Entscheidungsstichwort (Thema)
Nebentätigkeit eines Hochschullehrers. Inanspruchnahme von Personal, Material und Einrichtungen eines Krankenhauses. Nutzungsentgelt wegen Inanspruchnahme von Personal, Material und Einrichtungen eines Krankenhauses auf beamtenrechtlicher und pflegesatzrechtlicher Grundlage
Leitsatz (amtlich)
Ärzte in einem Beamtenverhältnis mit einer vor dem 1. Januar 1993 erteilten Genehmigung, Wahlleistungen zu erbringen, waren in den Jahren 1993 und 1994 verpflichtet, unabhängig voneinander sowohl auf der Grundlage des Nebentätigkeitsrechts des Landes Schleswig-Holstein als auch auf der Grundlage der Bundespflegesatzverordnung einen Teil ihrer Honorare abzuführen.
Normenkette
BRRG § 42; LBG SH § 81; HNtVO SH 1989 § 14; BPflV § 11; BPflV 1993 § 13; GOÄ § 6 a.F. 1993
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches OVG (Urteil vom 27.07.1999; Aktenzeichen 3 L 196/98) |
VG Schleswig-Holstein (Urteil vom 22.06.1998; Aktenzeichen 11 A 345/95) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 27. Juli 1999 wird zurückgewiesen.
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 27. Juli 1999 aufgehoben, soweit es der Berufung des Klägers gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 22. Juni 1998 stattgibt. Die Berufung des Klägers wird in vollem Umfang zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I.
Der Kläger ist als Universitätsprofessor und Direktor der Klinik für Allgemeine Innere Medizin der …-Universität zu K. Beamter im Dienste des Landes Schleswig-Holstein. Ihm war bereits vor dem 1. Januar 1993 genehmigt, in das Klinikum aufgenommene Patienten (stationär) und Patienten während der Sprechstunden innerhalb des Klinikums (ambulant) persönlich zu beraten, zu untersuchen und zu behandeln und hierfür eine besondere Vergütung (Privatliquidation) zu fordern sowie bei der Ausübung der Nebentätigkeit Personal, Einrichtungen und Material des Landes in Anspruch zu nehmen.
Mit Bescheid vom 29. November 1993 setzte der Beklagte gegen den Kläger auf der Grundlage der von ihm abgegebenen Erklärungen über die Bruttovergütung für die Behandlung der Privatpatienten für das erste Halbjahr 1993 einen „Kostenerstattungsbetrag” gemäß § 11 Abs. 3 a i.V.m. § 13 Abs. 3 Nr. 6 a Buchst. b) der Bundespflegesatzverordnung (BPflV) in Höhe von 24 018,59 DM (10 v.H. von 240 185,92 DM) sowie ein Nutzungsentgelt gemäß § 14 Abs. 1 der Hochschulnebentätigkeitsverordnung (HNtVO) in Höhe von 24 273,83 DM (25 v.H. der Bruttovergütung in Höhe von 121 113,80 DM abzüglich des Kostenerstattungsbetrages in Höhe von 24 018,59 DM) fest.
Die nach erfolglosem Widerspruch erhobene Anfechtungsklage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid insoweit aufgehoben, als eine Kostenerstattung in Höhe von 24 018,59 DM nach der Bundespflegesatzverordnung festgesetzt worden ist. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
Der durch die angefochtenen Bescheide geltend gemachte Erstattungsanspruch sei, auch soweit er nach § 13 Abs. 3 Nr. 6 a Buchst. b) i.V.m. § 11 Abs. 3 a BPflV geltend gemacht werde, beamtenrechtlicher Natur. Hierfür fehle dem Bund die Gesetzgebungskompetenz. Im Hinblick darauf, dass Rechtsverordnungen über den dafür gesetzlich gesteckten Rahmen nicht hinausgehen dürften, gelte die verfassungsrechtliche Gesetzgebungskompetenz mittelbar auch für den Inhalt von Rechtsverordnungen.
