Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Altersgrenze für Eintritt in den Ruhestand, Heraufsetzung bei Polizeivollzugsbeamten. Gestaltungsfreiheit des Landesgesetzgebers. Vorgabe durch Rahmenrecht des Bundes. “Beamtengruppe”. Fürsorgeprinzip. Gleichheitsgrundsatz. Vertrauensschutz
Leitsatz (amtlich)
- Die erzielten Verbesserungen der Arbeitsabläufe im Polizeidienst infolge des allgemeinen technischen Fortschritts rechtfertigen die grundsätzliche Anpassung der Lebensarbeitszeit der Polizeibeamten an die allgemeine Lebensarbeitszeit.
- Die Anhebung der gesetzlichen Altersgrenze bei den Polizeibeamten, die nicht in den polizeilichen Tätigkeitsbereichen nach § 208 Abs. 1 Satz 1 LBG RP eingesetzt sind, verstößt weder gegen das Fürsorgeprinzip noch gegen den allgemeinen Gleichheitssatz noch gegen Gemeinschaftsrecht.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3, Art. 33 Abs. 5, Art. 103 Abs. 1; BRRG § 25 Abs. 1, § 26 Abs. 1, § 101 Abs. 1; VwGO § 43 Abs. 1, § 108 Abs. 1 S. 2, Abs. 2; LBG RP §§ 54, 208
Verfahrensgang
OVG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 10.06.2005; Aktenzeichen 2 A 10187/05) |
VG Koblenz (Urteil vom 25.11.2004; Aktenzeichen 6 K 1708/04.KO) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Rheinland-Pfalz vom 10. Juni 2005 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I
Der im Jahr 1945 geborene Kläger ist Kriminalhauptkommissar (Besoldungsgruppe A 11 BBesO) im gehobenen Polizeidienst des beklagten Landes. Er wendet sich gegen die Feststellung seines Dienstherrn, dass er seine gesetzliche Altersgrenze für den Eintritt in den Ruhestand erst mit der Vollendung des 62. und nicht bereits des 60. Lebensjahres erreicht.
Klage und Berufung sind erfolglos geblieben. Das Oberverwaltungsgerichts hat ausgeführt, der Kläger erreiche nach der im Jahre 2004 in Kraft getretenen Vorschrift des § 208 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 LBG RP die gesetzliche Altersgrenze für den Eintritt in den Ruhestand erst mit der Vollendung des 62. Lebensjahres. Er sei nicht mindestens 25 Jahre in Funktionen des Wechselschichtdienstes, im Mobilen Einsatzkommando, im Spezialeinsatzkommando oder in der Polizeihubschrauberstaffel eingesetzt gewesen. 29 Jahre Bereitschaftsdienst, die er geleistet habe, könnten diesen polizeilichen Einsatzbereichen nicht gleichgesetzt werden.
§ 208 LBG RP entspreche den rahmengesetzlichen Vorgaben und sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Es sei dem Gesetzgeber vorbehalten, die Länge der Lebensarbeitszeit zu bestimmen. Aufgrund verbesserter Arbeitsbedingungen, die die Folge des technischen Fortschritts sowie der Änderung der Organisationsstrukturen im Polizeidienst seien, bestünden zwischen den gesundheitlichen Belastungen durch den Dienst bei Beamten des Polizeivollzugsdienstes und bei Beamten des allgemeinen Verwaltungsdienstes geringere Unterschiede als bisher, so dass die Anhebung der Regelaltersgrenze bei Polizeibeamten berechtigt sei. Es sei weder evident unrichtig noch eindeutig widerlegbar, dass eine im bisherigen Umfang verkürzte Lebensarbeitszeit in erster Linie nur noch für die Beamten angemessen sei, die mindestens 25 Jahre lang im Wechselschichtdienst oder in den sonstigen in § 208 Abs. 1 Satz 1 LBG RP aufgeführten Tätigkeitsbereichen eingesetzt gewesen seien.
Im Falle des Wechselschichtdienstes habe der regelmäßige Wechsel der täglichen Arbeitszeit erhebliche gesundheitliche und soziale Auswirkungen. Er fordere nicht nur eine ständige Umstellung des Dienst- und Lebensrhythmus, sondern verhalte sich weitgehend auch antizyklisch zum natürlichen menschlichen Biorhythmus sowie zu den Lebensabläufen des sozialen Umfeldes. Auch die Beamten des Mobilen Einsatzkommandos, des Spezialeinsatzkommandos und der Polizeihubschrauberstaffel seien einer vergleichbaren Belastung ausgesetzt. Soweit der Gesetzgeber eine vorgezogene Altersgrenze für die Beamten des mittleren und gehobenen Polizeidienstes festgelegt habe, sei dies nicht in der bloßen Laufbahnzugehörigkeit begründet, sondern in den spezifisch dienstlichen Belastungen dieser Laufbahngruppen. § 208 LBG RP enthalte eine detaillierte und hinreichend bemessene Übergangsregelung, um den Beamten zu ermöglichen, sich in ihrer Lebensplanung auf den späteren Eintritt in den Ruhestand einzustellen.
Es sei ferner nicht zu beanstanden, dass bei Polizeibeamten, die Bereitschaftsdienst leisten, nicht an der bisherigen Altersgrenze festgehalten werde. Zwar könne auch der Bereitschaftsdienst mit erhöhten Belastungen verbunden sein, doch sei es gerechtfertigt, den Bereitschaftsdienst anders als den Wechselschichtdienst zu behandeln. Der Bereitschaftsdienst sei nicht mit einem regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit im Volldienst verbunden. Anfangs- und Endzeitpunkt des normalen Dienstes und des darüber hinaus zu leistenden Bereitschaftsdienstes blieben in der Regel gleich und erforderten keine dem Wechselschichtdienst vergleichbare ständige Umstellung des Dienst- und Lebensrhythmus. Die im Bereitschaftsdienst geleisteten Einsätze würden nicht durch einen Dienstplan, sondern durch jeweils unvorhersehbare Ereignisse bestimmt. Daher sei es nachvollziehbar und sachlich vertretbar, wenn der Gesetzgeber die damit einhergehenden Belastungen als weniger gravierend ansehe als die des Wechselschichtdienstes.
Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Er beantragt,
die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 10. Juni 2005 und des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 25. November 2004 sowie die Bescheide des Beklagten vom 28. November 2003 und 5. April 2004 aufzuheben und festzustellen, dass der Kläger mit Vollendung des 60. Lebensjahres im März 2005 die Altersgrenze für den Eintritt in den Ruhestand erreicht hat.
Der Beklagte verteidigt das Berufungsurteil und beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Er erreicht die gesetzliche Altersgrenze für den Eintritt in den Ruhestand erst mit Vollendung des 62. Lebensjahres im März 2007.
1. Das Rechtsschutzbegehren des Klägers, das bei sachgerechter Auslegung darauf gerichtet ist, das Gericht möge feststellen, dass – entgegen der Angaben in den Bescheiden vom 28. November 2003 und 5. April 2004 – die Vollendung des 60. Lebensjahres die für den Kläger maßgebende gesetzliche Altersgrenze ist, ist als Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO statthaft. Der Übergang vom Verpflichtungsantrag zum Feststellungsantrag ist keine Klageänderung, weil mit ihm weder eine Änderung des Rechtsschutzziels noch des Klagegrundes verbunden ist. An der gerichtlichen Feststellung hat der Kläger ein berechtigtes Interesse. Hierzu genügt jeder rechtliche, wirtschaftliche oder ideelle Wert (Urteil vom 26. Januar 1996 – BVerwG 8 C 19.94 – BVerwGE 100, 262 ≪271≫).
2. Das Verfahren vor dem Berufungsgericht leidet nicht unter einem Verfahrensfehler. Der Kläger ist in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG i.V.m. § 108 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 VwGO weder dadurch verletzt, dass das Rundschreiben des Ministeriums des Beklagten für Inneres und Sport vom 31. Juli 2003 im Berufungsurteil nicht erwähnt worden ist noch dadurch, dass das Oberverwaltungsgericht sich mit den in § 208 Abs. 1 Satz 1 LBG RP aufgeführten Tätigkeitsbereichen auf unzureichender tatsächlicher Grundlage auseinander gesetzt hat.
a) Der Berufungsentscheidung durften nur solche Tatsachen und Beweisergebnisse zugrunde gelegt werden, die von einem Verfahrensbeteiligten oder vom Gericht offengelegt und zum Gegenstand des Verfahrens gemacht wurden (BVerfG, Beschluss vom 7. Oktober 1980 – 2 BvR 1581/79 – BVerfGE 55, 95). Die Rüge der Versagung des rechtlichen Gehörs setzt allerdings voraus, dass der Kläger sämtliche verfahrensrechtlich eröffneten und nach Lage der Dinge tauglichen Möglichkeiten, sich rechtliches Gehör zu verschaffen, ausgeschöpft hat (Beschluss vom 21. Januar 1997 – BVerwG 8 B 2.97 – Buchholz 310 § 102 VwGO Nr. 21). Dies hat er versäumt. Er hat sich weder vor dem Verwaltungsgericht noch im Berufungsverfahren zu dem Rundschreiben geäußert, obwohl es im angefochtenen Bescheid wie auch im Widerspruchsbescheid mit Aktenzeichen und Datum zitiert ist.
Davon abgesehen begründet die Verwertung nicht ins Verfahren eingeführter norminterpretierender Verwaltungsvorschriften in einer gerichtlichen Entscheidung in aller Regel keinen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG (Beschluss vom 19. März 2004 – BVerwG 2 B 44.03 – juris). Solche Verwaltungsvorschriften erläutern lediglich eine gesetzliche Regelung. So liegt es auch hier: Mit dem Rundschreiben vom 31. Juli 2003 wird die zu diesem Zeitpunkt bereits verkündete Neufassung des § 208 LBG RP – als Interpretationshilfe für nachgeordnete Behörden – erläutert, um mit Inkrafttreten des Gesetzes eine landesweit einheitliche Rechtsanwendung zu gewährleisten.
b) Nach § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO müssen im Urteil die Gründe angegeben werden, die für die richterliche Überzeugung des Oberverwaltungsgerichts leitend gewesen sind. Dem wird das angefochtene Urteil gerecht. Das Berufungsgericht hat – unter Berücksichtigung des Vortrags der Beteiligten – nachvollziehbar dargelegt, auf welche tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte es seine Entscheidung stützt (Beschluss vom 4. August 2005 – BVerwG 2 B 5.05 – Buchholz 235.1 § 66 DBG Nr. 1 m.w.N.). Es muss dabei nicht auf alle Fragen eingehen, die im Verfahren aufgeworfen werden. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist erst dann verletzt, wenn im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist, es etwa das Vorbringen eines Beteiligten zu einem zentralen Gesichtspunkt entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht erwogen hat (BVerfG, Beschlüsse vom 22. November 1983 – 2 BvR 399/81 – BVerfGE 65, 293 ≪295≫ und vom 19. Mai 1992 – 1 BvR 986/91 – BVerfGE 86, 133 ≪146≫). Das Oberverwaltungsgericht hat sich im Urteil mit der in § 208 Abs. 1 Satz 1 LBG RP vorgenommenen Differenzierung nach polizeilichen Tätigkeitsbereichen und ihrer Vereinbarkeit mit Art. 33 Abs. 5 GG und Art. 3 Abs. 1 GG auseinander gesetzt. Es hat die gesundheitsrelevanten, sich aus der Art des polizeilichen Einsatzes ergebenden, in der Norm aufgeführten Belastungsmerkmale diskutiert und mit den veränderten Organisationsstrukturen in der polizeilichen Arbeit sowie der Verbesserung der Arbeitsbedingungen durch den technischen Fortschritt in Beziehung gesetzt (UA S. 10).
