Leitsatz (amtlich)
Die Regelung des § 14 BDG ist wegen der darin enthaltenen materiellrechtlichen Besserstellung eines angeschuldigten Beamten auch auf sog. Altfälle anzuwenden, die noch nach bisherigem Recht, d.h. in verfahrensrechtlicher Hinsicht nach der BDO fortzuführen sind. Danach kann abweichend von der Rechtsprechung des Senats zu § 14 BDO auch in Altfällen im Anschluss an eine Einstellung des sachgleichen Strafverfahrens wegen Geringfügigkeit des Verschuldens, die gemäß § 153a StPO gegen Zahlung einer Geldbuße erfolgt ist, unter den weiteren Voraussetzungen des § 14 BDG ein disziplinarrechtliches Maßnahmeverbot bestehen.
Normenkette
BDG § 14 Abs. 1 Nr. 2, § 85 Abs. 1 S. 1, Abs. 3-10; BDO §§ 14, 64 Abs. 1 Nr. 7, § 76 Abs. 3 S. 1, § 87 Abs. 1 S. 1; BBG § 54 Sätze 2-3, § 77 Abs. 1 S. 1; StGB § 2 Abs. 3; StPO § 153a Abs. 2
Verfahrensgang
BDIG (Urteil vom 21.05.2003; Aktenzeichen VII VL 3/03) |
Tenor
Auf die von der Einleitungsbehörde fortgeführte Berufung des Bundesdisziplinaranwalts wird das Urteil des Bundesdisziplinargerichts, Kammer VII – … –, vom 21. Mai 2003 aufgehoben.
Das Verfahren wird eingestellt.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der dem Polizeihauptmeister im Bundesgrenzschutz … hierin erwachsenen notwendigen Auslagen werden dem Bund auferlegt.
Gründe
1. Der Bundesdisziplinaranwalt hat dem am … in … geborenen Beamten vorgeworfen, dadurch ein Dienstvergehen begangen zu haben, dass er
im Zeitraum vom 23. November 1998 bis 5. Februar 1999 in insgesamt 35 Fällen Telefonate – davon 29 während der Dienstzeit – zu 0190-Service-Nummern sowie ins Ausland über ein Diensttelefon mit einem Gebührenaufkommen von 358,37 DM geführt hat, ohne anzuzeigen, dass es sich in den jeweiligen Fällen um Privattelefonate gehandelt hat.
2. Das Bundesdisziplinargericht hat durch Urteil vom 21. Mai 2003 den Beamten freigesprochen und die Kosten des Verfahrens und die dem Beamten erwachsenen notwendigen Auslagen dem Bund auferlegt. Es hat seiner Entscheidung folgenden Sachverhalt zugrunde gelegt:
“Der Beamte war zum Zeitpunkt des ihm vorgehaltenen Sachverhalts als Bearbeiter im Sachgebiet …’ der Bundesgrenzschutzinspektion … tätig.
Im September 1998 wurde der Beamte von seinem Vorgesetzten, dem Zeugen M…, damit beauftragt, eine Verfügung zur Thematik Kinderpornographie auszuarbeiten. Hintergrund dieses Auftrages war eine Anregung des Beamten, da im Zuständigkeitsbereich der Bundesgrenzschutzinspektion … Sachverhalte zu Tage getreten waren, die mit dem Thema Kinderpornographie zu tun hatten. Insbesondere handelte es sich um Reisebewegungen von Personen, die durch das Bundeskriminalamt und die Bundesgrenzschutzdivision zur Fahndung ausgeschrieben waren, vor allem im Reiseverkehr von und in die … Länder. Im Rahmen der Ausarbeitung dieser Verfügung konsultierte der Beamte verschiedene Behörden, trug verschiedene Unterlagen zusammen und fertigte auf der Basis aller zusammengetragenen Informationen unter dem 14. Januar 1999 eine Verfügung, die er in den weiteren Geschäftslauf gab. Die Verfügung wurde insbesondere den Vorgesetzten zur Abstimmung und Kenntnisnahme vorgelegt und später zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt an die weiteren nachgeordneten Dienststellen weitergeleitet.
Im Rahmen der Zusammentragung von Informationen führte der Beamte im Zeitraum November 1998 bis Februar 1999 35 Anrufe zu 0190-Service-Nummern durch. Sechs dieser Anrufe wurden in der Mittagspause getätigt, die anderen während der Dienstzeit. Es handelte sich jeweils um sog. ‘Telefon-Sex-Anbieter’. Insgesamt fielen für diese Gespräche Telefongebühren in Höhe von 358,37 DM an, das sind 138,17 € (richtig: 183,23 €). Die Telefonate führte der Beamte, wenn er alleine in seinem Dienstzimmer war.
Die Anschuldigungsschrift wirft dem Beamten vor, trotz des ihm bekannten Verbots der privaten Nutzung dienstlicher Telefone diese 35 Telefonate über das Diensttelefon geführt zu haben, ohne anzuzeigen, dass es sich um Privattelefonate gehandelt habe. Es sei davon auszugehen, dass hier ausschließlich vor privat motiviertem Hintergrund gehandelt worden sei und dienstliche Gründe lediglich hinterhergeschoben worden seien. Weder sei die Strafverfolgung aus diesem Deliktsbereich Aufgabe des Bundesgrenzschutzes, noch seien dem Beamten strafrechtliche Ermittlungen aufgetragen worden. Indiziell wirke auch, dass sich die 35 registrierten Anrufe auf wenige Anbieter konzentrierten, ein Anbieter (virtueller Maskenball) sei allein acht Mal angewählt worden. Für den privaten Hintergrund spreche auch die Dauer der Gespräche. So sei nicht erklärlich, weshalb ein Gespräch bis zu 8 ½ Minuten dauern müsse, um sich über den Inhalt des Angebots zu informieren. Zudem würden einige der angewählten Nummern in ihrem Titel bereits den Zusatz ‘Domina’ führen, der in keiner Weise auf pädophile Inhalte hinweise. Es widerspreche auch jeder kriminalistischer Erfahrung, dass Kinderpornographie über in der Tagespresse veröffentlichte 0190er-Telefonnummern verbreitet würde. Da darüber hinaus der Beamte weder seinen unmittelbaren Vorgesetzten noch sonst jemanden über diese Details seiner Ermittlungen informiert habe noch Aufzeichnungen zu den angewählten Servicenummern gefertigt habe, die Gespräche auch immer heimlich geführt habe, wenn er allein im Dienstzimmer gewesen sei, sei davon auszugehen, dass es sich um Privattelefonate gehandelt habe. Mit diesem Verhalten habe der Beamte seine Dienstpflichten aus § 54 Satz 2 und 3, § 55 Satz 2, § 77 Abs. 1 Satz 1 BBG verletzt.
