Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Urteil vom 23.11.2010; Aktenzeichen 6 A 2270/07) |
Tenor
Nachdem der Beklagte seine Nichtzulassungsbeschwerde zurückgenommen hat, wird das Beschwerdeverfahren insoweit eingestellt.
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 23. November 2010 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt zwei Drittel und der Beklagte ein Drittel der Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstands für das Beschwerdeverfahren wird auf 11 750,40 € festgesetzt.
Tatbestand
Rz. 1
I. Nachdem der Beklagte die von ihm erhobene Nichtzulassungsbeschwerde zurückgenommen hat, wird dieses Verfahren entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO eingestellt.
Entscheidungsgründe
Rz. 2
II. Die auf alle Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VwGO gestützte Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg.
Rz. 3
1. Die 1949 geborene Klägerin steht als Lehrerin im Dienst des beklagten Landes. Sie ist nach den Feststellungen des Versorgungsamts mit einem Grad der Behinderung von 50 % schwerbehindert; das Begehren auf Feststellung eines höheren Behinderungsgrades ist bislang erfolglos geblieben, aber noch nicht abschließend entschieden. Nachdem amtsärztliche Untersuchungen attestiert hatten, die Klägerin sei gesundheitlich imstande, wöchentlich 22 Unterrichtsstunden zu absolvieren, setzte der Beklagte nach Zustimmung des Personalrats eine begrenzte Dienstfähigkeit von 78,5 % fest, die der anteiligen Einschränkung zur Regelarbeitszeit von 28 Unterrichtsstunden in der Woche entsprach.
Rz. 4
Den angefochtenen Feststellungsbescheid hat das Oberverwaltungsgericht aufgehoben, soweit darin eine 88 % unterschreitende begrenzte Dienstfähigkeit festgestellt worden war; im Übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Beklagte habe es unterlassen, die der Klägerin wegen ihrer Schwerbehinderung zustehenden zwei Ermäßigungsstunden sowie die ihr nach Vollendung des 55. Lebensjahres zugute kommende Ermäßigung um eine Unterrichtsstunde zu berücksichtigen.
Rz. 5
2. Die Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung setzt gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO voraus, dass die Rechtssache eine konkrete, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Rechtsfortbildung in einem Revisionsverfahren geklärt werden muss (vgl. bereits Beschluss vom 2. Oktober 1961 – BVerwG 8 B 78.61 – BVerwGE 13, 90 ≪91≫ = Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 18, S. 21 f.). Diese Voraussetzungen liegen in Bezug auf die aufgeworfenen Rechtsfragen nicht vor.
Rz. 6
a) Soweit die Beschwerde die fehlende Verlängerung der Geltungsdauer der ursprünglich in § 26a Abs. 5 BRRG sowie § 46 Abs. 3 LBG NRW bis zum 31. Dezember 2004 befristeten Regelungen zur begrenzten Dienstfähigkeit rügt, ergibt sich die Antwort bereits unmittelbar aus dem Gesetz, sodass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens nicht bedarf. Die Befristung wurde durch das nordrhein-westfälische Gesetz zur Neuordnung des Landesdisziplinarrechtes vom 16. November 2004 (GVBl 2004 S. 624 ≪639≫) mit Wirkung vom 1. Januar 2005 aufgehoben (vgl. auch Gesetz zur wirkungsgleichen Übertragung von Regelungen der sozialen Pflegeversicherung in das Dienstrecht und zur Änderung sonstiger dienstrechtlicher Vorschriften vom 4. November 2004 (BGBl I S. 2686)).
