Entscheidungsstichwort (Thema)
Vollzug von Bundesgesetzen als eigene Angelegenheit der Länder. Eisenbahnverkehrsverwaltung als bundeseigene Verwaltung. eisenbahnrechtliches Anhörungsverfahren. eisenbahnrechtliche Planfeststellung. Verwaltungsgebühr. Heranziehung des Bundes. Verwaltungsausgaben. Verbot eines Finanztransfers. Prinzip der Vollzugskausalität
Leitsatz (amtlich)
Die Länder sind nicht befugt, vom Bund für die Durchführung des Anhörungsverfahrens im Rahmen eines eisenbahnrechtlichen Planfeststellungsverfahrens eine Verwaltungsgebühr zu erheben.
Normenkette
GG Art. 31, 84 Abs. 1, Art. 87e, 104 a; EVerkVerwG § 3 Abs. 3 S. 1; AEG § 20; VwVfG § 73; VwKostG § 1 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 S. 1 Nr. 2, S. 2; LGebG Rheinland-Pfalz § 13 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
OVG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 12.11.1998; Aktenzeichen 12 A 10976/98) |
VG Neustadt a.d. Weinstraße (Entscheidung vom 07.08.1997; Aktenzeichen 9 K 2480/96) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 12. November 1998 geändert. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 7. August 1997 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I.
Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zu einer Verwaltungsgebühr für die Durchführung einer Anhörung im Rahmen eines eisenbahnrechtlichen Planfeststellungsverfahrens sowie gegen die Festsetzung einer Widerspruchsgebühr.
Im März 1995 leitete das Eisenbahn-Bundesamt – Außenstelle Karlsruhe – das Planfeststellungsverfahren für die Änderung eines Bahnübergangs in Godramstein auf der Strecke Rheinsheim-Rohrbach ein, indem es die von der Deutschen Bahn AG (DB AG) vorgelegten Planunterlagen der Bezirksregierung Rheinhessen-Pfalz zwecks Durchführung des Anhörungsverfahrens zuleitete. Diese veranlaßte die öffentliche Bekanntmachung und Auslegung. Einwendungen wurden nicht erhoben. Ein Erörterungstermin fand nicht statt. Im Rahmen der parallel durchgeführten Anhörung der Träger öffentlicher Belange gingen Stellungnahmen verschiedener Behörden ein, deren Inhalt die Bezirksregierung dem Eisenbahn-Bundesamt in ihrem Abschlußbericht vom 13. Dezember 1995 unter Vorlage ihrer Akten und eines „Kostenbescheids” vortrug.
In dem Kostenbescheid forderte die Bezirksregierung für die Durchführung des Anhörungsverfahrens auf der Grundlage der Achten Landesverordnung zur Änderung der Landesverordnung über die Gebühren der Behörden der Verkehrsverwaltung vom 28. Dezember 1994 – GVBl S. 487 – (Besonderes Gebührenverzeichnis) eine Gebühr in Höhe von 1 800 DM.
Hiergegen legte das Eisenbahn-Bundesamt mit Schreiben vom 9. Januar 1996 Widerspruch ein und machte zur Begründung geltend, als Bundesbehörde persönliche Gebührenfreiheit zu genießen.
Mit Bescheid vom 22. Juli 1996 wies die Bezirksregierung den Widerspruch als unbegründet zurück. Eine Gebührenbefreiung gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1 des Landesgebührengesetzes (LGebG) trete nicht ein, weil das Eisenbahn-Bundesamt berechtigt sei, die Gebühr einem Dritten, nämlich der DB AG als Vorhabenträger, aufzuerlegen. Für die Durchführung des Widerspruchsverfahrens wurde eine Gebühr in Höhe von 180 DM festgesetzt.