Der Beamte hat sich dahingehend eingelassen, er habe die Telefonate ausschließlich aus dienstlichen Gründen geführt. Er habe in Ausführung der Aufgabenstellung die 0190-Service-Nummern gewählt, um Hinweise und Fahndungsansätze zur Problematik der Kinderpornographie zu erhalten. Es sei ihm darum gegangen, das Thema vollständig zu erfassen und nach allen Seiten hin abzuklopfen. Die Verfügung zur ‘Kinderpornographie’ habe den Sinn gehabt, den Kollegen im nachgeordneten Bereich umfassende Informationen zukommen zu lassen. Strafrechtlich habe er nicht ermitteln wollen, sondern lediglich das Thema umfassend erarbeiten wollen. Die Gespräche habe er deshalb jeweils allein geführt, da die Gesprächsverbindungen sehr störanfällig gewesen seien. Über Warteschleifen und Optionsmöglichkeiten sei man weiter- oder zurückgeschaltet worden, oft sei die Verbindung auch zusammengebrochen. Nachdem die Ermittlungen kein Ergebnis erbracht hätten, habe er die abschließende Verfügung erstellt, die nach Zeichnung durch seinen Vorgesetzten ungefähr Mitte Februar 1999 an die nachgeordneten Dienststellen und das Grenzschutzpräsidium … versandt worden sei. Er habe dann einen abschließenden Vermerk erstellt, in dem er auch angemerkt habe, dass die 0190-Nummern zu keinen Erkenntnissen geführt hätten. Ca. drei Wochen später habe man ihn mit dem Vorwurf konfrontiert, unerlaubte private Gespräche geführt zu haben. Er habe daraufhin dem Zeugen G… erklärt, dass er die Gespräche dienstlich geführt habe. Wenn die Dienststelle allerdings der Auffassung sei, dass die dienstliche Notwendigkeit nicht gegeben sei, habe er angeboten, die Kosten für die Telefonate selbst zu tragen. Eine solche Aufforderung seitens seiner Dienststelle sei bis heute nicht ergangen. Der Zeuge G… habe ihm vielmehr erklärt, er – der Beamte – könne die Kosten deshalb nicht bezahlen, da es ja keine privaten Gespräche gewesen seien. Die Geldbuße habe er auf Anraten seines Anwaltes nur gezahlt, um das Gerichtsverfahren rasch beenden und bald wieder auf seine Dienststelle zurückkehren zu können.”
Das Bundesdisziplinargericht hat den Beamten freigesprochen, weil trotz verschiedener belastender Indizien ein Dienstvergehen im Sinne des § 77 Abs. 1 BBG nicht mit ausreichender Sicherheit festzustellen gewesen sei.
3. Hiergegen hat der Bundesdisziplinaranwalt rechtzeitig Berufung eingelegt und beantragt, gegen den Beamten eine angemessene Disziplinarmaßnahme zu verhängen. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor:
Die von dem Bundesdisziplinargericht vorgenommene Beweiswürdigung überzeuge nicht. Es stelle selbst fest, dass verschiedene Indizien darauf hinwiesen, dass der Beamte widerrechtlich Privatgespräche im Dienst geführt haben könnte. Diese Hinweise führe das Gericht im Einzelnen auf. In der weiteren Beweiswürdigung habe sich das Gericht damit jedoch nicht erschöpfend auseinander gesetzt und sei daher zu einem unzureichenden Ergebnis gekommen. Es sei im Wesentlichen nur den Einlassungen des Beamten gefolgt, ohne diese inhaltlich sowie auch die persönliche Glaubwürdigkeit des Beamten hinreichend zu würdigen.
Es stehe beispielsweise fest, dass der Beamte teilweise dieselben 0190-Nummern mehrfach gewählt habe. Es sei nicht nachvollziehbar, inwieweit dies für die von ihm angeblich vorgenommenen Ermittlungen erforderlich gewesen sein solle. Im Rahmen der 35 registrierten entsprechenden Anrufe habe der Beamte beispielsweise einen Anbieter (“Virtueller Maskenball”) allein achtmal angewählt. Schon diese Tatsache sei nicht mit seinen Einlassungen im Hinblick auf vermeintliche dienstliche Ermittlungen in Einklang zu bringen. Hinzu komme, dass bei einigen der von ihm gewählten Nummern auf den ersten Blick ersichtlich gewesen sei, dass dort keine kinderpornografischen Darstellungen angeboten würden. Dieses habe sich insbesondere einem erfahrenen Ermittler wie dem Beamten bereits auf Anhieb aufdrängen müssen. Darüber hinaus habe der Beamte keinerlei Aufzeichnungen oder Vermerke über die Ergebnisse seiner angeblichen Ermittlungen angefertigt sowie es vermieden, die Telefonate im Beisein anderer Personen zu führen. Unter Ausschluss vernünftiger Zweifel liege daher ein disziplinarrelevanter Sachverhalt vor, der ein Dienstvergehen darstelle.
II.
Die von der Einleitungsbehörde fortgeführte Berufung führt zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und Einstellung des Verfahrens.
Das Disziplinarverfahren ist nach bisherigem Recht, d.h. auch nach In-Kraft-Treten des Bundesdisziplinargesetzes nach den Verfahrensregeln und -grundsätzen der Bundesdisziplinarordnung fortzuführen (vgl. zum Übergangsrecht z.B. Urteil vom 20. Februar 2002 – BVerwG 1 D 19.01 – NVwZ 2002, 1515).
