Entscheidungsstichwort (Thema)
Beamtin des Bundesnachrichtendienstes. schriftliche Zeugenerklärungen. Disziplinarverfügung (Geldbuße). Amtsverschwiegenheitspflicht. Aussagegenehmigung in Form der Vorlagegenehmigung. diffamierende Äußerung in Sonderdatenbank und dienstlichem Schreiben. Mobbingvorwürfe in Dienstaufsichtsbeschwerde. Pflicht zur Wahrung des Betriebsfriedens. Verweis
Leitsatz (amtlich)
Werden im behördlichen Disziplinarverfahren schriftliche Äußerungen von Zeugen eingeholt, sind diese dem Beamten in aller Regel rechtzeitig zugänglich zu machen, um ihm Gelegenheit zur Stellungnahme und zur Stellung ergänzender Beweisanträge zu geben.
Bei einer Klage gegen eine Disziplinarverfügung hat das Gericht gemäß § 60 Abs. 3 BDG nicht nur darüber zu befinden, ob der gegen den Kläger erhobene Vorwurf tatsächlich zutrifft und disziplinarrechtlich als Dienstvergehen zu würdigen ist, sondern hat – bejahendenfalls – unter Beachtung des Verschlechterungsverbots auch darüber zu entscheiden, welches die angemessene Disziplinarmaßnahme ist.
Normenkette
GG Art. 2 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3; BBG § 54 S. 3, § 61 Abs. 1-2, § 77 Abs. 1 S. 1; BDG §§ 6, 13 Abs. 1, § 15 Abs. 1, 5, § 24 Abs. 1 Nr. 2, §§ 33, 45 S. 5, § 58 Abs. 1, § 60 Abs. 3; VwGO § 50 Abs. 1 Nr. 4, § 88
Tenor
Die Disziplinarverfügung des Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes vom 17. September 2003 und der Widerspruchsbescheid des Bundesnachrichtendienstes vom 2. Juni 2004 werden geändert.
Der Klägerin wird ein Verweis erteilt.
Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin und der Beklagten je zur Hälfte auferlegt.
Tatbestand
I.
Die im Jahre … geborene Klägerin, Regierungsamtfrau beim Bundesnachrichtendienst, wendet sich mit ihrer Klage gegen eine Disziplinarverfügung, mit der ihr eine Geldbuße auferlegt worden ist.
Der Präsident des Bundesnachrichtendienstes hat gegen die Klägerin durch Disziplinarverfügung vom 17. September 2003 eine Geldbuße über 1 000 € verhängt. Folgende vier Sachverhalte werden ihr zur Last gelegt:
Vorwurf 1:
Die Klägerin habe sich mit einer Beschwerde vom 26. Februar 2001 an den Bundeskanzler gewandt und behauptet, sie sei seit über einem Jahr systematischem Mobbing durch namentlich benannte Mitarbeiter des höheren Dienstes, insbesondere … ausgesetzt. Mehrere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter würden unter den unsäglichen Handlungen der … leiden, wobei es sich zum Teil um schwerste gesundheitliche Beeinträchtigungen handele.
Das Verhalten der Klägerin stelle einen Verstoß gegen § 54 Satz 3 BBG (Pflicht zur Wahrung des Betriebsfriedens) dar.
Vorwurf 2:
Die Klägerin habe im September 2001 in einem Zivilrechtsstreit gegen eine Kollegin zehn dienstliche Dokumente eingereicht, ohne im Besitz der hierfür erforderlichen Vorlagegenehmigungen zu sein.
Durch diese Handlungsweise habe die Klägerin gegen ihre Pflicht zur Amtsverschwiegenheit (§ 61 BBG) verstoßen. Zugleich habe sie ihre Gehorsamspflicht (§ 55 Satz 2 BBG) dadurch verletzt, dass sie entgegen einer Verfügung vom 30. November 1978 mit Personalsachen unrechtmäßig umgegangen sei.
Vorwurf 3:
Die Klägerin habe am 7. März 2003 in den dienstinternen Sonderdatenbanken Infoboard und Blackboard schwere ehrverletzende Anschuldigungen gegen führende Angehörige des Bundesnachrichtendienstes erhoben.
Das Verhalten der Klägerin stelle einen Verstoß gegen § 54 Satz 3 BBG (Pflicht zur Wahrung des Betriebsfriedens) dar.
Vorwurf 4:
Schließlich habe die Klägerin mit Schreiben vom 7. April 2003 gegenüber mehreren Vorgesetzten behauptet, namentlich bezeichnete Mitarbeiter hätten sich strafbar gemacht, u.a. wegen Fälschung und Unterdrückung von Urkunden. Dadurch habe sie erneut gegen § 54 Satz 3 BBG verstoßen.
Auf den Widerspruch der Klägerin hat der Bundesnachrichtendienst durch Widerspruchsbescheid vom 2. Juni 2004 die Geldbuße wegen der Nachbewährung der Klägerin auf 750 € herabgesetzt.
Mit ihrer Klage macht die Klägerin im Wesentlichen geltend: Hinsichtlich des ersten Vorwurfs könne ihr keine Pflichtverletzung zur Last gelegt werden. Sie habe mit ihrem Schreiben an den Bundeskanzler lediglich über ihre gleichzeitig erhobene Dienstaufsichtsbeschwerde an den Chef des Bundeskanzleramtes informiert. Trotz schwerster gesundheitlicher Beeinträchtigungen, belegt durch ärztliche Atteste, seien ihre berechtigten Vorwürfe seitens der Leitung des Bundesnachrichtendienstes zurückgewiesen worden. Auch eine strafrechtliche Klärung der Vorwürfe sei bisher unterblieben; im Hinblick auf das laufende Disziplinarverfahren sei das von ihr initiierte strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes wegen gemeinsam begangener falscher Verdächtigung etc. durch Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 11. Juni 2003 gemäß § 154e Abs. 1 StPO vorläufig eingestellt worden. Hinsichtlich des zweiten Vorwurfs sei eine disziplinarische Ahndung nicht angezeigt. Denn die Verfügung, gegen die sie verstoßen habe, sei zu einer Zeit erlassen worden, als sie, die Klägerin, noch nicht dem Bundesnachrichtendienst angehört habe. Zudem habe sie nur fahrlässig gehandelt. Die Genehmigung wäre erteilt worden, wenn sie beantragt worden wäre. Im Vorwurf 3 liege ebenfalls keine ahndungswürdige Pflichtverletzung vor. Es werde nur der erste Vorwurf wiederholt, so dass ein einheitlicher Sachverhalt gegeben sei. Nichts anderes gelte im Hinblick auf Vorwurf 4. Es sei auch nicht nachvollziehbar, weshalb sie insoweit vorsätzlich gehandelt haben solle. Angesichts der Gesamtumstände sei der Ausspruch einer Disziplinarmaßnahme – auch in Form eines Verweises – nicht angemessen.