Die Klägerin hat daraufhin am 5. August 1996 beim Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Klage erhoben. Sie hat ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und ergänzend geltend gemacht: Sie habe keine kostenpflichtige Amtshandlung veranlaßt, weil der Beklagte das Anhörungsverfahren als eine eigene, ihm durch Gesetz zugewiesene Aufgabe wahrgenommen habe. Die Kosten des Anhörungsverfahrens seien von dem Beklagten selbst zu tragen, weil Aufgaben- und Ausgabenverantwortung nach Art. 104 a GG grundsätzlich zusammenfielen. Wenn überhaupt, könne ein Kostenbescheid nur an die DB AG ergehen, die das Anhörungsverfahren veranlaßt habe und zu deren Gunsten es vorgenommen worden sei. Auch die Höhe der Gebühr für das Widerspruchsverfahren sei nicht nachvollziehbar. § 15 Abs. 4 LGebG bestimme, daß die Gebühr für das Widerspruchsverfahren bei isolierter Kostenanfechtung höchstens 100 DM betrage.
Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit Urteil vom 7. August 1997 stattgegeben und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Die angefochtenen Bescheide seien rechtswidrig, weil die Klägerin nicht als Kostenschuldnerin im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 1 LGebG angesehen werden könne. Sie habe die Amtshandlung, für deren Vornahme der Beklagte die Gebühr geltend mache, weder veranlaßt noch sei sie zu ihren Gunsten vorgenommen worden. Von einer Veranlassung könne hier deshalb nicht ausgegangen werden, weil der Beklagte zur Durchführung der Anhörung nach § 3 Abs. 3 Satz 1 des Gesetzes über die Eisenbahnverkehrsverwaltung des Bundes (EVerkVerwG) von Gesetzes wegen verpflichtet sei. Somit habe die Klägerin weder einen Antrag auf Vornahme der Amtshandlung gestellt noch einen Tatbestand geschaffen, der ursächlich für das behördliche Tätigwerden des Beklagten gewesen sei.
Gegen dieses Urteil hat sich der Beklagte mit der – vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz zugelassenen – Berufung gewandt. Durch Urteil vom 12. November 1998 (KStZ 1999, 167 f.) hat das Oberverwaltungsgericht der Berufung stattgegeben und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt:
Der Kostenbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides sei rechtmäßig und verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten. Rechtsgrundlage der Gebührenerhebung seien § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1, 2 und 4 LGebG i.V.m. Ziffer 2.22 des Besonderen Gebührenverzeichnisses in der hier maßgebenden Fassung der 8. Änderungsverordnung. Der Anwendungsbereich dieser landesrechtlichen Regelungen werde durch vorrangige Bestimmungen des Verwaltungskostengesetzes (VwKostG) des Bundes nicht verdrängt. Nach Art. 87 e Abs. 1 Satz 1 GG werde die Eisenbahnverkehrsverwaltung, wozu insbesondere auch die Planfeststellung von Schienenwegen zähle, grundsätzlich in bundeseigener Verwaltung geführt. Aus Art. 87 e Abs. 1 Satz 2 GG folge jedoch, daß Aufgaben aus diesem Bereich den Ländern als eigene Angelegenheit übertragen werden könnten. Damit sei ausdrücklich eine fakultative Rückübertragungsermächtigung zugunsten des einfachen Gesetzgebers geschaffen worden, von der dieser hier durch § 3 Abs. 3 Satz 1 EVerkVerwG Gebrauch gemacht habe, wonach jeweils die nach Landesrecht zuständige Behörde des Landes, in dem die Betriebsanlagen lägen, das Anhörungsverfahren durchführe. Daß für das Anhörungsverfahren gemäß § 20 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG) die bundesrechtliche Bestimmung des § 73 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) gelte, stehe dieser Beurteilung nicht entgegen. Hierbei handele es sich nämlich um eine mit Zustimmung des Bundesrates erfolgte „andere Bestimmung” nach Maßgabe des Art. 84 Abs. 1 GG, welche den durch Art. 87 e Abs. 1 Satz 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 3 Satz 1 EVerkVerwG begründeten rechtlichen Charakter der Anhörung als Maßnahme des landeseigenen Vollzugs von Bundesgesetzen unberührt lasse. Damit scheide auch eine kostenrechtliche Kompetenz des Bundesgesetzgebers und damit eine Anwendung des Verwaltungskostengesetzes aus.
Der angefochtene Kostenbescheid lasse auch keine weiteren Rechtsfehler erkennen. Die Durchführung der Anhörung stelle eine besondere öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit (kostenpflichtige Amtshandlung) im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 LGebG dar. Dieser Begriff sei weitergehend als derjenige des Verwaltungsakts und umgreife sämtliche Maßnahmen mit Außenwirkung, die in Ausübung behördlicher Befugnisse unter Einschluß der schlichten Hoheitsverwaltung ergingen.
