Entscheidungsstichwort (Thema)
Beamtenversorgung. berücksichtigungsfähige Kinder. Familienzuschlag. Hinterbliebenenversorgung. Konkurrenzregelung. Mindestversorgung. Orts-/Familienzuschlag. Ruhegehalt. Ruhen. Ruhensvorschrift. Unterschiedsbetrag. Versorgungsbezug. Witwergeld
Leitsatz (amtlich)
Bei der Ermittlung des dem versorgungsberechtigten Beamten nach § 53 Abs. 5 BeamtVG zu belassenden Mindestbetrages seines Versorgungsbezuges ist der Unterschiedsbetrag nach § 50 Abs. 1 Satz 3 BeamtVG nicht einzubeziehen.
Normenkette
BeamtVG 1994 §§ 2, 20, 50, 53; BBesG §§ 40-41
Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Entscheidung vom 16.06.2000; Aktenzeichen 3 B 98.527) |
VG Augsburg (Entscheidung vom 15.01.1998; Aktenzeichen 2 K 97.423) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Juni 2000 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I.
Der Kläger ist Beamter. Seine 1997 verstorbene Ehefrau war ebenfalls Beamtin und befand sich im Zeitpunkt ihres Todes im Ruhestand. Nach ihrem Tode setzte der Beklagte die dem Kläger als Witwer zustehenden Versorgungsbezüge ohne Einbeziehung des Unterschiedsbetrages nach § 50 Abs. 1 BeamtVG fest. Mit seinem Widerspruch machte der Kläger erfolglos geltend, bei der Berechnung des ihm zu belassenden Mindestbetrages von 20 v.H. seines Versorgungsbezuges sei der Unterschiedsbetrag einzubeziehen.
Klage und Berufung blieben erfolglos. Zur Begründung hat das Berufungsgericht im Wesentlichen ausgeführt:
Zwar sei der Wortlaut des Gesetzes nicht eindeutig, weil § 2 Abs. 1 Nr. 8 BeamtVG den „neben dem Ruhegehalt” zu zahlenden Unterschiedsbetrag nach § 50 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG und nicht den „neben dem Witwengeld” zu zahlenden Unterschiedsbetrag nach § 50 Abs. 1 Satz 3 BeamtVG den Versorgungsbezügen zurechne. Die Richtigkeit der Berechnung des Beklagten ergebe sich aber aus der Überlegung, dass der Kläger als Witwer den Orts-/Familienzuschlag in voller Höhe erhalte; aus der Konkurrenzregelung des § 40 Abs. 4 und 5 BBesG ergebe sich, dass er diesen Zuschlag nicht anteilig noch einmal erhalten könne.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger die vom Senat zugelassene Revision eingelegt, mit der er sein Klagebegehren weiterverfolgt. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts.
Der Beklagte und der Oberbundesanwalt treten der Revision entgegen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf den anteiligen, erhöhten Familienzuschlag nach § 50 BeamtVG.
Gemäß § 20 in Verbindung mit § 28 BeamtVG in der bei Eintritt des Versorgungsfalls geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 16. Dezember 1994 (BGBl I S. 3858) und danach unverändert beträgt das dem Kläger nach dem Tode seiner Ehefrau zustehende Witwergeld sechzig vom Hundert des Ruhegehalts, das die Verstorbene erhalten hatte. Da der Kläger als aktiver Beamter allerdings zusätzlich ein Erwerbseinkommen bezieht, unterliegt sein Versorgungsbezug der Ruhensvorschrift des § 53 BeamtVG. Die Ruhensregelung in § 53 Abs. 1 und 2 BeamtVG ist so zu verstehen, dass Versorgungsbezug und Erwerbseinkommen zusammen den in Absatz 2 genannten Höchstbetrag nicht übersteigen dürfen (vgl. Urteil vom 3. November 1976 – BVerwG 6 C 45.74 – BVerwGE 51, 226 ≪228≫). Wegen der Höhe seines Erwerbseinkommens steht dem Kläger danach nur der Mindestbetrag in Höhe von zwanzig vom Hundert seines Versorgungsbezugs zu. Hierüber besteht zwischen den Parteien kein Streit.