Die Klägerin hat schriftsätzlich beantragt,
die Disziplinarverfügung des Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes vom 17. September 2003 und den Widerspruchsbescheid des Bundesnachrichtendienstes vom 2. Juni 2004 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hält die verhängte Geldbuße für recht- und zweckmäßig. Umfassende dienstinterne Untersuchungen hätten ergeben, dass Mobbing in dem behaupteten Ausmaß nicht stattgefunden habe. Lediglich auf Seiten der ehemaligen Projektleiterin der Klägerin, Frau A…, seien Mobbing und Defizite im Führungsstil festgestellt worden, wobei hier die Tatsache zu berücksichtigen sei, dass die Klägerin ihrerseits Frau A… gemobbt habe. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens seien die Untersuchungsergebnisse der so genannten AG-Mobbing nochmals geprüft worden, da diese für den Vorwurf einer Dienstpflichtverletzung von entscheidender Bedeutung gewesen wären. Ergänzend seien sechs weitere Personen, die von der Klägerin im Schreiben an den Bundeskanzler ebenfalls als Mobbingopfer benannt worden seien bzw. Angaben zu den Mobbingvorwürfen hätten machen können, schriftlich befragt bzw. aufgefordert worden, ihre damaligen Aussagen zu konkretisieren. Auch diese erneute Prüfung habe den Mobbingvorwurf der Klägerin nicht bestätigen können, so dass die von ihr wiederholt vorgebrachte Kausalität zwischen den angeblichen Mobbinghandlungen und ihren Gesundheitsbeeinträchtigungen nicht feststellbar sei.
Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich am Verfahren.
Der Senat hat Beweis erhoben über die Behauptung der Klägerin vom 26. Februar 2001 (Vorwurf 1),
mehrere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter litten unter den unsäglichen Handlungen … im Bundesnachrichtendienst, zum Teil mit schwersten gesundheitlichen Beeinträchtigungen.
Dazu hat er die Regierungsamtsrätin beim Bundesnachrichtendienst B… und die Beschäftigte beim Bundesnachrichtendienst C… als Zeuginnen vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift über die Zeugenvernehmung, wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der beigezogenen Verwaltungsvorgänge (Personalakte, Disziplinarverfahrensakte) und der Strafermittlungsakte der Staatsanwaltschaft … (Strafanzeige der Klägerin gegen Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes, Aktenzeichen 111 Js 10183/02) verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe
II.
Die Klage, über die der Senat nach § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO, § 45 Satz 5 BDG in erster und letzter Instanz in der Besetzung mit fünf Berufsrichtern (§ 10 Abs. 3 VwGO, § 3 BDG) entscheidet, ist zum Teil begründet. Die Disziplinarverfügung vom 17. September 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 2. Juni 2004 ist insoweit rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 3 BDG), als gegen sie gemäß § 33 Abs. 1 i.V.m. § 7 Satz 1 BDG eine Geldbuße verhängt worden ist. Die Bescheide sind abzuändern. Als angemessene Disziplinarmaßnahme ist lediglich ein Verweis (§ 6 Satz 1 BDG) zu erteilen. Zu diesem Ausspruch ist der Senat gemäß § 60 Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 BDG befugt.
1. § 60 Abs. 3 BDG bestimmt für die Klage gegen eine Disziplinarverfügung, dass das Gericht neben der Rechtmäßigkeit auch die Zweckmäßigkeit der angefochtenen Disziplinarentscheidung zu überprüfen hat. Das Gericht ist nicht auf die Prüfung beschränkt, ob die dem Kläger mit der Disziplinarverfügung zum Vorwurf gemachte Verhaltensweise (Lebenssachverhalt) tatsächlich vorliegt und disziplinarrechtlich als Dienstvergehen zu würdigen ist, sondern hat – bejahendenfalls – unter Beachtung des Verschlechterungsverbots (vgl. § 88 VwGO) im Interesse der Verfahrensbeschleunigung (§ 4 BDG) auch darüber zu entscheiden, welches die angemessene Disziplinarmaßnahme ist. Anders als sonst bei einer Anfechtungsklage ist das Gericht danach nicht gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO darauf beschränkt, eine rechtswidrige Verfügung aufzuheben; es trifft in Anwendung der in § 13 Abs. 1 BDG niedergelegten Grundsätze innerhalb der durch die Verfügung vorgegebenen Disziplinarmaßnahmenobergrenze vielmehr eine eigene “Ermessensentscheidung” (vgl. BTDrucks 14/4659 S. 49 – zu § 60 BDG). Das Gericht kann die angefochtene Disziplinarverfügung zu Gunsten der Klägerin abändern und anstelle der verhängten eine mildere Disziplinarmaßnahme aussprechen (vgl. dazu Gansen, BDG, Stand 2005, § 60 Rn. 18; Köhler/Ratz, BDG, 3. Auflage, 2003, § 60 Rn. 21).
2. In formeller Hinsicht ist die Disziplinarverfügung vom 17. September 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 2. Juni 2004 nicht zu beanstanden. Sie entspricht den Zuständigkeits-, Form- und Begründungserfordernissen des § 33 Abs. 1, 2 und 6 i.V.m. § 7 Satz 1 BDG. Die in den Gründen der Bescheide enthaltenen tatsächlichen Feststellungen zu den Tatvorwürfen begrenzen Gegenstand und Umfang des zur Last gelegten Dienstvergehens und damit zugleich den Umfang der gerichtlichen Beurteilung. Allerdings haftete den Bescheiden ein Verstoß gegen das Gebot rechtlichen Gehörs an. Denn die schriftlichen Zeugenaussagen zu dem ersten Vorwurf wurden der Klägerin weder übersandt, noch wurde sie rechtzeitig vor Abschluss des behördlichen Disziplinarverfahrens darüber belehrt, dass sie die Erklärungen einsehen könne. Dies wäre geboten gewesen, um ihr Gelegenheit zu geben, Stellung zu nehmen und ergänzende Beweisanträge zu stellen (vgl. § 24 Abs. 3 BDG).