Das Rechtsmittel ist unbeschränkt eingelegt. Die Einleitungsbehörde greift die Würdigung der Indiztatsachen durch die Vorinstanz an und macht geltend, der Beamte habe entgegen der Würdigung des Bundesdisziplinargerichts ein vorsätzliches Dienstvergehen begangen. Der Senat hat deshalb den Sachverhalt selbst festzustellen und disziplinarrechtlich zu würdigen.
1. Bei seiner Würdigung geht der Senat von den erstinstanzlich getroffenen Sachverhaltsfeststellungen aus, die von dem Beamten in objektiver Hinsicht nicht bestritten werden. In subjektiver Hinsicht ergibt die Würdigung der vorliegenden und zum Gegenstand der Verhandlung gemachten Beweise sowie der Einlassungen des Beamten – soweit ihnen gefolgt werden kann – abweichend vom erstinstanzlichen Urteil, dass die dem Beamten vorgeworfenen und von seinem Diensttelefon geführten Gespräche weder objektiv noch subjektiv durch ein dienstliches Interesse veranlasst waren. Zur Überzeugung des Senats steht vielmehr mit einer an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, d.h. mit einer Gewissheit, die vernünftige Zweifel ausschließt, fest, dass der Beamte die strittigen Telefongespräche ausschließlich im privaten Interesse geführt hat. Diese Überzeugung gründet der Senat darauf, dass der Beamte dabei ohne jeden sinnvollen Zusammenhang mit den allgemeinen Aufgaben des Bundesgrenzschutzes oder auch nur mit dem erkennbaren Zweck der von ihm selbst entworfenen Verfügung gehandelt hat, er ferner grundlos und die Zuständigkeiten des Landes- wie auch des Bundeskriminalamtes überspielend in auch fachlich inkompetenter Weise ohne konkreten Anlass allgemeine Ermittlungen angestellt hat, und zwar mit plan- und wahllosen Methoden, die zudem objektiv ungeeignet waren, er dabei jedoch planvoll heimlich vorgegangen ist und dies nachträglich planvoll durch einen objektiv sinnlosen Vermerk und die Eintragung der dafür benötigten Arbeitszeit in das Dienstbuch zu verdecken versucht hat. Das alles lässt sich weder mit dienstlichem Übereifer noch mit Unwissenheit des seinerzeit überdurchschnittlich gut und zuletzt sogar besonders gut beurteilten Beamten erklären. Diese Würdigung wiederum gründet sich im Einzelnen auf folgende Sachverhaltsfeststellungen und -bewertungen:
a) Der Beamte war auf seine eigene Initiative von seinem unmittelbaren Vorgesetzten, dem Zeugen M…, im Herbst 1998 mit der Ausarbeitung einer Verfügung zur Thematik der Kinderpornographie beauftragt worden. Nach Aussage dieses Zeugen hat der Beamte von November 1998 bis Anfang 1999 Informationen gesammelt, um für die spezielle Deliktsform Kinderpornographie den BGS-Inspektionen Empfehlungen über die Feststellung und Behandlung entsprechenden Materials auf der Grundlage einer von dem Beamten zu fertigenden Verfügung übermitteln zu können. Nach § 2 BGSG obliegt dem Bundesgrenzschutz bei einem Dienst seiner Beamten an den Außengrenzen der Bundesrepublik vor allem die visuelle Überwachung und Kontrolle des Grenzverkehrs unter polizeilichen Sicherheitsaspekten. Die Kontrolle des Inhalts von Telefongesprächen im Bereich von 0190-Nummern, die von jedem beliebigen Standort in der Bundesrepublik geführt werden können und keinen Bezug zu Grenzkontrollen haben, fällt ersichtlich nicht in diesen Aufgabenbereich. Das gilt erst recht für entsprechende ausländische Telefonnummern für Standorte in Übersee. Einen konkreten Auftrag zu Ermittlungen im Bereich von 0190-Nummern oder entsprechenden ausländischen Telefonnummern hatte der Beamte jedenfalls nicht.
b) Seine Recherchen hat der Beamte im Entwurf einer Verfügung vom 14. Januar 1999 festgehalten. Darin sind allgemeine Angaben u.a. über Opfer, Täter, Handelswege und Rechtssituation enthalten. Die grenzschutzpolizeilich relevanten Schlussfolgerungen lauten lapidar und ohne jede Rückbezüglichkeit zu Telefongesprächen wie folgt:
“Feststellung/Vorauswertung/Sachbearbeitung durch den BGS
Die in den Bereichen der Bundesgrenzschutzinspektionen festgestellten, sichergestellten oder beschlagnahmten Materialien sollten, bevor sie durch die zuständige Polizeidienststelle dem Bundeskriminalamt angeboten, übermittelt oder übersandt werden, beim Landeskriminalamt … einer Vorauswertung unterzogen werden.
Dazu ist bei Feststellungen verdächtigen Materials Verbindung mit der örtlichen Kriminalpolizeidienststelle aufzunehmen und die weitere Bearbeitung abzuklären.
Zur unterstützenden Verdachtsbegründung bezüglich des Vorliegens von Straftaten im Zusammenhang mit Kinderpornographie kann mit den anschließend genannten Dienststellen Rücksprache gehalten werden.”