3. Der Senat kann die begehrte Feststellung nicht treffen. Die Vollendung des 60. Lebensjahres ist nicht die für den Kläger maßgebliche Altersgrenze.
a) § 208 LBG RP ist in der Fassung des Art. 1 Nr. 1 des Landesgesetzes zur Sicherung der Leistungsfähigkeit der kommunalen Gebietskörperschaften und über Maßnahmen zur Entlastung des Landeshaushalts vom 10. April 2003 (GVBl S. 55), zuletzt geändert durch Art. 1 Nr. 35h des Siebten Landesgesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 15. Oktober 2004 (GVBl S. 457) auf den Kläger anzuwenden. Zum maßgeblichen Zeitpunkt am 27. März 2005, der Vollendung seines 60. Lebensjahres, war die Vorschrift bereits in Kraft getreten.
b) Gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 LBG RP vom 14. Juli 1970 (GVBl S. 241), hier anzuwenden in der Fassung vom 27. Juli 2002 (GVBl S. 301), bildet die Altersgrenze für die Beamten im Dienst des beklagten Landes grundsätzlich das vollendete 65. Lebensjahr. Nach § 54 Abs. 1 Satz 4 LBG RP kann für einzelne Beamtengruppen eine andere Altersgrenze bestimmt werden. Von dieser Möglichkeit hat der Landesgesetzgeber mit der Vorschrift des § 208 LBG RP Gebrauch gemacht und für die Polizeibeamten unterschiedliche Altersgrenzen eingeführt. Nach Abs. 1 Satz 4 dieser Vorschrift ist die Altersgrenze für Beamte in Ämtern des mittleren Polizeidienstes das vollendete 62. Lebensjahr und für Beamte in Ämtern des gehobenen Polizeidienstes das vollendete 63. Lebensjahr. Nach § 208 Abs. 1 Satz 1 LBG RP bildet bereits das vollendete 60. Lebensjahr die Altersgrenze, wenn der Polizeibeamte mindestens 25 Jahre in Funktionen des Wechselschichtdienstes, im Mobilen Einsatzkommando, im Spezialeinsatzkommando oder in der Polizeihubschrauberstaffel eingesetzt war. Maßstab für die von § 54 Abs. 1 Satz 1 LBG RP abweichende “besondere Altersgrenze” ist nicht die bloße Zugehörigkeit zu einer bestimmten Laufbahngruppe, wie nach § 208 Abs. 1 Satz 4 LBG RP, sondern die mindestens 25jährige Verwendung in den in Abs. 1 Satz 1 abschließend aufgeführten Tätigkeitsbereichen.
Als Kriminalhauptkommissar ist der Kläger Beamter des gehobenen Polizeidienstes. Er war – unbestritten – keine 25 Jahre lang in den in § 208 Abs. 1 Satz 1 LBG RP bezeichneten Tätigkeitsbereichen eingesetzt. Vielmehr hat er 29 Jahre lang Bereitschaftsdienst geleistet, einen Dienst, der in § 208 Abs. 1 Satz 1 LBG RP nicht aufgeführt ist. Damit gilt für den Kläger, der 1945 geboren wurde, übergangsweise das vollendete 62. Lebensjahr als die gesetzliche Altersgrenze für den Eintritt in den Ruhestand (§ 208 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 LBG RP).
4. § 208 Abs. 1 Satz 1 LBG RP steht im Einklang mit § 25 Abs. 1 Satz 3 BRRG, der in der zum maßgeblichen Zeitpunkt am 27. März 2005 geltenden Fassung zur Anwendung kommt. Nach dieser Vorschrift bildet grundsätzlich die Vollendung des 65. Lebensjahres die Altersgrenze für den Eintritt in den Ruhestand. Für einzelne Beamtengruppen kann gesetzlich eine andere Altersgrenze bestimmt werden. Auf der Grundlage des § 54 Abs. 1 Satz 4 LBG RP hat das beklagte Land mit § 208 Abs. 1 Satz 1 LBG RP von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und dabei die vorgezogene Altersgrenze mit Vollendung des 60. Lebensjahres an den zeitlich bemessenen Mindesteinsatz in bestimmten Tätigkeitsbereichen gekoppelt. Dies ist im Rahmen des in § 25 Abs. 1 Satz 3 BRRG verwendeten Rechtsbegriffs “Beamtengruppe” zulässig.
a) § 25 Abs. 1 Satz 3 BRRG schränkt als Vorschrift des Rahmenrechts im Sinne des Art. 75 GG a.F. die Gesetzgebungskompetenz eines Landes im Zweifel nicht weiter ein, als dies ihr Wortlaut zwingend erfordert (BVerfG, Beschluss vom 7. November 1995 – 2 BvR 413/88 und 1300/93 – BVerfGE 93, 319 ≪341≫; BVerwG, Urteil vom 24. November 2005 – BVerwG 2 C 32.04 – BVerwGE 124, 347 ff.). Bei der Auslegung einer Vorschrift des Landesrechts ist daher zu beachten, dass das Rahmenrecht auf inhaltliche Konkretisierung und Gestaltung durch die Länder angelegt ist und diesen substanzielle Freiräume lassen muss, damit sie mit eigenem politischem Gestaltungswillen Recht setzen können (Urteil vom 24. November 2005 a.a.O.).
b) Der neutrale Begriff “Beamtengruppe” in § 25 Abs. 1 Satz 3 BRRG schließt das funktionale Begriffsverständnis ein, das der Normierung der Differenzierungsmerkmale in § 208 Abs. 1 Satz 1 LBG RP zugrunde liegt.
