Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorhabenbezogener Bebauungsplan. Durchführungsvertrag. Vorhaben. Wohngebiet. betreutes Seniorenwohnen. Gaststätte. Abwägungsfehler. Problembewältigung. planerische Zurückhaltung. ergänzendes Verfahren. Unbestimmtheit. Ausgleichsmaßnahme
Leitsatz (amtlich)
Ein für das Abwägungsergebnis relevanter Fehler im Abwägungsvorgang liegt nicht vor, wenn ein durch die Planung geschaffenes Problem noch während des Vollzugs des Bebauungsplans bewältigt werden kann, ohne die Konzeption der Planung zu berühren.
Ein vorhabenbezogener Bebauungsplan erfordert bauleitplanerische Festsetzungen für ein oder mehrere Vorhaben; die Festsetzung eines Baugebiets allein reicht nicht aus.
Enthält ein als vorhabenbezogen bezeichneter Bebauungsplan keinen Hinweis auf das beabsichtigte Vorhaben, so kann dieser Mangel nicht durch Heranziehung des Durchführungsvertrages beseitigt werden.
Normenkette
BauGB § 1 Abs. 6, § 1a Abs. 3 S. 3, §§ 12, 214 Abs. 3 S. 2, § 215a; BauNVO §§ 4, 15; VwGO § 47 Abs. 5 S. 4
Verfahrensgang
OVG des Saarlandes (Urteil vom 27.11.2001; Aktenzeichen 2 N 2/00) |
Tenor
Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes vom 27. November 2001 wird geändert.
Der vorhabenbezogene Bebauungsplan “Zwischen Hauptstraße – Schwarzer Weg – Luisenstraße” der Antragsgegnerin vom 23. Februar 2000 wird für unwirksam erklärt.
Im Übrigen wird der Normenkontrollantrag abgelehnt.
Die Kosten des Normenkontrollverfahrens in beiden Rechtszügen trägt die Antragsgegnerin.
Tatbestand
I.
Die Antragsteller wenden sich im Normenkontrollverfahren gegen den vorhabenbezogenen Bebauungsplan “Zwischen Hauptstraße – Schwarzer Weg – Luisenstraße” der Antragsgegnerin vom 23. Februar 2000.
Das Plangebiet besteht aus einer etwa 120 m × 60 m großen, im Wesentlichen unbebauten Freifläche mit Streuobstwiesennutzung. Bebauung ist nur auf der an die Hauptstraße angrenzenden östlichen Schmalseite des Plangebiets vorhanden. Das Gebiet liegt innerhalb des Ortsteils Schiffweiler der Antragsgegnerin zwischen den überwiegend mit Wohnhäusern bebauten Straßen “Schwarzer Weg” und “Luisen-straße”.
Der Bebauungsplan setzt im östlichen Bereich an der Hauptstraße ein kleines Mischgebiet und in der Mitte und im Westen drei kleine WA-Gebiete fest. Die Zulässigkeit bestimmter Nutzungen in den Baugebieten ist durch textliche Festsetzungen im Einzelnen geregelt. So sind im Baugebiet WA gemäß § 4 Abs. 2 BauNVO Wohngebäude, der Versorgung des Gebiets dienende Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störende Handwerksbetriebe und Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale und gesundheitliche Zwecke zulässig. Ausnahmsweise zulässig gemäß § 4 Abs. 3 BauNVO sind ferner Betriebe des Beherbergungsgewerbes und sonstige nicht störende Gewerbebetriebe. Dagegen sind Anlagen für sportliche Zwecke, Anlagen für Verwaltungen, Gartenbaubetriebe und Tankstellen ausdrücklich ausgeschlossen. In den Vorbemerkungen zur Planbegründung ist ausgeführt, die PCG (Plan-Concept + Grund GmbH) beabsichtige die Errichtung eines Wohn- und Geschäftshauses, zweier Reihenhäuser mit je vier Einheiten, eines frei stehenden Wohnhauses und eines Hauses für betreutes Seniorenwohnen.
