenfalls war aber für die Mitglieder des Personalrates erkennbar, daß Unstimmigkeiten über die Wahl der Angestelltenvertreterin in den Personalratsvorstand bestanden. Es mag ungewöhnlich sein, daß der Antragsteller für seine Entscheidung, das personalvertretungsrechtliche Beschlußverfahren einzuleiten, rund zweineinhalb Monate benötigte. Für sich gesehen ist aber dieser Zeitraum, der sich allerdings der Grenze des Vertretbaren nähert, nicht so außergewöhnlich, daß allein deshalb die Feststellung berechtigt wäre, er habe sein Antragsrecht verwirkt (vgl. zur Verwirkung des Rechts des Personalrats zur Einleitung eines personalvertretungsrechtlichen Beteiligungsverfahrens im Rechtsweg: Beschluß vom 15. Februar 1988 – BVerwG 6 P 29.85 – Buchholz 251.5 § 61 HePersVG Nr. 5). Um dies zu bejahen, hätten weitere gegen den Antragsteller sprechende umstände vorliegen müssen. Diese sind nicht ersichtlich.
Zu Recht haben die Vorgerichte die Wahl der Gruppenvertreterin in den Personalratsvorstand für ungültig erklärt, weil sie aufgrund unbedenklicher Erfahrungssätze davon ausgegangen sind, daß der Losentscheid durch Streichholzziehen wegen seiner Manipulationsanfälligkeit unzulässig war.
Im Bundespersonalvertretungsgesetz sind für den Fall der Stimmengleichheit bei der Wahl der Vorstandsmitglieder und des Personalratsvorsitzenden keine eigenen Wahlgrundsätze aufgestellt worden. Einer solchen gesetzlichen Regelung bedurfte es auch nicht. Bei Stimmengleichheit bietet sich kein anderer Weg zur Bildung eines der gesetzlichen Regelung entsprechenden Vorstands an als das Losverfahren. Der Losentscheid wird auch in anderen Rechtsbereichen als geeignetes Mittel angesehen, wenn bei der Wahl einer Person zwei Kandidaten die gleiche Stimmenzahl auf sich vereinigen. Er ist deshalb nicht nur zulässig, sondern auch geboten, wenn anders die ordnungsgemäße Bildung des Personalratsvorstands nicht zu verwirklichen ist (Beschlüsse vom 1. August 1958 – BVerwG 7 P 21.57 – BVerwGE 7, 197 und vom 15. Dezember 1961 – BVerwG 7 P 3.61 – BVerwGE 13, 242).
Es bleibt grundsätzlich den Gruppenvertretern überlassen zu bestimmen, welche Form des Losentscheids gewählt werden soll. Im Gegensatz zu der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts gibt es nicht nur ein zulässiges Verfahren der Losziehung. Es kommen verschiedene Verfahren in Betracht, über deren Zulässigkeit im einzelnen hier nicht abschließend zu entscheiden ist. Das Verfahren muß jedoch ordnungsgemäß sein. Es muß ein nicht beeinflußtes Zufallsergebnis herbeigeführt werden (Beschluß vom 1. August 1958 – BVerwG 7 P 21.57 – a.a.O.). Für alle Kandidaten müssen die gleichen Chancen bestehen. Um diese Anforderungen zu erfüllen, muß ein Losverfahren gewählt werden, das keinen Kandidaten benachteiligt. Dazu gehört auch der hinreichende und den Umständen angemessene Schutz vor Manipulationen. Das notwendige Vertrauen in die Gültigkeit der Wahl setzt nämlich voraus, daß diese vor Manipulationen – auch wenn solche niemals absolut auszuschließen sind – in der nach Lage der Dinge erforderlichen und geeigneten Weise geschützt ist. Dazu gehört insbesondere die Übersichtlichkeit des Verfahrens, dessen einzelne Vorgänge für die Beteiligten ohne besonderen Aufwand erfaßbar und überprüfbar sein müssen. Ist die Vorbereitung und Durchführung des Verfahrens – wie anderweitig in Wahlgesetzen oder Wahlordnungen festgelegt ist – in die Hand eines in jeder Beziehung neutralen Dritten gelegt, spricht dies im allgemeinen dafür, daß ohne Manipulationen verfahren worden ist. Ansonsten sind Losverfahren, die nicht oder nur schwer überschaubare Vorgänge enthalten und deshalb oder aus anderen Gründen Manipulationen erleichtern, grundsätzlich unzulässig.
Die vom Oberverwaltungsgericht angeführten generellen Anforderungen an die Zulässigkeit von Verfahren beim Losentscheid stimmen hiermit nur teilweise überein. Zutreffend ist, daß für Dritte erkennbar und überprüfbar sein muß, daß das Losverfahren ordnungsgemäß durchgeführt worden ist. Jedoch ist das vom Oberverwaltungsgericht ausgesprochene Verbot eines Verfahrens, bei dem Manipulationen „nicht völlig ausgeschlossen sind”, überzogen. Die Anforderungen an das Losverfahren dürfen nicht so streng sein, daß sie praktisch jede Möglichkeit eines Losentscheids ausschließen. Dies wäre indes der Fall, wenn als Voraussetzung seiner Gültigkeit feststehen müßte, daß Manipulationen in einem solchen Verfahren „völlig ausgeschlossen” sind. Denn dies ist praktisch nicht festzustellen und auch nicht zu realisieren, ohne den für eine solche Wahl vertretbaren Aufwand unverhältnismäßig zu erhöhen.