Für den Entwurf dieser Verfügung und für diese Hinweise zum grenzschutzpolizeilichen Handeln in Bezug auf Kinderpornographie waren eigene Ermittlungen des Beamten und waren insbesondere Anrufe zu Sexanbietern unter 0190-Nummern auf den ersten Blick erkennbar eindeutig nicht erforderlich. Weder die eigenen Ermittlungen des Beamten noch speziell die Anrufe bei den Anbietern waren mit dem Bundes- oder dem Landeskriminalamt abgesprochen oder auch nur im Hinblick auf ihre Tauglichkeit zur Durchführung zur Diskussion gestellt worden. In der Verfügung vom 14. Januar 1999 werden die Anrufe auch an keiner Stelle erwähnt.
c) Darüber hinaus ist der Beamte mit seinen angeblichen telefonischen Ermittlungen auch umfänglich weit über das behauptete Ziel hinausgeschossen: Bei seiner ersten Vernehmung im Vorermittlungsverfahren am 14. Juni 1999 hat er ausgesagt, die Verfügung sei Mitte Januar 1999 umgesetzt worden. Die Arbeit am Auftrag des Beamten war also zu diesem Zeitpunkt abgeschlossen. Wenn dem aber so war, so hätte er keine Veranlassung mehr gehabt, weitere Gespräche noch am 21. Januar 1999 (sieben Gespräche), am 22. Januar 1999 und am 5. Februar 1999 (vier Gespräche) mit Sexanbietern (u.a. Sexhotline, Superpervers) zu führen. In der gleichen Anhörung hat der Beamte angegeben, die Telefongespräche sogar bis zum 12. März 1999 geführt und an diesem Tag zu der Verfügung einen Abschlussvermerk gefertigt zu haben; ebenso seine Angaben im Strafverfahren. Bei seiner Anhörung im Untersuchungsverfahren am 14. Januar 2002 hat er dagegen angegeben, die Gespräche bis zum 5. Februar 1999 geführt zu haben. Die erstellte Verfügung sei ungefähr Mitte Februar 1999 versandt worden. Mit diesen Angaben setzte der Beamte sich zu seinen früheren Einlassungen auf unglaubhafte Weise in Widerspruch. Selbst wenn diese neueren Angaben trotz des größeren zeitlichen Abstandes zum Geschehen zuträfen, änderte dies nichts daran, dass er den Entwurf der Verfügung bereits am 14. Januar 1999 erstellt hatte und Gespräche danach zur Erstellung der Verfügung nicht mehr erforderlich waren, weil sich nach dem Umlauf des von den Vorgesetzten abgezeichneten Entwurfs die Notwendigkeit zu irgendwelchen Änderungen nicht ergeben hatte. Seine Aussage im Strafverfahren, die er im berufungsgerichtlichen Disziplinarverfahren sinngemäß wiederholt hat, er habe nach Abschluss der Verfügung noch zwei bis drei Anrufe getätigt, um für sich selbst die Angelegenheit abzurunden, trifft zum einen nach der Zahl der Anrufe nicht zu und ist zum anderen unglaubhaft. Letzteres gilt insbesondere unter Berücksichtigung des nachträglich – vorgeblich am 12. März 1995 – angefertigten fünfzeiligen Vermerks, der wie folgt lautete:
“Vermerk:
Problematik zur KiPo nicht abgeschlossen. Berichte und Verfügungen abwarten.
Die sog. 0190-Nummern haben keine Erkenntnisse in bezug auf o.g. Thematik erbracht. Trotz mehrmaliger Versuche zu unterschiedlichen Zeiten/Tagen – negativ.
Problematik – abgeschlossen.“
Der eingestandenermaßen in einem Arbeitsgang, und zwar, wie der Beamte erläuterte, von diesem ausschließlich für sich selbst geschriebene Vermerk muss in der geschilderten Situation eines nach Umlauf bei den Vorgesetzten unverändert gebliebenen Verfügungsentwurfs und dessen anschließender Umsetzung als inhaltsleer und funktionslos eingestuft werden. Der Vermerk – als solcher ohne Datum und Unterschrift – besagt zunächst, dass die Problematik zur Kinderpornographie nicht abgeschlossen sei, um dann mehr oder weniger in gleichem Atemzug auszuführen, die Problematik sei (doch) abgeschlossen. Weiter ordnete der Vermerk – für wen auch immer – an, Berichte und Verfügungen abzuwarten, obwohl zu diesem Zeitpunkt der Umlauf bereits abgeschlossen und die Verfügung ohne jede Änderung umgesetzt war, es also nichts mehr abzuwarten gab. Schließlich hielt der Beamte in diesem Vermerk – angeblich – für sich selbst fest, dass die sog. 0190-Nummern, die in der Verfügung auch nicht andeutungsweise erwähnt worden seien, keine Erkenntnisse in Bezug auf die Thematik erbracht hätten. Es kann nicht gut als glaubhaft angesehen werden, dass der Beamte mit dem Vermerk nur für sich selbst hätte festhalten wollen, dass er sich mit seinen angeblichen 0190-Recherchen sozusagen auf dem Holzweg befunden hatte.
Zur Überzeugung des Senats steht bei dieser Sachlage fest, dass der Vermerk nachträglich zur Rechtfertigung der angeblich dienstlich geführten Gespräche mit 0190-Nummern gefertigt wurde. Zwar hat der Zeuge G… den Beamten erst am 17. März 1999 mit der Aufdeckung des Sachverhalts konfrontiert; das auf den Vermerk hinweisende Datum vom 12. März 1999 ist jedoch willkürlich und bewusst falsch auf einen früheren Zeitpunkt gesetzt worden, um nach Aufdeckung des Geschehens einen Anhalt für nachträgliche Rechtfertigung durch die Herstellung eines Zusammenhangs mit dem Thema “Kinderpornographie” zu schaffen. Dafür spricht auch der Umstand, dass die Erarbeitung dieses fünfzeiligen Vermerks als ein Anlass einer Überstunde für den 17. März 1999 in das Dienstbuch eingetragen wurde. Der Beamte mag, wie er dem Senat erklärt hat, seinerzeit auch andere Angelegenheiten in dieser Überstunde bearbeitet haben. Dass er aber ausgerechnet diesen umfänglich geringfügigen und inhaltlich sinnlosen Vermerk genannt hat, spricht für sich. Der Beamte hat den Vermerk zusammen mit der Verfügung vom 14. Januar 1999 auch erst anlässlich seiner Vernehmung vom 14. Juni 1999 zu den Vorermittlungsakten gereicht. Auffällig ist auch, dass die Verfügung vom 14. Januar 1999 mit der “Seite 9 von 9 Seiten” endet und der Vermerk die Seitenzahl “Seite 10 von 9 Seiten” trägt. Dem Zeugen M…, mit dem der Beamte am engsten zusammenarbeitete, war der Vermerk nicht bekannt. Auch anderen Kollegen hat der Beamte den Vermerk nicht vorgelegt. Es ist auch völlig unglaubhaft, dass der Beamte nach Erledigung des Auftrags und Erstellung der Verfügung vom 14. Januar 1999 sich immer noch dienstlich bis zum 12. März 1999 mit dem Thema Kinderpornographie befasst haben will. Der Zeuge G… hat in diesem Zusammenhang ausgesagt, er halte es für ausgeschlossen, dass der Beamte aus Enthusiasmus über das Ziel hinaus geschossen sein könnte.