Das Gebiet wird wegemäßig über den Schwarzen Weg zur Hauptstraße hin erschlossen. Der westliche Teil des Plangebiets soll über einen vorhandenen Kanal entwässert werden, der in Nord-Süd-Richtung vom Schwarzen Weg zur Luisenstraße führt. Nach Nr. 13 der textlichen Festsetzungen soll die Kompensation des Eingriffs in Natur und Landschaft durch einen städtebaulichen Vertrag zwischen der Antragsgegnerin und dem Investor geregelt werden. In der Planbegründung wird hierzu ausgeführt, dass der größte Teil der Ausgleichsmaßnahmen außerhalb des Plangebiets stattfinden müsse.
Die Antragsgegnerin hat mit der Plan-Concept + Grund GmbH einen Durchführungsvertrag zum Vorhaben- und Erschließungsplan geschlossen. Nach diesem Vertrag sollen im Mischgebiet ein Wohn- und Geschäftshaus (Bauabschnitt I) und im WA-Gebiet zwei Reihenhäuser mit je vier Einheiten und ein frei stehendes Wohnhaus (Bauabschnitt II) sowie ein Haus für betreutes Wohnen (Bauabschnitt III) errichtet werden. In den Anlagen zum Vertrag sind die baulichen Anlagen im Einzelnen zeichnerisch dargestellt. Im Vertrag wird auch geregelt, dass die Antragsgegnerin die Kosten der notwendigen externen Ausgleichsmaßnahmen bis zu einem Höchstbetrag von 4 000 DM übernimmt.
Die Antragsteller sind Eigentümer zweier Wohngrundstücke an der Luisenstraße, die mit ihrer Nordseite an das Plangebiet grenzen. Im Planaufstellungsverfahren wandten sie sich gegen die Planung der Antragsgegnerin, weil sie durch den Eingriff in die vorhandene Ruhezone in ihrer Wohnruhe gestört würden. Die Antragsteller zu 1 und 2 machten ferner geltend, die vorgesehene Abwasserbeseitigung mittels des über ihr Grundstück verlaufenden Schmutzwasserkanals sei unzulässig und führe bei stärkerem Wasseranfall zu Beeinträchtigungen ihres Grundstücks.
Die Einwendungen der Antragsteller wurden vom Gemeinderat der Antragsgegnerin zurückgewiesen. Der Bebauungsplan wurde am 23. Februar 2000 als Satzung beschlossen und nach Genehmigung vom 5. April 2000 am 12. April 2000 bekannt gemacht.
Das Normenkontrollgericht hat den Bebauungsplan mit Urteil vom 27. November 2001 für nichtig erklärt. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Zwar sei fraglich, ob der Bebauungsplan schon deshalb fehlerhaft sei, weil sein Geltungsbereich über das geplante Vorhaben hinausgehe. Diese Frage könne aber offen bleiben. Denn der Bebauungsplan sei auf der Grundlage einer fehlerhaften Abwägung zustande gekommen. Sie leide darunter, dass der Gemeinderat das Ausmaß der möglichen Betroffenheit der Anwesen der Antragsteller nur unvollständig berücksichtigt habe. Er habe nämlich nicht die auf der Grundlage des Bebauungsplans ermöglichte bauliche Nutzung beachtet, sondern allein die Realisierung des von der Vorhabenträgerin betriebenen Projekts in die Betrachtung einbezogen. Unberücksichtigt geblieben sei deshalb, dass der Bebauungsplan bestimmte Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störende Handwerksbetriebe regelmäßig und sonstige nicht störende Gewerbebetriebe ausnahmsweise zulasse. Dieser Mangel im Abwägungsvorgang sei offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen. Abgesehen davon sei auch das Abwägungsergebnis so nicht vertretbar. Der die Regelung der Nutzungsart betreffende Mangel sei so gravierend, dass er die Grundstruktur der Planung berühre; eine Heilung gemäß § 215a Abs. 1 BauGB scheide deshalb aus.
Ergänzend sei anzumerken, dass auch die Behandlung der naturschutzrechtlichen Eingriffs- und Ausgleichsproblematik defizitär sei. Keiner abschließenden Entscheidung bedürfe die Frage, ob die Antragsgegnerin zu Recht von einer in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht gewährleisteten Entsorgung der im Plangebiet anfallenden Abwässer ausgegangen sei.
Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision macht die Antragsgegnerin geltend, ein rechtserheblicher Abwägungsmangel liege nicht vor; jedenfalls könnte er im ergänzenden Verfahren behoben werden. Das vorinstanzliche Gericht hätte den Normenkontrollantrag deshalb ablehnen müssen; zumindest hätte es den Bebauungsplan nicht für nichtig erklären dürfen.