aa) Mit der Festsetzung der Altersgrenze unterstellt der Gesetzgeber in hohem Maße generalisierend und pauschalierend durch unwiderlegliche Vermutung, dass der Angehörige einer bestimmten Beamtengruppe ohne Rücksicht auf seine individuelle Leistungsfähigkeit den dienstlichen Anforderungen nicht mehr genügt, die ihm in dem übertragenen abstrakten Funktionsamt abverlangt werden, und deshalb in den Ruhestand tritt (BVerfG, Beschlüsse vom 16. Juni 1959 – 1 BvR 71/57 – BVerfGE 9, 338, vom 10. Dezember 1985 – 2 BvL 18/83 – BVerfGE 71, 255 ≪268≫, vom 16. Juni 1959 – 1 BvR 71/57 – BVerfGE 9, 338 ≪346≫ und vom 4. Mai 1983 – 1 BvL 46, 47/80 – BVerfGE 64, 72 ≪82≫; vgl. auch den Kammerbeschluss vom 25. November 2004 – 1 BvR 2459/04 – BVerfGK 4, 219 ≪222≫ zur tarifvertraglich festgesetzten Altersgrenze von Piloten). Schon dieser Zusammenhang mit dem abstrakten Funktionsamt legt hier ein funktionales Begriffsverständnis nahe.
bb) Auch an anderer Stelle versteht der Gesetzgeber den Begriff der Beamtengruppe im funktionellen Sinne. Das zeigt sich, bezogen auf den Bundesgesetzgeber, z.B. an § 41 Abs. 1 Satz 2 BBG, der dem § 25 Abs. 1 Satz 3 BRRG nachgezeichnet ist, an § 42 Abs. 2 BBG, der die Dienstunfähigkeit regelt und dabei besondere Beamtengruppen in den Blick nimmt, an der Regelung § 69 Nr. 3 BBG zum Nebentätigkeitsrecht und an §§ 82 ff. BDG (Teil 6, Besondere Bestimmungen für einzelne Beamtengruppen). Das zeigt sich ferner an der verwendungsbezogenen besonderen Altersgrenze etwa für die Beamten des gehobenen Flugverkehrkontrolldienstes und die Beamten in dessen Aufsichtsfunktionen (§ 2 Abs. 1 BAFISBAÜbnG), an § 45 Abs. 2 Soldatengesetz (SG), der für die Offiziere der Bundeswehr nach Dienstgrad gestaffelte Altersgrenzen vorsieht und in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht beanstandet wurde (Beschluss vom 6. April 2005 – BVerwG 1 WB 61.04 – ZBR 2005, 317) und schließlich etwa in der besonderen Altersgrenze für Flugzeugführer oder Waffensystemoffiziere in strahlgetriebenen Kampfflugzeugen (§ 45 Abs. 2 Nr. 6 SG).
cc) Auch der erkennende Senat hat den Begriff der Beamtengruppe mehrfach in funktionellem Sinne verwendet. Im Urteil vom 29. April 2004 – BVerwG 2 C 22.03 – (BVerwGE 120, 382) ist, bezogen auf den Tätigkeitsbereich der Lehrer, von einer Beamtengruppe die Rede. Das Urteil vom 19. August 2004 – BVerwG 2 C 41.03 – (NVwZ-RR 2005, 214) beschäftigt sich mit der Aufwandsentschädigung der besonderen Beamtengruppe der Gerichtsvollzieher. Im Urteil vom 8. Juni 2000 – BVerwG 2 C 16.99 – (Buchholz 232 § 41a BBG Nr. 1) geht es um die besondere Altersgrenze der Beamtengruppe der Feuerwehrbeamten. Das Urteil vom 30. Mai 1996 – BVerwG 2 C 32.95 – (BVerwGE 101, 189) befasst sich mit dem Erholungsurlaub eines Postbetriebsassistenten. In dieser Entscheidung wird das funktionelle Begriffsverständnis besonders deutlich. Der Senat differenziert hier in die Beamtengruppe der Wechseldienstleistenden einerseits und in die Beamtengruppe der Beamten mit fester Arbeitszeit andererseits.
dd) Eine dem § 25 Abs. 1 Satz 3 BRRG entsprechende Regelung enthält das Beamtenrechtsrahmengesetz in § 26 Abs. 1 Satz 2 hinsichtlich der vor Erreichen der Altersgrenze eintretenden Dienstunfähigkeit des Beamten. Danach bleiben gesetzliche Vorschriften unberührt, die für einzelne Beamtengruppen besondere Voraussetzungen für die Dienstunfähigkeit bestimmen. Eine solche Regelung enthält § 101 Abs. 1 BRRG für den Polizeivollzugsdienst; sie trägt den im Vergleich zu anderen Beamten höheren gesundheitlichen Anforderungen des Dienstherrn an Polizeivollzugsbeamte Rechnung (Beschluss vom 3. Juni 2004 – BVerwG 2 B 52.03 – Buchholz 237.7 § 7 NWLBG Nr. 6). Dabei unterscheidet der Bundesgesetzgeber nicht innerhalb des Polizeivollzugsdienstes. Vielmehr ist ein Beamter in diesem Tätigkeitsbereich polizeidienstunfähig, wenn er den besonderen gesundheitlichen Anforderungen für sämtliche Ämter der Laufbahn des Polizeivollzugsdienstes nicht mehr genügt (Urteil vom 3. März 2005 – BVerwG 2 C 4.04 – Buchholz 237.7 § 194 NWLBG Nr. 2). Allerdings ermöglicht § 101 Abs. 1 Halbs. 2 BRRG, den polizeidienstunfähigen Beamten im Polizeidienst zu belassen und für Dienstposten vorzusehen, auf denen die besondere gesundheitliche Belastbarkeit entbehrlich ist (Urteil vom 3. März 2005 a.a.O. S. 3). Der Bundesgesetzgeber geht insoweit von unterschiedlich belastenden Funktionen innerhalb des Polizeidienstes aus. Nach der amtlichen Begründung erfordern nach den bisherigen Erfahrungen nicht alle Funktionen des Polizeidienstes die uneingeschränkte Polizeidienstfähigkeit (BTDrucks 13/1447, S. 2, S. 64). Angesichts der technisch-organisatorischen Veränderungen im Polizeidienst, der Weiterentwicklung des Berufsbildes und des Selbstverständnisses der Polizeivollzugsbeamten entspreche der Inhalt der Polizeidienstfähigkeit in dem bisher verstandenen Sinne, wonach ein Polizeivollzugsbeamter zu jeder Zeit, an jedem Ort und in jeder seiner Amtsbezeichnung entsprechenden Stellung verwendbar sein müsse, nicht mehr der Wirklichkeit (BTDrucks 13/1447, S. 5; 13/5057 S. 64).