Eine Außenwirkung sei der von dem Beklagten durchgeführten Anhörung ohne weiteres beizumessen. Die Klägerin sei ferner Kostenschuldnerin im Sinne von § 13 Abs. 1 Nr. 1 LGebG. Der Beklagte habe sie zu Recht als Veranlasserin der Amtshandlung deshalb in Anspruch genommen, weil sie der Bezirksregierung die Planfeststellungsunterlagen der DB AG zugeleitet habe. Daß § 3 Abs. 3 Satz 1 EVerkVerwG eine gesetzliche Verpflichtung des Eisenbahn-Bundesamtes zur Zuleitung an die Anhörungsbehörde statuiere, rechtfertige eine andere Beurteilung nicht. Das Eisenbahn-Bundesamt erfülle durch die Übersendung der maßgeblichen Planunterlagen eine in seinem Interesse liegende Verpflichtung und werde deshalb im eigenen Pflichtenkreis tätig. Die Zuleitung der Unterlagen diene nämlich dem Zweck, dem Eisenbahn-Bundesamt die Wahrnehmung der ihm originär zugewiesenen Aufgaben als Planfeststellungsbehörde zu ermöglichen.
Die Klägerin könne auch nicht mit dem Einwand gehört werden, ihre Heranziehung verstoße gegen die in Art. 104 a GG enthaltenen Grundsätze zur getrennten Haushaltsführung des Bundes und der Länder. Eine Verletzung des insoweit allein in Betracht kommenden Art. 104 a Abs. 5 Satz 1 GG, der als spezielle Vorschrift die in Art. 104 a Abs. 1 enthaltene Grundregel der gesonderten Ausgabentragung dahin gehend präzisiere, daß Bund und Länder bei der Wahrnehmung der Verwaltungsaufgaben jeweils die ihnen entstehenden Verwaltungsausgaben zu tragen hätten, liege nicht vor. Art. 104 a Abs. 5 Satz 1 GG verlange nämlich keine Gebührenfreiheit. Unter Verwaltungsausgaben im Sinne dieser Bestimmung fielen allein die allgemeinen Kosten für die Unterhaltung und den Betrieb des administrativen Apparates, nicht dagegen Verwaltungsgebühren, die als Gegenleistung für eine besondere öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit erhoben würden.
Zu Unrecht gehe die Klägerin davon aus, daß eine solche Gebührenregelung gegen das Kostendeckungs- und Äquivalenzprinzip verstoße, das in § 3 LGebG Ausdruck gefunden habe. Für einen solchen Verstoß sei nichts ersichtlich. Insbesondere sei es nicht zu beanstanden, wenn bei der Verwirklichung des Äquivalenzprinzips ein Wahrscheinlichkeitsmaßstab angelegt werde und die Gebühr sich an dem typischen Nutzen orientiere, den die Amtshandlung erbringe. Der Nutzen der Klägerin liege wirtschaftlich betrachtet in der Ersparnis eigener Sach- und Personalaufwendungen für die Durchführung einer Anhörung.