Das Berufungsgericht hat im Ergebnis ohne Rechtsfehler entschieden, dass bei der Berechnung des Mindestbetrages von einem Versorgungsbezug auszugehen ist, der den Unterschiedsbetrag zwischen der dem Kläger als Witwer zustehenden Stufe 2 des Ortszuschlages (seit 1997: Stufe 1 des Familienzuschlages) und der durch zwei berücksichtigungsfähige Kinder begründeten Stufe 4 des Ortszuschlages (Stufe 3 des Familienzuschlages) nicht enthält.
Der Versorgungsanspruch, der dem Witwer oder der Witwe eines Beamten zusteht, ist kein von dem verstorbenen Beamten abgeleiteter, sondern ein eigenständiger Anspruch des Versorgungsberechtigten. Das Gesetz spricht von „seinem” Versorgungsbezug (§ 53 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG). Vor Anwendung der Ruhensvorschriften, insbesondere der Regelung des Mindestbehalts, ist daher zu klären, welcher Versorgungsanspruch dem Kläger überhaupt zusteht. Dieser Anspruch richtet sich zwar hinsichtlich der Höhe nach dem Ruhegehalt des verstorbenen Beamten, folgt aber hinsichtlich seiner familienbezogenen Bestandteile den Verhältnissen, die für den Versorgungsberechtigten maßgebend sind. Dies kommt in § 50 Abs. 1 S. 3 BeamtVG zum Ausdruck. Nach dieser Bestimmung werden der Orts-/Familienzuschlag und der Unterschiedsbetrag unter Berücksichtigung der nach den Verhältnissen des versorgungsberechtigten Beamten für die Stufen des Orts-/Familienzuschlages in Betracht kommenden Kinder neben dem Witwergeld gezahlt, soweit der Witwer Anspruch auf Kindergeld für diese Kinder hat. Unter welchen Voraussetzungen ein kinderbezogener Orts-/Familienzuschlag zu zahlen und wie er der Höhe nach zu bemessen ist, ergibt sich nicht aus dem Versorgungsrecht, sondern aus den maßgebenden Bestimmungen des Besoldungsrechts, auf die § 50 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BeamtVG verweist. Nach § 40 Abs. 2 Nr. 2 BBesG a. F. steht dem verwitweten Beamten der Ortszuschlag der Stufe 2 (jetzt: der Familienzuschlag der Stufe 1) zu; für jedes bei ihm berücksichtigungsfähige Kind erhöht sich der Orts-/Familienzuschlag um eine Stufe (§ 40 Abs. 2 BBesG), erreicht also beim Kläger mit seinen beiden nach dem Tod seiner Ehefrau allein bei ihm (§ 41 BBesG) berücksichtigungsfähigen Kindern die Stufe 4 (bzw. die Stufe 3 des Familienzuschlages).
Der Anspruch auf den kinderbezogenen Orts-/Familienzuschlag steht dem Kläger in voller Höhe zu, weil er allein in seiner Person die Voraussetzungen für den Bezug der Stufe 4 erfüllt (§ 41 Satz 2 BBesG, § 50 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG). Die Konkurrenzregelung des § 40 Abs. 4 BBesG, die bis zum Tode seiner Ehefrau gegolten und zur Folge gehabt hatte, dass ihm der kinderbezogene Anteil des Ortszuschlages nur zur Hälfte zustand („Halbteilungsgrundsatz”), war mit Ablauf des Monats, in dem seine Ehefrau gestorben war, nicht mehr anwendbar (§ 41 BBesG). Die Konkurrenzbestimmung regelt allein den Fall, dass zwei Gehaltsempfänger in Ansehung des selben Tatbestandes (hier: des Vorhandenseins von Kindern) kinderbezogene Anteile des Orts-/Familienzuschlages erhalten. Sie regelt dagegen nicht den Fall, dass einem Beamten zwei voneinander unabhängige Ansprüche zustehen (Urteil vom 13. Dezember 1978 – BVerwG 6 C 46.78 – BVerwGE 57, 183 ≪184 f.≫). Diesen Fall regelt allein die Konkurrenzvorschrift des § 53 BeamtVG, indem sie das Ruhen eines Teils der Versorgungsbezüge anordnet. Der mit dem Tod eintretende Wegfall der Konkurrenzbestimmung führt nicht zu einem Zusammentreffen zweier Familienzuschlagsberechtigungen in der Person des überlebenden Klägers, sondern zur Erhöhung seines eigenen unmittelbaren Anspruchs auf den ungeschmälerten Unterschiedsbetrag.
