Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst. Tarifverträge wesentlich gleichen Inhalts. Besoldungsdienstalter. Hinausschieben des Besoldungsdienstalters. Festsetzung des Besoldungsdienstalters. Tätigkeit an einer privaten Ersatzschule
Leitsatz (amtlich)
Die Anwendung eines im öffentlichen Dienst geltenden Tarifvertrags oder eines Tarifvertrags wesentlich gleichen Inhalts durch einen sonstigen Arbeitgeber im Sinne des § 28 Abs. 2 Satz 4 BBesG erfordert, dass ein solcher Tarifvertrag besteht und der Arbeitsvertrag sich dessen Regelungen ausdrücklich unterwirft.
Normenkette
BBesG § 28 Abs. 2 S. 4, § 40 Abs. 6 S. 3
Verfahrensgang
OVG der Freien Hansestadt Bremen (Urteil vom 27.06.2007; Aktenzeichen 2 A 100/06) |
VG Bremen (Entscheidung vom 25.05.2004; Aktenzeichen 6 K 2530/02) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen vom 27. Juni 2007 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I
Der am 19. Dezember 1964 geborene Kläger steht seit August 2002 im Dienste der Beklagten; seit November 2003 ist ihm als Beamten auf Lebenszeit das Amt eines Lehrers für die Sekundarstufe II (Besoldungsgruppe A 13) übertragen. Von November 1999 bis Juli 2000 stand er im Beamtenverhältnis zum Land Niedersachsen, von August 2000 bis Juli 2002 war er auf der Grundlage eines Dienstvertrags als Lehrer beim Gymnasium zu B. e.V. tätig. Für dieses Arbeitsverhältnis galt kein Tarifvertrag; im Dienstvertrag wird auch nicht auf tarifvertragliche Bestimmungen Bezug genommen. § 3 des Dienstvertrags sah vor, dass die Besoldung der Lehrer nach hausinternen Vergütungssätzen erfolgt.
Mit Bescheid vom 6. September 2002 setzte die Beklagte das Besoldungsdienstalter des Klägers auf den 1. Dezember 1986 fest, womit dessen Beginn um ein Jahr nach Vollendung des 21. Lebensjahres hinausgeschoben wurde. Die Beklagte erkannte als Zeiten nach Vollendung des 35. Lebensjahres, die nicht zum Hinausschieben des Beginns des Besoldungsdienstalters führten, die Zeit im Beamtenverhältnis zum Land Niedersachsen, nicht aber die Zeit während der Tätigkeit am Gymnasium zu B. e.V. an.
Der Klage gab das Verwaltungsgericht statt. Die Berufung der Beklagten hatte Erfolg: § 28 Abs. 2 Satz 4 BBesG finde keine Anwendung. Das Gymnasium zu B… e.V. wende weder einen im öffentlichen Dienst geltenden Tarifvertrag noch einen Tarifvertrag wesentlich gleichen Inhalts an. Soweit das Verwaltungsgericht annehme, ein Arbeitgeber könne einen Tarifvertrag auch dadurch anwenden, dass er mit seinen Arbeitnehmern inhaltlich entsprechende Regelungen vereinbare, könne dem nicht gefolgt werden. Die Norm stelle ausdrücklich auf einen Tarifvertrag ab. Dies ergebe sich auch aus einem Vergleich mit § 40 Abs. 6 Satz 3 BBesG.