§ 11 Abs. 3 a, § 13 Abs. 3 Nr. 6 a Buchst. b) BPflV unterlägen der Verwerfungskompetenz der Verwaltungsgerichte, ohne dass es zur Frage der Verfassungsgemäßheit dieser Normen einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht bedürfe.
Im Übrigen sei die Berufung des Klägers jedoch unbegründet. Gegen die Pauschalierung des Nutzungsentgelts auf beamtenrechtlicher Grundlage bestünden keine grundsätzlichen rechtlichen Bedenken. Die Erhebung eines 25%igen Nutzungsentgelts bezogen auf die Gesamtbruttovergütung verstoße nicht gegen das Kostendeckungsprinzip, auch wenn gegenüber dem Kläger als „Altvertragler” zweifach Kostenerstattungsansprüche hinsichtlich der pflegesatzmindernden Kosten wahlärztlicher Leistungen auf der Grundlage der Bundespflegesatzverordnung einerseits und landesbeamtenrechtlicher Nutzungsentgeltregelungen andererseits erhoben würden. Hinsichtlich der Regelungen für „Altvertragler” sei entgegen dem Wortlaut aus der Systematik und dem erkennbaren gesetzgeberischen Willen zu schließen, dass durch die bundespflegesatzrechtliche Kostenerstattungsregelung nicht eine zusätzliche, zu dem bisher aufgrund beamtenrechtlicher Vorschriften zu entrichtenden Gesamtbetrag des Nutzungsentgelts hinzuzurechnende Kostenerstattung zu leisten sei. Schließlich erweise sich die Höhe des abzuführenden Nutzungsentgeltes in Höhe von 25 v.H. der Bruttoeinnahmen nicht als Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip. Ausgangspunkt der Bemessung des dem Arzt zu belassenden eindeutig überwiegenden Vorteils sei nicht der vollständig unbereinigte Gebührenanspruch als „Wertschöpfung” ärztlicher Tätigkeit.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision beantragt der Kläger,
- das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 27. Juli 1999, soweit die Berufung zurückgewiesen worden ist, das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 22. Juni 1998, soweit es nicht durch das Berufungsurteil geändert worden ist, sowie den Bescheid des Beklagten vom 29. November 1993 und den Widerspruchsbescheid vom 30. August 1995, soweit vom Kläger ein Nutzungsentgelt in Höhe von 24 273,83 DM gefordert wird, aufzuheben,
- die Revision des Beklagten zurückzuweisen.
Er rügt wegen der Zurückweisung seiner Berufung die Verletzung materiellen Rechts und verteidigt im Übrigen das angefochtene Urteil.
Der Beklagte rügt ebenfalls die Verletzung materiellen Rechts und beantragt,
- das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 27. Juli 1999 aufzuheben, soweit der Bescheid des Beklagten vom 29. November 1993 aufgehoben worden ist, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 22. Juni 1998 insgesamt zurückzuweisen,
- die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Die Revision des Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Wiederherstellung des Urteils erster Instanz. Der Beklagte hat den Kläger zu Recht zu einem Nutzungsentgelt auf beamtenrechtlicher Grundlage und zu einer „Kostenerstattung” auf pflegesatzrechtlicher Grundlage herangezogen.
Gemäß den für das Jahr 1993 noch anzuwendenden § 14 Abs. 1 und § 11 Abs. 2 der Landesverordnung über die Nebentätigkeit der im Hochschulbereich tätigen Beamtinnen und Beamten (HNtVO) vom 15. Dezember 1989 (GVOBl S. 219) und § 81 Abs. 4, § 85 Satz 2 Nr. 6 LBG in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Juni 1991 (GVOBl S. 276) durfte ein Nutzungsentgelt festgesetzt werden. Nach dieser Bestimmung hat ein Beamter für in klinischen Abteilungen stationär oder teilstationär erbrachte Leistungen zum Ausgleich der Kosten, die nicht im Pflegesatz enthalten sind, und als Vorteilsausgleich ein pauschales Nutzungsentgelt von 25 v.H. der Bruttovergütung zu erstatten.