Die Antragsteller treten der Revision entgegen. Der PCG ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden; sie unterstützt die Antragsgegnerin.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist nur teilweise begründet. Zwar verletzt das angefochtene Urteil Bundesrecht. Das Normenkontrollgericht hätte den streitigen Bebauungsplan nicht wegen eines Abwägungsfehlers für nichtig erklären dürfen. Soweit die Antragsteller begehren, den Plan für nichtig zu erklären, ist ihr Antrag abzulehnen (§ 144 Abs. 3 Nr. 1 VwGO). Die Normenkontrollentscheidung erweist sich jedoch zum überwiegenden Teil als aus anderen Gründen richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Der vorhabenbezogene Bebauungsplan der Antragsgegnerin ist unwirksam.
1. Das Normenkontrollgericht führt aus, der streitige Bebauungsplan gestatte nicht nur die Realisierung der von der Vorhabenträgerin beabsichtigten Projekte, also insbesondere die Errichtung von Reihenhäusern und des Hauses für betreutes Seniorenwohnen, sondern lasse auch die Errichtung anderer Vorhaben wie Läden oder gebietsversorgende Schank- und Speisewirtschaften zu, unter Umständen verbunden mit einem Beherbergungsbetrieb. Einen zur Nichtigkeit des Bebauungsplans führenden Abwägungsmangel sieht es darin, dass der Gemeinderat der Antragsgegnerin die auf der Grundlage des Bebauungsplans ermöglichte bauliche Nutzung bei seiner Entscheidung nur unvollständig berücksichtigt habe. Der Gemeinderat habe sich abwägend nur mit der von der Vorhabenträgerin konkret beabsichtigten Bebauung beschäftigt. Nicht berücksichtigt worden sei, dass nach dem Bebauungsplan auch bestimmte Schank- und Speisewirtschaften und nicht störende Handwerksbetriebe sowie ausnahmsweise nicht störende Gewerbebetriebe im ausgewiesenen Wohngebiet zulässig seien. Dem folgt der Senat nicht. Auf der Grundlage der Feststellungen des Normenkontrollgerichts fehlt es an einem rechtlich erheblichen Abwägungsfehler, wenn man – zunächst – von der Auslegung des Normenkontrollgerichts ausgeht, nach der der streitige Bebauungsplan nicht nur die von der Vorhabenträgerin beabsichtigten Anlagen, sondern auch andere Vorhaben planungsrechtlich zulässt.
a) Zweifelhaft ist schon, ob der Antragsgegnerin überhaupt ein Fehler im Abwägungsvorgang unterlaufen ist. Es könnte sein, dass sich das Normenkontrollgericht insoweit allein darauf stützt, dass weder in der Begründung des Plans noch bei der Behandlung der Einwendungen der Antragsteller durch die Antragsgegnerin auf die nach den textlichen Festsetzungen im festgesetzten Allgemeinen Wohngebiet allgemein oder ausnahmsweise zulässige Nutzungsarten nach § 4 Abs. 2 Nrn. 2 und 3 und Abs. 3 Nrn. 1 und 2 BauNVO eingegangen wird. Darin läge jedoch allenfalls ein – rechtlich unerheblicher (vgl. § 214 Abs. 1 Nr. 2 2. Halbsatz BauGB) – Begründungsmangel. Gegen einen Abwägungsausfall spricht vor allem, dass im Bebauungsplan selbst mit dem Ausschluss von Anlagen für sportliche Zwecke sowie von Anlagen nach § 4 Abs. 3 Nrn. 3 bis 5 BauNVO eine differenzierende Regelung getroffen worden ist, die regelmäßig auf einer abwägenden Entscheidung des Plangebers beruht.
b) Aber auch wenn man mit der Vorinstanz annimmt, dass der Gemeinderat der Antragsgegnerin bestimmte Nutzungsarten und die durch sie ausgelösten Konflikte nicht bedacht hat, fehlt es jedenfalls an einem rechtlich erheblichen Abwägungsfehler. Nach § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB sind Mängel im Abwägungsvorgang nur dann erheblich, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind. Der vom Normenkontrollgericht angenommene Mangel im Abwägungsvorgang kann nicht im Sinne dieser Vorschrift auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sein.