Rz. 7
b) Im Hinblick auf die mit der Beschwerde begehrte Berücksichtigung eines höheren Grads der Schwerbehinderung ist in der Rechtsprechung des Senats geklärt, dass derartiges eine entsprechende Feststellung des zuständigen Versorgungsamts voraussetzt (vgl. hierzu. Urteile vom 16. Oktober 1997 – BVerwG 2 C 7.97 – BVerwGE 105, 267 = Buchholz 232 § 42 BBG Nr. 22 zur Dienstunfähigkeit, vom 17. September 1981 – BVerwG 2 C 4.79 – Buchholz 232 § 32 BBG Nr. 29, vom 2. April 1981 – BVerwG 2 C 1.81 – Buchholz 237.7 § 78a LBG NW Nr. 2). Diese lag weder im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung noch bei der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht vor. Nach den Feststellungen im Urteil des Oberverwaltungsgerichts, die auch von der Beschwerde nicht in Zweifel gezogen werden, ist bislang vielmehr nur ein Grad der Behinderung von 50 % festgestellt worden. Der von der Klägerin begehrte Ansatz von Ermäßigungsstunden bei einem höheren Grad der Schwerbehinderung entbehrt daher der erforderlichen Tatsachengrundlage.
Rz. 8
Der Dienstherr ist auch nicht verpflichtet, bis zum Abschluss eines derartigen Verfahrens von allen personalorganisatorischen Maßnahmen Abstand zu nehmen. Vielmehr kann im Falle der späteren Feststellung den sich hieraus ergebenden Folgen in einem eigenständigen Verfahren Rechnung getragen werden.
Rz. 9
c) Die von der Klägerin aufgeworfenen Fragen nach dem Verhältnis der ihr gewährten Unterrichtsermäßigungen zur Feststellung der begrenzten Dienstfähigkeit sind nicht entscheidungserheblich; sie würden sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Denn das Oberverwaltungsgericht hat dem Berufungsurteil die für die Klägerin günstigste Rechtsauffassung zugrunde gelegt. In Abweichung von der Rechtsprechung des Senats hat das Oberverwaltungsgericht Stundenermäßigungen wegen Alters und Schwerbehinderung als Arbeitszeitermäßigungen gewertet und “vorab” von der allgemeinen Unterrichtsverpflichtung abgezogen, bevor es das Ausmaß der begrenzten Dienstfähigkeit nach § 46 Abs. 1 Satz 2 LBG NRW a.F. bestimmt hat. Demgegenüber hat der Senat Ermäßigungen der Pflichtstundenzahl nicht als eine Verkürzung der Arbeitszeit, sondern eine andere Art der Entlastung von dienstlichen Pflichten gewertet (Urteil vom 23. Juni 2005 – BVerwG 2 C 21.04 – BVerwGE 124, 11 ≪15≫; ebenso Urteil vom 25. Oktober 2007 – BVerwG 2 C 16.06 – Buchholz 237.3 § 71b BrLBG Nr. 1 S. 2; Beschluss vom 2. Februar 2010 – BVerwG 2 B 86.09 – ZBR 2011, 33 ≪34≫).
Rz. 10
d) Soweit die Beschwerde schließlich eine Unteralimentierung der begrenzt dienstfähigen Beamten geltend macht, fehlt es ebenfalls an der für die Revisionszulassung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO erforderlichen Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Fragen. Die Besoldung der Klägerin ist nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits. Der behauptete Verstoß der Absenkung der Dienstbezüge begrenzt dienstfähiger Beamte gegen Art. 33 Abs. 5 GG kann unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Festsetzungsbescheids und damit zum Erfolg des Klagebegehrens führen. Die Absenkung der Dienstbezüge ist die zwingende gesetzliche Folge der begrenzten Dienstfähigkeit (vgl. etwa § 72a Abs. 1, § 6 Abs. 1 BBesG). Insoweit sind die Beamten darauf verwiesen, Feststellungsklage zu erheben (vgl. Urteil vom 20. März 2008 – BVerwG 2 C 49.07 – BVerwGE 131, 20 ≪27 f.≫ = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 94 S. 30 ≪Rn. 29≫; speziell zur begrenzten Dienstfähigkeit Urteil vom 28. April 2005 – BVerwG 2 C 1.04 – BVerwGE 123, 308 ≪312≫ = Buchholz 240 § 72a BBesG Nr. 1 S. 3; hierzu auch BVerfG, Urteil vom 14. Februar 2012 – 2 BvL 4/10 – NVwZ 2012, 357; Kammerbeschluss vom 14. Oktober 2009 – 2 BvL 3/08 u.a. –, ZBR 2010, 165).