Das Nutzungsentgelt nach beamtenrechtlichen Vorschriften soll einen Ausgleich für die Vorteile schaffen, die dem Beamten dadurch wirtschaftlich zugute kommen, dass er die Hilfsmittel nicht auf eigenes Risiko anzuschaffen und zu unterhalten hat und nicht die Arbeitskraft des Personals vergüten muss (stRspr; z.B. Urteile vom 31. Januar 1974 – BVerwG 2 C 36.70 – Buchholz 237.5 § 81 HessBG Nr. 1 S. 13; vom 2. September 1999 – BVerwG 2 C 22.98 – BVerwGE 109, 283 ≪291≫). Aufgrund der Genehmigung, Personal, Material und Einrichtungen des Dienstherrn im Rahmen einer Nebentätigkeit in Anspruch zu nehmen, bleibt dem Beamten das betriebliche Risiko eines effizienten Einsatzes der bereits vorhandenen, kostenaufwendigen materiellen und personellen Ausstattung erspart. Dieser Nutzungsvorteil wird durch das Nutzungsentgelt abgeschöpft.
Ein Nutzungsentgelt in Höhe von 25 v.H. der Bruttovergütung ist regelmäßig angemessen (stRspr; vgl. BVerwGE 87, 1 ≪9 f.≫; 109, 283 ≪289≫). Besondere Umstände, nach denen im vorliegenden Fall der Vom-Hundert-Satz unangemessen sein könnte, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt und sind auch vom Kläger nicht geltend gemacht worden.
An der Höhe des auf beamtenrechtlicher Grundlage zu entrichtenden Nutzungsentgelts ändert die bundespflegesatzrechtliche Kostenerstattungspflicht nichts. Das ergibt sich aus Wortlaut, Sinnzusammenhang, Zweck und Entstehungsgeschichte der bundesrechtlichen Regelung. § 11 Abs. 3 a der Verordnung zur Regelung der Krankenhauspflegesätze – Bundespflegesatzverordnung – (BPflV) vom 21. August 1985 (BGBl I S. 1666) in der am 1. Januar 1993 in Kraft getretenen Fassung des Art. 12 Abs. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung – Gesundheitsstrukturgesetz (GSG) – vom 21. Dezember 1992 (BGBl I S. 2266) verpflichtet den Arzt, dessen Berechtigung, wahlärztliche Leistungen nach § 7 Abs. 3 BPflV gesondert zu berechnen, auf einem mit dem Krankenhausträger vor dem 1. Januar 1993 geschlossenen Vertrag oder einer von diesem vor dem 1. Januar 1993 beamtenrechtlich genehmigten Nebentätigkeit beruht (sog. „Altvertragler”), dem Krankenhausträger die auf diese Wahlleistungen im Pflegesatzzeitraum entfallenden, nach § 13 Abs. 3 Nr. 6 a BPflV in den Jahren 1993, 1994 und 1995 nicht pflegesatzfähigen Kosten zu erstatten. Nach dem für denselben Zeitraum geltenden § 13 Abs. 3 Nr. 6 a BPflV 1993 sind nicht pflegesatzfähig als Kosten wahlärztlicher Leistungen nach § 7 Abs. 3 bei Kostenerstattung nach § 11 Abs. 3 a in den Jahren 1993, 1994 und 1995
- 60 v.H. von 85 v.H. des für diese Leistungen zwischen dem Krankenhausträger und dem Arzt vereinbarten oder auf Grund beamtenrechtlicher Vorschriften zu entrichtenden Gesamtbetrags für das Nutzungsentgelt (Kostenerstattung und Vorteilsausgleich sowie diesen vergleichbare Abgaben) sowie
- unabhängig davon und außerhalb des Nutzungsentgelts 10 v.H. der auf die wahlärztlichen Leistungen vor Abzug der Gebührenminderung nach § 6 a Abs. 1 Satz 2 Buchst. a der Gebührenordnung für Ärzte … entfallenden Gebühren.