Nach der Rechtsprechung des Senats genügt die abstrakte Möglichkeit, dass ohne den Abwägungsmangel anders geplant worden wäre, ebenso wenig wie die bloße Vermutung, dass einzelne Ratsmitglieder bei Vermeidung des Mangels für eine andere Lösung aufgeschlossen gewesen wären, um die Ursächlichkeit eines Abwägungsmangels für das Abwägungsergebnis zu begründen (BVerwG, Beschluss vom 20. Januar 1992 – BVerwG 4 B 71.90 – ZfBR 1992, 138; vgl. auch Urteil vom 21. August 1981 – BVerwG 4 C 57.80 – BVerwGE 64, 33 ≪39 f.≫). Das Normenkontrollgericht stellt diesen Rechtssatz zwar formell nicht in Frage. Es nimmt die konkrete Möglichkeit einer anderen Planung aber nur deshalb an, weil es aus dem Abwägungsgebot des § 1 Abs. 6 BauGB zu hohe Anforderungen an die Bauleitplanung ableitet und deshalb eine andere Planung für wahrscheinlich, wenn nicht gar für geboten hält. Das Abwägungsgebot erfordert keineswegs, dass alle denkbaren Nutzungskonflikte schon bei der Aufstellung des Bebauungsplans durch planerische Festsetzungen gelöst werden. Der Grundsatz, dass die durch die Bauleitplanung geschaffenen Probleme auch durch die Bauleitplanung gelöst werden müssen, wird durch den Grundsatz der “planerischen Zurückhaltung” eingeschränkt (vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 5. August 1983 – BVerwG 4 C 96.79 – BVerwGE 67, 334 ≪338≫; Beschluss vom 6. März 1989 – BVerwG 4 NB 8.89 – ZfBR 1989, 129). Probleme, die noch während des Vollzugs des Bebauungsplans bewältigt werden können, brauchen nicht schon durch den Plan selbst gelöst zu werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Mai 1995 – BVerwG 4 NB 30.94 – ZfBR 1995, 269). Insbesondere § 15 Abs. 1 BauNVO mit dem in ihm enthaltenen Rücksichtnahmegebot stellt ein Mittel dar, um Nutzungskonflikte auszuschließen, die bei isolierter Betrachtung des Bebauungsplans auftreten könnten. Ein für das Abwägungsergebnis relevanter Fehler im Abwägungsvorgang ist deshalb auszuschließen, wenn er wegen dieser rechtlichen Möglichkeiten die Konzeption der Planung objektiv nicht berühren kann.
So ist es hier. Die Antragsgegnerin hat gemäß § 1 Abs. 5 und 6 BauNVO einzelne Nutzungsarten, die im allgemeinen Wohngebiet gemäß § 4 Abs. 2 und 3 BauNVO allgemein oder ausnahmsweise zulässig sind, ausgeschlossen. Sie hat damit – unabhängig von der Absicht der Vorhabenträgerin, die im Durchführungsplan konkret vorgesehenen Vorhaben zu errichten – ein in seinen Nutzungsmöglichkeiten gegenüber der allgemeinen Regelung des § 4 BauNVO eingeschränktes Wohngebiet geplant, gegen dessen grundsätzliche Zulässigkeit innerhalb einer vorhandenen Wohnbebauung keine Bedenken bestehen können und auch vom Normenkontrollgericht nicht dargelegt werden. Selbst wenn – beispielsweise – eine größere Gaststätte wegen der geringen Größe des Plangebiets und seiner unmittelbaren Nachbarschaft zu Wohngrundstücken städtebaulichen Bedenken begegnen sollte, wäre ein völliger Ausschluss von Schank- und Speisegaststätten weder rechtlich geboten noch nach der Konzeption der Antragsgegnerin auch nur vernünftigerweise in Erwägung zu ziehen. Auf der Grundlage der Wertung der Baunutzungsverordnung, dass die der Versorgung des Gebiets dienenden Schank- und Speisegaststätten in einem allgemeinen Wohngebiet regelmäßig zulässig sind, wäre etwa ein kleines Café, vielleicht im Zusammenhang mit dem vorgesehenen Wohngebäude für betreutes Seniorenwohnen, städtebaulich unbedenklich. Die abstrakte Möglichkeit, dass der Gemeinderat Schank- und Speisegaststätten völlig ausgeschlossen hätte, wenn er den vom Normenkontrollgericht beanstandeten Abwägungsmangel hätte vermeiden wollen, reicht zur Annahme der Kausalität des Abwägungsmangels bei der Anwendung von § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB nicht aus.
