Entscheidungsstichwort (Thema)
Bauen im Außenbereich. Erweiterung. Umbau einer baulichen Anlage ohne Baugenehmigung. gesetzliche Bestimmung des Eigentumsinhalts. Bestandsschutz. Beseitigungsanordnung
Leitsatz (amtlich)
Neben den gesetzlich geregelten Möglichkeiten gibt es keinen auf Bestandsschutz gegründeten Anspruch auf Zulassung von Veränderungen oder Erweiterungen baulicher Anlagen im Außenbereich (im Anschluß BVerwGE 85, 289).
Normenkette
GG Art. 14 Abs. 1 S. 2; BauGB § 35
Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Beschluss vom 03.04.1997; Aktenzeichen 20 B 96.2570) |
VG München (Entscheidung vom 06.05.1996; Aktenzeichen 8 K 94.5099) |
Tenor
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluß des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 3. April 1997 wird zurückgewiesen.
Der Kläger zu 1 trägt 10/11, die Klägerin zu 2 trägt 1/11 der Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 110 000 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Kläger wenden sich gegen die Anordnung der Beseitigung eines ohne die erforderliche Baugenehmigung durch Umbau und Erweiterung vorhandener Bausubstanz im Außenbereich errichteten Einfamilienhauses mit Doppelgarage sowie der Duldung dieser Beseitigung. Ihre Klagen waren in beiden Vorinstanzen erfolglos. Mit der Beschwerde begehren sie die Zulassung der Revision.
Entscheidungsgründe
II.
Die Beschwerde ist nicht begründet. Das Beschwerdevorbringen ergibt nicht, daß die geltend gemachten Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 VwGO erfüllt sind.
Das Berufungsgericht unterstellt zugunsten der Kläger, daß ein ursprünglich vorhandenes Bauwerk genehmigt war. An ihm sind mehrfach Änderungen vorgenommen worden. Über deren Ausmaß und Bedeutung streiten die Beteiligten. Das vorinstanzliche Gericht verneint, daß der angegriffenen Beseitigungsanordnung der Grundsatz des Bestandsschutzes entgegengesetzt werden könne. Es beurteilt die vorgenommenen Änderungen für „wesentlich”. Das hiergegen gerichtete Vorbringen der Beschwerde rechtfertigt keine Zulassung der Revision. Die Beschwerde weist keine klärungsbedürftige Frage des revisiblen Rechts auf.
Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist das vorhandene Bauwerk nicht genehmigungsfähig. Dagegen wendet sich die Beschwerde nicht. In der neueren Rechtsprechung ist in der Tat hinreichend geklärt, daß es neben den gesetzlich geregelten Möglichkeiten baulicher Veränderungen oder Erweiterungen einen auf Bestandsschutz gegründeten Anspruch auf „Umbau” oder „Erweiterung” bereits vorhandener Bausubstanz nicht gibt (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. August 1990 – BVerwG 4 C 3.90 – BVerwGE 85, 289 = NVwZ 1991, 673). Es ist ferner geklärt, daß der Bestandsschutz aus bundesrechtlicher Sicht endet, wenn die bislang zulässige Nutzung aufgegeben wird (vgl. BVerwG, Beschluß vom 21. Juni 1994 – BVerwG 4 B 108.94 – Buchholz 406.16 Grundeigentumsschutz Nr. 65 = NVwZ-RR 1995, 312; Beschluß vom 27. Juli 1994 – BVerwG 4 B 48.94 – Buchholz 406.11 § 35 BBauG Nr. 302 = NVwZ-RR 1995, 68). Das ist unter anderem der Fall, wenn sich die Genehmigungsfrage im Sinne des § 29 Satz 1 BauGB neu stellt. Sie stellt sich, wenn das vorhandene Bauwerk verändert wird. Keine Veränderung der vorhandenen Bausubstanz und der darauf bezogenen Nutzung ist es allerdings, wenn sich bauliche Maßnahmen auf Reparaturarbeiten beschränken (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Oktober 1974 – BVerwG 4 C 75.71 – BVerwGE 47, 126 ≪128≫). Dies ist für den Streitfall das maßgebende Kriterium zur Abgrenzung.