§ 13 Abs. 3 Nr. 6 a Buchst. a BPflV 1993, auf den die Verpflichtung des Altvertraglers zur Kostenerstattung in § 11 Abs. 3 a BPflV 1993 verweist, setzt ausdrücklich einen Anspruch des Krankenhausträgers gegen den liquidationsberechtigten Krankenhausarzt auf vertraglicher oder beamtenrechtlicher Grundlage voraus. Die bundesrechtliche Vorschrift beschränkt diesen Anspruch nicht. Sie kappt durch die Begrenzung auf 60 v.H. von 85 v.H. des Gesamtbetrages des Nutzungsentgelts lediglich die pflegesatzmindernden Einnahmen der Krankenhäuser aus den Nutzungsentgelten. Während bisher die volle Kostenerstattung einschließlich Vorteilsausgleich berechnet auf 85 v.H. der Einnahmen nach GOÄ zur Verringerung des Pflegesatzes führte, sollte dies in den Jahren 1993 bis 1995 im rechnerischen Ergebnis nur noch zu 51 v.H. der Fall sein. Die Bestimmung, inwieweit das Nutzungsentgelt den Pflegesatz mindert, stellt eine Höchstbetragsregelung zugunsten der Krankenhäuser dar. Sie erfasst entsprechend dem bisherigen Pflegesatzrecht – nur den pflegesatzmindernd zu berücksichtigenden Teil des beamtenrechtlich zu entrichtenden Nutzungsentgelts. Auf die Höhe des vom Arzt zu entrichtenden Nutzungsentgelts wirkt sie sich nicht aus. Das verdeutlicht zusätzlich § 11 Abs. 6 BPflV 1993. Danach werden „beamtenrechtliche oder vertragliche Regelungen über die Entrichtung eines Entgelts bei der Inanspruchnahme von Einrichtungen, Personal und Material des Krankenhauses, soweit sie ein über die bundespflegesatzrechtliche Kostenerstattung hinausgehendes Nutzungsentgelt festlegen, durch die Vorschriften der Absätze 1 bis 5 nicht berührt”.
Die Zahlungspflicht des Klägers auf beamtenrechtlicher Grundlage war auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil nach § 13 Abs. 3 Nr. 6 a Buchst. a) BPflV 1993 das Nutzungsentgelt teilweise pflegesatzfähig war und somit in diesem Umfang Kosten des Krankenhauses bereits anderweitig gedeckt waren. Hieraus ergab sich keine Beschränkung der Abführungspflicht der Ärzte auf beamtenrechtlicher Grundlage, weil das von ihnen zu entrichtende Nutzungsentgelt – anders als die Pflegesätze – jedenfalls nicht ausschließlich der Kostenerstattung und Kostendeckung dient.
Soweit § 81 Abs. 4 LBG in Übereinstimmung mit § 42 Abs. 4 Satz 2 BRRG vorsieht, dass sich das Nutzungsentgelt nach den dem Dienstherrn entstehenden Kosten zu richten hat und den besonderen Vorteil berücksichtigen muss, der dem Beamten durch die Inanspruchnahme entsteht, geht es nicht um zwei Berechnungsfaktoren, die in Kombination die Höhe des Nutzungsentgelts bestimmen, sondern um verschiedene Gesichtspunkte, nach denen die Höhe des Nutzungsentgelts ermittelt werden kann. Während sich die „Kostenerstattung” auf die betriebswirtschaftlichen Kosten bezieht, die dem Krankenhausträger durch die Bereitstellung von Personal, Material und Einrichtungen entstehen, bestimmt sich der Nutzungsvorteil ausschließlich aus der Sicht des Arztes, der wahlärztliche Leistungen erbringt. Da diese beiden Werte nicht einander entsprechen, sondern in einen Vergleich miteinander treten, ist das Nutzungsentgelt der Höhe nach gerechtfertigt, wenn es einer dieser Vergleichsgrößen entspricht (vgl. Urteil vom 26. Januar 1978 – BVerwG 2 C 34.74 – Buchholz 237.7 § 75 LBG NW Nr. 1 S. 3 f.).