Schließlich sprechen weitere Indizien für die Täterschaft des Beamten:
d) Es erscheint schlicht abwegig, aus jedermann zugänglichen Telefonnummern aus Inseraten über Telefonsex mit leicht erkennbarem Inhalt (u.a. Telefonsex, Domina, außergewöhnliche Phantasien, raffinierter Sex, virtueller Maskenball, Sugar Dollys, Sexhotline, geile Telefonverbindung, tabulose Girls, Lauschparty, Superpervers) etwas über Kinderpornographie mit Belang für die dem Bundesgrenzschutz obliegenden Aufgaben zu erfahren, zumal die Anbieter der Telefonsexgespräche über die kostenlose Rufnummer 0130-0190190 namentlich ermittelt werden können. Dies ergibt sich aus jedem Telefonbuch. Wenn der Beamte vorträgt, dies – d.h. dass die Anbieter auf einfache Weise zu ermitteln seien – sei ihm nicht bekannt gewesen, so ist auch dies unglaubhaft. Ob der Beamte beim Landeskriminalamt, beim Bundeskriminalamt oder bei der Deutschen Telekom AG nachgefragt hätte, er hätte in jedem Fall diese Auskunft erhalten. Zumindest muss sich dem Beamten die einfache Überlegung gestellt haben, dass der Deutschen Telekom die Adressen und Konten aller Anbieter bekannt sein mussten, weil sie zu deren Gunsten das Inkasso über den Einzug der erhöhten Telefongebühren betrieb. Der Zeuge M… hat den Beamten als ideenreich und gegenüber neuen Techniken aufgeschlossen geschildert. Die dienstlichen Beurteilungen des Beamten waren überdurchschnittlich gut und sind heute noch besser. Dem Beamten ist daher nicht abzunehmen, wenn er behauptet, er habe nicht gewusst, dass die Anbieter der 0190-Nummern auf die geschilderte Art – oder sonst problemlos – hätten ermittelt werden können.
e) Gegen den Beamten spricht auch, dass er die Gespräche nicht nur nie in Anwesenheit seiner Kollegen geführt hat, er vielmehr auch niemanden davon hat wissen lassen, dass er angeblich im Zusammenhang mit der Verfügung zur Kinderpornographie in dieser Richtung ermittelte. Das macht einen Unterschied aus. Um die Heimlichkeit seines Vorgehens zu erklären, reicht sein Hinweis darauf, technische Probleme hätten Telefonate in der Geräuschkulisse des Dienstzimmers nicht zugelassen, zur Erklärung seines Verhaltens nicht aus. Bei einem dienstlich veranlassten Gespräch hätte er die Kollegen ohne weiteres bitten können, störende Geräusche für eine Weile zu unterlassen oder aber das Dienstzimmer zu verlassen bzw. es nicht zu betreten. Bei dienstlich veranlassten 0190-Gesprächen hätte für den Beamten nicht die geringste Veranlassung bestanden, diese Gespräche von den Kollegen gänzlich unentdeckt zu führen. Er hätte sie ohne weiteres offen führen können.
f) Gegen die Annahme subjektiv im dienstlichen Interesse geführter Gespräche spricht schließlich auch, dass der Beamte über den Inhalt der Gespräche mit 0190-Nummern keinerlei Aufzeichnungen geführt oder Notizen gemacht hat, was zur Gewährleistung systematischer Ermittlungen dringend nahe gelegen hätte. Er will dies unterlassen haben, weil die geführten Gespräche automatisch von der Zentrale in Einzelerfassung festgehalten würden. Daran ist lediglich richtig, dass das Gespräch als solches, nicht aber der Inhalt festgehalten wird. Auch wäre es angesichts der Vielzahl der täglich von seiner Dienststelle aus geführten Telefongespräche bei der zentralen Auswertung nur mit unverhältnismäßigem Aufwand und kaum zeitgerecht möglich gewesen, einen Bezug zu den angeblich vom Beamten geführten Ermittlungen herzustellen, zumal sich der Inhalt der Gespräche nicht aus deren Erfassung als solcher ergibt. Der Beamte hat auch nicht etwa behauptet, jemals eine Liste mit von seinem Diensttelefon aus geführten Gesprächen mit 0190-Nummern erbeten zu haben. Nur scheinbar war daher das wahllose und kostenträchtige Anwählen der 0190-Nummern sinnlos, ziellos und methodenlos, in Wahrheit war es unter Ausschluss jeden vernünftigen Zweifels zur Überzeugung des Senats planvoll auf Heimlichkeit angelegt, um nicht aufzufallen, weil der Beamte die Telefonate allein aus privatem Interesse zu Lasten des Dienstherrn geführt hat.
2. Dass er private Dienstgespräche nicht auf Kosten der Dienststelle führen durfte, war dem Beamten bewusst. Sein Verhalten ist daher ein vorsätzliches Dienstvergehen (§ 54 Sätze 2 und 3, § 77 Abs. 1 Satz 1 BBG), das in aller Regel mit einer zeitlich begrenzten Kürzung seiner Dienstbezüge zu ahnden wäre (vgl. hierzu grundlegend: Urteil vom 23. November 1993 – BVerwG 1 D 48.93 – ZBR 1994, 187 = NJW 1994, 3115 = DokBer B 1994, 66; Disziplinarmaß in jedem Verfahren: Gehaltskürzung für eine Dauer von zwölf Monaten). Eine derartige Maßnahme wäre auch im vorliegenden Verfahren in Betracht zu ziehen. Dem steht jedoch das Maßnahmeverbot nach § 14 BDG entgegen.