Auch die von der Klägerin angefochtene Festsetzung einer Widerspruchsgebühr sei rechtmäßig. Rechtsgrundlage hierfür sei § 15 Abs. 4 Satz 1 des LGebG. Entgegen der Auffassung der Klägerin sei Gegenstand ihres Rechtsbehelfs nicht die isolierte Anfechtung einer Kostenentscheidung gewesen.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit der vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision. In ihrer Begründung vertieft sie ihr bisheriges Vorbringen und führt u.a. aus:
Das angefochtene Urteil verletze Bundesrecht, weil eine Gebührenerhebung gegenüber dem Bund Art. 104 a GG widerspreche. Der dort niedergelegte Lastenverteilungsgrundsatz besage, daß derjenige, der nach der verfassungsrechtlichen Verteilung der Aufgaben zwischen Bund und Ländern eine Aufgabe wahrzunehmen habe, auch verpflichtet sei, die sich daraus ergebenden Ausgaben aus seinen Haushaltsmitteln zu finanzieren. Eine Mischfinanzierung der Art, daß der Bund Landesaufgaben finanziere oder umgekehrt, daß er Länder zur Finanzierung von Bundesaufgaben heranziehe, sei unzulässig. Daß die Tätigkeit der Anhörungsbehörde im Rahmen von Planfeststellungsverfahren eine eigene Aufgabe der Länder sei, sei bereits unter der Geltung des § 36 des Bundesbahngesetzes (BBahnG) entschieden gewesen. An dieser Rechtslage habe sich durch das Inkrafttreten des Eisenbahnneuordnungsgesetzes nichts geändert.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 12. November 1998 aufzuheben und die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Der Oberbundesanwalt beteiligt sich am Verfahren und vertritt die Auffassung, nach der Funktion, die der Anhörung innerhalb des Planfeststellungsverfahrens zukomme, könne die Planfeststellungsbehörde nicht als „Verursacherin” und damit als Kostenschuldnerin des Anhörungsverfahrens betrachtet werden.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision der Klägerin ist begründet. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht und erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Aus diesem Grunde ist die Berufung des Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil zurückzuweisen. Es bleibt bei der vom Verwaltungsgericht ausgesprochenen Aufhebung der angefochtenen Bescheide.
1. Mit ihrer Revision rügt die Klägerin zunächst, anstelle des Landesgebührengesetzes für Rheinland-Pfalz vom 3. Dezember 1974 – GVBl S. 578 – (LGebG) hätte das Oberverwaltungsgericht das Verwaltungskostengesetz vom 23. Juni 1970 – BGBl I S. 821 – (VwKostG) heranziehen müssen. Das ist unzutreffend.
Das Verwaltungskostengesetz gilt auch für die Kosten (Gebühren und Auslagen) öffentlich-rechtlicher Verwaltungstätigkeit der Landesbehörden, wenn sie Bundesrecht ausführen. Voraussetzung dafür ist aber, daß die Länder Bundesgesetze, wenn sie nach dem Stichtag des 27. Juni 1970 erlassen worden sind, entweder im Wege der Auftragsverwaltung ausführen (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwKostG) oder bei der Ausführung von Bundesrecht als eigene Angelegenheit das Verwaltungskostengesetz durch ein Bundesgesetz mit Zustimmung des Bundesrates ausdrücklich für anwendbar erklärt ist (vgl. § 1 Abs. 2 Satz 2 VwKostG). Eine Kostenerhebung nach dem Verwaltungskostengesetz kommt danach im vorliegenden Fall nicht in Betracht. Denn das beklagte Land hat im Rahmen des Anhörungsverfahrens Bundesrecht als eigene Angelegenheit ausgeführt, ohne daß insoweit das Verwaltungskostengesetz für anwendbar erklärt worden wäre. Die Erwägungen, mit denen das Oberverwaltungsgericht zu diesem Ergebnis gelangt, sind nicht zu beanstanden.