Ob der Beklagte zutreffend von der Bemessungsgrundlage nach § 14 HNtVO a.F. („Bruttovergütung”) den mit demselben Bescheid nach § 11 Abs. 3 a BPflV 1993 erhobenen Betrag abgezogen hat, ist nicht Gegenstand der Anfechtungsklage, weil der Kläger insoweit ausschließlich begünstigt worden ist.
Die zusätzliche Heranziehung des Klägers zur Zahlung von 24 018,59 DM für das 1. Halbjahr 1993 ist gemäß § 11 Abs. 3 a in Verbindung mit § 13 Abs. 3 Nr. 6 a Buchst. b) BPflV 1993 rechtmäßig. Diese Vorschrift verpflichtet den liquidationsberechtigten Krankenhausarzt mit einer vor dem 1. Januar 1993 erteilten Nebentätigkeitsgenehmigung nach Beamtenrecht zusätzlich zur Abführung von 10 v.H. seiner Honorare aus Wahlleistungen. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 13 Abs. 3 Nr. 6 a BPflV 1993 wirken sich zwei selbständige Faktoren kumulativ pflegesatzentlastend aus, nämlich der im rechnerischen Ergebnis 51 v.H. betragende Anteil der Nutzungsentgelte sowie 10 v.H. der auf die wahlärztlichen Leistungen entfallenden (ungeminderten) Gebühren.
Eine Verrechnung oder Saldierung des aufgrund beamtenrechtlicher Vorschriften zu entrichtenden Nutzungsentgelts und der nach § 11 Abs. 3 a in Verbindung mit § 13 Abs. 3 Nr. 6 a Buchst. b) BPflV 1993 abzuführenden 10 v.H. der Gebühren für wahlärztliche Leistungen schließt § 13 Abs. 3 Nr. 6 a Buchst. b) BPflV 1993 ausdrücklich aus: Die dort genannten 10 v.H. sind „unabhängig davon und außerhalb des Nutzungsentgelts” nicht pflegesatzfähig und abzuführen.
Sinnzusammenhang, Zweck und Entstehungsgeschichte bestätigen diese sich bereits aus dem Gesetzeswortlaut ergebende Auslegung. § 13 Abs. 3 Nr. 6 a Buchst. b) BPflV 1993 korrespondiert mit dem dort in Bezug genommenen § 6 a Abs. 1 Satz 2 Buchst. a GOÄ 1993. Nach § 6 a Abs. 1 Satz 1 GOÄ in der seit dem 1. Januar 1993 geltenden Fassung (Art. 20 GSG) sind die nach der GOÄ berechneten Gebühren bei stationären, teilstationären sowie vor- und nachstationären privatärztlichen Leistungen um 25 v.H. zu mindern. Abweichend davon beträgt nach § 6 a Abs. 1 Satz 2 Buchst. a GOÄ die Minderung lediglich 15 v.H. bei wahlärztlichen Leistungen nach § 7 Abs. 3 BPflV, die in den Jahren 1993, 1994 und 1995 von Ärzten des Krankenhauses erbracht werden, die aufgrund vor dem 1. Januar 1993 mit dem Krankenhausträger geschlossener Verträge oder beamtenrechtlich genehmigter Nebentätigkeit zur gesonderten Berechnung dieser Leistungen berechtigt sind. Die für Altvertragler um 10 v.H. geminderte Gebührenabsenkung soll den Krankenhäusern zugute kommen. Ihnen sollen die insoweit höheren Einnahmen an Gebühren für wahlärztliche Leistungen zufließen, und zwar in der Weise, dass dieser Gebührenanteil nach § 11 Abs. 3 a in Verbindung mit § 13 Abs. 3 Nr. 6 a Buchst. b) BPflV 1993 vom Arzt an den Krankenhausträger abzuführen ist (vgl. BTDrucks 12/3608, S. 140). Durch die Abführung von 10 v.H. ihrer Honorare für wahlärztliche Leistungen an die Krankenhäuser sollen die liquidationsberechtigten Ärzte mit „Altverträgen” während der sog. Budgetierungsphase die besondere Pflegesatzminderung ausgleichen.