Diese Unterscheidung bei der Beurteilung der Dienstfähigkeit eines Polizeibeamten kann der Gesetzgeber als Differenzierungsmerkmal auch auf die Regelung besonderer Altersgrenzen übertragen. Insoweit entspricht es dem Sinn und Zweck der Altersgrenze, bei Beamten, die während ihrer überwiegenden Dienstzeit Funktionen mit geringeren gesundheitlichen Anforderungen wahrnehmen, einen späteren Verlust der Leistungsfähigkeit zu vermuten als bei Beamten, die über einen längeren Zeitraum besonderen gesundheitlichen Belastungen ausgesetzt sind. Dies gilt auch für die in noch höherem Maße pauschalierende und typisierende Differenzierung nach Laufbahngruppen, soweit sich die psychischen und physischen Anforderungen im Hinblick auf die wahrgenommenen Aufgaben unterscheiden. Insoweit lassen die den statusrechtlichen Ämtern der verschiedenen Laufbahngruppen zugeordneten Funktionen Rückschlüsse auf die damit verbundenen dienstlichen Anforderungen zu.
5. § 208 Abs. 1 Satz 1 LBG RP stimmt auch mit dem Grundgesetz überein.
a) Die Vorschrift verstößt weder gegen die Fürsorgepflicht des Dienstherrn noch ist sie unverhältnismäßig.
aa) Als Dienstherr seiner Beamten verstößt der Beklagte bei der Festlegung der Lebensarbeitszeit nicht gegen seine Fürsorgepflicht als einem hergebrachtem Grundsatz des Berufsbeamtentums im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG, wenn er keine für alle Beamten einheitlich geltende Altersgrenze festlegt (BVerfG, Beschluss vom 10. Dezember 1985 a.a.O.). Er genießt vielmehr einen weiten Gestaltungsspielraum und kann auf der Grundlage von Erfahrungswerten den Zeitpunkt festlegen, bis zu dem er die psychische und physische Leistungsfähigkeit der jeweiligen Beamtengruppe und damit deren Dienstfähigkeit generell als noch gegeben ansieht (BVerfG, Kammerbeschluss vom 25. November 2004 – 1 BvR 2459/04 – BVerfGK 4, 219 ≪222≫). Daher ist es nicht zu beanstanden, dass der Beklagte auf der Grundlage der im Wesentlichen durch den technischen Fortschritt herbeigeführten Verbesserungen der Arbeitsabläufe im Polizeidienst (LTDrucks 14/1800 S. 9) die Lebensarbeitszeit der Polizeibeamten verlängert hat. Mit der Differenzierung der Altersgrenze in § 208 LBG RP hat er seiner Fürsorgepflicht ausreichend Rechnung getragen.
bb) Die streitige Regelung ist nicht unverhältnismäßig. Der Landesgesetzgeber durfte im Rahmen des ihm eingeräumten Gestaltungsspielraums für die einzelnen Laufbahngruppen und Tätigkeitsbereiche pauschalierend und generalisierend von unterschiedlichen Belastungen ausgehen und für die Beamten des gehobenen Polizeidienstes niedrigere Altersgrenzen festlegen als für die Beamten des höheren Dienstes. Es ist nicht zu beanstanden, dass er im Vergleich zu den regelmäßigen Anforderungen im allgemeinen Verwaltungsdienst, insbesondere bei einer mindestens 25jährigen Verwendung in den in § 208 Abs. 1 Satz 1 LBG RP genannten Tätigkeitsbereichen, von einer höheren Belastung und einer vorzeitigen Dienstunfähigkeit ausgegangen ist und die dort anzutreffenden Erschwernisse und Nachteile berücksichtigt hat. Dies folgt im Übrigen auch aus einem Vergleich mit den polizeilichen Verwendungen, die gemäß § 47 BBesG i.V.m. §§ 20 ff. Erschwerniszulagenverordnung – EZulV – einen Anspruch auf Zahlung einer Erschwerniszulage begründen können.
cc) Es sind keine Anhaltspunkte vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass der Gesetzgeber den ihm eingeräumten weiten Gestaltungsspielraum überschritten hat, indem er bei der Beurteilung der Anforderungen an die einzelnen Beamtengruppen von einer unrichtigen Tatsachengrundlage ausgegangen ist. Deshalb war das Berufungsgericht nicht gehalten, bei seiner Prüfung, ob der Beklagte die Fürsorgepflicht verletzt oder mit der beanstandeten Vorschrift eine unverhältnismäßige Regelung getroffen hat, über die konkreten gesundheitlichen Anforderungen im Polizeidienst Beweis zu erheben.
b) § 208 Abs. 1 Satz 1 LBG RP verstößt nicht gegen den Grundsatz der Normklarheit (Art. 20 Abs. 3 GG). Danach ist der Gesetzgeber gehalten, die Tatbestände einer Norm so zu präzisieren, dass dies nicht dem Rechtsanwender überlassen bleibt (BVerfG, Beschlüsse vom 12. Januar 1967 – 1 BvR 169/63 – BVerfGE 21, 73 ≪80≫ und vom 6. Juni 1989 – 1 BvR 921/85 – BVerfGE 80, 137 ≪161≫). Der Grundsatz der Normklarheit erfordert ferner, die gesetzlichen Tatbestände, die verschiedene Altersgrenzen bestimmen, so aussagekräftig zu formulieren, dass der Normadressat sein Handeln kalkulieren kann, weil die Folgen der Regelung für ihn voraussehbar und berechenbar sind (BVerfG, Beschlüsse vom 7. Juli 1971 – 1 BvR 775/66 – BVerfGE 31, 255 ≪264≫ und vom 27. November 1990 – 1 BvR 402/87 – BVerfGE 83, 130 ≪145≫).