Nach § 3 Abs. 3 Satz 1 des Gesetzes über die Eisenbahnverkehrsverwaltung des Bundes vom 27. Dezember 1993 – BGBl I S. 2378, 2394 – (EVerkVerwG) hat das Eisenbahn-Bundesamt im Planfeststellungsverfahren für den Bau neuer oder die Änderung bestehender Betriebsanlagen der Eisenbahnen des Bundes der nach Landesrecht zuständigen Behörde des Landes, in dem die Betriebsanlagen liegen, die Pläne zur Durchführung des Anhörungsverfahrens zuzuleiten. Das Anhörungsverfahren nach § 20 AEG i.V.m. § 73 VwVfG ist dadurch in die Verwaltungszuständigkeit der Länder verwiesen. Die verfassungsrechtliche Grundlage hierfür bildet Art. 87 e Abs. 1 GG. Nach Satz 1 dieser Vorschrift wird die Eisenbahnverkehrsverwaltung für Eisenbahnen des Bundes zwar in bundeseigener Verwaltung geführt; Satz 2 des Art. 87 e Abs. 1 GG läßt aber zu, daß durch Bundesgesetz mit Zustimmung des Bundesrates (Art. 87 e Abs. 5 Satz 1 GG) Aufgaben der Eisenbahnverkehrsverwaltung den Ländern als eigene Angelegenheit übertragen werden. Zur Eisenbahnverkehrsverwaltung des Bundes zählt die Planfeststellung für die Schienenwege der Eisenbahnen des Bundes (vgl. BTDrucks 12/4609(neu), S. 57). Auch hätte die Bundesregierung aus Gründen der „Investitionsbeschleunigung” vorgeschlagen, im Zuge der Neuordnung des Eisenbahnwesens die Zuständigkeit für das Anhörungsverfahren auf das neue Eisenbahn-Bundesamt zu verlagern (vgl. BTDrucks 12/5014, S. 40). Der Bundesrat hat sich jedoch dieser Lösung widersetzt und mit seiner Auffassung durchgesetzt, daß „Planfeststellung und Anhörungsverfahren … auch künftig nicht in einer Hand liegen” sollen (vgl. BTDrucks 12/5014, S. 10). Art. 87 e Abs. 1 Satz 2 GG stellt nicht zuletzt aus diesem Grunde klar, daß den Ländern Aufgaben der Eisenbahnverkehrsverwaltung durch Bundesgesetz als eigene Aufgabe übertragen werden können (vgl. BTDrucks 12/6280, S. 8).
Damit ist das eisenbahnrechtliche Anhörungsverfahren i.S.v. Art. 87 e Abs. 1 Satz 2 GG als eine eigene Angelegenheit der Länder einzustufen. Die Anwendungsvoraussetzungen des § 1 VwKostG sind insoweit nicht erfüllt. Das Verwaltungskostengesetz entfaltet keine Sperrwirkung gegenüber dem Landesgebührengesetzgeber. Die Gesetzgebungskompetenz zur Regelung des Gebührenrechts ist dann, wenn ein Bundesgesetz durch die Länder als eigene Angelegenheit ausgeführt wird, nach Art. 84 Abs. 1 GG grundsätzlich Sache der Länder (vgl. Urteil vom 25. August 1999 – BVerwG 8 C 12.98 – UA S. 14; ferner Urteil vom 13. Januar 1959 – BVerwG 1 C 114.57 – BVerwGE 8, 93 ≪94≫; Urteil vom 3. März 1994 – BVerwG 4 C 1.93 – BVerwGE 95, 188 ≪193≫). Mit der Verwaltungszuständigkeit der Länder geht auch ihre Gebührenhoheit einher.
2. Es ist demnach an sich nicht zu beanstanden, wenn das Oberverwaltungsgericht das Landesgebührengesetz für Rheinland-Pfalz als mögliche Rechtsgrundlage für den angefochtenen Kostenbescheid herangezogen hat. Allerdings hat das Oberverwaltungsgericht dieses Landesrecht unter Verstoß gegen Bundesrecht ausgelegt und angewandt (vgl. Art 31 GG). Dies beruht letztlich wiederum auf einer unzutreffenden Auslegung von § 3 Abs. 3 Satz 1 EVerkVerwG (nachfolgend a). Hinzu kommt ein Verstoß gegen Art. 104 a GG (nachfolgend b). Die Länder sind nicht befugt, vom Bund für die Durchführung des eisenbahnrechtlichen Anhörungsverfahrens eine Verwaltungsgebühr zu erheben.
a) Mit Recht rügt die Klägerin eine gewisse Widersprüchlichkeit, wenn das Oberverwaltungsgericht einerseits in Anwendung von § 3 Abs. 3 Satz 1 EVerkVerwG feststellt, das eisenbahnrechtliche Anhörungsverfahren werde von dem beklagten Land als „eigene” Angelegenheit und als Maßnahme des „landeseigenen Vollzugs” durchgeführt (UA S. 7 ff.), andererseits aber davon ausgeht, das Anhörungsverfahren diene dazu, „dem Eisenbahn-Bundesamt die Wahrnehmung der ihm originär zugewiesenen Aufgaben als Planfeststellungsbehörde zu ermöglichen”, so daß diese auch „allein … Herrin des Verfahrens” bleibe (UA S. 13). Damit unterstellt das Oberverwaltungsgericht inzident, die eisenbahnrechtliche Planfeststellung seimateriell auch in der Phase der Anhörung eine Angelegenheit des Bundes; die Anhörungsbehörde werde dabei anstelle der für die Planfeststellung zuständigen Bundesbehörde tätig und erledige für diese eine Aufgabe, sei also in deren Interesse tätig.