Die für die liquidationsberechtigten Ärzte im Ergebnis „belastungsneutrale” Abführung von 10 v.H. ihrer ungeminderten Honorareinnahmen (§ 13 Abs. 3 Nr. 6 a Buchst. b) BPflV 1993) statt der für „Neuvertragler” um 10 v.H. erhöhten Gebührenminderung ist ebenso wie die Pflicht zur Entrichtung eines Nutzungsentgelts auf beamtenrechtlicher Grundlage (vgl. BVerfGE 52, 303 ≪329 f.≫; BVerwGE 87, 1 f.) mit höherrangigem Recht vereinbar.
Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die „Erstattungsregelung” des § 11 Abs. 3 a BPflV 1993 ergibt sich aus Art. 74 Nr. 19 a GG. Die konkurrierende Gesetzgebung auf dem Gebiet der wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und der Regelung der Krankenhauspflegesätze erstreckt sich jedenfalls auf die Einnahmen, die die Ausgaben für eine leistungsfähige Krankenhausversorgung ausgleichen sollen, und schließt die Befugnis ein zu bestimmen, wer in welcher Höhe Zahlungen zu erbringen hat, um diese Kosten zu decken. Zu solchen zweckgebundenen Finanzierungsbeiträgen können kompetenzgemäß jedenfalls auch Ärzte verpflichtet werden, die berechtigt sind, die Infrastruktur des Krankenhauses zur Erzielung eigener Einkünfte in Anspruch zu nehmen (vgl. BVerfGE 52, 303 ≪336 f.≫; 83, 363 ≪379 f.≫).
Hinsichtlich der verfassungsbestimmten Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen zwischen dem Bund und den Ländern ist es unerheblich, ob und in welchem Umfang Zahlungen der Ärzte andere an der Finanzierung der Krankenhäuser Beteiligte entlasten. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob auch Ärzte in einem Beamtenverhältnis gemäß § 11 Abs. 3 a BPflV 1993 verpflichtet sind. Die Vorschrift knüpft nicht an einen bestimmten Status, sondern erfasst alle liquidationsberechtigten Ärzte ohne Rücksicht darauf, ob ein privatrechtliches oder ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis besteht. Dass eine Zahlungspflicht auf bundesrechtlicher Grundlage neben einer Zahlungspflicht nach landesbeamtenrechtlichen Bestimmungen statuiert wird, beruht auf verschiedenen Gesetzgebungskompetenzen.
Der Finanzierungsbeitrag der Ärzte auf pflegesatzrechtlicher Grundlage wie auch das Nutzungsentgelt nach beamtenrechtlichen Bestimmungen sind keine Sonderabgaben, deren Erhebung besonderer verfassungsrechtlicher Rechtfertigung bedarf (vgl. BVerfGE 93, 319 ≪342 f.≫). Vielmehr sind sie Vermögensausgleich unter dem Gesichtspunkt der Erstattung von Kosten, die dem Krankenhausträger durch die Wahlleistungen entstehen, und Vorteilsausgleich unter dem Gesichtspunkt sowohl der Abschöpfung des Gebührenvorsprungs nach § 6 a GOÄ als auch der Möglichkeit, die Infrastruktur des Krankenhauses zu nutzen. Hinsichtlich eines Vermögens- und Vorteilsausgleichs ergeben sich aus der bundesstaatlichen Finanzverfassung keine Begrenzungen.
Art. 33 Abs. 5 GG ist nicht verletzt. Es gibt keinen durch diese Bestimmung geschützten herkömmlichen Grundsatz des Berufsbeamtentums des Inhalts, dass der Dienstherr dem Beamten Einkünfte aus Nebentätigkeiten ungeschmälert belassen muss, wenn der Beamte sich zu ihrer Erzielung des Materials oder Personals des Dienstherrn bedient (BVerfGE 52, 303 ≪344≫; BVerwGE 87, 1 ≪3≫). Art. 33 Abs. 5 GG schützt auch nicht ein Vertrauen der liquidationsberechtigten Ärzte dahin gehend, dass sie wegen einer Inanspruchnahme von Personal, Material und Einrichtungen des Krankenhauses zu keinen weitergehenden Zahlungen verpflichtet werden als zu dem Zeitpunkt, zu dem ihnen die Berechtigung eingeräumt worden ist.
