Verfahrensgang
OVG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 28.05.1998; Aktenzeichen 12 A 11244/97) |
Tenor
Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 28. Mai 1998 wird aufgehoben, soweit es die Beitragsfestsetzungen für die Jahre 1984 bis 1990 betrifft. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlußentscheidung vorbehalten.
Tatbestand
I.
Die Klägerin wurde zum Zwecke des Betriebs des öffentlichen Personennahverkehrs in Ludwigshafen gegründet. Dieser Geschäftsbereich wurde aus der Technische Werke Ludwigshafen AG (im folgenden: Aktiengesellschaft) ausgegliedert, welche am 20. Juni 1973 durch Umwandlung der als städtischer Eigenbetrieb geführten Stadtwerke entstanden war. Die Geschäftsanteile der Klägerin befinden sich in Händen der Stadt. Die Klägerin ist mit der Aktiengesellschaft durch einen Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag verbunden. In einem Vertrag vom 1. November 1974 zwischen der Klägerin, der Aktiengesellschaft, den beteiligten Betriebsräten und einer Gewerkschaft wurden Vereinbarungen über die Personalüberleitung zum 1. Januar 1975 getroffen.
Die Stadt Ludwigshafen hatte den Mitarbeitern der Stadtwerke Leistungen der betrieblichen Altersversorgung unmittelbar zugesagt. Die Klägerin schloß wie die Aktiengesellschaft für die betriebliche Altersversorgung neu eingetretener Mitarbeiter Direktversicherungen ab.
Der Beklagte trat mit Schreiben vom 7. November 1989 an die Klägerin heran und veranlagte sie auf der Grundlage eines von dieser eingeholten versicherungsmathematischen Gutachtens über die Beitragsbemessungsgrundlagen zu den Bilanzstichtagen der Jahre 1974 bis 1990 durch Bescheid vom 24. September 1991 für die Jahre 1975 bis 1990 zu Beiträgen zur Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersversorgung von insgesamt 746 468,37 DM. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 2. Oktober 1992 zurück.
Im Verlauf des sich anschließenden Klageverfahrens hat der Beklagte den angefochtenen Beitragsbescheid zurückgenommen, soweit damit Beiträge für die Meldejahre 1975 bis 1980 in Höhe von 194 696,69 DM gefordert worden waren. Insoweit haben die Parteien den Rechtsstreit für in der Hauptsache erledigt erklärt.
Das Verwaltungsgericht hat den danach noch 551 771,68 DM festsetzenden Bescheid durch Urteil vom 11. Dezember 1996 insoweit aufgehoben, als mehr als 104 365,99 DM veranlagt worden waren. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Beiträge für die Jahre 1981 bis 1983 von insgesamt 345 027,69 DM seien verjährt. Ferner hätten die auf den Geschäftsbereich der Klägerin entfallenden Teilwerte der bei Umwandlung des Eigenbetriebs in die Aktiengesellschaft bereits bestehenden Pensionsverpflichtungen in der Bemessungsgrundlage nicht berücksichtigt werden dürfen; dies führe zu einer Herabsetzung der Beitragsforderung um weitere 102 378 DM.
Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Beklagten mit Urteil vom 28. Mai 1998 zurückgewiesen. Es hat zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin sei grundsätzlich verpflichtet, Beiträge zur Insolvenzsicherung zu erbringen. In analoger Anwendung des § 17 Abs. 2 BetrAVG über die Freistellung bestimmter öffentlich-rechtlich verfaßter Organisationen von der Beitragspflicht müsse die Klägerin jedoch insoweit als von der Beitragspflicht freigestellt angesehen werden, als die Erfüllung der gegen sie bestehenden Ansprüche auf Betriebsrenten durch die Stadt gesetzlich gewährleistet sei. Eine solche gesetzliche Regelung sei § 57 i.V.m. § 55 Abs. 1 Satz 2 des Umwandlungsgesetzes 1969 (UmwG 1969), welche die Haftung der Stadt für die im Zeitpunkt der Umwandlung in die Aktiengesellschaft bestehenden und in die Umwandlungsbilanz aufgenommenen Verbindlichkeiten der damaligen Stadtwerke einschließlich der Rückstellungen wegen Versorgungsverpflichtungen begründet hätten. Die Haftung der Stadt sei nicht entfallen, auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Nachhaftungsbegrenzung. Die gesamtschuldnerische Haftung der Stadt betreffe die im Umwandlungszeitpunkt bestehenden Versorgungsverpflichtungen und unverfallbaren Anwartschaften. Darauf habe die Ausgliederung der Klägerin keine Auswirkung gehabt. Die danach verbleibende Beitragspflicht sei jedoch für die Jahre bis 1983 infolge Verjährung erloschen.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Beklagte die vollständige Abweisung der Klage hinsichtlich der Beitragsjahre 1984 bis 1990. Er macht geltend, die Klägerin könne als private Arbeitgeberin nicht wie eine juristische Person des öffentlichen Rechts von der Beitragspflicht ausgenommen werden. Die Zahlungsfähigkeit der Klägerin sei nicht kraft Gesetzes gesichert; die Zahlungsfähigkeit eines Mithaftenden sei ohne Bedeutung. Eine Freistellung der Klägerin von der Beitragspflicht sei auch nicht verfassungsrechtlich geboten.