c) Erst recht ist das Urteil mit seiner Annahme, es liege ein Mangel im Abwägungsergebnis vor, mit Bundesrecht nicht vereinbar. Das Normenkontrollgericht meint, die mit der Planung verfolgte Zielsetzung – gemeint sind die nach dem Durchführungsvertrag vorgesehenen Vorhaben – rechtfertige keine weitergehenden Störungen. Es unterstellt damit, dass nach dem Plan weitergehende Störungen zulässig seien. Dabei übersieht es erneut, dass über § 15 BauNVO Vorhaben, von denen unzumutbare Störungen ausgehen, verhindert werden können. Ein (eingeschränktes) allgemeines Wohngebiet kann jedoch unbedenklich zwischen vorhandenen Wohnhäusern geplant werden, wenn bei der Errichtung der Gebäude und Stellplätze § 15 BauNVO beachtet wird. Eine bessere Gebietsverträglichkeit als die von Gebieten derselben Nutzungsart gibt es nicht. Auf den Fortbestand einer faktischen Ruhezone durch Festsetzungen, die die Bebauung von benachbarten Grundstücken verhindern, hat der Nachbar keinen Anspruch.
d) Mangels eines relevanten Abwägungsfehlers stellt sich die Frage nicht, ob der Bebauungsplan zu Recht für nichtig erklärt worden ist. Anzumerken ist gleichwohl, dass der Bebauungsplan auch auf der Grundlage der Rechtsauffassung des Normenkontrollgerichts nur für unwirksam hätte erklärt werden dürfen. Weshalb der vom Normenkontrollgericht angenommene Mangel so gravierend sei, dass er die Grundstruktur der Planung berühre, lässt sich seinem Urteil nicht entnehmen. Wenn das Normenkontrollgericht darauf abgestellt haben sollte, dass der Gemeinderat die zwar nicht beabsichtigten, aber zulässigen Nutzungen nicht berücksichtigt habe, so würde es verkennen, dass bei einem Fehler (nur) im Abwägungsvorgang ein ergänzendes Verfahren niemals ausgeschlossen werden kann, weil eine umfassende neue Abwägung gleichwohl zu demselben Planungsergebnis kommen kann. Sollte das Normenkontrollgericht dagegen gemeint haben, dass die theoretisch zulässigen Betriebe wegen der beengten Verhältnisse hätten ausgeschlossen werden müssen, so hätte der Plan dennoch nur für unwirksam erklärt werden dürfen. Denn was die Antragsgegnerin im Kern planen wollte, zeigt – auch nach der Auffassung der Vorinstanz – der Durchführungsvertrag. Der Ausschluss theoretisch möglicher, aber gar nicht beabsichtigter Nutzungen hätte das Planungskonzept oder die “Grundstruktur der Planung” weder verletzt noch überhaupt berührt.
2. Das angefochtene Urteil erweist sich aber aus anderen Gründen als teilweise richtig. Die Ausführungen des Normenkontrollgerichts zur vermeintlich fehlerhaften Abwägung bei der Aufstellung des streitigen Bebauungsplans zeigen einen anderen planerischen Mangel auf. Der Plan ist nicht hinreichend bestimmt. Aus seinen Festsetzungen lässt sich auch durch Auslegung nicht mit genügender Deutlichkeit ermitteln, welche baulichen Nutzungen zulässig sein sollen. Dieser Mangel macht den Bebauungsplan allerdings nicht nichtig, sondern nur unwirksam.
a) Das Normenkontrollgericht führt aus, der streitige vorhabenbezogene Bebauungsplan sei nicht nur planungsrechtliche Grundlage für das Projekt der Vorhabenträgerin, sondern lasse auch die übrigen in § 4 Abs. 2 und 3 BauNVO aufgeführten Vorhaben zu, soweit sie nicht ausdrücklich ausgeschlossen worden seien. In seiner Auslegung des Bebauungsplans gestattet er also nicht nur die Errichtung von Wohnhäusern einschließlich eines Hauses für betreutes Seniorenwohnen, sondern auch die Errichtung von gebietsversorgenden Schank- und Speisewirtschaften oder von nicht störenden Handwerksbetrieben. Für diese Auslegung spricht, dass das Projekt der Vorhabenträgerin in der Planzeichnung und den textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans nicht erwähnt wird und dass ein besonderer Vorhaben- und Erschließungsplan, der gemäß § 12 Abs. 3 Satz 1 BauGB Bestandteil des vorhabenbezogenen Bebauungsplans wäre, nicht existiert.