Das Berufungsgericht hat diese Rechtsprechung seiner rechtlichen Beurteilung nachvollziehbar zugrunde gelegt. Das Gericht hat in tatrichterlicher Hinsicht festgestellt, daß ein neuer einheitlicher Baukörper geschaffen wurde. Dies hat das Gericht u.a. mit einer völligen Umgestaltung der Fassaden und der Neukonzeption des Dachstuhls begründet. Diese Beurteilung schließt es aus, von Reparaturarbeiten auszugehen. Soweit die Beschwerde die Beurteilung des Berufungsgerichts kritisiert, greift sie der Sache nach die tatrichterliche Überzeugungsbildung an und bezieht sich zudem auf Umstände des Einzelfalles.
Eine Abweichung von dem angeführten Urteil des beschließenden Senats vom 17. Januar 1986 – BVerwG 4 C 80.82 – (BVerwGE 72, 362 = NJW 1986, 2126) liegt nicht vor. Dabei kann dahinstehen, ob der Senat im Hinblick auf die neuere gesetzliche Regelung des § 35 Abs. 4 BauGB seine damalige Auffassung aufrechterhalten könnte. Der Senat hat seinerzeit entschieden, daß eine begrenzte bauliche Erweiterung dann hinzunehmen sei, wenn sie darauf gerichtet sei, den vorhandenen Bestand funktionsgerecht nutzen zu können. Dies hat der Senat im damaligen Urteil für den Fall angenommen, daß ein zusätzlicher Garagenbau in Betracht komme. Das Berufungsgericht hat derartige Umstände nicht festgestellt. Vielmehr ist das Gericht von einem Umbau des vorhandenen Bauwerks ausgegangen. Das ist eine andere Sachlage als sie der angeführten Entscheidung zugrunde lag.
Bei dieser Rechtslage kann dahinstehen, welche Einwendungen die Kläger bei einem formell baurechtswidrigen Vorhaben überhaupt einer bauordnungsrechtlich normierten Beseitigungsanordnung entgegensetzen können. Art. 14 Abs. 1 GG verbessert insoweit die Position der Kläger nicht. Die Eigentumsgarantie setzt gerade voraus, daß das Bauvorhaben formell und materiell rechtmäßig ist. Erst unter dieser Voraussetzung darf sich der Eigentümer gegen eine ihm nachteilige Änderung der Rechtslage wehren. Der Verfassungsvorschrift ist indes – für sich betrachtet – nicht zu entnehmen, unter welchen Voraussetzungen eine Änderung der vorhandenen Bausubstanz von einer früheren Baugenehmigung als nicht mehr gedeckt anzusehen ist. Dies hat vielmehr der Gesetzgeber zu entscheiden. Der beschließende Senat hat wiederholt darauf aufmerksam gemacht, daß einer Beseitigungsanordnung nicht allein mit dem Hinweis auf die selbst geschaffenen vollendeten Tatsachen entgegengetreten werden kann (vgl. BVerwG, Beschluß vom 30. August 1996 – BVerwG 4 B 117.96 – Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 324 = NVwZ-RR 1997, 273). Ob die beklagte Behörde von ihrem Ermessen zutreffend Gebrauch gemacht hat, ist eine Frage des irrevisiblen Rechts und entzieht sich bereits deshalb einer grundsätzlichen Klärung (vgl. § 137 Abs. 1, § 173 VwGO, § 562 ZPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 159, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 14 Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Unterschriften
Gaentzsch, Berkemann, Hien
Fundstellen
ZfBR 1998, 215 |
BRS 1997, 312 |
BRS 1998, 312 |
UPR 1998, 32 |