Leitsatz (amtlich)

›Die beamtenrechtliche Fürsorgepflicht verbietet dem Dienstherrn, den Beamten durch Kritik an seiner Amtsführung gegenüber Dritten ohne rechtfertigenden Grund bloßzustellen. Das gilt sowohl für nachteilige Tatsachenbehauptungen als auch für mißbilligende Werturteile. Daß der Beamte namentlich genannt wird, ist nicht erforderlich.

Im Falle unzulässiger Kritik nach außen kann der Beamte als Erfüllung der noch möglichen Fürsorge beanspruchen, daß der Dienstherr die Ansehensbeeinträchtigung für die Zukunft durch eine geeignete, nach Form und Adressatenkreis der beeinträchtigenden Äußerung entsprechende Erklärung ausräumt.

 

Verfahrensgang

OVG für das Land NRW (Entscheidung vom 22.06.1992; Aktenzeichen 6 A 963/90)

VG Köln (Entscheidung vom 07.03.1990; Aktenzeichen 19 K 543/89)

 

Gründe

I. Der Kläger ist Oberstudiendirektor im Dienst des Beklagten. Er ist seit 1973 Schulleiter des A.-Gymnasiums in K.

Im Jahre 1985 veröffentlichten drei Lehrer dieses Gymnasiums ein Buch mit dem Titel "Ich bin katholisch getauft und Arier". Dieses Buch behandelt die Geschichte des Gymnasiums in der Zeit des Nationalsozialismus, insbesondere die Situation jüdischer Schüler. Im Zusammenhang mit der Veröffentlichung des Buches erhoben die Autoren u.a. den Vorwurf gegen den Kläger, er habe sie bei der Erstellung des Buches behindert. Diese Vorwürfe waren auch Gegenstand der Berichterstattung in Presse und Fernsehen.

Der Kläger forderte daraufhin vom Regierungspräsidenten geeignete Maßnahmen zu seinem Schutz vor den Angriffen und Beleidigungen. Das Begehren war Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht. Das Verfahren wurde durch übereinstimmende Erledigungserklärungen beendet. Die Einleitung eines Disziplinarverfahrens, das der Kläger gegen sich selbst beantragt hatte, wurde vom Regierungspräsidenten abgelehnt mit der Feststellung, gegen den Kläger bestehe kein Verdacht eines Dienstvergehens.

Am 19. März 1988 hielt der Kultusminister des beklagten Landes vor den Teilnehmern der 5. Landeskonferenz der Arbeitsgemeinschaft verfolgter Sozialdemokraten eine Rede zum Thema "Gewährleisten unsere Schulen heutzutage die demokratische Erziehung unserer Kinder?". Er führte u.a. aus:

"Zur demokratischen Erziehung unserer Schüler tragen auch die Bemühungen an einzelnen Schulen bei, die eigene Schulgeschichte für die Zeit des Nationalsozialismus aufzuarbeiten. In vielen Fällen bezieht man in diese Forschungen auch Aspekte der Nachkriegszeit ein: d.h. wie ist eine Schule nach 1945 mit ihrer Vergangenheit umgegangen? Auf diesem Gebiet gibt es noch immer Tabus: Was drei Lehrer eines Gymnasiums an Diffamierung und Isolation erlitten haben, das ist schon ein Skandal. Der WDR und die Lokalzeitungen haben sich bereits mehrfach mit der Reaktion der dortigen Schulöffentlichkeit beschäftigt. Der springende Punkt dieser Auseinandersetzung ist wohl die Feststellung der Autoren, daß an ihrer Schule nach dem Krieg eine Lebenslüge aufgebaut und gepflegt wurde: Eine Lebenslüge, die das Verhältnis zwischen Christentum und Nationalsozialismus betrifft, nämlich als ob die christliche Prägung diese Schule immer schon gegen die Anfechtung des Nationalsozialismus immun gemacht habe. Die Autoren weisen dagegen nach, daß jüdischen Schülern der Verbleib an dieser Schule schon bald nach 1933 erheblich erschwert bis unmöglich gemacht wurde. Offensichtlich spielte der vorauseilende Gehorsam hier wie anderswo eine große Rolle. Der nationalsozialistische Geist durchwehte diese Schule in der damals leider üblichen Normalität, allenfalls aufgehalten durch zwei oder drei mutige Lehrer, die nicht die gesamte Schule repräsentieren. Das Schlimme ist, daß es heutzutage immer noch gelingt, Autoren, die sich nun wirklich Verdienste erworben haben, als Brunnenvergifter und Nestbeschmutzer auszugrenzen. Das Muster ist hinreichend bekannt: Die Autoritäten in der Schule pflegen eine Mentalität der Verdrängung, und sie tun so, als seien sie von ein paar Heißspornen tödlich beleidigt worden. Das alles wäre eher grotesk als ernst zu nehmen, wenn man es nicht als einen weiteren Hinweis auf fließende Grenzen und Grauzonen zwischen konservativ-autoritärem und rechtsgerichtetem Denken werten müßte. Gott sei Dank gibt es an unseren Schulen auch andere, d.h. positive Erfahrungen für Lehrer und Schüler, die den Lebenslügen in der Vergangenheitsbewältigung auf der Spur sind, auch und gerade hier in K."