3. Das gegen den Beamten wegen desselben Verhaltens anhängig gewesene Strafverfahren ist gemäß § 153a Abs. 2 Sätze 1 und 2 in Verbindung mit Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StPO nach Zahlung einer ihm auferlegten Geldbuße von 800 DM endgültig eingestellt worden, so dass es strafrechtlich nicht mehr als Vergehen verfolgt werden darf. Für einen solchen Fall sieht § 14 Abs. 1 Nr. 2 des am 1. Januar 2002 in Kraft getretenen Bundesdisziplinargesetzes vom 9. Juli 2001 (BGBl I S. 1510 – BDG) vor, dass eine Kürzung der Dienstbezüge (bzw. in Altfällen nach der BDO: eine Gehaltskürzung ≪§ 9 BDO; s. auch § 85 Abs. 2 Nr. 1 BDG≫) nur ausgesprochen werden darf, wenn dies zusätzlich erforderlich ist, um den Beamten zur Pflichterfüllung anzuhalten. Diese Vorschrift ist auf den vorliegenden Fall anzuwenden (a). Die darin enthaltenen Voraussetzungen einer disziplinarischen Ahndung liegen hier nicht vor (b). Das Verfahren war daher trotz des festgestellten Dienstvergehens einzustellen (§ 87 Abs. 1 Satz 1, § 76 Abs. 3 Satz 1, § 64 Abs. 1 Nr. 7 BDO).
a) Bei § 14 BDG handelt es sich um eine materiellrechtliche Regelung, die gegenüber der gleichartigen Regelung des § 14 BDO eine Verbesserung für die angeschuldigten Beamten insofern enthält, als das weiter gefasste Maßnahmeverbot einerseits sogar einer an sich verwirkten Zurückstufung (§ 9 BDG) entgegenstehen kann, und es andererseits – anders als nach der Rechtsprechung des Senats zu § 14 BDO – auch im Anschluss an die Erfüllung von Auflagen nach § 153a Abs. 1 Satz 5 oder Abs. 2 Satz 2 StPO in Betracht kommen kann. Die Regelung ist wegen ihres materiellen Gehalts aufgrund der Übergangsregelung in § 85 Abs. 1 Satz 1 BDG anzuwenden (dazu nachfolgend cc). Das folgt aus Sinn und Zweck sowie aus der systematischen Stellung dieser Grundsatz- und Auffangregelung innerhalb der Gesamtregelung des § 85 BDG. Aus den nachfolgenden Abs. 2 bis 10 des § 85 BDG, auf die der zweite Halbsatz des § 85 Abs. 1 Satz 1 BDG wegen etwaiger Ausnahmen vom Grundsatz verweist, ergibt sich nichts anderes: § 85 Abs. 2 BDG betrifft die Gleichstellung von in der Bundesdisziplinarordnung und im Bundesdisziplinargesetz unterschiedlich bezeichneten Disziplinarmaßnahmen, ist hier also ohne Belang. Die Abs. 3 bis 9 des § 85 BDG wiederum betreffen nur verfahrensrechtliche Übergangsregelungen, stehen also der Anwendung neuen und milderen materiellen Rechts nach Maßgabe des Absatzes 1 nicht entgegen (dazu nachfolgend bb). § 85 Abs. 10 BDG schließlich enthält zwar eine Regelung nach dem sog. Meistbegünstigungsprinzip. Ihr kommt jedoch nicht eine Ausschließlichkeit in dem Sinne zu, dass in den noch nach der Bundesdisziplinarordnung eingeleiteten Altverfahren sonstige mildere Regelungen des Bundesdisziplinargesetzes, soweit sie materiellen Rechts sind, nicht anzuwenden wären (aa). Das Gegenteil ist der Fall:
aa) § 85 Abs. 10 Satz 1 BDG, der in Bezug auf Verwertungsverbote für die Frist und ihre Berechnung die Bestimmungen des Bundesdisziplinargesetzes für maßgeblich erklärt, enthält keine Ausnahme von den Prinzipien des in den vorhergehenden Absätzen normierten Übergangsrechts; die Vorschrift wiederholt nur den Grundsatz des Abs. 1. Eine Ausnahmeregelung stellt vielmehr allein – und zwar auch schon ihrem Wortlaut nach – die Bestimmung in Satz 2 des Abs. 10 dar, die etwas anderes (“Dies gilt nicht”) für den Fall regelt, dass die Frist und ihre Berechnung nach bisherigem Recht für den Beamten günstiger ist. Eine Erklärung für diese spezielle Regelung und den Verzicht auf eine generelle Meistbegünstigungsregelung, die der in § 2 Abs. 3 StGB vergleichbar ist, lässt sich darin finden, dass die Neuregelung des materiellen Rechts im Bundesdisziplinargesetz allein in der das Verwertungsverbot betreffenden Regelung des § 16 BDG zugleich auch eine potentielle Verschärfung enthält. Diese kann sich ergeben, weil bei den Tatbeständen, nach denen die Frist für das Verwertungsverbot nicht endet, eine Gesetzeslücke geschlossen worden ist (vgl. dazu die Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BTDrucks 14/4659, B. zu Art. I § 16, 3. Abs.). Im Übrigen hingegen – die Verjährung mit ihren auf den Verfahrensgang bezogenen Besonderheiten der Regelungen über die Unterbrechung und Hemmung von Fristen steht hier nicht zur Diskussion – finden sich bei den rein materiellrechtlichen Änderungen, die durch das BDG eingeführt worden sind, ausschließlich Abmilderungen, deren Geltung im Übergang aus der Grundsatz- und Auffangregelung des § 85 Abs. 1 Satz 1 BDG folgen konnte und sollte.