Gleichwohl begegnet die Interpretation des Plans durch das Normenkontrollgericht durchgreifenden Bedenken. Denn ein Bebauungsplan, der neben den Vorhaben, die Gegenstand des Durchführungsvertrages mit der Gemeinde sind, alternativ auch andere Vorhaben zulässt, wäre kein vorhabenbezogener Bebauungsplan im Sinne von § 12 BauGB, sondern ein “normaler” Bebauungsplan, für dessen Aufstellung teilweise andere Voraussetzungen gelten. Durch den vorhabenbezogenen Bebauungsplan wird die Zulässigkeit einzelner Vorhaben bestimmt. Er setzt voraus, dass die Gemeinde mit dem Vorhabenträger einen Durchführungsvertrag geschlossen hat (§ 12 Abs. 1 Satz 1 BauGB). Gegenstand des Vertrages ist der Vorhaben- und Erschließungsplan, durch den nicht etwa allgemein irgendeine Bebauung des Plangebiets, sondern die Errichtung eines oder mehrerer konkreter Vorhaben im Sinne von § 29 Abs. 1 BauGB geregelt wird. Der Vorhaben- und Erschließungsplan, der Bebauungsplan und der Durchführungsvertrag müssen aufeinander abgestimmt sein und dürfen sich nicht widersprechen. Das schließt nicht aus, dass das vereinbarte und im Vorhaben- und Erschließungsplan festgelegte Vorhaben von vornherein eine gewisse Bandbreite an Nutzungsmöglichkeiten umfasst und damit einem Bedürfnis des Vorhabenträgers oder der Gemeinde nach einem nicht allzu starren planerischen Rahmen Rechnung trägt. Wo die Grenzen einer derartigen flexibleren Planung mit dem Mittel des § 12 BauGB liegen, bedarf hier keiner Vertiefung. Die Festsetzung eines Baugebiets allein reicht jedenfalls nicht aus. Ebenso wäre ein vorhabenbezogener Bebauungsplan, der ein anderes Vorhaben als das im Durchführungsvertrag vereinbarte – ein “aliud” – zulässt, fehlerhaft (vgl. dazu auch Jäde, in: Jäde/Dirnberger/Weiß, BauGB, 3. Aufl. 2002, § 12 Rn. 39). Aus diesem Grunde verletzt das Normenkontrollgericht mit seiner Auslegung des streitigen Bebauungsplans, nach der – beispielsweise – auf ein und demselben Grundstück sowohl ein Haus für betreutes Seniorenwohnen als auch eine Gaststätte planungsrechtlich zulässig sein soll, Bundesrecht. Nur eine Auslegung des Bebauungsplans, die zumindest im Grundsatz mit dem Inhalt des Durchführungsvertrags übereinstimmt, wäre mit Sinn und Zweck des § 12 BauGB vereinbar.