Dem wird § 208 Abs. 1 Satz 1 LBG RP gerecht. Die Vorschrift knüpft an die Verwendung des Beamten in klar definierten Einsatzbereichen des Polizeidienstes an. Zudem statuiert sie eine feste Mindestdauer der Verwendung, deren Zeitspanne nicht so kurz bemessen ist, dass sich der Beamte aufgrund wechselnder Verwendungen nicht auf eine bestimmte Altersgrenze einstellen kann, die am Beginn seines Dienstverhältnisses noch nicht feststeht und sich auch während des aktiven Dienstverhältnisses verändern kann.
c) Der verfassungsrechtliche Grundsatz des Vertrauensschutzes wird ebenfalls nicht verletzt. Dieser Grundsatz verbietet es auch im Beamtenrecht nicht, dass ein Gesetz – wie hier – auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffenen Rechtspositionen nachträglich entwertet (BVerfG, Beschlüsse vom 10. Dezember 1985 a.a.O. S. 273 m.w.N. und vom 10. April 1984 – 2 BvL 19/82 – BVerfGE 67, 1 ≪14 f.≫). Erforderlich ist allerdings auch hier die Abwägung zwischen dem Vertrauen des Einzelnen in den Fortbestand der für ihn günstigen Rechtslage und dem Interesse der Allgemeinheit, das der Gesetzgeber mit der Rechtsänderung verfolgt. Ist das Vertrauen in den Bestand der begünstigenden Regelung nicht generell schutzwürdiger als das öffentliche Interesse an einer Änderung, ist die Regelung mit der Verfassung vereinbar (BVerfG, Beschluss vom 10. Dezember 1985 a.a.O. S. 273 m.w.N.). Diese Abwägung geht hier zu Lasten des Klägers.
Das Interesse des Klägers an der Beibehaltung der für ihn günstigeren ursprünglichen gesetzlichen Regelung der Altersgrenze bei Vollendung des 60. Lebensjahres tritt hinter das öffentliche Interesse an der Heraufsetzung der Altersgrenze zurück. Das öffentliche Interesse besteht darin, die Rechtslage an veränderte Gegebenheiten, hier die genannten Verbesserungen der Arbeitsbedingungen im Polizeidienst, anzupassen und durch die Verlängerung der Lebensarbeitszeit der Polizeibeamten Personalkosten bei gleichzeitiger Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Polizei einzusparen (LTDrucks 14/1800 S. 2).
d) Dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes der Beamten trägt die Übergangsregelung in § 208 Abs. 3 und 4 LBG RP hinreichend Rechnung. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, bei der Aufhebung oder Modifikation geschützter Rechtspositionen eine angemessene Übergangsregelung zu treffen, wobei ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zur Verfügung steht (BVerfG, Beschluss vom 10. April 1984 a.a.O. S. 15). So verletzt die abrupte Beendigung der aktiven Dienstzeit innerhalb weniger Monate nach dem Gesetzesbeschluss den Vertrauensschutz der betroffenen Beamten ebenso, wie dies durch die Heraufsetzung der Altersgrenze geschieht (zur Verkürzung der Lebensarbeitszeit vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Dezember 1985 a.a.O. S. 273).
Im Fall des Klägers betrug die Übergangszeit zwischen der Verkündung des Gesetzes im April 2003 und seinem 60. Geburtstag fast zwei Jahre, so dass er ausreichend Gelegenheit hatte, von der geänderten Rechtslage Kenntnis zu nehmen und sich auf sie einzustellen.
e) § 208 Abs. 1 Satz 1 LBG RP verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Dieser ist verletzt, wenn die gleiche oder ungleiche Behandlung geregelter Sachverhalte mit Gesetzlichkeiten, die in der Natur der Sache selbst liegen, mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise nicht mehr vereinbar ist, wenn also, bezogen auf den jeweils in Rede stehenden Sachbereich und seine Eigenart, ein vernünftiger, einleuchtender Grund für die Regelung fehlt (BVerfG, Beschlüsse vom 30. September 1987 – 2 BvR 933/82 – BVerfGE 76, 256 ≪329≫, vom 13. November 1990 – 2 BvF 3/88 – BVerfGE 83, 89 ≪107 f.≫ und vom 4. April 2001 – 2 BvL 7/98 – BVerfGE 103, 310 ≪318≫). Im Hinblick auf den weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers muss nicht stets die “gerechteste”, zweckmäßigste oder vernünftigste Regelung getroffen werden. Vielmehr ist der Gesetzgeber frei in seiner Entscheidung, was im Einzelnen als im Wesentlichen gleich zu behandeln ist und was aufgrund seiner Verschiedenheit eine Ungleichbehandlung rechtfertigt (BVerfG, Beschlüsse vom 13. Juni 1979 – 1 BvL 97/78 – BVerfGE 51, 295 ≪300≫, vom 6. Oktober 1983 – 2 BvL 22/80 – BVerfGE 65, 141 ≪148≫ und vom 15. Oktober 1985 – 2 BvL 4/83 – BVerfGE 71, 39 ≪52 f.≫; BVerwG, Urteil vom 1. September 2005 – BVerwG 2 C 15.04 – BVerwGE 124, 178 Rn. 21). Insoweit ist es Sache des Gesetzgebers, zu entscheiden, welche Elemente der zu ordnenden Lebensverhältnisse er dafür als maßgebend ansieht, sie in Bezug auf die Rechtsfolge gleich oder verschieden zu behandeln (BVerfG, Beschluss vom 10. Dezember 1985 a.a.O. S. 271).
