Keine Entschädigungszahlungen wegen altersdiskriminierender Besoldung
Der 5. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts hat mit Urteilen vom 28.9.2022 die Berufungen gegen eine Vielzahl von Entscheidungen der Verwaltungsgerichte Braunschweig, Hannover, Lüneburg und Oldenburg zurückgewiesen (Az.: 5 LB 59/20, 5 LC 202/17, 5 LC 206/17, 5 LC 207/17, 5 LC 208/17, u. a.), mit denen diese Klagen niedersächsischer Beamter auf Zahlung von Entschädigung wegen altersdiskriminierender Besoldung abgewiesen hatten.
Bis Ende 2016 Besoldung nach Dienstaltserstufen
Bis Ende des Jahres 2016 richtete sich die Besoldung von niedersächsischen Beamten nach sog. Dienstaltersstufen. Dabei bildete das in Abhängigkeit vom Lebensalter bestimmte Besoldungsdienstalter den Anknüpfungspunkt für die erstmalige Zuordnung eines Beamten zu einer Besoldungsstufe. Der Europäische Gerichtshof sah mit Urteil vom 8. September 2011 eine Vergütung nach dem Lebensalter im Bereich der Tarifbeschäftigten (Arbeitnehmer) als unionsrechtswidrig an. Nachfolgend stellte er mit Urteil vom 19. Juni 2014 die Unionsrechtswidrigkeit von an das Lebensalter anknüpfenden Besoldungssystemen für Beamte fest.
Daraufhin änderte das Land Niedersachsen Ende des Jahres 2016 sein Besoldungsgesetz und ersetzte die früheren Dienstaltersstufen - rückwirkend ab September 2011 - durch sog. Erfahrungsstufen.
Beamte klagten auf Entschädigung nach dem AGG
Die klagenden Beamten sind der Auffassung, dass ihnen sowohl vor als auch nach der Gesetzesänderung Ansprüche auf Entschädigung zustehen. Hinsichtlich des früheren, unstreitig altersdiskriminierenden Besoldungsgesetzes hätten sie ihre Ansprüche rechtzeitig in der Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) geltend gemacht. Aber auch die neue Gesetzeslage mit dem Erfahrungsstufensystem sei altersdiskriminierend. Die nicht begründete Unterstellung des Gesetzgebers, berufliche Erfahrungen selbst zum Ende einer bis zu 28 Jahre andauernden Erfahrungszeit führten zu honorierbaren besseren Arbeitsergebnissen, sei nicht haltbar.
OVG: Kein Anspruch auf Entschädigung
Der Senat hat die Berufungen der niedersächsischen Beamten gegen die klageabweisenden Urteile der Verwaltungsgerichte zurückgewiesen. Den Beamten stünden keine Entschädigungszahlungen wegen einer altersdiskriminierenden Besoldung zu.
Vor Inkrafttreten der Neuregelung des Niedersächsischen Besoldungsgesetzes, d. h. bis August 2011, sei die Besoldung der Kläger zwar altersdiskriminierend gewesen. Sie hätten ihre Ansprüche aber nicht rechtzeitig geltend gemacht, weil sie die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG, der für die Geltendmachung von Ansprüchen eine Frist von zwei Monaten vorsehe, nicht gewahrt hätten. Diese Frist beginne in dem Zeitpunkt zu laufen, in welchem der Betroffene Kenntnis von seiner Benachteiligung, hier der Altersdiskriminierung, erlangt habe. Dies sei mit der Verkündung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 19. Juni 2014 mit der Klärung der Rechtslage zu den Besoldungssystemen für Beamte der Fall gewesen, so dass die Ausschlussfrist mit Ablauf des 19. August 2014 geendet habe. Die Beamten, in deren Berufungsverfahren Entschädigungsansprüche wegen des alten Dienstaltersstufensystems streitig gewesen seien, hätten ihre Anträge aber erst nach diesem Datum gestellt.
Erfahrungsstufensystem angemessen und nicht diskriminierend
Mit der Neuregelung des Niedersächsischen Besoldungsgesetzes habe das Land Niedersachsen den Verstoß gegen das Verbot der Altersdiskriminierung beseitigt. Das rückwirkend zum September 2011 eingeführte Erfahrungsstufensystem sei ein angemessenes und erforderliches Mittel zur Honorierung von Berufserfahrung. Der Gesetzgeber dürfe pauschalierend bestimmte Zeiträume für den Stufenaufstieg festlegen. Er sei nicht dazu verpflichtet gewesen, vor der Einführung des Erfahrungsstufensystems eine auf empirische Untersuchungen basierende Begründung für die jeweilige Anzahl und den Abstand der einzelnen Erfahrungsstufen und der daraus resultierenden Erfahrungszeit bis zum Erreichen der Endstufe der Besoldung zu geben.
Eine Revision zum Bundesverwaltungsgericht hat der Senat nicht zugelassen. Gegen die Nichtzulassung kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils Beschwerde eingelegt werden.
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