b) Der Senat hat erwogen, ob der streitige Bebauungsplan durch eine einschränkende Auslegung seiner Festsetzungen einen mit § 12 BauGB vereinbaren Inhalt erhalten kann. Im Grundsatz bestehen keine Bedenken, die Festsetzung (nur) eines Baugebiets auch in einem vorhabenbezogenen Bebauungsplan als unschädlich zu betrachten, wenn der Plan das Vorhaben durch eine zusätzliche Beschreibung hinreichend konkretisiert (vgl. auch Bielenberg, ZfBR 1996, 6 ≪10≫; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16. Oktober 1997 – 11a D 116/96.NE – BRS 59 Nr. 255). Im vorliegenden Fall scheidet diese Möglichkeit jedoch aus. Denn abgesehen von seiner Bezeichnung als “vorhabenbezogener Bebauungsplan” enthält der Plan selbst nicht einmal einen Hinweis auf die Vorhaben, deren Realisierung er dienen soll. Was die Vorhabenträgerin bauen möchte, ist zwar im Durchführungsvertrag im Einzelnen beschrieben. Auf ihn kann jedoch zur Auslegung eines solchen Bebauungsplans nicht zurückgegriffen werden, weil er nicht Bestandteil der Bauleitplanung ist und von anderen Planbetroffenen nicht eingesehen werden kann. Der Öffentlichkeit zugänglich ist dagegen zwar die Planbegründung, in der die von der Vorhabenträgerin geplanten Vorhaben am Anfang in einer “Vorbemerkung” genannt werden. Diese Erwähnung kann jedoch das völlige Fehlen von einschränkenden Festsetzungen im Bebauungsplan selbst nicht ersetzen. Die Planbegründung dient der Erläuterung des Bebauungsplans; sie kann zwar Auslegungshilfe für den Plan sein, ist jedoch selbst kein Planbestandteil. Damit scheidet hier eine einschränkende Auslegung des Bebauungsplans aus. Was die Antragsgegnerin festsetzen wollte und was gemäß § 12 BauGB auch zulässiger Planinhalt sein kann, lässt sich dem streitigen Bebauungsplan nicht widerspruchsfrei entnehmen.
c) Die Unbestimmtheit der Festsetzungen über die zulässigen baulichen Nutzungen macht den Bebauungsplan allerdings nicht nichtig. Denn es bedarf lediglich einiger klarstellender Ergänzungen, um diesen Mangel zu beheben. Dies kann im ergänzenden Verfahren geschehen. Bis zur Behebung des Mangels ist der Bebauungsplan jedoch unwirksam (§ 215a Abs. 1 BauGB).
3. Auch die übrigen Angriffe der Antragsteller gegen den Bebauungsplan der Antragsgegnerin sind nicht geeignet, seine Nichtigkeit zu begründen.
a) Die Antragsteller machen geltend, der Bebauungsplan sei auch deshalb nichtig, weil er mehrere mit Wohn- und Geschäftshäusern bebaute Grundstücke in den Bebauungsplan einbeziehe, die nicht Gegenstand des Durchführungsvertrages seien. Das Normenkontrollgericht hat offen gelassen, ob in der Einbeziehung dieser Gebäudegrundstücke in den vorhabenbezogenen Bebauungsplan ein Fehler liegt. Die Frage kann auch im Revisionsverfahren offen bleiben. Denn der gerügte Mangel könnte nicht zur Nichtigkeit des Plans, sondern ebenfalls nur zu seiner Unwirksamkeit führen, weil eine Fehlerbehebung im ergänzenden Verfahren durch Verkleinerung des Plangebiets möglich wäre.
Im Übrigen lassen jedoch die Feststellungen des Normenkontrollgerichts die Beurteilung zu, dass der gerügte Fehler nicht vorliegt. Nach § 12 Abs. 4 BauGB können einzelne Flächen außerhalb des Bereichs des Vorhaben- und Erschließungsplans in den vorhabenbezogenen Bebauungsplan einbezogen werden. Das bedeutet, dass das Plangebiet nicht durch das “Vorhaben” begrenzt ist, sondern darüber hinausgehen darf, allerdings nur mit einzelnen Flächen. Es kommt danach nicht entscheidend darauf an, ob die drei Hausgrundstücke, insbesondere das Grundstück der Sparkasse, schon deshalb Bestandteil des Bebauungsplans sind oder sein müssen, weil sie zur Erschließung der baulichen Anlagen benötigt werden, die die Vorhabenträgerin im Plangebiet errichten will. Denn jedenfalls ist eine Abrundung um einzelne Flächen zulässig. In diesem Rahmen hält sich die Erweiterung des Plangebiets; erfasst ist nur ein kleiner Randbereich.
b) Im Ergebnis dasselbe gilt für die Rüge, es fehle an einer hinreichenden naturschutzrechtlichen Ausgleichsregelung.