Die Auferlegung eines besonderen Finanzierungsbeitrags ist mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Zwar werden u.a. Beamte, denen nebentätigkeitsrechtliche Genehmigungen vor dem 1. Januar 1993 erteilt worden sind, gemäß § 11 Abs. 3 a i.V.m. § 13 Abs. 3 Nr. 6 a Buchst. b) BPflV a.F. zu einem Finanzierungsbeitrag in Höhe von 10 v.H. der (ungeminderten) Honorareinnahmen herangezogen, den Beamte und andere, denen die Befugnis der Privatliquidation erst nach dem 31. Dezember 1992 eingeräumt worden ist, gemäß § 11 Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 3 Nr. 6 BPflV a.F. nicht zu leisten haben. Diese unterschiedliche Regelung findet jedoch eine die Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes ausschließende Rechtfertigung, weil in den Jahren 1993 und 1994 die Begünstigung der sog. „Altvertragler” nach § 6 a Abs. 1 GOÄ die zusätzliche Abführungspflicht kompensiert hat. Während diejenigen Ärzte, die erst nach Änderung der pflegesatzrechtlichen Vorschriften durch das Gesundheitsstrukturgesetz zur Privatliquidation befugt waren, gemäß § 6 a Abs. 1 Satz 1 GOÄ eine die Einnahmen beeinflussende Minderung der Gebühren um 25 v.H. hinnehmen mussten, war für die Ärzte mit einer Liquidationsberechtigung aus der Zeit vor dem 1. Januar 1993 nur eine Minderung der Gebühren im Umfang von 15 v.H. vorgesehen. Aus der Sicht des Art. 3 Abs. 1 GG ist gleichheitserheblich der durch die Gesamtregelung hergestellte Belastungserfolg (vgl. BVerfGE 96, 1 ≪8≫ zum Einkommensteuerrecht). In der Zusammenschau von § 6 a Satz 1 GOÄ und § 11 Abs. 3 und Abs. 3 a BPflV 1993 sind sog. „Altvertragler” gegenüber sog. „Neuvertraglern” jedenfalls nicht stärker belastet.
Im vorliegenden Falle bedarf es keiner Entscheidung, ob an dem in der bisherigen Rechtsprechung aufgestellten Grundsatz festzuhalten ist, dass dem Beamten der eindeutig überwiegende Teil des aus der Nebentätigkeit gewonnenen Nutzens verbleiben muss (vgl. Urteile vom 31. Januar 1974 – BVerwG 2 C 36.70 – Buchholz 237.5 § 81 HessBG Nr. 1 S. 13; vom 26. Januar 1978 – BVerwG 2 C 34.74 – Buchholz 237.7 § 75 LBG NW Nr. 1 S. 4; BVerwGE 87, 1 ≪6≫; 109, 283 ≪290≫). Die Abzüge des Klägers nach § 14 HNtV a.F. und nach § 11 Abs. 3 a BPflV 1993 betragen insgesamt ca. ein Drittel seiner Bruttohonorare (10 v.H. der um 15 v.H. zu erhöhenden Honorare = 11,5 v.H. zuzüglich 25 v.H.). Damit verbleibt dem Kläger der deutlich überwiegende Teil seiner Einkünfte aus der Nebentätigkeit. Selbst wenn die Honorarkürzung um 15 v.H. nach § 6 a Abs. 1 Satz 2 GOÄ in der Fassung des Art. 20 Nr. 1 GSG berücksichtigt würde, errechnete sich auf der Grundlage der ungeminderten Gebühren ein Abzug von weniger als 50 v.H. (15 v.H. gemäß § 6 a GOÄ zuzüglich 10 v.H. gemäß § 11 Abs. 3 a i.V.m. § 13 Abs. 3 Nr.6 a Buchst. b) BPflV 1993 zuzüglich weniger als 25 v.H. bezogen auf diese Bemessungsgrundlage nach § 14 Abs. 1 HNtVO a.F.).