Die Klägerin tritt der Revision entgegen.
Der Oberbundesanwalt unterstützt die Revision.
Entscheidungsgründe
II.
Die entsprechend der Beschränkung der Revisionszulassung (vgl. dazu Beschluß vom 23. Mai 1997 – BVerwG 1 C 4.96 – sowie BGH, Urteil vom 30. November 1995 – III ZR 240/94 – NJW 1996, 527; BAG, Urteil vom 28. Mai 1998 – 2 AZR 480/97 – NJW 1998, 3222) allein hinsichtlich der Heranziehung für die Beitragsjahre 1984 bis 1990 eingelegte Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil verstößt gegen revisibles Recht. Die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Beitragserhebung erfordert weitere tatsächliche Feststellungen, die dem Revisionsgericht verwehrt sind (§ 137 Abs. 2 VwGO). Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
1. Die Beitragspflicht der Klägerin beruht auf § 10 Abs. 1 BetrAVG. Danach werden die Mittel für die Durchführung der Insolvenzsicherung aufgrund öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen durch Beiträge aller Arbeitgeber aufgebracht, die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung auf einem der dort genannten Durchführungswege zugesagt haben. Dazu gehört die unmittelbare Versorgungszusage.
a) Die Klägerin ist Arbeitgeberin im Sinne des § 10 Abs. 1 BetrAVG hinsichtlich der von ihr weiterbeschäftigten Arbeitnehmer, die sie gemäß Vertrag vom 1. November 1974 von der Aktiengesellschaft übernommen hatte. Gemäß § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB trat die Klägerin in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt der Übernahme bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Dazu gehörten auch die unverfallbaren Versorgungsanwartschaften der übernommenen Arbeitnehmer (vgl. Urteil vom 13. Juli 1999 – BVerwG 1 C 13.98 – UA S. 6).
b) Für die Ansicht der Vorinstanzen, daß die Klägerin darüber hinaus auch Arbeitgeberin der ihrem Geschäftsbereich zuzuordnenden früheren, von ihr aber nicht weiterbeschäftigten Arbeitnehmer der Aktiengesellschaft oder des Eigenbetriebs geworden ist, gibt es keine rechtliche Grundlage.
aa) § 613 a Abs. 1 BGB greift nur bei bestehenden Arbeitsverhältnissen ein, wie unmittelbar aus dem Wortlaut der Vorschrift folgt.
bb) Aus Umwandlungsrecht kann hier die Arbeitgebereigenschaft der Klägerin für ausgeschiedene Arbeitnehmer nicht abgeleitet werden. Denn anders als die Aktiengesellschaft ist die Klägerin nicht durch Umwandlung Rechtsnachfolgerin geworden. Die Ausgliederung eines Teils des Vermögens der Aktiengesellschaft unter Neugründung der Gesellschaft mit beschränkter Haftung konnte nur im Wege der Einzelübertragung erfolgen. Für einen Übergang von Rechten und Pflichten aus früheren Arbeitsverhältnissen durch vertragliche Vereinbarung besteht jedoch nach den Feststellungen des Berufungsgerichts kein Anhalt. Aus dem Vertrag vom 1. November 1974 ergibt sich, daß von der Klägerin nur aktive Beschäftigte der Aktiengesellschaft übernommen worden sind. Davon ist auch der Beklagte unwidersprochen sowohl in der Korrespondenz mit der Klägerin als auch in der Begründung des angefochtenen Beitragsbescheides ausgegangen, der insoweit das Fortbestehen der Verpflichtung der Aktiengesellschaft hervorhebt. Daß die Klägerin nach diesem Vertrag der Leitung der Aktiengesellschaft unterstellt ist, rechtfertigt kein anderes Verständnis. Denn dieser Umstand berührt nicht die Rechtsbeziehungen zu den gegenwärtigen oder früheren Arbeitnehmern, sondern betrifft allein die Führung des Betriebs.
