Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückforderung beamtenrechtlicher Bezüge nach Rücknahme der Ernennung. –, Rechtsgrundlage für – bei Nichtigkeit der Berufung in das Beamtenverhältnis, Billigkeitsentscheidung. Rücknahme der Ernennung, Belassung der gezahlten Bezüge. –, Ermessen bei Entscheidung über Belassung der gezahlten Bezüge, tatsächliche Dienstleistung. Billigkeitsentscheidung bei Rückforderung zuviel gezahlter Bezüge. –, Entscheidung über Belassung zuviel gezahlter Bezüge. –, Beschränkung auf Modalitäten der Rückzahlung
Leitsatz (amtlich)
Die Rückforderung beamtenrechtlicher Bezüge richtet sich auch dann nach § 12 Abs. 2 BBesG, § 52 Abs. 2 BeamtVG, wenn die Ernennung zurückgenommen worden ist.
Für die bei Rücknahme einer Ernennung zu treffende Ermessensentscheidung, ob die rechtsgrundlos gezahlten Bezüge belassen werden, stellt es ein sachgerechtes Kriterium dar, daß tatsächlich Dienst geleistet worden ist.
Normenkette
BBesG § 12 Abs. 2; BeamtVG § 52 Abs. 2; LBG NW § 14 (vgl. § 14 BBG); VwVfG NW § 49 a (vgl. § 48 Abs. 2 S. 5 bis 8 VwVfG a.F., jetzt § 49 a VwVfG)
Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Entscheidung vom 22.01.1998; Aktenzeichen 6 A 667/96) |
VG Düsseldorf (Entscheidung vom 29.11.1995; Aktenzeichen 10 K 5813/94) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen den Beschluß des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 22. Januar 1998 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I.
Der Kläger wurde zum 15. Oktober 1975 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zum Fachhochschullehrer ernannt. Am 9. Januar 1980 erlitt er einen Herzinfarkt. Danach konnte er keinen Dienst mehr leisten. Im Zuge des Verfahrens zur Versetzung des Klägers in den Ruhestand wegen dauernder Dienstunfähigkeit gelangte der Beklagte zu der Überzeugung, daß der Kläger bei seiner Ernennung arglistig über seinen Gesundheitszustand getäuscht habe.
Mit Bescheid vom 15. Dezember 1982, der dem Kläger am 17. Dezember 1982 zugestellt wurde, nahm der Minister für Wissenschaft und Forschung des beklagten Landes die unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit ausgesprochene Ernennung des Klägers zum Fachhochschullehrer zurück. Durch Bescheid vom 22. Juni 1983 wurde der Kläger wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzt. Gegen die Rücknahme der Ernennung hat der Kläger erfolglos den Rechtsweg beschritten. Das klageabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts Minden vom 10. Dezember 1986 wurde nach dem Beschluß des erkennenden Senats vom 11. April 1989 – BVerwG 2 B 138.88 – im Beschwerdeverfahren wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Berufungsurteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 15. Juli 1988 rechtskräftig.
Mit den in diesem Verfahren angefochtenen Bescheiden vom 21. Januar 1992 und 8. Juni 1993 entschied der Beklagte über die dem Kläger vom 15. Oktober 1975 bis zum 10. Dezember 1986 als Dienst- und Versorgungsbezüge gezahlten Beträge. Er beließ dem Kläger 228 193,40 DM, die in der Zeit bis zum 8. Januar 1980 gezahlt worden waren. Einen Betrag von rund 342 000 DM, der während der anschließenden Zeit geleistet worden ist, forderte er nebst 4 % Zinsen seit Zugang des Bescheides vom 21. Januar 1992 zurück. Billigkeitsgründe geböten es nicht, von einer Rückforderung abzusehen. Dem Kläger würden jedoch Monatsraten von 300 DM sowie ein weit geringerer als der haushaltsrechtlich allgemein vorgesehene Zinssatz eingeräumt. Zur Sicherung dieser Schuld, die der Kläger in absehbarer Zeit nicht werde tilgen können, müsse er dem Beklagten Ansprüche aus Lebensversicherungsverträgen in Höhe von rund 120 000 DM abtreten und eine Sicherungshypothek auf dem Wohngrundstück bewilligen. Der Beklagte verpflichtete sich, von einer Verwertung der Hypothek zu Lebzeiten des Klägers und seiner Ehefrau abzusehen.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen die Rückforderungsbescheide abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt:
Grundlage des Rückforderungsanspruchs sei der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch. § 12 Abs. 2 BBesG sowie die dort in Bezug genommenen §§ 818 Abs. 3 ff. BGB seien nicht anwendbar, weil der Kläger infolge der Rücknahme seiner Ernennung niemals Beamter gewesen sei. Ein schutzwürdiges Vertrauen, zum Erhalt der Leistung berechtigt zu sein, habe der Kläger nicht besessen. Er habe seine Ernennung durch arglistige Täuschung herbeigeführt, wie aufgrund des rechtskräftig gewordenen Urteils des Verwaltungsgerichts Minden vom 10. Dezember 1986 feststehe. Auch über Umfang und Modalitäten der Rückzahlung habe der Beklagte rechtsfehlerfrei entschieden.
Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision beantragt der Kläger,
- unter Änderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 29.11.1995 und des Beschlusses des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 22.01.1998 die Bescheide des Beklagten vom 21.01.1992 und 08.06.1993, beide in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 11.04.1994, aufzuheben
anzuordnen, daß die Vollziehung der Bescheide des Beklagten vom 21.01.1992/08.06.1993 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 11.04.1994 rückgängig zu machen sind durch
- Bewilligung der Löschung der Sicherungshypothek auf dem Grundstück Herzberg, Am Häxgraben 2, Grundbuch von Herzberg, Band 188, Blatt 6773
- Rückzahlung sämtlicher vom Kläger auf die Rückforderungsbescheide vom 21.01.1992/08.06.1993 und den Widerspruchsbescheid vom 11.04.1994 gezahlter Beträge zuzüglich jeweils 4 % Zinsen
- Verzichtserklärung des Beklagten auf dessen Rechte aus der Abtretung der Lebensversicherung des Klägers.
Der Kläger rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision des Klägers ist im Ergebnis unbegründet. Das angefochtene Urteil verletzt zwar Bundesrecht. Die Entscheidung stellt sich aber aus anderen Gründen als zutreffend dar (§ 144 Abs. 4 VwGO).
Die Verfahrensrügen haben keinen Erfolg.
Die Aufklärungsrüge genügt bereits nicht den Darlegungsanforderungen nach § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO. Die Revision nennt weder die Beweismittel, derer sich das Berufungsgericht hätte bedienen müssen, noch legt sie dar, welches Ergebnis die unterbliebene Beweisaufnahme voraussichtlich gehabt hätte, noch, daß und inwiefern das angefochtene Urteil auf der Unterlassung der Sachverhaltserforschung beruht. Hiervon abgesehen, hat das Berufungsgericht bei der Überprüfung der Billigkeitsentscheidung nach § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG, § 52 Abs. 2 Satz 3 BeamtVG die tatsächlichen Umstände, die nach Ansicht der Revision hätten ermittelt werden müssen, als gegeben angesehen.
Mit der Rüge, das Berufungsgericht hätte den Beklagten darauf hinweisen müssen, daß er seine Ermessenserwägungen ergänzen kann, rügt die Revision nicht ein Verhalten des Berufungsgerichts, das Ursache des für den Kläger ungünstigen Ausgang des Rechtsstreits sein kann.
Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht, weil es die Rechtsgrundlage für die Rückforderung der Beträge, die als Besoldung und Versorgung an den Kläger gezahlt worden sind, in dem allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch sieht. Rechtsgrundlage sind indessen § 12 Abs. 2 BBesG, § 52 Abs. 2 BeamtVG.
Die beamtenrechtlichen Vorschriften über die Rückgewähr zuviel gezahlter Bezüge gehen als Spezialgesetze der allgemeinen Regelung des § 49 a VwVfG NW (vgl. § 48 Abs. 2 Satz 5 bis 8 VwVfG a.F., jetzt § 49 a VwVfG) über die Erstattung von Leistungen vor, die nach der Rücknahme eines Verwaltungsakts rechtsgrundlos erhalten sind (Beschluß vom 18. März 1982 – BVerwG 6 B 75.81 – ≪ZBR 1983, S. 206≫). Dies gilt nicht nur, wenn lediglich eine Beförderung oder sonstige Ernennung innerhalb des weiterbestehenden Beamtenverhältnisses zurückgenommen worden ist, sondern auch dann, wenn die Rücknahme das Beamtenverhältnis als solches nachträglich beseitigt hat.