Mit der Revision macht der Kläger geltend, das Oberverwaltungsgericht habe § 28 Abs. 2 Satz 4 BBesG unzutreffend ausgelegt. Er beantragt,
das Urteil des Oberverwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen vom 27. Juni 2007 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen vom 25. Mai 2004 zurückweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist unbegründet. Die Auslegung des § 28 Abs. 2 Satz 4 Bundesbesoldungsgesetz – BBesG – durch das Oberverwaltungsgericht begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
1. § 28 Abs. 2 Satz 1 und 2 BBesG sehen vor, dass bei einem Beamten mit einem Eingangsamt der Besoldungsgruppe A 13 oder A 14 der Beginn des Besoldungsdienstalters zur Hälfte um die Zeiten nach Vollendung des 35. Lebensjahres hinausgeschoben wird, in denen kein Anspruch auf Besoldung bestand; das reguläre Besoldungsdienstalter beginnt gemäß § 28 Abs. 1 BBesG mit dem Ersten des Monats, in dem der Beamte das 21. Lebensjahr vollendet. Nach § 28 Abs. 2 Satz 4 BBesG stehen dem Anspruch auf Besoldung solche Ansprüche auf Bezüge gleich, die der Beamte von einem Arbeitgeber erhalten hat, der im öffentlichen Dienst geltende Tarifverträge oder Tarifverträge wesentlich gleichen Inhalts angewendet hat und an dem die öffentliche Hand durch Zahlung von Beiträgen oder Zuschüssen oder in anderer Weise wesentlich beteiligt ist.
Ein Arbeitgeber wendet Tarifverträge der in § 28 Abs. 2 Satz 4 BBesG beschriebenen Art nicht bereits dann an, wenn der Arbeitsvertrag Regelungen enthält, die mit Regelungen eines für den öffentlichen Dienst geltenden Tarifvertrags oder eines Tarifvertrags wesentlich gleichen Inhalts übereinstimmen. Anwendung eines Tarifvertrags im Sinne des § 28 Abs. 2 Satz 4 BBesG setzt vielmehr voraus, dass ein entsprechender Tarifvertrag besteht und der Arbeitsvertrag sich dessen Regelungen ausdrücklich unterwirft. Dies folgt bereits aus dem Gesetzeswortlaut, dem im Besoldungsrecht wegen des § 2 Abs. 1 BBesG besondere Bedeutung beizumessen ist (stRspr, vgl. u.a. Urteil vom 17. Juni 2004 – BVerwG 2 C 34.02 – BVerwGE 121, 91 = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 79).
Für dieses Normverständnis spricht auch der Vergleich mit § 40 Abs. 6 Satz 3 BBesG. Nach dieser Vorschrift steht dem öffentlichen Dienst die Tätigkeit im Dienst eines Arbeitgebers gleich, der die für den öffentlichen Dienst geltenden Tarifverträge oder Tarifverträge wesentlich gleichen Inhalts oder die darin getroffenen Regelungen oder vergleichbare Regelungen anwendet. Die unterschiedliche Fassung beider Vorschriften zwingt zu dem Schluss, dass der Gesetzgeber den Fall, dass ein Arbeitgeber tarifvertragliche Regelungen lediglich ganz oder teilweise zum Inhalt arbeitsvertraglicher Vereinbarungen macht, anders behandelt wissen wollte als den Fall, dass er einen Tarifvertrag anwendet.
2. Danach hat der frühere Arbeitgeber des Klägers keine für den öffentlichen Dienst geltenden Tarifverträge oder Tarifverträge wesentlich gleichen Inhalts angewendet. Der Dienstvertrag verweist nicht auf Tarifverträge dieser Art. Zwar mögen einzelne seiner Regelungen inhaltlich den seinerzeit maßgeblichen Regelungen des BAT entsprechen. Darin liegt jedoch keine Anwendung eines Tarifvertrags der in § 28 Abs. 2 Satz 4 BBesG beschriebenen Art. Vielmehr wird aus § 3 des Dienstvertrags deutlich, dass sich der frühere Arbeitgeber des Klägers einem tarifvertraglichen Reglement gerade nicht unterwerfen wollte.
Fehlt es danach bereits an der Anwendung eines Tarifvertrags, kann dahingestellt bleiben, welche Regelungen heranzuziehen wären, um bei einem anderen Tarifvertrag von einem im Wesentlichen gleichen Inhalt auszugehen. Ebenso wenig bedarf es einer Klärung, ob die öffentliche Hand an dem früheren Arbeitgeber des Klägers im Sinne des § 28 Abs. 2 Satz 4 BBesG wesentlich beteiligt war.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Unterschriften
Herbert, Prof. Dr. Kugele, Groepper, Thomsen, Dr. Burmeister
Fundstellen
ZBR 2009, 259 |
DÖV 2009, 503 |