Der Kläger forderte zunächst den Regierungspräsidenten, dann den Kultusminister des beklagten Landes auf, eine Erklärung dahin abzugeben,

- daß er sich an einer Diffamierung oder Isolation der drei Autoren des Buches "Ich bin katholisch getauft und Arier" nicht beteiligt habe,

- daß er (der Kläger) bei der Behandlung des Buches nicht eine Mentalität der Verdrängung gepflegt habe,

- daß sein Verhalten nicht als Hinweis auf fließende Grenzen und Grauzonen zwischen konservativ-autoritärem und rechtsgerichtetem Denken zu werten sei.

Er begehrte außerdem, diese Erklärung den Hörern des Vortrags des Kultusministers in geeigneter Form zur Kenntnis zu bringen. Die Abgabe einer solchen Erklärung lehnte der Kultusminister ab. Der vom Kläger eingelegte Widerspruch wurde nicht beschieden.

Die Klage, mit der der Kläger beantragte, den Beklagten entsprechend dem vorgenannten Antrag zu verpflichten, hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt:

Die Äußerungen des Kultusministers seien durch Artikel 55 Abs. 2 der Landesverfassung NW gedeckt, wonach jeder Minister seinen Geschäftsbereich selbständig und unter eigener Verantwortung leite. Das Äußerungsrecht unterliege allerdings besonderen Schranken. Herabsetzende Werturteile gegenüber dem Bürger und sonstigen Betroffenen müßten das für alles staatliche Handeln geltende Übermaßverbot wahren und dürften nicht willkürlich, besonders aggressiv und unsachlich sein. Das schließe aber nicht aus, daß der Hoheitsträger auch deutliche Worte gebrauche. Die Äußerungen des Kultusministers seien nicht übermäßig, willkürlich, besonders aggressiv oder unsachlich. Es gehöre zu den Aufgaben des Kultusministers, Schwierigkeiten oder Fehlentwicklungen an einzelnen Schulen zu erfassen, zu analysieren und aufzuzeigen. Da es an der Schule des Klägers zu Kontroversen gekommen und hierüber in den Medien bereits ausgiebig berichtet worden sei, habe auch dem Minister eine öffentliche politische Wertung der Vorgänge zugestanden. Die vom Kultusminister ausgesprochenen Werturteile seien nicht direkt an die Adresse des Klägers gerichtet gewesen; damit sei die Gefahr einer Rechtsbeeinträchtigung des Klägers, wenn nicht gar ausgeschlossen, so doch von vornherein entscheidend vermindert worden. Eine gleichwohl eventuell eingetretene Ehrverletzung sei jedenfalls durch die in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht ausgesprochene Ehrenerklärung beseitigt. Aus dem gleichen Grunde sei ein fürsorgepflichtwidriger Zustand entfallen.