§ 12 Abs. 2 BBesG, § 52 Abs. 2 BeamtVG treffen eine Regelung über die Rückforderung „zuviel gezahlter Bezüge”. Die dem Beamten oder Ruhestandsbeamten, dessen Ernennung zurückgenommen worden ist, nach Maßgabe des Bundesbesoldungsgesetzes oder des Beamtenversorgungsgesetzes gezahlten Beträge sind Bezüge bzw. Versorgungsbezüge im Sinne der genannten Bestimmungen. Daß diese Zahlungen infolge der rückwirkenden Beseitigung des Beamtenverhältnisses zu keiner Zeit als Besoldung und Versorgungsbezüge beansprucht werden konnten, ändert daran nichts (anders Summer in GKöD, Stand: Oktober 1999, § 14 Rn. 6, Battis, Bundesbeamtengesetz, 2. Aufl., § 14 Rn. 3; Scheerbarth/Höffken, Beamtenrecht, 6. Aufl., S. 317; Schütz, Beamtenrecht, Oktober 1999 § 14 Rn. 2). Hierin wirkt sich lediglich das Fehlen des Rechtsgrundes von Anfang an aus. Maßgebend für den Tatbestand der § 12 Abs. 2 BBesG, § 52 Abs. 2 BeamtVG als Vorschriften über die Rückgewähr von Leistungen, die ohne Rechtsgrund erbracht worden sind, ist allein, daß die Leistungen „als Bezüge” bzw. „als Versorgungsbezüge” gezahlt worden sind. Diesen den Leistungen vom Dienstherrn beigelegten Charakter hat die Rücknahme der Ernennung nicht beseitigt.
Nur dieses Verständnis wird der Funktion der § 12 Abs. 2 BBesG, § 52 Abs. 2 BeamtVG als gegenüber dem allgemeinen Erstattungsanspruch speziellen beamtenrechtlichen Rückabwicklungsregelung gerecht. Als solchen ist ihnen nicht nur die Rückabwicklung einer nichtigen oder zurückgenommenen Ernennung innerhalb eines fortbestehenden Beamtenverhältnisses, sondern auch die Rückabwicklung einer fehlgeschlagenen oder nachträglich wieder beseitigten Begründung eines Beamtenverhältnisses unterworfen. Auch eine solche Rückabwicklung erfolgt nach den Regelungen, die für das Leistungsverhältnis maßgebend waren. Sie bezieht sich auf ein wirkliches, vermeintliches oder erstrebtes Beamtenverhältnis und erfüllt damit das nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats maßgebende Kriterium für die Anwendbarkeit der § 12 Abs. 2 BBesG, § 52 Abs. 2 BeamtVG (Beschluß vom 20. März 1998 – BVerwG 2 B 128.97 – ≪Buchholz 240 § 12 Nr. 22≫; BVerwGE 100, 280 ≪283≫; vgl. auch BVerwGE 71, 354 ≪355≫). Im übrigen gehen auch § 14 Abs. 2 LBG NW (ebenso § 14 Satz 2 BBG) ihrem Wortlaut nach davon aus, daß Zahlungen an einen Beamten, dessen Ernennung zurückgenommen worden ist, ihren Charakter als Bezüge nicht verlieren.
Das Rückzahlungsverlangen des Beklagten wird indessen von § 12 Abs. 2 BBesG, § 52 Abs. 2 BeamtVG i.V.m. § 14 Abs. 2 Satz 2 LBG NW, § 818 Abs. 3 ff. BGB getragen.
In den Fällen, in denen, wie auch hier, das von den Beteiligten beabsichtigte Beamtenverhältnis von Anfang an nicht bestanden hat, weil die Ernennung nichtig war oder zurückgenommen worden ist, hat der Dienstherr im Zuge seiner Entscheidung über die Rückforderung der dem vermeintlichen Beamten gezahlten Bezüge zu entscheiden, welche Beträge diesem belassen werden, § 14 Abs. 2 Satz 2 LBG NW (ebenso § 14 Satz 2 BBG). Diese Bestimmung ermächtigt den Dienstherrn nicht zur Rückforderung, sondern setzt die bei Nichtigkeit einer Ernennung grundsätzlich bestehende Rückforderbarkeit der rechtsgrundlos gezahlten Bezüge voraus.