cc) Die Klägerin kann auch nicht unter dem Gesichtspunkt als Arbeitgeberin im Sinne des § 10 Abs. 1 BetrAVG angesehen werden, daß sie Versorgungsverbindlichkeiten aus den nicht fortgeführten Arbeitsverhältnissen wegen einer befreienden Schuldübernahme (§ 414 BGB) zu erfüllen hätte. Für eine mit Genehmigung der betroffenen Arbeitnehmer (§ 415 BGB) erfolgte Übernahme der Versorgungsschuld unter Freistellung der Aktiengesellschaft fehlt jeglicher Anhalt. Der Vertrag vom 1. November 1974 erwähnt solche Versorgungsansprüche nicht. Darüber hinaus fehlt es an einer Genehmigung einer befreienden Schuldübernahme. Selbst wenn die betreffenden Arbeitnehmer von der Klägerin Betriebsrenten entgegengenommen haben, was nicht festgestellt ist, liegt darin nicht die schlüssige Genehmigung einer befreienden Schuldübernahme. Die Systematik des § 415 Abs. 2 und 3 BGB zeigt, daß im Zweifel nicht von einer Genehmigung ausgegangen werden kann, zumal grundsätzlich die Leistung durch einen Dritten auch nach § 267 BGB ohne Schuldübernahme erfolgen darf. Unter diesen Umständen kann es auf sich beruhen, ob der Beklagte durch eine „geschäftsplanmäßige Erklärung” (DB 1982, 230; vgl. dazu auch Blomeyer/Otto, Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung, 2. Aufl., § 4 Rn. 53 ff.) von der gesetzlichen Regelung des § 4 Abs. 1 BetrAVG abweichen darf, die nur eine Schuldübernahme durch bestimmte Dritte für berücksichtigungsfähig erklärt, zu denen die Klägerin nicht gehört (vgl. auch Paulsdorff, Kommentar zur Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersversorgung, 2. Aufl., § 7 Rn. 144 ff.).
2. Nach § 10 Abs. 3 BetrAVG werden die erforderlichen Beiträge auf die Arbeitgeber nach Maßgabe bestimmter Beträge umgelegt, soweit sie sich auf die laufenden Versorgungsleistungen und die nach § 1 BetrAVG unverfallbaren Versorgungsanwartschaften beziehen. Darunter fallen die Versorgungsanwartschaften der von der Klägerin übernommenen Arbeitnehmer unabhängig davon, wann die Unverfallbarkeit eingetreten ist. Es besteht kein Anlaß für einen Ausschluß von Teilwerten solcher Anwartschaften, die bereits unverfallbar geworden sind, als die Arbeitnehmer noch in dem ehemaligen Eigenbetrieb beschäftigt waren. Die gegenteilige Ansicht des Verwaltungsgerichts findet im Gesetz keine Grundlage (vgl. Urteil vom 13. Juli 1999 – BVerwG 1 C 13.98 – UA S. 9 ff.). Die Beitragsbemessungsgrundlage muß also auch unter Berücksichtigung der bereits bei dem Eigenbetrieb erdienten unverfallbaren Versorgungsanwartschaften der von der Klägerin übernommenen Beschäftigten ermittelt werden.
3. § 17 Abs. 2 BetrAVG läßt die Beitragspflicht der Klägerin nach Maßgabe der dargelegten Grundsätze unberührt, wie der Senat in seinem Urteil vom heutigen Tag in dem Verfahren BVerwG 1 C 13.98 im einzelnen dargelegt hat (UA S. 12 f.).
4. Nach diesen Maßstäben läßt sich auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts nicht ermitteln, in welcher Höhe die Klägerin für die Jahre 1984 bis 1990 Beiträge zu erbringen hat. Dies nötigt zur Zurückverweisung an das Oberverwaltungsgericht.
Soweit die Klage rechtskräftig abgewiesen ist, steht die Beitragspflicht der Klägerin allerdings auch bezüglich der Einbeziehung solcher Teilwerte fest, die nach materiellem Recht unberücksichtigt bleiben müssen, weil sie auf Versorgungsansprüche von der Klägerin nicht übernommener Arbeitnehmer bezogen sind. Bezüglich der noch streitigen Beiträge für die genannten Jahre in Höhe von 102 378 DM ist zu klären, inwieweit Beträge eingerechnet worden sind, die ihre Grundlage in solchen Teilwerten haben, welche auf Beschäftigte entfallen, die nicht in den aktiven Dienst der Klägerin eingetreten sind. Insoweit ist der Klage mangels einer Beitragspflicht der Klägerin zu Recht stattgegeben worden. Soweit sich dagegen der strittige Betrag auf Teilwerte von Versorgungsanwartschaften solcher Arbeitnehmer der ehemaligen Stadtwerke bezieht, die von der Klägerin als Beschäftigte übernommen worden sind, ist die Klägerin beitragspflichtig und die Aufhebung des Beitragsbescheides nicht gerechtfertigt. Es besteht kein Anhalt dafür, daß die Beiträge, hinsichtlich derer die Klage bereits rechtskräftig abgewiesen worden ist, identisch sind mit den hier noch strittigen Beitragsforderungen. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Zusammenfassung der Veranlagung für mehrere Jahre in einer Urkunde nichts daran ändert, daß die Klägerin Jahresbeiträge entrichten muß. Deren Höhe muß nach Maßgabe der jeweiligen Beitragsbemessungsgrundlagen ermittelt werden. Eine Saldierung – erst recht eine solche mit eventuellen Ansprüchen des Beklagten gegen die Aktiengesellschaft – durch das Gericht ist nicht zulässig.
5. Die Entscheidung über die Kosten muß der Schlußentscheidung vorbehalten bleiben.
Unterschriften
Meyer, Gielen, Hahn, Groepper, Gerhardt
Fundstellen
EWiR 2000, 275 |
FA 2000, 61 |
ZIP 1999, 2067 |