Die angefochtene Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts beruht nicht auf einer rechtsfehlerhaften Verschärfung der generellen Anforderungen an das Verfahren des Losentscheids. Im konkreten Fall hat das Oberverwaltungsgericht nämlich das Streichholzziehen nicht mit der – unzutreffenden – Begründung mißbilligt, dadurch seien Manipulationen „nicht völlig ausgeschlossen”, sondern letztlich mit der – zutreffenden – Begründung, dieses Verfahren lasse Manipulationen „besonders leicht” zu (vgl. S. 8 letzte Zeile). Es hat in diesem Zusammenhang ferner darauf abgestellt, daß dieses Verfahren besonders schwer durchschaubar sei. Diese rechtlichen Maßstäbe stimmen inhaltlich mit denen überein, die der Senat – wie zuvor dargelegt wurde – für zutreffend hält. Somit hat das Oberverwaltungsgericht jedenfalls im vorliegenden Fall keine rechtlichen Anforderungen gestellt, die im Rechtsbeschwerdeverfahren zu beanstanden wären.
Auch die Rechtsanwendung im einzelnen, die vom Rechtsbeschwerdegericht nur begrenzt kontrollierbar ist, läßt Rechtsfehler nicht erkennen. Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, das Streichholzziehen lasse Manipulationen besonders leicht zu, beruht auf einer tatsächlichen Würdigung dieses Vorgangs. Dabei stützt sich das Gericht auf die nach seiner Meinung tatsächliche Erfahrung, daß derjenige, der beim Streichholzziehen die Streichhölzer hält, auf schwer überschaubare Weise das längere oder kürzere Streichholz bewußt auf die eine oder andere Seite nehmen, eines der Streichhölzer etwas länger herausragen lassen oder die Streichhölzer unterschiedlich festhalten könne. Von diesem Sachverhalt hat das Rechtsbeschwerdegericht auszugehen; denn die Rechtsbeschwerde hat weder die dem zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen mit zulässigen Verfahrensrügen angegriffen noch dargelegt, daß die vom Oberverwaltungsgericht angenommenen Erfahrungssätze willkürlich seien. Die Ausführungen der Rechtsbeschwerde, daß jede erdenkliche Art von Wahlen durch manuell geschickt operierende Betrüger zu beeinflussen sei, mögen zwar weitgehend zutreffen. Das Oberverwaltungsgericht hatte dies jedoch nicht generell in Frage gestellt, sondern fallbezogen mit näheren Einzelheiten begründet, daß das Streichholzziehen Manipulationen besonders leicht zulasse. Die dem zugrunde gelegten tatsächlichen Würdigungen sind frei von Widersprüchen; ebensowenig hat das Oberverwaltungsgericht dabei willkürlich Erfahrungssätze unterstellt.
Nach alledem ist die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts zu bestätigen. Wegen der dargestellten Manipulationsmöglichkeiten und der schwereren Durchschaubarkeit des Losverfahrens ist das Streichholzziehen für die Wahl von Gruppenvertretern in den Personalratsvorstand ungeeignet und daher unzulässig.
Das Oberverwaltungsgericht hat gleichfalls ohne Rechtsfehler festgestellt, daß die Wahl von Frau M. zum Vorstandsmitglied für die Gruppe der Angestellten angesichts der Unzulässigkeit des Losentscheids durch Streichholzziehen dann ungültig wäre, wenn sich der Antragsteller schlüssig mit dem Verfahren des Losentscheids durch Streichholzziehen einverstanden erklärt hätte. Die Gruppenmitglieder dürfen sich nicht auf ein Losverfahren einigen, das unzulässig ist und mit dem Makel der möglichen Manipulation und der fehlenden Durchschaubarkeit behaftet ist.
Dem Oberverwaltungsgericht ist gleichfalls darin zu folgen, daß auch die Wahl von Frau M. zum Vorstandsmitglied ungültig war, weil gemäß § 32 Abs. 2 Satz 1 BPersVG nur ein Vorstandsmitglied den Vorsitz im Personalrat übernehmen kann.
Nach alledem war die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 10 Abs. 1 BRAGO in Verbindung mit § 8 Abs. 2 BRAGO. Es bestand kein Anlaß, einen höheren als den Auffangwert von 6.000 DM festzusetzen. Wie das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung (vgl. Beschluß vom 28. Juli 1989 – BVerwG 6 P 1.88 – PersV 1989, 488 m.w.N.) ausgeführt hat, schließt es die jedem personalvertretungsrechtlichen Beschlußverfahren innewohnende allgemeine, auf die Tätigkeit aller Personalvertretungen ausstrahlende Bedeutung in der Regel aus, die einzelnen Streitsachen unterschiedlich zu bewerten. Insbesondere wäre es nicht gerechtfertigt, die Bestimmung des Gegenstandswerts von möglichen Folgewirkungen der Entscheidung abhängig zu machen, die im Beschlußverfahren getroffen worden ist. Auch die Schwierigkeit der Rechtsfragen, die in den Vorinstanzen und dem Rechtsbeschwerdeverfahren vom Senat zu beantworten waren, gebietet es nicht, den regelmäßig anzunehmenden Gegenstandswert personalvertretungsrechtlicher Beschlußverfahren zu überschreiten.
Unterschriften
Dr. Niehues, Nettesheim, Ernst, Albers, Dr. Vogelgesang
Fundstellen
BVerwGE, 183 |
ZBR 1992, 58 |