Die Festlegung unterschiedlicher Altersgrenzen für die im Gesetz bezeichneten Beamtengruppen ist eine Ungleichbehandlung. Der Landesgesetzgeber begründet sie damit, dass nicht für alle Polizeibeamten die besonderen Belastungen des Wechselschichtdienstes bestünden, die für die Festlegung einer besonderen Altersgrenze ursächlich gewesen seien. Die besondere Altersgrenze basiere auf der bisherigen generalisierenden Annahme, dass Polizeibeamte mit Vollendung des 60. Lebensjahres den besonderen Anforderungen des Polizeidienstes im Allgemeinen nicht mehr gewachsen seien. Aufgrund geänderter Organisationsstrukturen sowie im Hinblick auf die Verbesserung der Arbeitsbedingungen infolge des technischen Wandels könne diese Annahme so pauschal nicht mehr aufrechterhalten werden (LTDrucks 14/1800 S. 9).
Diese Erwägungen sind sachlich gerechtfertigt. Der Beamte, der im Wechselschichtdienst verwendet wird, verrichtet seinen regulären Dienst ständig nach einem Schichtplan, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Wechselschichten vorsieht, d.h. wechselnde Arbeitsschichten, in denen ununterbrochen bei Tag und Nacht, werktags, sonntags und feiertags gearbeitet wird (vgl. dazu auch § 20 EZulV). Nach der Senatsrechtsprechung finden die von dem Schichtdienstleistenden geforderte ständige Umstellung des Arbeits- und Lebensrhythmus sowie die damit verbundenen gesundheitlichen und sozialen Auswirkungen eine besoldungsrechtliche Anerkennung durch die Erschwerniszulage (Urteil vom 21. März 1996 – BVerwG 2 C 24.95 – Buchholz 240.1 BBesO Nr. 17). Aus arbeitsmedizinischen Gutachten und Untersuchungen geht nach einer Äußerung der Bundesregierung hervor, dass der Beamte sich nicht an den unregelmäßigen Lebensrhythmus anpassen oder gewöhnen könne, andauernde Nachtarbeit die ausreichende Regeneration durch Schlaf am Tag mindere, Nachtarbeit die Funktion des Verdauungstraktes beeinträchtige und Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes, vegetative Störungen, Krankheiten der Kreislauforgane sowie Schlafstörungen begünstige (vgl. die Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage, BTDrucks 8/4415 S. 4).
Diese besonderen Belastungen sind mit dem Bereitschaftsdienst regelmäßig nicht verbunden. Im Bereitschaftsdienst werden die sonst anstehenden Dienstaufgaben im Allgemeinen nicht in dem für die normale Dienstzeit vorgegebenen Umfang erledigt. Der Beamte hält sich vielmehr an einem vom Dienstherrn bestimmten Ort lediglich bereit (Urteil vom 21. März 1996 – BVerwG 2 C 24.95 – Buchholz 240.1 BBesO Nr. 17 S. 20), um den Dienst jederzeit aufzunehmen. Eine grundsätzlich noch weniger belastende Form des Bereitschaftsdienstes ist die Rufbereitschaft, bei der sich der Beamte zwar auch für eine jederzeitige und unverzügliche Aufnahme des Dienstes bereithalten muss, aber seinen Aufenthaltsort und die Gestaltung dieser Zeit im Wesentlichen frei bestimmen kann. Er muss an seinem Aufenthaltsort lediglich erreichbar sein und diesen der Dienststelle anzeigen (Urteil vom 12. Dezember 1979 – BVerwG 6 C 96.78 – BVerwGE 59, 176 ≪181≫). Der Bereitschaftsdienst, auch in der Form der Rufbereitschaft, wird in der Regel neben dem regulären Volldienst innerhalb der täglichen Arbeitszeit geleistet (Urteil vom 21. März 1996 a.a.O.).
Das Berufungsgericht hat zwar keine Feststellungen darüber getroffen, welcher Art und Ausgestaltung der Bereitschaftsdienst des Klägers gewesen ist. Dieser selbst hat lediglich vorgetragen, er habe neben dem regulären Volldienst Bereitschaftsdienst in der Form der Rufbereitschaft geleistet. Wie dem auch sei, der ständige Wechsel der regulären Arbeitszeit und die damit erforderliche Umstellung des Arbeits- und Lebensrhythmus stellen deutlich höhere Anforderungen an die Gesundheit des Beamten als der Bereitschaftsdienst. Zwar kann auch diese Form des Dienstes im Einzelfall mit erhöhten Belastungen verbunden sein, insbesondere wenn sich der tatsächliche Einsatz sehr häufig realisiert. Dennoch rechtfertigen die in der Regel bestehenden unterschiedlichen gesundheitlichen Anforderungen des Wechselschichtdienstes und des Bereitschaftsdienstes eine unterschiedliche Altersgrenze.