Diese Entscheidung hat der Beklagte sachgerecht getroffen. Er hat dem Kläger die Bezüge belassen, die diesem in der Zeit zugeflossen sind, in der er tatsächlich Dienst geleistet hat. Der Gedanke, das, was in der Zeit der Dienstverrichtung des vermeintlichen Beamten im Verhältnis nach außen und im Innenverhältnis zum Dienstherrn geschehen ist, aufrechtzuerhalten, ist in den beiden Sätzen des § 14 Abs. 2 LBG NW angelegt. Insoweit wird berücksichtigt, daß der vermeintliche Beamte ebenso wie der wirksam ernannte Beamte seine Arbeitskraft dem Dienstherrn tatsächlich zur Verfügung gestellt und ebenso Leistungen erbracht hat.
Die ab dem 9. Januar 1980 gezahlten Bezüge unterliegen der Rückforderung nach § 12 Abs. 2 BBesG, § 52 Abs. 2 BeamtVG. Sie sind „zuviel gezahlt”, weil ein Rechtsgrund für ihre Zahlung nicht bestanden hat. Sie haben das privatrechtliche Arbeitsverhältnis nicht als Folge der Ernennungsrücknahme als Rechtsgrund, das der Kläger am 15. Oktober 1974 mit dem Beklagten eingegangen ist. Dieses Arbeitsverhältnis ist nach § 10 Abs. 4 LBG NW durch die Ernennung des Klägers zum Beamten am 15. Oktober 1975 erloschen. Die Rücknahme der Ernennung hat es nicht wiederaufleben lassen (BAG, Urteil vom 24. April 1997 – 2 AZR 241/96 – ≪AP Nr. 2 zu § 611 BGB≫).
Der Kläger kann sich nicht auf einen Wegfall der Bereicherung gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 BBesG, § 52 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG i.V.m. § 818 Abs. 3 BGB durch den bestimmungsgemäßen Verbrauch der Bezüge berufen. Er haftet verschärft nach § 819 Abs. 1 bzw. § 820 Abs. 1 i.V.m. § 818 Abs. 4, § 279 BGB.
Die Zahlung der Bezüge in der Zeit zwischen dem 17. Dezember 1982, als der Bescheid über die Ernennungsrücknahme mit Zustellung an den Kläger wirksam wurde, und dem Eintritt der Bestandskraft dieses Bescheides am 10. Dezember 1986, als das klageabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts Minden rechtskräftig wurde, beruhte auf der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage gegen die Ernennungsrücknahme. Damit standen die Leistungen von vornherein unter dem gesetzlichen Vorbehalt des rückwirkenden Fortfalls dieses Leistungsgrundes bei Eintritt der Bestandskraft der Rücknahmeverfügung (Beschluß vom 20. März 1998 – BVerwG 2 B 128.97 – ≪Buchholz 240 § 12 Nr. 22≫; Beschluß vom 16. Januar 1992 – BVerwG 2 CB 25.89 – ≪Buchholz 240 § 12 Nr. 19≫; Urteil vom 25. November 1982 – BVerwG 2 C 12.81 – ≪Buchholz 235 § 12 Nr. 2≫).
Hinsichtlich der Rückzahlung der Bezüge, die in der Zeit vom 9. Januar 1980 bis zum 16. Dezember 1982 gezahlt worden sind, haftet der Kläger verschärft aufgrund der § 12 Abs. 2 Satz 2 BBesG, § 819 Abs. 1, § 818 Abs. 4, § 279 BGB. Zumindest war der Mangel des rechtlichen Grundes so offensichtlich, daß der Kläger ihn hätte erkennen können. Der Kläger kannte die Umstände, welche die Rücknehmbarkeit seiner Ernennung zum Beamten begründeten. Er hat im August 1975 bewußt und gewollt und in der Absicht, auf diese Weise seine Ernennung zum Beamten herbeizuführen, bei dem Beklagten eine Fehlvorstellung über seine Gesundheit hervorgerufen. Dies hat das Berufungsgericht festgestellt. Es hat unter Bezugnahme auf das beiden Prozeßbeteiligten bekannte Urteil des Verwaltungsgerichts Minden vom 10. Dezember 1986 ausgeführt, der Kläger habe seine Ernennung zum Fachhochschullehrer und Beamten auf Lebenszeit durch arglistige Täuschung herbeigeführt.