Diese Auffassung ist mit § 3 Abs. 3 Satz 1 EVerkVerwG unvereinbar. Gerade aus der genannten Vorschrift folgt nämlich im Gegenteil, daß die Anhörung – ungeachtet dessen, daß sie integrierter Bestandteil des eisenbahnrechtlichen Planfeststellungsverfahrens ist – eine eigene Angelegenheit der Landesverwaltung darstellt. Die Verwaltungsaufgabe, das eisenbahnrechtliche Planfeststellungsverfahren durchzuführen, ist hierdurch zwischen Bund und Ländern aufgespalten. Die Eisenbahnverkehrsverwaltung des Bundes erstreckt sich nicht auf Anhörungsverfahren. Dieses Ergebnis der in § 3 Abs. 3 Satz 1 EVerkVerwG vom Gesetzgeber getroffenen Entscheidung kann nicht unter Hinweis auf die Bedeutung, die das Anhörungsverfahren für die in der Zuständigkeit des Bundes verbliebene Planfeststellung hat, in Frage gestellt werden.
§ 3 Abs. 3 Satz 1 EVerkVerwG ist entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts auch nicht zu entnehmen, daß sich das Eisenbahn-Bundesamt „durch die Übersendung der maßgeblichen Planunterlagen … in seinem Interesse” für eine Planfeststellung entscheidet (UA S. 13) und zu diesem Zweck die Hilfe der Anhörungsbehörde des Landes in Anspruch nimmt. Die Aktenübersendung erfolgt vielmehr, um der Anhörungsbehörde des Landes die Erfüllung einer allein ihr zugewiesenen Verwaltungsaufgabe zu ermöglichen. Das Eisenbahn-Bundesamt nimmt nicht eine Leistung der Anhörungsbehörde in Anspruch, wenn es § 3 Abs. 3 Satz 1 EVerkVerwG befolgt und seine Akten vorübergehend an die Anhörungsbehörde abgibt.
Deutlich wird der fehlsame rechtliche Ansatz des Oberverwaltungsgerichts schließlich auch, wenn es dem Einwand der Klägerin, die Gebührenerhebung verletze das Äquivalenzprinzip, an anderer Stelle mit dem Argument entgegentritt, ihr Nutzen liege „wirtschaftlich betrachtet in der Ersparnis eigener Sach- und Personalaufwendungen für die Durchführung einer Anhörung” (UA S. 17). Wenn § 3 Abs. 3 Satz 1 EVerkVerwG das Anhörungsverfahren aus der bundeseigenen Verwaltung in die Verwaltungszuständigkeit der Länder überführt hat, kann keine Rede davon sein, daß sich der Bund Sach- und Personalaufwendungen erspart. Nutzbringend – nämlich kostensparend – ist die Tätigkeit der Anhörungsbehörde für den Bund nach der geltenden Gesetzeslage nicht.
b) Hiervon ausgehend erscheinen die Aussagen, die das Oberverwaltungsgericht zum bundesrechtlichen Äquivalenzprinzip macht (UA S. 17), nicht tragfähig. Es stellt sich die Frage, ob hier nicht ein Fall vorliegt, in dem das Äquivalenzprinzip deswegen verletzt ist, weil die Gebühr für eine Leistung gefordert wird, die für den Gebührenpflichtigen offensichtlich keinen Wert hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. März 1961 – BVerwG 7 C 109.60 – BVerwGE 12, 162 ≪166≫). Dies kann jedoch dahinstehen. Die Annahme einer Zahlungsverpflichtung der Klägerin verstößt nämlich jedenfalls gegen Art. 104 a GG. Im einzelnen geht der erkennende Senat insoweit von folgenden Erwägungen aus:
Das Oberverwaltungsgericht legt § 13 Abs. 1 Nr. 1 LGebG so aus, daß jeder eine Amtshandlung schon dann „veranlaßt”, wenn er dafür die „unmittelbare Ursache” setzt. Es kommt danach nicht darauf an, ob die Amtshandlung willentlich herbeigeführt wird, sondern „in wessen Pflichtenkreis sie erfolgt” (UA S. 12). Daß das Eisenbahn-Bundesamt in diesem Sinne „gebührenrechtlicher Veranlasser” ist, entnimmt das Oberverwaltungsgericht dem Bundesrecht. Wie zuvor gezeigt wurde (oben 2 a), bildet es zu diesem Zweck – fehlerhaft – den Rechtssatz, daß das Anhörungsverfahren materiell eine Angelegenheit des Bundes darstelle. Die damit verbundene Aussage, der Bund erspare sich eine eigene Verwaltungstätigkeit und die damit verbundenen Kosten, kollidiert mit Art. 104 a GG.