Rz. 11
3. Auch die mit der Beschwerde geltend gemachte Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) liegt nicht vor.
Rz. 12
Eine Divergenz im Sinne der genannten Vorschrift ist gegeben, wenn das Berufungsgericht in dem angefochtenen Urteil einen das Urteil tragenden abstrakten Rechtssatz aufgestellt hat, mit dem es einem Rechtssatz widersprochen hat, den eines der in den § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO, § 127 Nr. 1 BRRG genannten Gerichte in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellt hat. Keine die Durchführung eines Revisionsverfahrens rechtfertigende Divergenz liegt dagegen vor, wenn das Berufungsgericht einen Rechtssatz im Einzelfall rechtsfehlerhaft anwendet oder hieraus nicht die rechtlichen Folgerungen zieht, die etwa für die Sachverhalts- und Beweiswürdigung geboten sind (vgl. etwa Beschlüsse vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26 und vom 3. Juli 2007 – BVerwG 2 B 18.07 – Buchholz 235.1 § 69 BDG Nr. 1).
Rz. 13
Diese Voraussetzungen hat die Klägerin nicht dargelegt. Soweit sie geltend macht, die von ihr beantragte Aufhebung der angefochtenen Bescheide enthalte als nachrangiges Begehren einen Antrag auf Feststellung, dass die ihr gewährte Besoldung verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht entspreche, findet sich ein solcher Rechtssatz gerade nicht im Urteil des Senats vom 28. April 2005 – BVerwG 2 C 1.04 (BVerwGE 123, 308). Gegenstand des mit diesem Urteil entschiedenen Verfahrens war ausschließlich eine Klage auf Zahlung höherer Dienstbezüge. Nur in einem solchen weitergehenden Leistungsantrag ist als nachrangiges Begehren ein Antrag auf Feststellung enthalten, dass die gegenwärtig gewährte Besoldung verfassungswidrig zu niedrig angesetzt ist. Hingegen handelt es sich bei der Anfechtungsklage gegen den Bescheid zur Feststellung der begrenzten Dienstfähigkeit einerseits und der Frage, ob die gesetzlich vorgegebene Absenkung der Besoldung gegen Art. 33 Abs. 5 GG verstößt andererseits – wie bereits dargestellt – um unterschiedliche Streitgegenstände. Ein Erweiterung der Klage ist in der Revisionsinstanz nicht mehr möglich (§ 142 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Rz. 14
4. Schließlich liegt auch der gerügte Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht vor.
Rz. 15
Das Oberverwaltungsgericht hat nicht gegen § 94 VwGO verstoßen. Die in der Beschwerde für erforderlich gehaltene Aussetzung im Hinblick auf die noch ausstehende rechtskräftige Entscheidung über den Grad der Behinderung der Klägerin war nicht erforderlich. Wie bereits dargelegt, hat der Beklagte vielmehr von dem im maßgeblichen Zeitpunkt festgestellten Grad der Behinderung auszugehen. Anlass, das Verfahren nach § 94 VwGO auszusetzen, bestand mithin nicht.
Rz. 16
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 2 VwGO. Dabei ist zu berücksichtigen, dass für die Beschwerde der Klägerin nach Nr. 5500 der Anlage 1 zum GKG zwei Gebühren entstanden sind, für die zurückgenommene Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten gemäß Nr. 5501 der Anlage 1 zum GKG aber nur eine Gebühr. Die Quotelung hat daher im Verhältnis zwei Drittel zu ein Drittel zu erfolgen.
Rz. 17
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 40, 47 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG und ist in Streitigkeiten über den “Teilstatus” eines Beamten entsprechend der Höhe des zweifachen Jahresbetrags der Differenz zwischen dem innegehabten und dem erstrebten Teilstatus zu bemessen (vgl. Beschluss vom 7. Oktober 2009 – BVerwG 2 C 48.07 – Buchholz 360 § 52 GKG Nr. 11). Eine Streitwertaddition nach § 39 Abs. 1 GKG findet gemäß § 45 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 3 GKG nicht statt.
Unterschriften
Dr. Heitz, Dr. Hartung, Dr. Kenntner
Fundstellen