Das Gebot der Gehörsgewährung vermittelt dem Beamten ein Recht auf Beweisteilhabe, insbesondere das Recht auf Zugang zu den Quellen der Sachverhaltsermittlung. Das gilt im behördlichen Disziplinarverfahren gemäß § 24 Abs. 4 BDG nicht nur bei der Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen. Für die gemäß § 24 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BDG zulässige Einholung schriftlicher Äußerungen muss Entsprechendes gelten. Die Entscheidung des verfahrensleitenden Dienstvorgesetzten bzw. des in seinem Auftrag tätigen Ermittlungsführers, eine schriftliche Äußerung einzuholen anstatt eine Vernehmung durchzuführen, kann nicht zu einer Beeinträchtigung des Rechts auf Beweisteilhabe führen. Die sich daraus ergebende Pflicht, dem Beamten die schriftlichen Äußerungen vollständig zugänglich zu machen, ist auch Ausdruck des aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG folgenden Anspruchs des Beamten auf ein faires Disziplinarverfahren (BVerfGE 101, 397 ≪404≫; BVerfG, Kammerbeschluss vom 8. Dezember 2004 – 2 BvR 52/02 – NJW 2005, 1344 ≪1345≫).
Die dargestellten Verfahrensfehler sind jedoch unbeachtlich, weil die Klägerin im Klageverfahren Gelegenheit hatte, die schriftlichen Zeugenaussagen einzusehen (vgl. § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG, § 3 BDG). Sie hat an der Beweisaufnahme vor dem Senat teilgenommen und von ihrem Recht, Fragen zu stellen, Gebrauch gemacht.
3. In materiellrechtlicher Hinsicht können die Bescheide keinen Bestand haben. Die schuldhafte Verletzung beamtenrechtlicher Pflichten ist nur hinsichtlich des zweiten, dritten und vierten Vorwurfs, nicht jedoch hinsichtlich des ersten Vorwurfs erwiesen. Insgesamt hält der Senat den Ausspruch eines Verweises für angemessen.
a) In tatsächlicher und disziplinarrechtlicher Hinsicht ist danach von Folgendem auszugehen:
Zu Vorwurf 1:
aa) Mit Schreiben vom 26. Februar 2001 wandte sich die Klägerin an den Bundeskanzler, um ihn “über die unerträglichen Zustände innerhalb (des Bundesnachrichtendienstes) in Kenntnis zu setzen”. Sie behauptete, sie sei seit über einem Jahr systematischem Mobbing durch Mitarbeiter des höheren Dienstes, insbesondere …, ausgesetzt; namentlich nannte sie Herrn D…, Frau E…, Herrn F… und Frau A… Mehrere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter würden unter den unsäglichen Handlungen der Verwaltung im Bundesnachrichtendienst …, zum Teil mit schwersten Beeinträchtigungen, leiden. Die Klägerin bat, ihrem Fall und möglicherweise noch weiteren Fällen besondere Beachtung zu schenken und verwies auf die an den … des Bundeskanzleramtes gerichtete Dienstaufsichtsbeschwerde vom gleichen Tag.
Beiden Schreiben waren in der Zeit von November 1999 bis April 2000 insgesamt fünf interne Dienstaufsichtsbeschwerden der Klägerin vorausgegangen. Die daraufhin im Bundesnachrichtendienst eingesetzte Arbeitsgruppe war zu dem Ergebnis gekommen, dass sich Frau A… und die Klägerin an gegenseitigem Mobbing in nichts nachgestanden hätten; im Übrigen seien die Mobbingvorwürfe nicht nachvollziehbar. Der Vizepräsident des Bundesnachrichtendienstes hatte die Klägerin am 28. September 2000 dementsprechend beschieden.
Aus Anlass des Beschwerdeschreibens der Klägerin vom 26. Februar 2001 wurde beim Bundesnachrichtendienst eine neue Arbeitsgruppe eingesetzt, die insbesondere die Mobbingvorwürfe, die über die früheren Beschwerden hinausgingen, geklärt und verneint hat. Das Untersuchungsergebnis war Grundlage des Antwortschreibens des Bundeskanzleramtes vom 20. September 2001 an die Klägerin. Dieser wurde unter anderem mitgeteilt, dass über die vom Bundesnachrichtendienst bereits ergriffenen Maßnahmen hinaus keine weiteren Schritte veranlasst seien.
bb) Mit ihrer Äußerung im Beschwerdeschreiben an den Bundeskanzler, … habe durch unsägliche Handlungen die Gesundheit mehrerer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum Teil schwer beeinträchtigt, wird der Klägerin in den angefochtenen Bescheiden ein fahrlässiger Verstoß gegen § 54 Satz 3 BBG zum Vorwurf gemacht. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist eine entsprechende Pflichtverletzung aber nicht erwiesen. Dem liegen folgende Erwägungen zugrunde:
Nach ständiger Rechtsprechung darf der Beamte seine Rechte und Interessen gegenüber seinen Vorgesetzten und seinem Dienstherrn in Beschwerden und Eingaben mit Nachdruck verfolgen und dabei mit freimütiger und offener Kritik sowie möglicherweise auch mit harten Worten für seine Sache eintreten. Kritische Wertungen gegenüber Vorgesetzten und Kollegen sind im Rahmen der Rechtswahrung des Beamten dann zulässig, wenn diese eine sachliche Grundlage haben und auch für die Gegenseite erkennbar dem sachlichen Ziel der Rechtswahrung dienen. Der Beamte darf seine Meinung zu tatsächlichen Umständen auch ohne Rücksicht auf deren Erweisbarkeit vorbringen, wenn er von ihrer Richtigkeit ausgeht und dafür tatsächliche Anhaltspunkte hat. Macht der Beamte von seinem Recht Gebrauch, jederzeit Beschwerden vorzubringen oder Rechtsschutz zu beantragen, so darf er wegen dieser Tatsache weder dienstlich gemaßregelt noch benachteiligt werden (vgl. Urteil vom 28. Mai 1998 – BVerwG 2 C 29.97 – BVerwGE 107, 29 ≪33≫; Plog/Wiedow/Lemhöfer/Bayer, BBG, Stand 2005, § 171 Rn. 5 m.w.N.; für Soldaten stellt § 2 WBO ausdrücklich ein Benachteiligungsverbot auf). Die Grenze des Zulässigen wird erst dann überschritten und kann disziplinarische Folgen auslösen, wenn der Beamte etwa wider besseres Wissen oder unter Verletzung der ihm zuzumutenden Sorgfalt unwahre Behauptungen aufstellt, Vorgesetzte oder Kollegen diffamiert oder vorsätzlich gegen Strafbestimmungen verstößt (vgl. BDH, Urteil vom 26. Januar 1966 – III D 50/65 – ZBR 1966, 228; BDiG, Beschluss vom 19. März 1979 – I BK 14/78 – DÖD 1979, 202; zum Soldatenrecht vgl. Urteil vom 24. September 1992 – BVerwG 2 WD 13.91, 7.92 – BVerwGE 93, 287 ≪291≫; Urteil vom 9. März 1994 – BVerwG 2 WD 30.93 – BVerwGE 103, 81 ≪83≫, jeweils m.w.N.).
