Entscheidungsstichwort (Thema)
Dekontaminierung, maßnahmen zur – (Entgiftung) von Schulräumen nach Verwendung von Insektengiften. Mitbestimmung der Personalvertretung, keine – bei Schabenbekämpfung und Dekontaminierung in Schulräumen. Personalvertretung, keine Mitbestimmung der – bei Schabenbekämpfung und Dekontaminierung in Schulräumen. Schabenbekämpfung in Schulräumen
Leitsatz (amtlich)
Maßnahmen zur Beseitigung von Schaben und zur Dekontaminierung von insektengiftbelasteten Räumen in Schulen unterliegen, weil sie der Erfüllung der der Schule obliegenden Aufgabe der ordnungsgemäßen Unterrichtung der Schüler dienen, und wegen ihrer erheblichen organisatorischen Bedeutung nicht der Mitbestimmung der Personalvertretung (im Anschluß an Beschluß vom 2. Oktober 1995 – BVerwG 6 P 27.93 – zur Asbestsanierung von Schulräumen).
Normenkette
BPersVG § 75 Abs. 3 Nr. 11, § 104 S. 3; BlnPersVG § 59 S. 1, § 72 Abs. 1 Nrn. 1-2, §§ 77, 81 Abs. 2, § 85 Abs. 1 Nr. 7; ArbGG § 83 Abs. 3
Verfahrensgang
OVG Berlin (Beschluss vom 24.05.1993; Aktenzeichen PV Bln 24.90) |
VG Berlin (Entscheidung vom 07.09.1990; Aktenzeichen VG FK (Bin) -B- 34.88) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers zu 3 gegen den Beschluß des Oberverwaltungsgerichts Berlin – Fachsenat für Personalvertretungssachen Berlin – vom 21. Juni 1993 wird zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren auf 6.000 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Verfahrensbeteiligten streiten um Mitbestimmungsrechte des Personalrats bei der Bekämpfung von Schaben und der Dekontaminierung von insektengiftbelasteten Räumen in Schulen.
In der Lenau-Schule, einer Grundschule im Bezirk Kreuzberg von Berlin, wurde im Mai 1988 in acht Klassenräumen und in den angrenzenden Flurbereichen des Schulgebäudes ein Befall durch Schaben festgestellt. Der Schulleiter beauftragte daraufhin im Einvernehmen mit dem Leiter der Abteilung Volksbildung beim Bezirksamt, der bisher als Beteiligter zu 2 geführt wurde, ein privates Unternehmen mit der Schädlingsbekämpfung. Dieses Unternehmen führte in den Sommerferien des Jahres 1988 verschiedene Maßnahmen durch, wobei Insektengifte in den Räumen verspritzt wurden. Danach wurden die Räume und das Mobiliar von Beschäftigten der Schule mit Seifenwasser und einer Sodalösung gereinigt.
Nach Wiederaufnahme des Schulbetriebs traten bei mehreren Schülern und Lehrern, in deren Klassen die Schädlingsbekämpfungsmaßnahmen durchgeführt worden waren, erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen auf. Der betroffene Bereich des Schulgebäudes wurde dann für den Schulbetrieb geschlossen. Nach verschiedenen Entsorgungs- und Sanierungsmaßnahmen wurden die Räume wieder für den Schulbetrieb geöffnet.
Der Antragsteller zu 2, der Personalrat der Lehrer und Erzieher bei dem Bezirksamt, hatte den Beteiligten in einem Schreiben vom 14. September 1988 darauf hingewiesen, daß er an den Schabenbekämpfungsmaßnahmen hätte beteiligt werden müssen und daß dies auch für die anstehenden Dekontaminierungsarbeiten gelte. Demgegenüber hatte der Beteiligte die Auffassung vertreten, ein Mitbestimmungsrecht bestehe nur für vorbeugende Maßnahmen. Die Dekontaminierung sei als tatsächliche Bekämpfung eines eingetretenen Schadens nicht mitbestimmungspflichtig.
Die Antragsteller zu 1 und 2, die Personalräte beim Bezirksamt und der Lehrer und Erzieher, haben das personalvertretungsrechtliche Beschlußverfahren eingeleitet, dem der Antragsteller zu 3, der Hauptpersonalrat für Behörden und Gerichte, beigetreten ist.
Die Antragsteller haben die Feststellung beantragt, daß es rechtswidrig gewesen sei, die Schädlingsbekämpfungsaktion an der Lenau-Schule ohne das Mitbestimmungsverfahren nach § 85 Abs. 1 Nr. 7 BlnPersVG durchzuführen.
Das Verwaltungsgericht hat die Anträge der Beteiligten zu 1 und 2 wegen fehlender Antragsbefugnis als unzulässig abgewiesen. Den Antrag des Antragstellers zu 3 hat es nur insoweit für zulässig und begründet gehalten, als er die eigentliche Schädlingsbekämpfung betraf; die spätere Dekontaminierung hat es als Bekämpfung und Beseitigung eines bereits eingetretenen Schadens für nicht mitbestimmungspflichtig gehalten.