Nach Art 104 a Abs. 1 GG tragen der Bund und die Länder die Ausgaben, die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben, gesondert. In Übereinstimmung hiermit legt Art. 104 a Abs. 5 GG u.a. fest, daß Bund und Länder die bei ihren Behörden entstehenden Verwaltungsausgaben tragen. Daraus ist speziell zu entnehmen, daß Verwaltungsausgaben der Länder, d.h. die Kosten des sächlichen und personellen Verwaltungsapparats, vom Bund nicht im Wege eines Finanzausgleichs erstattet werden dürfen (vgl. z.B. Kirchhof, Gutachten D für den 61. DJT, 1996, S. 33). Wenn schon ein freiwilliger Finanztransfer unzulässig ist, wird sich erst recht eine zwangsweise Heranziehung des Bundes im Wege einer Abgabe verbieten (offengelassen von BVerfG, Urteil vom 27. Juli 1971 – 2 BvF 1/68, 2 BvR 702/68 – BVerfGE 31, 314 ff. ≪333≫). Das gilt jedenfalls dann, wenn mit dieser Abgabe nicht eine Gegenleistung abgegolten wird, die dem Bund zugute gekommen ist (vgl. Maunz in: Maunz-Dürig, GG, Art. 105 Rn. 25). Aus den bereits genannten Gründen (oben 2 a) liegt dieser Fall hier vor.
Ein anderes Verständnis des Art. 104 a GG wäre zudem mit der darin enthaltenen Regelung der Finanzierungslast unvereinbar. Dieser Verfassungsartikel entscheidet im Verhältnis zwischen Bund und Ländern über die Frage der Finanzverantwortung. In seinen Absätzen 1 und 5 statuiert er insoweit das sog. Prinzip der Vollzugskausalität. Es werden dort nämlich Aufgabenzuständigkeit und Finanzverantwortung bei jeweils einem Hoheitsträger – Bund oder Land – vereinigt. Dies gilt auch speziell für den Fall, daß Länder bei der Ausführung von Bundesgesetzen eigene Aufgaben wahrnehmen (vgl. Kirchhof, a.a.O., S. 23, 28). Denn an die Verteilung der Gesetzgebungsbefugnis zwischen Bund und Ländern knüpft die Finanzverantwortung gerade nicht an. Für den Fall des eisenbahnrechtlichen Anhörungsverfahrens bedeutet dies: Nachdem sich die Länder im Gesetzgebungsverfahren bei der Neuregelung des Eisenbahnwesens mit Erfolg gegen einen befürchteten Verlust ihrer Verwaltungszuständigkeit zur Wehr gesetzt haben (oben 1), tragen sie allein die Ausgabenverantwortung für das eisenbahnrechtliche Anhörungsverfahren. Mit der Aussage, der Bund erspare insoweit eigene Verwaltungskosten, würde die Ausgabenverantwortung von den Ländern auf den Bund verlagert. Dem steht Art. 104 a Abs. 5 Satz 1 GG entgegen.
Unterschriften
Hien, Dr. Storost, Kipp, Vallendar, Prof. Dr. Rubel
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 19.01.2000 durch Kettlitz Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
NVwZ 2000, 673 |
DÖV 2000, 563 |
JA 2000, 754 |
NuR 2000, 508 |
RdL 2000, 151 |
DVBl. 2000, 1366 |
UPR 2000, 348 |