Für die Auslegung von schriftlichen Erklärungen des Beamten gilt der allgemeine Grundsatz, dass ihnen kein Sinn gegeben werden darf, den sie nach dem Wortlaut objektiv nicht haben. Unter mehreren objektiv möglichen Deutungen darf nicht die zur Beanstandung führende herausgegriffen werden, ohne die anderen unter Angabe überzeugender Gründe auszuschließen (vgl. BVerfGE 82, 272 ≪280 f.≫).
Nach diesen Grundsätzen hat sich die Klägerin mit ihren Formulierungen im Schreiben an den Bundeskanzler noch in den Grenzen zulässiger Rechtswahrung gehalten. Dafür sprechen zunächst die Formulierung und ihre Funktion innerhalb des Schreibens unter dem Betreff: Mobbing im Bundesnachrichtendienst. Unter Mobbing wird ein systematisches Anfeinden, Schikanieren und Diskriminieren von Beschäftigten untereinander oder durch Vorgesetzte verstanden, das über gewöhnliche, von jedermann zu bewältigende berufliche Schwierigkeiten hinausgeht und eine mehr oder weniger schwerwiegende Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts, der Ehre und/oder der Gesundheit des Betroffenen darstellen kann (vgl. zu diesem Mobbingbegriff im engeren Sinne z.B. Urteil vom 11. Juni 2002 – BVerwG 2 WD 38.01 – Buchholz 236.1 § 10 SG Nr. 51 m.w.N.; vgl. auch BGH, Beschluss vom 1. August 2002 – III ZR 277/01 – ZBR 2003, 57 ≪58≫). Die Klägerin gibt an, dass sie seit über einem Jahr durch zahlreiches Mobbing physisch und psychisch zusätzlich belastet werde. Zugleich weist sie darauf hin, dass sie kein Einzelfall sei. Mit dem Hinweis auf die gesundheitlichen Beeinträchtigungen auch anderer Personen macht sie indiziell auf die Mobbingsituation im Bereich … des Bundesnachrichtendienstes und die Bedeutung des in diesem Sinne zu wertenden Handelns aufmerksam. Die von der Klägerin gewählten Formulierungen halten sich bei der gebotenen objektiven Würdigung nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Dritten (vgl. BVerfGE 93, 266 ≪295≫) noch im Rahmen des Hinnehmbaren. Eine Diffamierung bestimmter Personen findet nicht statt. Gerügt werden “unsägliche” im Sinne von unaussprechliche, außerordentliche “Handlungen …”, wobei lediglich die verantwortlichen Leiter, Herr G… und Herr D…, namentlich genannt werden.
Die Klägerin hat auch in Bezug auf die angeblich zum Teil schwersten gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht schuldhaft – weder wider besseres Wissen noch unter Verletzung der ihr zuzumutenden Sorgfalt – unwahre Behauptungen aufgestellt. Es gab für sie durchaus ernstzunehmende objektive Anhaltspunkte für ihre Mobbingvorwürfe und deren negative gesundheitliche Folgen. So hat der Bundesnachrichtendienst selbst eingeräumt, dass die Klägerin von Frau A… gemobbt worden ist. Auch die Gleichstellungsbeauftragte, Vertreterin im Amt, hat erklärt, sie könne die Mobbingvorwürfe der Klägerin gegen Frau A… nachvollziehen. Die Klägerin selbst hat ärztliche Atteste aus dem Zeitraum November 1999 bis Februar 2002 vorgelegt, in denen ihr Folgendes bescheinigt wird: … (Es folgen diagnostische Angaben) …
Dass die Behauptungen der Klägerin hinsichtlich schwerster gesundheitlicher Beeinträchtigungen als Mobbingfolgen nicht “aus der Luft gegriffen” waren, haben die Zeuginnen B… und C… in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat glaubhaft bestätigt. Dies entkräftet den Disziplinarvorwurf entscheidend.
Zwar waren beide Zeuginnen bereits im behördlichen Disziplinarverfahren schriftlich befragt worden; dies war gemäß § 24 Abs. 1 Nr. 2 BDG zulässig. Beide hatten übereinstimmend angegeben, sie hätten sich vor allem durch Handlungen von Herrn D…, damals Unterabteilungsleiter für den Bereich …, mit für sie nachteiligen gesundheitlichen Folgen empfindlich beeinträchtigt gefühlt. Ihre schriftlichen Erklärungen sind jedoch im gerichtlichen Disziplinarverfahren nicht verwertbar. Hier gilt der Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§ 96 Abs. 1 VwGO, § 3 BDG), so dass das Gericht gemäß § 58 Abs. 1 BDG die erforderlichen Beweise selbst zu erheben hat (vgl. dazu Beschluss vom 14. Juni 2005 – BVerwG 2 B 108.04 – NVwZ 2005, 1199 ≪1200≫).
Die Zeugin B…, Regierungsamtsrätin beim Bundesnachrichtendienst, hat bekundet, sie habe aus dem Verwaltungsbereich nur mit Herrn D… Spannungen gehabt. Bereits bei ihrer Beförderung zur Regierungsamtfrau habe er ihr gesagt, sie müsse sich darauf einstellen, dass dies vorläufig ihre letzte Beförderung sei. Später sei Herr D… bei ihrer dienstlichen Beurteilung “negativ” vom Vorschlag des Erstbeurteilers abgewichen. Sie habe daraufhin drei Gegenvorstellungen erhoben. Die Auseinandersetzung habe dazu geführt, dass letztlich etwa 200 bis 300 Beurteilungen von Mitarbeitern zweier Unterabteilungen hätten überarbeitet werden müssen. Ihr Referatsleiter habe ihr anschließend eröffnet, dass sie, die Zeugin, umgesetzt werden solle, da Herr D… nicht mehr mit ihr zusammenarbeiten wolle. Sie habe sich damals, da sie wegen all dessen unter Schlaflosigkeit und Bluthochdruck gelitten habe, in ärztliche Behandlung begeben. …
Die Zeugin C…, Beschäftigte beim Bundesnachrichtendienst und damals Frauenbeauftragte (später Gleichstellungsbeauftragte), hat ausgesagt, sie habe mit Herrn D… umfangreiche Probleme gehabt und darüber im Laufe der Zeit einen Ordner angelegt. Es habe nicht nur ständig Meinungsverschiedenheiten über die Anwendung des Frauenfördergesetzes (später des Gleichstellungsgesetzes) und Versuche der Behinderung bei der Amtsausübung gegeben. Herr D… habe sie auch persönlich spüren lassen, dass er etwas gegen sie habe. Beispielsweise habe er sie bei der Begrüßung ihrer Tischrunde bewusst ignoriert und sich gegenüber Dritten abwertend über sie geäußert. Ihre Versuche, die Ursachen des gespannten Verhältnisses zu klären und abzubauen, seien gescheitert. Sie habe unter dem damaligen Zustand gesundheitlich sehr gelitten. Ihr Arzt habe ihr Medikamente verschrieben. Die Zeugin hat auch angegeben, dass die Klägerin sie wegen ihrer Mobbing-Probleme aufgesucht habe. Ferner hat die Zeugin bestätigt, dass Herr D… und Frau E…, entgegen einer Weisung des Abteilungsleiters, die Prüfung der Frage einer förderlichen Umsetzung der Klägerin bewusst nicht vorangebracht hätten.