Es ist daher sachlich gerechtfertigt, wenn der Landesgesetzgeber bei Beamten, die während ihrer überwiegenden aktiven Dienstzeit den besonderen gesundheitlichen Belastungen des Wechselschichtdienstes ausgesetzt waren, den Eintritt der Dienstunfähigkeit zu einen früheren Zeitpunkt vermutet als bei anderen Beamten. Das auf diesen Belastungen beruhende frühere Nachlassen der Leistungsfähigkeit ist zwar individuell verschieden. Der Gesetzgeber ist jedoch berechtigt, zu generalisieren, zu typisieren und zu pauschalieren, ohne allein wegen der damit verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen (BVerfG, Beschluss vom 4. April 2001 – 2 BvL 7/98 – BVerfGE 103, 310 ≪319≫). Deshalb war das Berufungsgericht nicht gehalten, über die konkreten Belastungen des Bereitschaftsdienstes, den der Kläger geleistet hat, Beweis zu erheben.
f) Der Kläger kann keine Gleichbehandlung mit den Beamten verlangen, die mindestens 25 Jahre in einem Mobilen Einsatzkommando oder Spezialeinsatzkommando verwendet wurden. Diese Sondereinheiten werden überwiegend zur Bewältigung gefährlicher Konfliktlagen eingesetzt, die besondere Anforderungen an die Konstitution der ihnen angehörenden Polizeibeamten stellen. Im Vergleich zum “normalen” Polizeidienst sind diese Spezialeinsätze mit besonderen physischen und psychischen Belastungen verbunden. Diese Belastungen rechtfertigen die frühere Altersgrenze.
g) Das gilt auch für die in der Polizeihubschrauberstaffel eingesetzten Piloten. Diese sind, vergleichbar den Piloten anderer Luftfahrzeuge (vgl. dazu BVerfG, Kammerbeschluss vom 25. November 2004 a.a.O. S. 221 f.), besonderen Anforderungen an die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit ausgesetzt. Zudem muss eine Vielzahl von Personen vor Gefahren bewahrt werden, die im Falle des Versagens eines Piloten bestünden. Zwar bezieht § 208 Abs. 1 Satz 1 LBG RP nicht nur das fliegende Personal der Polizeihubschrauberstaffel, sondern sämtliche dort eingesetzte Beamte in die vorgezogene Altersgrenze ein, doch kann der Kläger daraus selbst dann keinen Anspruch herleiten, wenn diese Regelung einige wenige Beamte der Staffel ohne sachlichen Grund begünstigen würde. Der Kläger hat insoweit keinen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht.
h) Die Verschiedenbehandlung des Klägers im Vergleich zu freigestellten Personalratsmitgliedern, die den Belastungen der in § 208 Abs. 1 Satz 1 LBG RP genannten Verwendungen tatsächlich nicht ausgesetzt sind, beruht auf dem Benachteiligungsverbot (§ 6 Satz 2 Halbs. 1 LPersVG in der Fassung vom 24. November 2000 (GVBl S. 529; vgl. dazu auch Urteil vom 21. September 2006 – BVerwG 2 C 13.05 – PersR 2007, 83 = DokBer B 2007, 38). Eine Benachteiligung läge vor, wenn bei freigestellten Mitgliedern des Personalrats, die in den in § 208 LBG RP genannten Bereichen verwendet werden, Zeiten der Freistellung im Hinblick auf die Altersgrenze nicht berücksichtigt würden. In deren Vermeidung kann eine sachliche Rechtfertigung gesehen werden.
i) Kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz ist ferner darin zu sehen, dass der gehobene Dienst im Verhältnis zu den Beamten des mittleren Dienstes dadurch benachteiligt ist, dass in § 208 Abs. 1 Satz 4 LBG RP für Beamte des mittleren Dienstes das vollendete 62. Lebensjahr und für Beamte des gehobenen Dienstes das vollendete 63. Lebensjahr als Altersgrenze festgelegt ist, soweit sie nicht unter die Ausnahmen des Abs. 1 Satz 1 bis 3 fallen. Diese Differenzierung ist gerechtfertigt, wenn bei pauschalierender und typisierender Betrachtung die Dienstaufgaben, die den Beamten des mittleren Dienstes zugewiesen sind, physisch und psychisch anstrengender sind und die Kräfte mehr verschleißen als die Dienstaufgaben des gehobenen Dienstes. Davon abgesehen, gelangt der Kläger in den Genuss der Übergangsregelung des § 208 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 LBG RP und ist schon deshalb nicht in seinem Anspruch auf Gleichbehandlung verletzt.
6. Die angegriffene Vorschrift verstößt schließlich nicht gegen Gemeinschaftsrecht. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum Bereitschaftsdienst, auf die sich der Kläger beruft, betrifft die Anrechnung der Zeiten des Bereitschaftsdienstes als Arbeitszeit (EuGH, Urteile vom 1. Dezember 2005 – C-14/04 – Slg. 2005 Seite I-10253 und vom 14. Juli 2005 – C-52/04 – Slg. 2005 Seite I-07111). Zwar geht der EuGH davon aus, dass die Arbeitszeit, die “für die tatsächliche Erbringung von Leistungen der medizinischen Grundversorgung während des Bereitschaftsdienstes in Form von Rufbereitschaft aufgewandt wird” die Voraussetzungen des Begriffes “Schichtarbeit” im Sinne des Artikels 2 Nr. 5 der Richtlinie 93/104/EG (ABl L 307, S. 18) erfüllt (EuGH, Urteil vom 3. Oktober 2000 – C-303/98 – EuGHE I 2000 – 7997 ≪8033≫). Verbindliche Vorgaben hinsichtlich der hier relevanten Frage, ob die Belastungen des Bereitschaftsdienstes mit den gesundheitlichen Anforderungen des Wechselschichtdienstes gleichstehen, ergeben sich daraus aber nicht. Vielmehr findet die Richtlinie 93/104/EG keine Anwendung, soweit dieser Besonderheiten bestimmter spezifischer Tätigkeiten im öffentlichen Dienst, z.B. bei den Streitkräften oder der Polizei, zwingend entgegenstehen (Art. 1 Abs. 3 Richtlinie 93/104/EG i.V.m. Art. 2 Abs. 2 Richtlinie 89/391/EWG (ABl L 183, S. 1).
7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Unterschriften
Albers, Prof. Dawin, Dr. Kugele, Groepper, Dr. Heitz
Fundstellen
ZBR 2007, 307 |
DVBl. 2007, 781 |
NPA 2008 |
NordÖR 2007, 190 |
Polizei 2007, 87 |