Besondere Umstände, die es in außergewöhnlichen Fällen nach § 242 BGB als einer „allgemeinen Vorschrift” im Sinne des § 818 Abs. 4 BGB ausnahmsweise verbieten, auch bei verschärfter Haftung eine Berufung auf den Wegfall der Bereicherung durch Verbrauch der Bezüge unberücksichtigt zu lassen (vgl. Urteil vom 27. Januar 1994 – BVerwG 2 C 19.92 – ≪BVerwGE 95, 94≫ und Beschluß vom 16. Januar 1992 – BVerwG 2 C 25.89 – ≪Buchholz 240 § 12 Nr. 19 m.w.N.≫), hat das Berufungsgericht nicht festgestellt und sind auch vom Kläger nicht behauptet worden.
Die Billigkeitsentscheidung nach § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG, § 52 Abs. 2 Satz 3 BeamtVG ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Der Zweck dieser Vorschriften ist es, durch eine entsprechende Ausgestaltung des konkreten Rückzahlungsverlangens eine allen Umständen des Einzelfalles gerecht werdende, für den Dienstherrn zumutbare und für den Herausgabepflichtigen tragbare Lösung zu ermöglichen (stRspr, vgl. Urteil vom 8. Oktober 1998 – BVerwG 2 C 21.97 – ≪DVBl 1999, 322≫; BVerwGE 95, 94 ≪97≫; Urteil vom 21. September 1989 – BVerwG 2 C 68.86 – ≪Buchholz 240 § 12 Nr. 15≫). Während für die Entscheidung nach § 14 Abs. 2 Satz 2 LBG NW die Verhältnisse während des Zeitraumes zu berücksichtigen sind, für den Dienstbezüge gezahlt worden sind, kommt es für die Billigkeitsentscheidung nach § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG, § 52 Abs. 2 Satz 3 BeamtVG maßgebend auf die Verhältnisse während des Rückabwicklungszeitraumes an. Allerdings ist es nicht ermessensfehlerhaft, wenn bei der Billigkeitsentscheidung auch dem Umstand Rechnung getragen wird, aus welchem Grunde und in welchem Umfang Bezüge belassen worden sind.
Die Entscheidung des Beklagten, dem Kläger bei Zahlung monatlicher Raten von 300 DM, Abtretung von Ansprüchen aus Lebensversicherungsverträgen und Bewilligung einer Sicherungshypothek auf dem Wohngrundstück, aus der erst nach dem Tode des Klägers und seiner Ehefrau vollstreckt werden wird, die Forderung auf unbestimmte Zeit zu stunden, trägt allen noch in Betracht zu ziehenden Gesichtspunkten der Billigkeit Rechnung.
An der Höhe der Zuvielzahlung trifft den Beklagten entgegen der Ansicht des Klägers kein erhebliches Mitverschulden, so daß auch hieraus nichts für eine weitergehende Billigkeitsentscheidung zugunsten des Klägers hergeleitet werden kann. Der Beklagte hat dem Kläger auch nach Ergehen des Rücknahmebescheides vom 15. Dezember 1982 noch Bezüge zahlen müssen, weil der Kläger durch Widerspruch und Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hinsichtlich der Ernennungsrücknahme aufschiebende Wirkung bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts Minden vom 10. Dezember 1986 herbeigeführt hat.
Daß die Brutto- und nicht lediglich die Nettobezüge zurückzuzahlen sind, entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 8. Oktober 1998 – BVerwG 2 C 21.97 – ≪a.a.O.≫).
Die angefochtenen Zinsen in Höhe von 4 % ab Zugang des Rückforderungsbescheides stehen dem Beklagten nach § 820 Abs. 2 Halbsatz 1, § 818 Abs. 4 i.V.m. § 291 BGB zu.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Unterschriften
Dr. Franke, Dr. Silberkuhl, Dawin, Dr. Kugele, Dr. Bayer
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 21.10.1999 durch Pompe Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
BVerwGE, 365 |
NVwZ 2000, 443 |
ZBR 2000, 126 |
ZTR 2000, 188 |
DÖD 2000, 156 |
DÖV 2000, 292 |
NJ 2000, 164 |
VR 2000, 430 |
ZfPR 2000, 340 |
BayVBl. 2000, 283 |
DVBl. 2000, 498 |
GV/RP 2000, 228 |
NPA 2000 |
GK/Bay 2000, 318 |
NWVBl. 2000, 177 |