Der Senat hat keine Bedenken gegen die Glaubwürdigkeit der Zeuginnen. Ihren in sich schlüssigen und nachvollziehbaren Aussagen, die mit ihren schriftlichen Angaben in Einklang stehen, ist zur Überzeugung des Senats zu folgen. Ohne dass es noch der Anhörung weiterer Zeugen bedarf, steht danach fest, dass die Klägerin in Bezug auf die genannten Mobbingfolgen weder wider besseres Wissen noch leichtfertig unwahre Behauptungen aufgestellt hat. Es gab zumindest objektive und hinreichend gewichtige Anlässe, auf die sich die Klägerin bei ihrer Meinungsbildung stützen konnte. Unerheblich ist demgegenüber die Auffassung der Beklagten, dass die Kausalzusammenhänge zwischen den Gesundheitsbeeinträchtigungen und dem Mobbing nicht erwiesen seien. Die Klägerin trifft keine objektive Beweislast für den Vollbeweis der Richtigkeit ihrer Schlussfolgerungen.
Zu Vorwurf 2:
aa) Die Klägerin hatte mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 27. September 2001 beim Amtsgericht … gegen die Mitarbeiterin A… Widerrufsklage erhoben. Der Klageschrift lagen elf Schriftstücke aus dem Dienstbereich des Bundesnachrichtendienstes in sicherheitlich unbereinigter Form als Anlagen bei; diese waren später auch Gegenstand des Berufungsverfahrens beim Landgericht. Nur eines dieser Schreiben enthielt nach Auffassung der Beklagten keine dienstlichen Angaben und bedurfte deshalb keiner Freigabe. Mit Schreiben des Bundesnachrichtendienstes vom 27. August 2001 war der Klägerin für den Rechtsstreit vor dem Amtsgericht antragsgemäß eine Aussagegenehmigung erteilt worden, die unter anderem die Einschränkung enthielt, dass die Vorlage von dienstlichen oder auf dienstlichen Erkenntnissen beruhenden Dokumenten eine Erweiterung der Aussagegenehmigung erforderlich mache. Für zwei der elf dem Amtsgericht vorgelegten Schriftstücke war der Klägerin auf ihren Antrag hin zum Zwecke anwaltlicher Beratung am 4. Oktober 2000 eine Aussagegenehmigung in Form einer Vorlagegenehmigung erteilt worden, wobei die Schriftstücke sicherheitlich bereinigt waren. Einschränkend war die Klägerin zugleich unter anderem darauf hingewiesen worden, dass die Aussagegenehmigung lediglich für eine anwaltliche Beratung Gültigkeit besitze. Vor Klageverfahren sei eine gesonderte Aussagegenehmigung zu beantragen.
Bei fünf der vorgelegten Schriftstücke handelte es sich um Schreiben der damaligen … zum Vorgang “Wegversetzung von Frau A…”, das heißt um Personalvorgänge. Wie die Klägerin in den Besitz dieser Schreiben gekommen war, konnte nach den Feststellungen in den Bescheiden nicht geklärt werden. Ferner wurde ein von Frau A… verfasstes, aber nicht unterschriebenes Schriftstück vorgelegt, wobei ebenfalls nicht mehr geklärt werden konnte, wie dieses in den Besitz der Klägerin gelangt war.
Die Klägerin hat sich dahin eingelassen, sie sei der irrtümlichen Ansicht gewesen, die Aussagegenehmigung vom 4. Oktober 2000 habe auch den Rechtsstreit vor dem Amtsgericht erfasst. Zudem sei sie davon ausgegangen, dass die Genehmigung vom 27. August 2001 für das Amtsgericht auch die Berufungsinstanz eingeschlossen habe. Jedenfalls handele es sich auch nach Ansicht der Beklagten allenfalls um eine fahrlässige Verfehlung von sehr geringem Gewicht, zumal eine Vorlagegenehmigung erteilt worden wäre, wenn sie, die Klägerin, eine solche rechtzeitig beantragt hätte. Ihr Anwalt, der die Genehmigungen gekannt habe, habe ebenfalls keine Bedenken gehabt, die Unterlagen der Klageschrift beizufügen. Sie räume aber ein, nicht berechtigt gewesen zu sein, die quasi in einer “Ausnahmesituation” zur Rechtswahrung verwerteten Personalvorgänge A… besessen zu haben.
bb) Die Klägerin hat durch die Vorlage der zehn dienstlichen Schriftstücke im Rahmen ihres Zivilrechtsstreits vorsätzlich gegen ihre Pflicht zur Amtsverschwiegenheit verstoßen. Nach § 61 Abs. 1 Satz 1 BBG hat jeder Beamte über die ihm bei seiner amtlichen Tätigkeit bekannt gewordenen Angelegenheiten Verschwiegenheit zu bewahren. Die Verschwiegenheitspflicht besteht auch in gerichtlichen Verfahren aller Gerichtszweige und Instanzen, unter anderem dann, wenn der Beamte – wie hier die Klägerin – selbst als Prozesspartei auftritt (vgl. dazu § 61 Abs. 2 i.V.m. § 62 Abs. 3 BBG; Urteil des 1. Disziplinarsenats vom 13. Januar 1988 – BVerwG 1 D 127.86 –).
Die Klägerin war von der Verschwiegenheitspflicht nicht nach § 61 Abs. 1 Satz 2 BBG suspendiert. Bei den als Anlagen zur Klageschrift beigefügten Schreiben aus dem Dienstbereich des Bundesnachrichtendienstes handelte es sich, was auch von der Klägerin nicht behauptet wird, insbesondere nicht um Mitteilungen über Tatsachen, die ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedurften.