Hiergegen haben der Beteiligte, der damals noch als Beteiligter zu 1 geführte Leiter der Abteilung Personal und Verwaltung bei dem Bezirksamt, und der Antragsteller zu 3 Beschwerde eingelegt.
Der Antragsteller zu 3 hat im Beschwerdeverfahren beantragt, festzustellen, daß die Beteiligten ihn im Wege der Mitbestimmung beteiligen müßten, sowohl wenn sie Maßnahmen zur Bekämpfung von Schaben in Schulräumen durchführten als auch wenn sie Maßnahmen zur Dekontaminierung nach dem Einsatz von Schädlingsbekämpfungsmitteln vornähmen.
Das Oberverwaltungsgericht hat mit Beschluß vom 21. Juni 1993 die Beschwerde des Leiters der Abteilung Personal und Verwaltung als unzulässig zurückgewiesen. Auf die Beschwerde des Leiters der Abteilung Volksbildung hat es den Beschluß des Verwaltungsgerichts geändert und den Antrag des Antragstellers zu 3 unter Zurückweisung seiner Beschwerde auch in der geänderten Fassung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Es könne offenbleiben, ob es sich bei Maßnahmen zur Bekämpfung von Schaben um Maßnahmen im Sinne des § 85 Abs. 1 Nr. 7 BlnPersVG handele. Diese Maßnahmen dienten zwar auch dem Schutz der in der Schule Beschäftigten, im Vordergrund habe aber der Schutz von Außenstehenden, nämlich der Schüler, gestanden. Die Maßnahme sei daher mitbestimmungsfrei. Aufgrund der möglichen Zustimmungsverweigerung des Personalrats könne die Mitbestimmung dazu führen, daß die Schule ganz oder teilweise geschlossen werden müßte und die Schüler an verschiedene Standorte verteilt werden müßten. Dies stelle einen erheblichen Eingriff in die Schulorganisation dar. Auch die Dekontaminierungsmaßnahmen hätten in erster Linie dem Schutz der Schüler gedient, so daß eine Mitbestimmung nicht gegeben sein könne.
Gegen diesen Beschluß hat der Antragsteller zu 3 die vom Oberverwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassene Rechtsbeschwerde eingelegt. Er hält die getroffenen Maßnahmen für – zumindest eingeschränkt – mitbestimmungspflichtig und beantragt,
- unter Aufhebung des Beschlusses des Oberverwaltungsgerichts Berlin vom 21. Juni 1993 die Beschwerde des Beteiligten gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts Berlin vom 7. September 1990 mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß festgestellt wird, daß die Beteiligten verpflichtet sind, ihn im Wege der Mitbestimmung zu beteiligen, wenn sie Maßnahmen zur Bekämpfung von Schaben in Schulräumen durchführen, und
- unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses festzustellen, daß die Beteiligten verpflichtet sind, ihn im Wege der Mitbestimmung zu beteiligen, wenn Maßnahmen zur Dekontaminierung nach dem Einsatz von Schädlingsbekämpfungsmitteln durchgeführt werden.
Der Beteiligte beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
Er verteidigt den angefochtenen Beschluß.
Der Oberbundesanwalt beteiligt sich an dem Verfahren. Er hält eine Mitbestimmung aus den Gründen des § 104 Satz 3 BPersVG für ausgeschlossen.
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige Rechtsbeschwerde des Antragstellers zu 3 ist unbegründet. Mit Recht ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, daß Maßnahmen zur Bekämpfung von Schaben in Schulgebäuden und auch spätere Entsorgungs- und Entgiftungsmaßnahmen nicht der Mitbestimmung der Personalvertretung unterliegen.
Rechtlich unbedenklich hat das Beschwerdegericht angenommen, daß der bisher als Antragsteller zu 3 bezeichnete Hauptpersonalrat und der bisher als Beteiligter zu 2 geführte Leiter der Abteilung Volksbildung beim Bezirksamt Kreuzberg von Berlin gemäß § 83 Abs. 3 ArbGG allein an dem vorliegenden personalvertretungsrechtlichen Verfahren beteiligt sind. Nach § 59 Satz 1 BlnPersVG ist der Hauptpersonalrat für die Beteiligung an Angelegenheiten zuständig, die über den Geschäftsbereich eines Personalrats hinausgehen. Das ist hier der Fall, weil keiner der beiden ursprünglich auch als Antragsteller tätig gewordenen örtlichen Personalräte sowohl für die Lehrer als auch für die sonstigen Dienstkräfte der Schule zuständig war. An der deshalb gegebenen Zuständigkeit des Hauptpersonalrats hat sich auch nichts dadurch geändert, daß gemäß § 1 Abs. 1 des Landesschulamtsgesetzes (LSAG) vom 26. Januar 1995 (Art. 1 des Gesetzes über die Neuorganisation der Schulaufsicht und Errichtung eines Landesschulamts in Berlin, GVBl 1995, 26) im Januar 1995 ein Landesschulamt eingerichtet worden ist, das nach Nr. 10 a der Anlage zu § 5 Abs. 1 des gleichzeitig geänderten Berliner Personalvertretungsgesetzes Dienststelle für die Gesamtheit der in Schulen tätigen Lehrkräfte, Vorklassenleiter und sonstigen Dienstkräfte ist.