Im Hinblick auf den „Mindestbehalt” der liquidationsberechtigten Ärzte ist es unerheblich, dass diese aus Anlass ihrer Nebentätigkeit weitere Kosten haben – z.B. wegen der Mitarbeitervergütung nach § 7 Abs. 4 HNtVO, wegen Auslagen für Versicherungen usw. Derartige Aufwendungen lassen den Vorteil unberührt, der dem Beamten aus der Inanspruchnahme von Einrichtungen, Personal und Material des Dienstherrn erwächst (vgl. BVerwGE 109, 283 ≪290≫).
Der Beklagte war berechtigt, die vom Kläger auf pflegesatzrechtlicher Grundlage geschuldete Zahlung durch Leistungsbescheid geltend zu machen. Einer ausdrücklichen Bestimmung, dass die Forderung durch einen Verwaltungsakt erhoben werden darf, bedurfte es nicht. Dies folgt aus der Befugnis der Exekutive, zur Erfüllung ihrer Verwaltungsaufgaben einschließlich der Heranziehung des Einzelnen zu Leistungen Verwaltungsakte zu erlassen, soweit eine öffentlich-rechtliche Rechtsbeziehung besteht und gesetzlich nicht ausdrücklich Abweichendes bestimmt ist. In dem öffentlich-rechtlichen Beamtenverhältnis ist der Dienstherr grundsätzlich befugt, einseitig und verbindlich Regelungen im Einzelfall zu treffen. Für die Heranziehung des beamteten Arztes nach den pflegesatzrechtlichen Bestimmungen gilt nichts anderes als etwa für die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches (vgl. z.B. BVerwGE 19, 243 ≪245 f.≫; 81, 301 ≪303≫) oder für die Rückforderung von Dienst- und Versorgungsbezügen (vgl. z.B. BVerwGE 28, 1 f.; 37, 314 ≪319≫).
Dass auch Ärzte in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis gemäß § 11 Abs. 3 a BPflV a.F. einen Teil ihrer Einnahmen abzuführen haben und deren Verpflichtung auf privatrechtlicher Grundlage besteht – also nicht durch Verwaltungsakt zu regeln ist – (vgl. BAGE 85, 67 f.; 87, 341 f.), schließt den Erlass eines Leistungsbescheides gegen Ärzte im Beamtenverhältnis nicht aus. Der Gesetzgeber hat sich dafür entschieden, den Anspruch nach § 11 Abs. 3 a BPflV a.F. im Rahmen des jeweils bestehenden Rechtsverhältnisses abzuwickeln. Während er für die Rechtsverhältnisse des Privatrechts eine Anpassung der vertraglichen Vereinbarungen an die normativen Vorgaben vorgesehen hat (vgl. Art. 26 GSG), ging er davon aus, dass die verwaltungsverfahrensrechtlich allgemein vorgesehenen Handlungsinstrumente ausreichen, um den gesetzlich unmittelbar begründeten Anspruch geltend machen und durchsetzen zu können.
Die Kostenentscheidung folgt, soweit die Revision des Beklagten Erfolg hat, aus § 154 Abs. 1 VwGO und im Übrigen aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Unterschriften
Dr. Silberkuhl, Dawin, Dr. Kugele, Groepper, Dr. Bayer
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 16.11.2000 durch Rakotovao Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
NJW 2001, 2817 |
BVerwGE, 170 |
NVwZ-RR 2001, 390 |
NVwZ 2001, 810 |
ZBR 2001, 179 |
ZTR 2001, 286 |
DÖD 2001, 256 |
DÖV 2001, 699 |
WissR 2001, 384 |
DVBl. 2001, 737 |