Die Vorlage der Schriftstücke war auch nicht durch eine Aussagegenehmigung gemäß § 61 Abs. 2 Satz 1 BBG gedeckt. Nach dieser Vorschrift darf der Beamte ohne Genehmigung über geheimhaltungsbedürftige Angelegenheiten im Sinne des Abs. 1 Satz 1 der Vorschrift weder vor Gericht noch außergerichtlich aussagen oder Erklärungen abgeben. Genehmigungsbedürftig sind aber nicht nur mündliche Aussagen und Erklärungen, sondern ist jedes nach § 61 Abs. 1 Satz 1 BBG geheimhaltungsbedürftige Vorbringen des Beamten in mündlicher oder schriftlicher Form, das heißt – wie hier – auch die Vorlage schriftlicher Unterlagen. Diese weite, noch vom Wortlaut der Vorschrift gedeckte Auslegung der Begriffe “aussagen” und “Erklärungen abgeben” folgt nicht nur aus dem umfassenden dienstlichen Geheimhaltungsinteresse als Schutzzweck der Vorschrift, sondern auch aus der Tatsache, dass § 62 BBG, der die Versagung der Aussagegenehmigung regelt, generell auch die “Erstattung eines Gutachtens” (Abs. 2) und das Partei- oder Beschuldigten-“Vorbringen” (Abs. 3) insgesamt dem Genehmigungstatbestand unterwirft.
Eine Aussagegenehmigung in Form einer Vorlagegenehmigung war der Klägerin für die Vorlage der zehn dienstlichen Schriftstücke bei Gericht nicht erteilt worden. Die am 4. Oktober 2000 und am 27. August 2001 erteilten Genehmigungen haben schon von ihrem Wortlaut her die Vorlage von schriftlichen Unterlagen bei Gericht nicht umfasst. Es ist auch nicht zu beanstanden, dass ein Beamter des Bundesnachrichtendienstes für jeden Aussagefall einer gesonderten Genehmigung bedarf. Denn die Frage der Geheimhaltungsbedürftigkeit dienstlicher Angelegenheiten kann je nach Aussagesituation, zum Beispiel vor einem Rechtsanwalt oder in einer öffentlichen Gerichtsverhandlung, unterschiedlich zu beurteilen sein.
Die Klägerin hat zumindest bedingt vorsätzlich gegen ihre Pflicht zur Amtsverschwiegenheit (§ 61 Abs. 1 Satz 1 BBG) verstoßen. Sie hielt den Eintritt der Pflichtverletzung für möglich und nahm diesen Erfolg zumindest billigend in Kauf. Ein Irrtum im Sinne des § 16 Abs. 1 StGB über das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal “Genehmigungsbedürftigkeit der Angelegenheit” kann ihr nicht zugebilligt werden. Die Klägerin kannte die Dienstvorschriften zur Verschwiegenheitspflicht und zum Erfordernis einer Vorlage- und Aussagegenehmigung und war in den an sie gerichteten Genehmigungsschreiben über die Ausnahmeregelungen wiederholt eingehend belehrt worden. Sie wusste auch, wie sie in der mündlichen Verhandlung noch einmal zu erkennen gegeben hat, dass sie die Personalvorgänge A… nicht an das Gericht weiterleiten durfte. Da sie als Beamtin des gehobenen Dienstes mit sehr guten dienstlichen Beurteilungen gleichwohl die Unterlagen durch ihren Rechtsanwalt ungenehmigt dem Gericht übersandt hat, kann sie sich nicht mit Erfolg auf einen Irrtum berufen; die entsprechende Einlassung stellt eine Schutzbehauptung dar.
Der der Klägerin in den angefochtenen Bescheiden zusätzlich wegen pflichtwidrigen Umgangs mit Personalsachen zur Last gelegte Verstoß gegen ihre “Gehorsamspflicht” tritt nach seinem disziplinarrechtlichen Gewicht hinter die Verletzung der Amtsverschwiegenheit zurück.
Zu Vorwurf 3:
aa) Am 7. März 2003 stellte die Klägerin in die Sonderdatenbanken des Bundesnachrichtendienstes Infoboard und Blackboard unter dem Diskussionsthema “Dienstliches Verhalten” einen Diskussionsbeitrag zu einer Äußerung des … ein. Der Beitrag der Klägerin wird wie folgt eingeleitet:
“Ich kann … bezüglich seiner Ausführungen nur zustimmen. Das betrifft aber nicht nur Diebstähle, Eigentumsdelikte jeglicher Art und Korruption, sondern fängt schon beim Umgang der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter untereinander an …”.
In dem anschließenden Textbeitrag, der der Klägerin zum Vorwurf gemacht wird, heißt es unter anderem:
“… Es ist erschreckend, wie gleichgültig und menschenverachtend teilweise von so genannten Führungskräften mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern umgesprungen wird mit Unterstützung von manchen ehemaligen Angehörigen der Personalverwaltung. Ich jedenfalls habe diese Leute angezeigt wegen diverser Delikte (Amtsmissbrauch, Verleumdung, übler Nachrede, Urkundenfälschung usw.) und dabei festgestellt, dass diese Leute trotz laufenden Strafverfahrens weiter von oberster Stelle geschützt und in ihrem weiteren mobbenden Verhalten scheinbar unterstützt werden, wie kann ich mir sonst erklären, dass ein ehemaliger … nun mit allen Sicherheitsbelangen des Dienstes betraut wird und sogar als … auftreten darf …”.
Nach den Nutzungsregeln der innerhalb des Bundesnachrichtendienstes jedem Nutzer elektronisch verfügbaren Sonderdatenbanken (“Netiquette Info- und Blackboard” – Stand 20. Februar 2003) diente Infoboard dienstlichen Mitteilungen, während Blackboard für privatdienstliche/private Mitteilungen mit Einschränkungen vorgesehen war; verboten waren u.a. verleumderische, diffamierende oder beleidigende Aussagen über Dritte. In einem Zusatz wurde darauf hingewiesen, dass in “gravierenden Fällen” Verstöße gegen die Verbote disziplinarrechtlich verfolgt oder auch rechtlich geahndet würden.