Der Kläger hat die vom erkennenden Senat zugelassene Revision eingelegt. Er beantragt,

die Urteile des Oberverwaltungsgerichts vom 22. Juni 1992 und des Verwaltungsgerichts vom 7. März 1990 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, der Arbeitsgemeinschaft verfolgter Sozialdemokraten schriftlich mitzuteilen, daß im Zusammenhang mit den in der Rede des Kultusministers vom 19. März 1988 vor dieser Arbeitsgemeinschaft angesprochenen Vorgängen an einem ... Gymnasium dem Klägers als Leiter des A.-Gymnasiums weder eine Verletzung seiner Dienstpflichten zur Last gelegt noch sonst seine Amtsführung beanstandet wird.

Der Kläger rügt die Verletzung materiellen Rechts.

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile und zur Verurteilung des Beklagten gemäß dem Klageantrag.

Die zulässigerweise erhobene Leistungsklage ist entgegen der Auffassung der Vorinstanzen begründet. Das Berufungsgericht hat sich - wie schon das Verwaltungsgericht - zu Unrecht darauf beschränkt, die Rechtmäßigkeit der beanstandeten Äußerungen in der Rede des Kultusministers an den allgemeinen Grundsätzen für nachteilige amtliche Äußerungen über Bürger zu messen, und in diesem Rahmen auch die Vorschrift des Art. 55 Abs. 2 der Landesverfassung NW über die Ressortverantwortung der Minister zur Rechtfertigung der Äußerungen herangezogen. Im Verhältnis zwischen dem Staat als Dienstherrn und den seiner Dienst- und Fachaufsicht unterstehenden Beamten begründet jedoch die grundgesetzlich verankerte Fürsorgepflicht des Dienstherrn einen eigenen Maßstab für nachteilige Äußerungen über Beamte gegenüber Dritten. Diesem Maßstab werden die angeführten Äußerungen nicht gerecht. Das beklagte Land hat durch die strittige Rede des Kultusministers und Dienstvorgesetzten des Klägers die diesem gegenüber obliegende Fürsorgepflicht verletzt und ist verpflichtet, die eingetretene Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Klägers in geeigneter Weise rückgängig zu machen.

1. Die Klage ist zu Recht gegen das beklagte Land und nicht gegen dessen seinerzeitigen Kultusminister persönlich gerichtet (vgl. BVerwGE 75, 354 [355]). Die vom Kläger angegriffene Rede des Kultusministers vor einer politischen Organisation ist als Äußerung des Dienstvorgesetzten (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 LBG) dem beklagten Land als Dienstherrn des Klägers zuzurechnen. Das Berufungsgericht hat in rechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt, daß der Minister sich bei dieser Rede nicht als Privatmann, sondern hoheitlich in seiner Funktion als Minister zu seinem Geschäftsbereich zugehörigen Fragen geäußert hat.

2. Die Art der Erörterung von Vorgängen in bezug auf "drei Lehrer eines ... Gymnasiums" durch den Kultusminister verstieß gegen die beamtenrechtliche Fürsorgepflicht, die dem Beklagten gegenüber dem klagenden Schulleiter obliegt.

Die umfassende Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber dem Beamten (§ 85 LBG, § 48 BRRG, § 79 BBG) bildet die Entsprechung zur ebenso umfassenden Treuepflicht des Beamten gegenüber dem Dienstherrn und zählt - wie diese - zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums (vgl. BVerfGE 43, 154 [165]; 46, 97 [117]; 83, 89 [98]; BVerwG, Urteil vom 22. Mai 1980 - BVerwG 2 C 1.77 - [Buchholz 237.9 § 93 Nr. 1 = RiA 1980, 237]). Sie umfaßt die in § 85 Satz 2 LBG ausdrücklich ausgesprochene Verpflichtung, den Beamten bei seiner amtlichen Tätigkeit und in seiner Stellung als Beamten zu schützen. Dazu gehört es, den Beamten gegen unberechtigte Vorwürfe in Schutz zu nehmen (vgl. BVerfGE 43, 154 [165]). Ebenso verbietet sie dem Dienstherrn, den Beamten durch Kritik an seiner Amtsführung gegenüber Dritten ohne rechtfertigenden sachlichen Grund bloßzustellen. Das gilt sowohl für nachteilige Tatsachenbehauptungen als auch für mißbilligende Werturteile (vgl. VGH Kassel, Urteil vom 27. Februar 1974 - I OE 128/72 - [ZBR 1974, 261]).