Bedenken gegen die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde ergeben sich auch nicht daraus, daß inzwischen die vom Hauptpersonalrat für mitbestimmungspflichtig gehaltenen Maßnahmen durchgeführt worden sind. Das Rechtsschutzinteresse für die Durchführung eines Beschlußverfahrens ist damit nicht entfallen. Das Oberverwaltungsgericht hat rechtlich unbedenklich angenommen, daß der Antragsteller im Beschwerdeverfahren zu einem auf die Klärung der hinter dem konkreten Streitfall stehenden abstrakten Rechtsfragen gerichteten Antrag übergegangen ist.
In der Sache selbst hat das Oberverwaltungsgericht rechtlich ebenfalls bedenkenfrei angenommen, daß es sich zwar bei Maßnahmen zur Bekämpfung von Schaben um solche zur „Verhütung von … Gesundheitsschädigungen” im Sinne des § 85 Abs. 1 Nr. 7 BlnPersVG gehandelt haben mag. Diese Maßnahmen unterlagen jedoch deshalb nicht der Mitbestimmung der Personalvertretung, weil sie der Erfüllung der nach außen gerichteten Aufgabenerfüllung der Schule, insbesondere der ordnungsgemäßen Unterrichtung der Schüler, diente und wegen ihrer organisatorischen Bedeutung nach § 104 Satz 3 BPersVG eine Mitbestimmung ausgeschlossen war.
Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts wollte der bisherige Beteiligte zu 2 mit den von ihm veranlaßten Maßnahmen die Erfüllung der der Schule nach außen obliegenden Aufgaben der ordnungsgemäßen Unterrichtung der die Schule besuchenden Schüler sicherstellen. In diesem Zusammenhang war – ebenso wie bei einer Asbestsanierung (vgl. dazu Beschluß vom 2. Oktober 1995 – BVerwG 6 P 27.93 –) – darüber zu entscheiden, ob das Schulgebäude ganz oder teilweise geschlossen werden mußte und die Schüler auf andere Standorte zu verteilen waren. Wegen dieser nicht unerheblichen Auswirkungen auf die Aufgabenerfüllung der Schule war die Maßnahme dem Mitbestimmungsrecht der Personalvertretung entzogen, auch wenn es sich um eine Maßnahme zur Verhütung von Gesundheitsschädigungen im Sinne des § 85 Abs. 1 Nr. 7 BlnPersVG (= § 75 Abs. 3 Nr. 11 BPersVG) gehandelt haben mag.
Aus den gleichen Gründen war auch eine Mitbestimmung der Personalvertretung bei späteren Entsorgungs- und Entgiftungsmaßnahmen (Dekontaminierungsmaßnahmen) ausgeschlossen. Wie das Beschwerdegericht zutreffend ausgeführt und bindend festgestellt hat, sind Rückstände giftiger Insektenbekämpfungsmittel eine weiterhin bestehende Gefahrenquelle für die Gesundheit der Betroffenen. Die Dekontaminierungsmaßnahmen dienen daher der Vermeidung weiterer Gesundheitsschädigungen. Sie sind von der Absicht des Beteiligten geprägt, den Schulbetrieb auch in dem davon betroffenen Teil des Schulgebäudes aufrechtzuerhalten oder ihn sobald wie möglich wiederherzustellen. In derartigen Fällen ist die Personalvertretung auf ihre Rechte im Rahmen ihrer allgemeinen Aufgaben nach § 72 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 BlnPersVG sowie auf ihre Rechte nach § 77 BlnPersVG an der Gestaltung des Arbeitsschutzes beschränkt. Für eine eingeschränkte Mitbestimmung in analoger Anwendung des § 81 Abs. 2 BlnPersVG ist in Fällen des Ausschlusses der Mitbestimmung nach § 104 Satz 3 BPersVG kein Raum (vgl. dazu im einzelnen: Beschlüsse des Senats vom 2. Oktober 1995 – BVerwG 6 P 27.93 und vom 8. Mai 1992 – BVerwG 6 P 22.91 – Buchholz 251.4 § 86 HmbPersVG Nr. 4).
Nach alledem war die Rechtsbeschwerde des Antragstellers zu 3 zurückzuweisen.
Die Festsetzung des Gegenstandswerts für das Rechtsbeschwerdeverfahren beruht auf § 10 Abs. 1 BRAGO in Verbindung mit § 8 Abs. 2 BRAGO.
Unterschriften
Niehues, Ernst, Seibert, Vogelgesang, Eckertz-Höfer
Fundstellen