Die Klägerin ist der Ansicht, ihr Beitrag beruhe auf der Tatsache, dass gegen genannte Personen ein Strafverfahren anhängig sei. Sie habe lediglich ihr Unverständnis zum Ausdruck gebracht, dass betreffende Personen dienstlich gefördert würden, obwohl das gegen sie laufende Strafverfahren noch nicht abgeschlossen sei, während sie, die Klägerin, weiter unter dem Druck eines laufenden Disziplinarverfahrens stehe und dadurch von allen Förderungsmöglichkeiten abgeschnitten sei. Im Rahmen der freien Meinungsäußerung sei sie berechtigt, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes über diese Fakten zu unterrichten. Es handele sich weder um verleumderische Äußerungen noch um Beleidigungen. Ein Verstoß gegen die Nutzungsregeln der Datenbanken liege ebenfalls nicht vor. Ihrer Erinnerung nach habe die Netiquette am 7. März 2003 noch nicht auf dem Bildschirm gestanden. Ob die Nutzungsregeln zunächst auf andere Weise veröffentlicht worden seien, könne sie nicht ausschließen. Ferner sei gegen einige Mitarbeiter wegen in das Blackboard eingestellter verbaler Entgleisungen zum Thema Berlin-Umzug nicht disziplinarisch ermittelt worden. Sie berufe sich insoweit auf Gleichbehandlung. Schließlich handele es sich im Wesentlichen um die gleichen Mobbingfälle wie im Vorwurf 1, so dass ein einheitlicher Sachverhalt vorliege, der hier keine Pflichtverletzung darstelle.
bb) Zutreffend wird der Textbeitrag der Klägerin vom 7. März 2003 in den angefochtenen Bescheiden als vorsätzliche Verletzung ihrer Pflicht zur Wahrung des Betriebsfriedens – Teil ihrer Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten im Dienst (§ 54 Satz 3 BBG) – gewürdigt. Gegen diese Pflichtenregelung verstößt, wer sich in einer für die Dienstordnung bedeutsamen Weise unkollegial verhält, indem er sich z.B. zu Beleidigungen seiner Kollegen (einschließlich Vorgesetzten und Untergebenen) hinreißen lässt (vgl. Urteil des 1. Disziplinarsenats vom 4. April 2001 – BVerwG 1 D 15.00 –). Auch wenn die Meinungsäußerung der Klägerin in ihrem Kontext als Diskussionsbeitrag in den vom Bundesnachrichtendienst bereitgestellten Sonderdatenbanken gesehen werden muss, handelt sich nicht mehr um sachliche Kritik. Der Textbeitrag überschreitet die Grenze dessen, was im Interesse eines störungsfreien Dienstbetriebs und des Schutzes der Mitarbeiter vor unberechtigten Angriffen hingenommen werden kann. Soweit die Äußerungen ausdrücklich den ehemaligen …, Herrn D…, betreffen, haben sie durchaus beleidigenden Charakter. Auch wenn der Hinweis der Klägerin auf das von ihr initiierte Ermittlungsverfahren zu diesem Zeitpunkt zutreffend war, so erweckt die Verwendung der Formulierung “trotz laufenden Strafverfahrens” bewusst den falschen Eindruck, es sei so gut wie erwiesen, dass entsprechende Straftaten begangen worden sind. Zugleich wird dadurch wider besseres Wissen sinngemäß behauptet, indem “diese Leute” von “oberster Stelle geschützt und … unterstützt” würden, werde im Bundesnachrichtendienst das geltende Recht missachtet. Dies ist ebenfalls ehrenrührig.
Auf die Kenntnis der Nutzungsregeln kommt es dabei nicht an, da sich das Verbot verleumderischer, diffamierender oder beleidigender Aussagen über Dritte im Rahmen des Dienstbetriebs für einen Beamten unmittelbar aus seiner gesetzlichen Pflicht gemäß § 54 Satz 3 BBG ergibt.
Zu Vorwurf 4:
aa) Mit Schreiben vom 7. April 2003 an … erhob die Klägerin unter dem Betreff: Korruptionsverdacht gemäß Ziff. 5.2.1 und 5.2.2 der Verfügung vom 3. März 2003 Korruptionsvorwürfe gegen Herrn D…, Frau A… und Herrn H… Aus dem Text des Schreibens wird der Klägerin allein folgender Satz disziplinarisch angelastet:
“Für diesen Zweck (das heißt ‘konzertierte Aktion zur Verleumdung und Diskreditierung’ der Klägerin, ergänzt) hatte Herr D…, damaliger … in Zusammenarbeit mit Frau A…, Herrn H…, Herrn I… und Frau E… sowohl für die Einleitung eines Disziplinarverfahrens als auch für die Erstellung von zusätzlichen Beurteilungen meiner Person und damit verbundener beabsichtigter Versetzung in eine andere Abteilung zahlreiche Unterlagen gefälscht bzw. unterschlagen, mutmaßlich Zeugen beeinflusst und ständig verwaltungsrechtliche und gesetzliche Vorschriften missachtet …”
Die Klägerin ist der Ansicht, ihre Vorwürfe gegen die genannten Personen seien Gegenstand des von ihr initiierten strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens. Die Beweisführung der Staatsanwaltschaft bleibe abzuwarten. Es gehe letztlich um die gleichen Mobbingfälle wie im Vorwurf 1, so dass ein einheitlicher Sachverhalt vorliege, der hier ebenfalls keine Pflichtverletzung darstelle.
bb) Wie im Vorwurf 3 ist auch hier zu Recht ein vorsätzlicher Verstoß gegen § 54 Satz 3 BBG – Verletzung der Pflicht zur Wahrung des Betriebsfriedens – angenommen worden. Bereits im Hinblick auf den behaupteten Anlass der Äußerung – “Korruptionsverdacht” – und ihren Zeitpunkt – etwa zwei Jahre nach der Beschwerde an den Bundeskanzler und den negativen Ergebnissen der Mobbing-Arbeitsgruppen – war für die Klägerin kein sachlicher Grund ersichtlich, leichtfertig ehrenrührige Behauptungen derart schwerwiegenden strafbaren Verhaltens in der Dienststellenöffentlichkeit aufzustellen. Es handelte sich insoweit auch nicht mehr nur um eine Äußerung reiner Verdachtsmomente. Die Vorwürfe waren damals auch nicht ansatzweise strafverfahrensrechtlich geklärt. Soweit sich die Klägerin wegen eines Teils der Vorwürfe zuvor an die Staatsanwaltschaft gewandt hatte, lag seit dem 7. April 2003 nur die Strafanzeige vor. Das Ermittlungsverfahren wurde am 11. Juni 2003 vorläufig eingestellt.
b) Die vorsätzlichen Dienstpflichtverletzungen der Klägerin stellen ein einheitliches Dienstvergehen im Sinne des § 77 Abs. 1 Satz 1 BBG dar, das mit einem Verweis (§ 6 BDG) angemessen zu ahnden ist. Die Bestimmung dieser Maßnahme beruht auf § 13 Abs. 1 BDG, wonach die Entscheidung über eine Disziplinarmaßnahme unter Berücksichtigung der Schwere des Dienstvergehens, des Persönlichkeitsbildes des Beamten sowie der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit nach pflichtgemäßem Ermessen ergeht.