Bei der Abgrenzung zwischen zulässiger und unzulässiger Kritik des Dienstherrn gegenüber Dritten ist davon auszugehen, daß der Dienstherr einerseits durch die Dienstaufsicht und fachliche Weisungen der Dienstvorgesetzten und sonstigen Vorgesetzten die Amtsführung seiner Beamten steuert und andererseits für diese Amtsführung nach außen, gegebenenfalls auch gegenüber der Öffentlichkeit, verantwortlich ist. Die Dienstvorgesetzten und Vorgesetzten haben jeweils in ihrem Zuständigkeitsbereich die pflichtgemäße Amtsführung zu kontrollieren und etwaige Verstöße in sachlicher, aber deutlicher Form zu beanstanden, ferner auch kundzutun, in welcher Weise sie Ermessens- und sonstige Handlungsspielräume ausgefüllt wissen wollen. Die Verantwortung nach außen kann es auch erfordern, daß Betroffene oder die Öffentlichkeit über Beanstandungen oder getroffene Weisungen informiert werden. Soweit die Amtsführung bestimmter Beamter nach außen kritisch gewürdigt wird, kommt der Einhaltung einer sachlichen, wenngleich deutlichen Form besondere Bedeutung zu.

Dagegen steht es weder dem Beamten noch den Vorgesetzten zu, über die Amtsführung des Beamten einen nach außen getragenen Meinungskampf gegeneinander zu führen. Dementsprechend haben das Bundesverwaltungsgericht und die Disziplinargerichte der Länder in ständiger Rechtsprechung eine "Flucht des Beamten in die Öffentlichkeit" im Falle innerdienstlicher Meinungsverschiedenheiten mit Vorgesetzten als Verstoß gegen die dem Dienstherrn geschuldete Loyalität und gegebenenfalls gegen die Pflicht zur Amtsverschwiegenheit gewertet (vgl. BVerwGE 76, 76 [79 f.] m.w.N.; 81, 365 [369 f.]; ebenso für Soldaten BVerwGE 86, 188 [191] mit Hinweis auf die Abgrenzung in BVerfGE 28, 55 [63 ff.]). Für den Dienstvorgesetzten, der gegenüber dem Beamten den Dienstherrn repräsentiert, gilt entsprechendes. Denn der Dienstvorgesetzte ist rechtlich in der Lage, seine Vorstellungen über die Amtsführung der ihm nachgeordneten Beamten durch Weisungen durchzusetzen. Auch würde ein nach außen getragener Meinungskampf mit sehr ungleichen Waffen geführt, weil einerseits der Dienstvorgesetzte, insbesondere ein Minister, im allgemeinen erheblich wirkungsvollere Möglichkeiten der Öffentlichkeitsarbeit hat und andererseits der Beamte in der Regel durch die Pflicht zur Amtsverschwiegenheit gehindert ist, von sich aus nähere innerdienstliche Umstände bekanntzugeben, die er zur Rechtfertigung seines Verhaltens oder seiner Meinung heranziehen will (vgl. dazu auch Urteil des Senats vom 25. November 1982 - BVerwG 2 C 19.80 - [Buchholz 232 § 61 Nr. 5 = NJW 1983, 2343).

Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der beanstandeten Rede des Kultusministers im Gesamtzusammenhang ihres vom Berufungsgericht festgestellten Wortlauts und der Vorgeschichte eine scharf mißbilligende Bewertung der Amtsführung des Klägers als Schulleiter. Die Ausführungen beziehen sich zwar nicht namentlich, aber sachlich eindeutig auf die Vorgänge um die Buchveröffentlichung durch drei Lehrer des vom Kläger geleiteten Gymnasiums. Möglichkeiten einer anderen Deutung hat auch der Beklagte nicht geltend gemacht. Die Vorgänge an dieser Schule werden mit dem Vorwurf, daß die genannten drei Lehrer "Diffamierung und Isolation erlitten haben", und der Bezeichnung als "Skandal" außerordentlich scharf und plakativ kritisiert. Schon dies legt den Eindruck eines Vorwurfs auch gegen den Schulleiter nahe, zu dessen Aufgaben es gehört, als "Skandal" zu wertende Vorgänge an der von ihm geleiteten Schule zu verhindern. Der anschließende Hinweis auf die "Reaktion der dortigen Schulöffentlichkeit" ändert daran nichts, zumal diese den Schulleiter jedenfalls einschließt. Diese Mißbilligung steigert sich in dem Vorwurf, daß es "heutzutage immer noch gelingt, Autoren, die sich nun wirklich Verdienste erworben haben, als Brunnenvergifter und Nestbeschmutzer auszugrenzen". Der sodann folgende Hinweis auf "die Autoritäten in der Schule", deren erste jedenfalls der Schulleiter ist, verstärkt im Zusammenhang abermals und abschließend den Eindruck, daß dessen Amtsführung in die negative Bewertung zumindest einbezogen, wenn nicht gar zum zentralen Gegenstand dieser Redepassage gemacht werden sollte. Unter dem Gesichtspunkt des Anspruchs des Klägers auf Schutz bei seiner Amtsausübung muß der Beklagte als Dienstherr schon diesen von ihm objektiv erweckten Eindruck gegen sich gelten lassen. Etwa noch verbleibende Unklarheiten gehen zu Lasten des Dienstherrn, dessen Repräsentant die Äußerungen formuliert hat.

Soweit auf kritische Meinungsäußerungen eines Bürgers in Wahrnehmung des Grundrechts der Meinungsfreiheit ein engerer Maßstab anzulegen ist, ist dies auf Äußerungen des Staates über einen seiner Beamten nicht übertragbar, da der Staat sich auf Art. 5 Abs. 1 GG nicht berufen kann und im Verhältnis zu seinen Beamten besonderen Beschränkungen unterliegt.

Zu der somit dem Beklagten zuzurechnenden, in scharfer und plakativer Weise mißbilligenden Wertung der Amtsführung des Klägers gegenüber Dritten bestand kein rechtfertigender Anlaß. Insbesondere die Bezeichnung der Vorgänge als "Diffamierung" und "Skandal" deutet in erster Linie auf den Vorwurf einer entweder schuldhaften Pflichtverletzung (Dienstvergehen) oder einer jedenfalls objektiv groben Pflichtverletzung hin, obwohl nach dem festgestellten Sachverhalt der Beklagte dienstlich einen solchen Vorwurf - der dann die konkrete Feststellung beanstandeter Verhaltensweisen des Klägers und deren rechtliche Würdigung erfordern würde - nicht erhoben hat. Auch eine sonstige dienstliche Beanstandung der Amtsführung des Klägers, etwa als - wenn schon nicht pflichtwidrig - so jedenfalls grob sachwidrig, ist nicht festgestellt. Zudem waren seit den umstrittenen Vorgängen an der Schule bis zum Zeitpunkt der Rede etwa drei Jahre verstrichen, ohne daß ein aktueller Anlaß erkennbar geworden wäre, das Verhalten des Klägers in der Öffentlichkeit zu mißbilligen. Unter diesen Umständen bedarf es keiner Erörterung, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Form der Beklagte eine substantiiert erhobene Beanstandung nach außen hätte tragen dürfen.