Das Normenkontrollgericht “merkt an”, dass auch die Behandlung der naturschutzrechtlichen Eingriffs- und Ausgleichsproblematik defizitär sei. In der Verpflichtung zur Durchführung nicht näher konkretisierter, lediglich kostenmäßig nach oben begrenzter Kompensationsmaßnahmen könne keine planerische Sicherstellung des erforderlichen Ausgleichs gesehen werden. Ob das Normenkontrollgericht mit diesen Ausführungen seine Entscheidung auch auf eine Verletzung von § 1a Abs. 3 BauGB stützen oder nur einen, die Entscheidung nicht tragenden Hinweis geben will, ist unklar. Die Frage kann offen bleiben. Denn auch ein Verstoß gegen § 1a Abs. 3 BauGB könnte im ergänzenden Verfahren korrigiert werden; zur Nichtigkeit des Bebauungsplans führt auch dieser Fehler nicht.
Der Senat weist darauf hin, dass nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung im Revisionsverfahren zumindest heute keine Bedenken mehr gegen die getroffene Ausgleichsregelung bestehen dürften. Zwar müssen auch vertragliche Vereinbarungen oder sonstige geeignete Maßnahmen zum Ausgleich gemäß § 1a Abs. 3 Satz 3 BauGB hinreichend konkret bezeichnet sein. Erforderlich ist ferner ein Mindestmaß an rechtlicher Bindung der Gemeinde, um die Verwirklichung der Ausgleichsmaßnahme abzusichern (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. September 2002 – BVerwG 4 CN 1.02 – BVerwGE 117, 58 ≪67 f.≫; Beschluss vom 18. Juli 2003 – BVerwG 4 BN 37.03). Auf der Grundlage der vom Normenkontrollgericht getroffenen Feststellungen mag es an einer diesen Grundsätzen genügenden Regelung gefehlt haben. Die Antragsgegnerin hat jedoch unwidersprochen vorgetragen, dass schon bei Abschluss des Durchführungsvertrages beabsichtigt gewesen sei, die Ausgleichsanpflanzung auf einem Grundstück der Gemeinde vorzunehmen, das bereits zu diesem Zeitpunkt für Ausgleichsmaßnahmen bereitgestellt gewesen sei; offen sei nur der genaue Standort der Anpflanzung gewesen. Ferner haben die Verfahrensbeteiligten übereinstimmend erklärt, dass die Kompensationsfläche inzwischen auch bepflanzt sei. Damit dürften sich die Zweifel, ob die Antragsgegnerin den Anforderungen des § 1a Abs. 3 BauGB Genüge getan hat, erledigt haben.
c) Das Normenkontrollgericht hat schließlich offen gelassen, ob die Antragsgegnerin zu Recht von einer in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht gewährleisteten Entsorgung der im Plangebiet anfallenden Abwässer ausgegangen ist. Diese Frage kann auch im Revisionsverfahren unentschieden bleiben. Denn selbst wenn die Planung der Entwässerungsleitung fehlerhaft sein sollte, würde auch dieser Mangel allenfalls zu Unwirksamkeit des Bebauungsplans führen können. Das Konzept des Bebauungsplans würde unberührt bleiben, weil nicht erkennbar ist, dass das Plangebiet mit den derzeit vorgesehenen Vorhaben nicht gegebenenfalls auf andere Weise entwässert werden könnte.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Zwar haben die Antragsteller ihr Ziel, den Bebauungsplan für nichtig erklären zu lassen, nicht ganz erreicht. Ihr Unterliegen im Verfahren ist jedoch so geringfügig, dass es angemessen erscheint, die Antragsgegnerin mit sämtlichen Kosten des Normenkontrollverfahrens zu belasten (BVerwG, Beschluss vom 6. März 2002 – BVerwG 4 BN 7.02 – ZfBR 2002, 492).
Unterschriften
Paetow, Lemmel, Halama, Rojahn
RiBVerwG Dr. Jannasch ist wegen Urlaubs gehindert zu unterschreiben
Paetow
Fundstellen
BVerwGE 2004, 45 |
BauR 2004, 286 |
BauR 2004, 375 |
ZAP 2004, 65 |
ZfIR 2004, 160 |
NuR 2004, 239 |
ZUR 2004, 179 |
ZfBR 2004, 167 |
BTR 2004, 45 |
DVBl. 2004, 247 |
GV/RP 2004, 344 |
GV/RP 2004, 372 |
UPR 2004, 118 |
BRS-ID 2004, 2 |
BRS-ID 2004, 5 |
EurUP 2003, 91 |
FSt 2004, 497 |
FSt 2004, 501 |
FuBW 2004, 331 |
FuBW 2004, 332 |
FuHe 2004, 335 |
FuHe 2004, 378 |