Die Verweisung des § 50 Abs. 1 BeamtVG auf das Besoldungsrecht bedeutet zugleich, dass die Kinder, für die der Versorgungsempfänger Anspruch auf Kindergeld hat, allein bei der Bemessung des Orts-/Familienzuschlages bzw. des daraus abgeleiteten Unterschiedsbetrages zu berücksichtigen sind. Für die Bemessung des dem Versorgungsempfänger nach Anwendung der Ruhensvorschriften zu belassenden Mindestbetrages scheidet die Berücksichtigung der Kinder aus.
§ 50 Abs. 1 BeamtVG ist zu entnehmen, dass für die bei den Stufen des Familienzuschlages zu berücksichtigenden Kinder insgesamt nur einmal der volle Unterschiedsbetrag gezahlt wird. Der Unterschiedsbetrag zwischen der Stufe 1 und der nach dem Besoldungsrecht in Betracht kommenden Stufe des Familienzuschlages wird neben dem Ruhegehalt gezahlt (§ 50 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG). Er wird unter Berücksichtigung der nach den Verhältnissen des Beamten oder Ruhestandsbeamten für die Stufen des Familienzuschlages in Betracht kommenden Kinder neben dem Witwengeld gezahlt, soweit die Witwe (der Witwer) Anspruch auf Kindergeld für diese Kinder hat oder ohne Berücksichtigung der §§ 64, 65 des Einkommensteuergesetzes oder der §§ 3, 4 des Bundeskindergeldgesetzes haben würde (§ 50 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 1 BeamtVG). Soweit hiernach ein Anspruch auf den Unterschiedsbetrag nicht besteht, wird er neben dem Waisengeld gezahlt, wenn die Waise bei den Stufen des Familienzuschlages zu berücksichtigen ist oder zu berücksichtigen wäre, wenn der Beamte oder Ruhestandsbeamte noch lebte (§ 50 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 2 BeamtVG). Sind mehrere Anspruchsberechtigte vorhanden, wird der Unterschiedsbetrag auf die Anspruchsberechtigten nach der Zahl der auf sie entfallenden Kinder zu gleichen Teilen aufgeteilt (§ 50 Abs. 1 Satz 4 BeamtVG). Daran, dass die für die Stufen des Familienzuschlages in Betracht kommenden Kinder insgesamt nur einen Anspruch auf den vollen Unterschiedsbetrag begründen, ändert sich durch den Tod eines Ehegatten nichts. Der Unterschiedsbetrag wird nach § 50 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 1 BeamtVG neben dem Witwengeld „nur unter Berücksichtigung der nach den Verhältnissen des Beamten oder Ruhestandsbeamten für die Stufen des Familienzuschlages in Betracht kommenden Kinder gezahlt”. Da der überlebende Ehegatte zu seinen Dienstbezügen oder seinem Ruhegehalt den Unterschiedsbetrag in voller Höhe erhält (§ 50 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG, § 41 Satz 2 BBesG), die Kinder also bei ihm bereits voll berücksichtigt werden, sind sie nach seinen Verhältnissen nicht nochmals berücksichtigungsfähig.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Unterschriften
Dr. Silberkuhl, Dawin, Dr. Kugele, Groepper, Dr. Bayer
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 13.09.2001 durch Schütz Justizobersekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
NVwZ-RR 2002, 288 |
ZBR 2002, 313 |
ZTR 2002, 248 |
DÖD 2002, 123 |
DVBl. 2002, 789 |
GV/RP 2002, 550 |
IÖD 2002, 90 |
NPA 2002, 0 |
FuBW 2002, 494 |
FuHe 2002, 721 |
FuNds 2003, 36 |