bb) Für die Auslegung, dass die Grundsatz- und Auffangregelung des § 85 Abs. 1 Satz 1 BDG, wonach die nach bisherigem Recht eingeleiteten Disziplinarverfahren in der Lage, in der sie sich bei In-Kraft-Treten dieses Gesetzes befinden, nach diesem Gesetz fortgeführt werden, soweit in den Abs. 2 bis 10 nichts anderes bestimmt ist, vor allem die milderen Regelungen materiellrechtlicher Art im Sinn hat, sprechen folgende Überlegungen: Der Wortlaut des § 85 Abs. 1 Satz 1 BDG ist hinsichtlich dessen, was in dieser vorangestellten Regelung mit “nach diesem Gesetz fortgeführt” gemeint ist, offen. Der Wortlaut gleicht in eigenartiger Weise der Formulierung des § 85 Abs. 3 Satz 1 BDG, wonach bei In-Kraft-Treten dieses Gesetzes bereits eingeleitete Verfahren “nach bisherigem Recht fortgeführt” werden. Mit dem unklaren Wortlaut wird nur scheinbar das gesamte Regelwerk des jeweils gemeinten Gesetzes angesprochen. Eine nähere thematische Abgrenzung erscheint möglich, wenn auf den systematischen Zusammenhang beider Absätze mit den übrigen Absätzen sowie auf Sinn und Zweck der Gesamtregelung des § 85 BDG abgestellt wird. Da Abs. 1 Satz 1 als Grundsatzregel formuliert ist und die nachfolgenden Absätze, soweit in ihnen “Abweichendes bestimmt ist”, als Ausnahme gekennzeichnet sind, muss für den 1. Absatz ein substantieller Gehalt verbleiben, sind die Ausnahmevorschriften nach ihrem gemeinsamen Kontext eng auszulegen. Gemeinsamer Kontext der Abs. 3 bis 9 ist der weitere Gang des einmal eingeleiteten förmlichen Verfahrens durch den Instanzenzug: Abs. 3 spricht die Fortführung des förmlichen Verfahrens, die anschließende Anschuldigung und das nachfolgende erstinstanzliche Gerichtsverfahren an. Abs. 4 regelt die Abwicklung der Behörde des Bundesdisziplinaranwalts und die sich daraus ergebenden verfahrensrechtlichen Folgen. Abs. 5 wiederum spricht verfahrensrechtliche Fragen in Bezug auf Rechtsbehelfe und Rechtsmittel sowie des daran anschließenden “weiteren Verfahrens” an, für das ebenfalls auf die Bestimmungen des bisherigen Rechts verwiesen wird. Abs. 6 Satz 1 regelt in verfahrensrechtlicher Hinsicht für die bereits anhängigen gerichtlichen Verfahren, dass diese “nach den Bestimmungen des bisherigen Rechts fortgeführt” werden. Die nachfolgenden Sätze dieses Absatzes sehen dazu verfahrensrechtliche Modifikationen vor. Abs. 7 regelt die Abwicklung des Bundesdisziplinargerichts und die sich daraus ergebenden verfahrensrechtlichen Folgen, insbesondere, dass nach Übergang der noch anhängigen Verfahren an die Verwaltungsgerichte die Vorschriften über das “Verfahren vor dem Bundesdisziplinargericht” sinngemäß gelten. Auch Abs. 8 enthält ausschließlich verfahrensrechtliche Regelungen in Bezug auf das Wiederaufnahmeverfahren. Abs. 9 regelt schließlich das Vollstreckungsverfahren für nach bisherigem Recht ergangene Entscheidungen. In den Abs. 3 bis 9 des § 85 BDG geht es also insgesamt nur um die verfahrensrechtlichen Modalitäten der “Fortführung” der unter das Übergangsrecht fallenden Verfahren.
Hat die Regelung im 2. Absatz nur definitorischen Gehalt, sprechen weiterhin die Abs. 3 bis 9 des § 85 BDG gemäß ihrem Kontext nur verfahrensrechtliche Regelungen des bisherigen Rechts an, hat schließlich der Gesetzgeber die materiellrechtlich ambivalente Änderung der Regelung über das Verwertungsverbot in § 16 BDG zum Anlass für eine Übergangsregelung nach dem sog. Meistbegünstigungsprinzip genommen, so ist anzunehmen, dass er die weiteren materiellrechtlichen Übergangsfragen nur deshalb nicht ausdrücklich geregelt hat, weil er sie für die eindeutigen Fälle einer uneingeschränkten materiellen Besserstellung als bereits durch die Grundsatz- und Auffangregelung des § 85 Abs. 1 Satz 1 BDG geregelt gesehen hat. Einer weiteren Regelung nach dem sog. Meistbegünstigungsprinzip bedurfte es nicht, weil der Übergang zum neuen materiellen Recht keine weiteren ambivalenten Wirkungen auslöste. Insoweit ergibt sich insgesamt eine nachvollziehbare und sinnvolle Normstruktur.