Eine objektive und ausgewogene Zumessungsentscheidung setzt voraus, dass die sich aus § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG ergebenden Bemessungskriterien mit dem ihnen im Einzelfall zukommenden Gewicht ermittelt und in die Entscheidung eingestellt werden. Dieses Erfordernis beruht letztlich auf dem im Disziplinarverfahren geltenden Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Übermaßverbot). Danach muss die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme unter Berücksichtigung aller belastenden und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (vgl. dazu näher, insbesondere zur Auslegung der Bemessungskriterien “Schwere des Dienstvergehens”, “Persönlichkeitsbild des Beamten” und “Vertrauensbeeinträchtigung” Urteil vom 20. Oktober 2005 – BVerwG 2 C 12.04 – m.w.N. ≪zur Veröffentlichung vorgesehen≫).
Im Vordergrund der Zumessungserwägungen steht der Verstoß gegen § 61 Abs. 1 Satz 1 BBG. Die Pflicht zur Amtsverschwiegenheit gehört zu den Grund- oder Hauptpflichten – nicht Kernpflichten (vgl. zu diesem Begriff Urteil vom 20. Oktober 2005 a.a.O. m.w.N.) – eines Beamten und dient in erster Linie dem öffentlichen Interesse, insbesondere dem Schutz der dienstlichen Belange der Behörde (vgl. Urteile des 1. Disziplinarsenats vom 11. Dezember 1991 – BVerwG 1 D 75.90 – BVerwGE 93, 202 ≪208≫ und vom 11. Oktober 2000 – BVerwG 1 D 30.99 –, jeweils m.w.N.). Die “Schwere des Dienstvergehens” wird durch die Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung (objektives Handlungsmerkmal) noch dadurch geprägt, dass der Pflicht zur Amtsverschwiegenheit gerade für die Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes ein hoher Stellenwert zukommt. Zwar handelt es sich hier nur um einen einmaligen “Formalverstoß”, da der Klägerin nach Auskunft der Beklagten die Aussagegenehmigung zur Vorlage der Schriftstücke bei Gericht auf Antrag erteilt worden wäre. In die Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist jedoch zusätzlich belastend der wiederholte Verstoß gegen § 54 Satz 3 BBG (Pflicht zur Wahrung des Betriebsfriedens) und die Tatsache insgesamt vorsätzlichen Fehlverhaltens (subjektives Handlungsmerkmal) einzustellen. Auch wenn sich die unklare und schwer nachvollziehbare Zweckbestimmung von “Infoboard” und “Blackboard” mit ihrer Versuchung zu unüberlegtem Handeln sowie der im Zusammenhang mit dem Berlin-Umzug geduldete rüde Umgangston in diesen Medien bei der Gewichtung nach der Schwere des Dienstvergehens erheblich entlastend auswirken, bleibt doch die Schwelle der disziplinaren Relevanz überschritten.
Das Persönlichkeitsbild der Klägerin ist gemäß § 13 Abs. 1 Satz 3 BDG angemessen – belastend aber auch entlastend – zu berücksichtigen. Es kommt auf ihre persönlichen Verhältnisse und ihr sonstiges dienstliches Verhalten an (vgl. Urteil vom 20. Oktober 2005 a.a.O.). Für die Klägerin spricht, dass sie disziplinarisch nicht vorbelastet ist, im Oktober 2002 eine Leistungsprämie erhalten und überdurchschnittliche dienstliche Leistungen erbracht hat. Am 4. März 2002 ist sie mit “2 +”, d.h. besser als “übertrifft die Normalleistung” beurteilt worden. Ferner ist zu ihren Gunsten anzuführen, dass sie aufgrund des – vom Bundesnachrichtendienst zum Teil anerkannten – Mobbingverhaltens Dritter zumindest vorübergehend gesundheitlich beeinträchtigt war.
Da bei objektiver Gewichtung des Dienstvergehens auf der Basis der festgestellten belastenden und entlastenden Umstände nur eine geringe Vertrauensbeeinträchtigung im Sinne des § 13 Abs. 1 Satz 4 BDG eingetreten ist, hält es der Senat auch im Hinblick auf die inzwischen vierjährige Dauer des Disziplinarverfahrens insgesamt für erforderlich, aber auch ausreichend, der Klägerin einen Verweis und damit einen schriftlichen Tadel gemäß § 6 Satz 1 BDG zu erteilen. Von allen bei Beamten im aktiven Dienst in Betracht kommenden Disziplinarmaßnahmen handelt es sich dabei gemäß § 5 Abs. 1 BDG um die mildeste Art der Pflichtenmahnung.
c) Ein Disziplinarmaßnahmeverbot wegen Zeitablaufs nach § 15 Abs. 1 BDG steht dem Ausspruch eines Verweises nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift darf ein Verweis nicht mehr erteilt werden, wenn seit der Vollendung des Dienstvergehens mehr als zwei Jahre vergangen sind. Diese Frist ist noch nicht abgelaufen.
Der Fristenlauf beginnt bei einem aus mehreren Pflichtverletzungen bestehenden Dienstvergehen – wie hier – mit Vollendung der zeitlich letzten Pflichtverletzung; erst zu diesem Zeitpunkt ist das Dienstvergehen vollendet (vgl. Urteil des 1. Disziplinarsenats vom 23. Februar 2005 – BVerwG 1 D 1.04 – Buchholz 232 § 54 Satz 1 BBG Nr. 8 S. 8 m.w.N.). Das war hier am 7. April 2003 (Vorwurf 4) der Fall. Für die Dauer des Widerspruchsverfahrens (8. Oktober 2003 bis 7. Juni 2004, Zustellung des Widerspruchsbescheides) sowie des gerichtlichen Disziplinarverfahrens (ab 5. Juli 2004 bis zur Rechtskraft der Entscheidung) war die Zweijahresfrist gemäß § 15 Abs. 5 Satz 1 BDG gehemmt, d.h. der jeweilige Zeitraum wird in die Frist nicht eingerechnet (vgl. dazu § 209 BGB).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 77 Abs. 4 BDG. Gemessen am Klagebegehren, der vollständigen Aufhebung der Bescheide, stellt ihre Änderung und der Ausspruch eines Verweises nur einen Teilerfolg dar. Dies führt zur Kostenteilung. Gerichtsgebühren werden nicht erhoben (§ 78 Abs. 1 Satz 1 BDG).
Unterschriften
Albers, Dr. Müller, Groepper, Dr. Bayer, Dr. Heitz
Fundstellen
DÖV 2006, 750 |
PersV 2006, 309 |
DVBl. 2006, 651 |
Städtetag 2006, 50 |