Entscheidungsstichwort (Thema)
Verpflichtungsklage auf Zustimmung zur Kündigung eines Schwerbehinderten. maßgebliche Sachlage
Leitsatz (amtlich)
Bei der Entscheidung über die Verpflichtungsklage des Arbeitgebers auf Zustimmung zur Kündigung eines Schwerbehinderten ist nicht die Sachlage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung, sondern im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides maßgebend.
Normenkette
SchwbG F. 1986 § 15; SchwbG F. 1986 § 21
Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Urteil vom 14.11.1991; Aktenzeichen 12 B 90.1229) |
VG Bayreuth (Entscheidung vom 06.02.1990; Aktenzeichen B 3 K 88.535) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 14. November 1991 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Die Beschwerde des Klägers hat keinen Erfolg. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die begehrte Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt der Rechtssache nicht zu. Die von der Beschwerde als klärungsbedürftig bezeichnete Frage, ob es bei einer Verpflichtungsklage auf Zustimmung zur Kündigung eines Schwerbehinderten auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung oder zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung in der letzten Tatsacheninstanz ankomme, hat der erkennende Senat bereits in seinem Beschluß vom 25. Juni 1968 – BVerwG 5 B 174.67 – (Buchholz 436.6 § 14 SchwbG Nr. 6) als in dem Sinne geklärt bezeichnet, daß es regelmäßig auf die Verhältnisse im Zeitpunkt des Erlasses der letzten Verwaltungsentscheidung ankomme. Diese Entscheidung ist zwar noch zu den einschlägigen Vorschriften des Schwerbeschädigtengesetzes in der Fassung bis zum 14. August 1961 (BGBl. I S. 1234) ergangen; sie ist jedoch auch für die in den Grundzügen beibehaltenen Regelungen des Schwerbehindertengesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. August 1986 (BGBl. I S. 1421) maßgebend, die im vorliegenden Fall gelten. Dieser Rechtsprechung steht der Beschluß des Senats vom 7. März 1991 – BVerwG 5 B 114.89 – (Buchholz 436.61 § 12 SchwbG Nr. 3) nicht entgegen. Denn er betraf eine andere Fallgestaltung, nämlich den Widerspruch des Schwerbehinderten gegen die von der Hauptfürsorgestelle erteilte Zustimmung zur – inzwischen ausgesprochenen – Kündigung. Wenn der Senat dort für die Entscheidung über den Widerspruch gegen die Zustimmung zur Kündigung eines Schwerbehinderten den der Kündigung zugrundeliegenden historischen Sachverhalt für maßgebend erklärt hat und nicht die Sachlage im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides (geschweige denn die Sachlage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung), so beruht dies darauf, daß in derartigen Fällen der eingetretenen Privatrechtsgestaltung durch die Fixierung der maßgeblichen Sachlage auf den der erklärten Kündigung zugrundeliegenden Sachverhalt Rechnung getragen werden muß.
Eine Zulassung der Revision wegen entscheidungserheblicher Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) scheidet ebenfalls aus. Die Beschwerde rügt Divergenz des Berufungsurteils zu den in BVerwGE 48, 264 (267) zusammengefaßten Grundsätzen über die Grenzen dessen, was dem Arbeitgeber zur Verwirklichung der dem Schwerbehinderten gebührenden weitgehenden Fürsorge zugemutet werden muß. Insoweit aber hat das Berufungsgericht sein Urteil in je selbständig tragender Weise doppelt begründet. Es hat nämlich nicht nur ausgeführt, es sei dem Kläger zuzumuten, für den Beigeladenen einen geeigneten Arbeitsplatz als Amtsbote neu zu schaffen (3 b der Entscheidungsgründe), sondern „unabhängig von den unter b genannten Gründen” auch eine Beschäftigung des Beigeladenen als Amtsboten dadurch für möglich und zumutbar gehalten, daß der Arbeitgeber den nichtbehinderten Inhaber eines solchen Arbeitsplatzes betriebsintern umsetzt. In einem solchen Fall doppelter Begründung des vorinstanzlichen Urteils kann die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision jedoch nur dann Erfolg haben, wenn im Hinblick auf jeden der Begründungsteile ein Zulassungsgrund geltend gemacht und gegeben wäre (vgl. BVerwG, Beschluß vom 10. Mai 1990 – BVerwG 5 B 31.90 – ≪Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 284≫). Hieran fehlt es. Denn hinsichtlich der zuletzt genannten Begründung läßt die Beschwerde es an einer Darlegung dahin gehend fehlen, mit welchem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten Rechtssatz sich das Berufungsurteil in Widerspruch setzen soll.
Ebensowenig vermag die Beschwerde eine Divergenz des Berufungsurteils zu dem in BVerwGE 19, 327 (329); 48, 264 (267) aufgestellten Satz aufzuzeigen, einem Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes oblägen keine weitergehenden Pflichten gegenüber einem Schwerbeschädigten als einem privaten Betriebsinhaber. Hierzu setzt sich nämlich das Berufungsurteil nicht in Widerspruch, wenn es die Frage der Zumutbarkeit einer Weiterbeschäftigung für den Arbeitgeber durch Erwägungen zur Existenzgefährdung als begrenzt ansieht. Das Berufungsgericht will diesen Gesichtspunkt ausdrücklich nicht in einem Sinn verstanden wissen und heranziehen, daß dadurch „die Arbeitnehmer öffentlicher Verwaltungen … wesentlich bevorzugt” werden. Das Berufungsurteil beruht somit auch insoweit nicht auf einem der von der Beschwerde angeführten Rechtsprechung entgegenstehenden Rechtssatz.
Soweit die Beschwerde die Verfahrensrüge mangelnder Sachaufklärung erhebt, rechtfertigt ihr Vorbringen die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ebenfalls nicht. Die Aufklärungsrüge beschäftigt sich lediglich mit den unter 3 b) der Entscheidungsgründe getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts, es sei dem Kläger zuzumuten, für den Beigeladenen einen geeigneten Arbeitsplatz als Amtsbote – neben den dort bereits vorhandenen Arbeitsplätzen – zu schaffen. Mit den hiervon unabhängigen Feststellungen des Berufungsgerichts unter 3 c) seiner Entscheidungsgründe, eine Beschäftigung des Beigeladenen als Amtsboten sei auch dadurch zumutbar möglich, daß der Kläger einen nichtbehinderten Inhaber eines Amtsbotenarbeitsplatzes betriebsintern umsetze, setzt sich die Beschwerde nicht mit Verfahrensrügen auseinander. Infolgedessen ist der Beschwerde nicht zu entnehmen, daß und warum das Berufungsurteil auf dem gerügten Aufklärungsmangel beruhen kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 188 Satz 2 VwGO.
Unterschriften
Dr. Franke, Dr. Pietzner, Dr. Rothkegel
Fundstellen