cc) Insbesondere nach Sinn und Zweck der Gesamtregelung in § 85 BDG ist nicht anzunehmen, dass der Gesetzgeber abweichend von dem in § 85 Abs. 10 Satz 1 BDG zum Ausdruck gekommenen Rechtsgedanken des § 2 Abs. 3 StGB die Geltung der materiellrechtlichen Milderungen des neuen Rechts für die Übergangsfälle stillschweigend hätte ausnehmen wollen. Eine Regelung nach dem Meistbegünstigungsprinzip ist zwar verfassungsrechtlich nicht generell geboten. Ein Verzicht auf sie bedarf jedoch in Ansehung des Art. 3 Abs. 1 GG einer entsprechend gewichtigen Veranlassung. Denn ohne einen wichtigen Grund käme es einer Vergewaltigung der materiellen Gerechtigkeit nahe, wenn der Richter noch ein Gesetz anwenden müsste, zu dessen Strenge der Gesetzgeber sich im Entscheidungszeitpunkt nicht mehr bekennt (vgl. Schönke/Schröder/Eser, StGB, 26. Aufl., § 2 Rn. 16 m.w.N. u.a. auf RGSt 21, 294 f.). Genau diese frühere Strenge hat aber der Gesetzgeber bei der Neufassung der Regelung in § 14 BDG nicht mehr gewollt. Er hat ausweislich der Gesetzesmaterialien durch die geänderte Gesetzesfassung “die Streitfrage geklärt, ob und inwieweit eine Disziplinarmaßnahme verhängt werden darf, wenn ein sachgleiches Strafverfahren nach § 153a StPO eingestellt worden ist”. Auf der Basis des geltenden Rechts werde ein Doppelahndungsverbot nämlich mangels Analogiefähigkeit überwiegend nicht angenommen. Ein Bedürfnis hierzu werde gleichwohl überwiegend bejaht und müsse tatsächlich auch als vorhanden angesehen werden; durch § 14 Abs. 1 BDG werde “diesem praktischen Regelungsbedürfnis Rechnung getragen” (Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BTDrucks 14/4659, B. zu Art. I § 14, 3. Abs.). Dem Gesetzgeber kann nicht gut unterstellt werden, dass er dieses von ihm erkannte und gelöste praktische Regelungsbedürfnis nicht ab sofort habe wirksam werden lassen wollen. Entsprechendes gilt aber auch für andere Abmilderungen im neuen materiellen Recht. So hat sich der Gesetzgeber z.B. bei der Herabsetzung der Höchstdauer einer Kürzung der Dienstbezüge von früher fünf Jahren auf nunmehr drei Jahre von Literaturstimmen leiten lassen, die auf unbillige Folgen der bisherigen Regelung hingewiesen hatten (vgl. Finger, ZBR 1973, 144; Weiss, Disziplinarrecht des Bundes und der Länder, in: GKÖD Bd. II K § 9 Rn. 8); deren Kritik, so heißt es in der Begründung zum Regierungsentwurf, sei berechtigt (vgl. BTDrucks 14/4659, B. zu Art. I § 8, 2. Abs.). Wenn der Gesetzgeber derartige Unbilligkeiten vermeiden will, ist ebenfalls anzunehmen, dass dies nach seinem Willen auch alsbald geschehen und nicht auf die lange Bank geschoben werden soll. Dies legt insbesondere auch die Art der Übergangsregelung nahe, die er für das Bundesdisziplinargesetz gewählt hat. Diese ist so ausgestaltet, dass – wie mehr als zwei Jahre nach In-Kraft-Treten des Gesetzes vorhersehbar ist – noch über Jahre hin Übergangsrecht zur Anwendung gelangen wird. Denn darunter fallen nicht nur die ca. 90 Verfahren, die nach Abwicklung des Bundesdisziplinargerichts an die Verwaltungsgerichte übergegangen sind. Das Übergangsrecht gilt weiterhin auch für all die Verfahren, die nach deren Einleitung (§ 33 BDO) wegen anhängiger Strafverfahren sogleich wieder ausgesetzt worden und mangels Abschlusses dieser Strafverfahren bzw. der sich daran erst noch anschließenden förmlichen Disziplinarverfahren (§§ 56 ff. BDO) noch nicht zum Bundesdisziplinargericht gelangt waren. Dem Gesetzgeber ist nicht zu unterstellen, dass er Dienstvergehen über einen derart langen Zeitraum mit zweierlei Maß ahnden lassen wollte. Eine gewichtige Veranlassung, die unmittelbar gewollte Entschärfung der bisherigen, als unbefriedigend empfundenen Strenge für die Übergangsfälle derart weit hinauszuschieben, ist überdies auch nicht ansatzweise erkennbar.
b) Die hier nach allem gebotene Anwendung des § 14 Abs. 1 Nr. 2 BDG führt zu dem Ergebnis, dass das festgestellte Dienstvergehen nicht zusätzlich zur im Strafverfahren entrichteten Geldbuße mit einer Kürzung der Dienstbezüge zu ahnden ist, weil dies nicht erforderlich ist, um den Beamten zur Pflichterfüllung anzuhalten. Dies wäre entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteil vom 9. Dezember 1982 – BVerwG 1 D 42.82 – BVerwGE 76, 43; vgl. zur Entwicklung der Rechtsprechung ferner Köhler/Ratz/Hummel, BDG, § 14 Rn. 30 f.) zur bisherigen Regelung in § 14 BDO nur anzunehmen, wenn es konkrete Anhaltspunkte dafür gäbe, dass für den dienstlichen Bereich eine Wiederholungsgefahr besteht. Es kann dahinstehen, ob diese Rechtsprechung für alle denkbaren neuen Fallgestaltungen des § 14 Abs. 1 Nr. 2 BDG fortzuführen ist (vgl. im Zusammenhang mit Rückstufungen etwa Schwandt, RiA 2001, 157 ≪161≫). Jedenfalls in Fällen, in denen das Gewicht eines Dienstvergehens – wie hier – das Gewicht der bisher schon unter ein Maßnahmeverbot nach § 14 BDO fallenden nicht überschreitet, ist an dieser Rechtsprechung festzuhalten. Für die demnach ausschlaggebende Wiederholungsgefahr gibt es aber im vorliegenden Fall, auch wenn der Beamte die Tat bis zuletzt geleugnet und auch mit teils bedenklichen Methoden zu verschleiern versucht hat, keine konkret hinreichenden Anhaltspunkte. Der Beamte war von Anfang der Aufdeckung an bereit, die Gebühren für die strittigen Telefongespräche zu bezahlen, wollte also seinen Dienstherrn nicht nachhaltig schädigen. Auf die Zahlungsbereitschaft ist seine Dienststelle nur wegen seines Leugnens nicht eingegangen. Es handelt sich auch um das erstmalige Dienstvergehen des bisher unbescholtenen Beamten. Er gilt ausweislich der Akten ansonsten als dienstlich zuverlässig.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 114 Abs. 1 Satz 2, § 115 Abs. 1 BDO.
Unterschriften
Albers, Mayer
Richterin am BVerwG Heeren ist wegen Urlaubs verhindert zu unterschreiben.
Albers
Fundstellen
Haufe-Index 1497757 |
BVerwGE 2004, 218 |
ZBR 2004, 328 |
DÖV 2004, 746 |