Der vom Berufungsgericht angeführten Vorschrift des Art. 55 Abs. 2 der Landesverfassung NW, wonach jeder Minister seinen Geschäftsbereich innerhalb der vom Ministerpräsidenten bestimmten Richtlinien der Politik selbständig und unter eigener Verantwortung leitet, ist nichts Abweichendes zu entnehmen. Die Vorschrift befaßt sich nicht mit der Frage, welche Mittel bei der Leitung des Geschäftsbereichs rechtmäßig sind, insbesondere in welcher Weise der Minister zur Durchsetzung seiner Vorstellungen gegenüber den ihm nachgeordneten Beamten unter Wahrung der grundgesetzlich verankerten beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht tätig werden darf. Das Berufungsgericht hat die Verfassungsvorschrift auch nicht in diesem Sinne herangezogen. Hinsichtlich der vom Berufungsgericht weiter angeführten Indemnitätsvorschrift des Art. 47 der Landesverfassung NW begegnet die Auffassung des Berufungsgerichts, daß es sich bei der beanstandeten Rede des Kultusministers schon nicht um Äußerungen in Ausübung des Mandats als Landtagsabgeordneter im Sinne der Vorschrift gehandelt habe, revisionsrechtlich keinen Bedenken.

Angesichts der dargelegten Verletzung der Fürsorgepflicht kann unerörtert bleiben, ob und in welcher Weise hier auch die allgemeinen Grundsätze über Zulässigkeit und Grenzen herabsetzender Werturteile staatlicher Organe gegenüber Bürgern und sonstigen Betroffenen herangezogen werden können und ob die angeführte Rede des Kultusministers auch diesen Grundsätzen widersprach (vgl. hierzu BVerwGE 59, 319 [325 f.] m.w.N., u.a. im Anschluß an BVerwGE 38, 336 [346]; BVerwGE 82, 76 [95 f.]).

3. Die durch die fürsorgepflichtwidrige negative Wertung der Amtsführung des Klägers gegenüber Dritten hervorgerufene Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts besteht fort, solange der Beklagte sie nicht zumindest durch die Klarstellung ausgeräumt hat, daß dem Kläger in dem in der Rede angesprochenen Zusammenhang weder ein (schuldhaftes oder auch nur objektiv) pflichtwidriges Verhalten zur Last gelegt noch seine Amtsführung sonst beanstandet wird. Eine solche Klarstellung muß, um die Beeinträchtigung auszuräumen, nicht nur gegenüber dem Kläger, sondern im Rahmen des Möglichen auch gegenüber dem Empfängerkreis der belastenden Äußerung erfolgen. Das ist bisher nicht geschehen.

Die vom Beklagten insoweit bisher abgegebenen Erklärungen reichen inhaltlich nicht aus, um die Beeinträchtigung auszuräumen. Zudem sind sie nur gegenüber dem Kläger selbst sowie gegenüber dem Berufungsgericht abgegeben worden.

Der Beklagte hat - ausweislich der vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Personalakte - zunächst bei der Ablehnung des Antrags des Klägers auf Einleitung eines förmlichen Disziplinarverfahrens ausdrücklich festgestellt, daß gegen den Kläger in dem erörterten Zusammenhang nicht der Verdacht eines Dienstvergehens bestehe; dadurch ist gegenüber dem Kläger die negative Wertung nur dahin gehend eingeschränkt worden, daß ihm eine schuldhafte Pflichtverletzung nicht zur Last gelegt wird. Die verbleibenden Deutungsmöglichkeiten, daß die Amtsführung des Klägers im Zusammenhang mit den als "Diffamierung" und "Skandal" kritisierten Vorgängen als (nur) objektiv pflichtwidrig oder als jedenfalls sachwidrig beanstandet wird, sind auch durch die vom Beklagten vor dem Berufungsgericht abgegebene Ehrenerklärung inhaltlich nicht ausgeräumt worden. Die Erklärung, der Kläger habe keinesfalls in seiner persönlichen Ehre verletzt werden sollen, bekundet nur die fehlende Absicht einer Ehrverletzung, ist aber nicht geeignet, eine objektiv eingetretene Ansehensminderung zu beseitigen. Auch die Erklärung, es werde "bedauert, wenn der Kläger das anders empfunden haben sollte", ist nicht geeignet, eine objektive Ansehensminderung zu beheben. Das Bedauern bezieht sich auf die Empfindungen des Klägers, nicht auf die Äußerungen des Kultusministers. Die Erklärung, "die Ausführungen hätten als politische Stellungnahme keine Mißbilligung in beamtenrechtlicher Hinsicht bezweckt", gibt schon insofern eine Selbstverständlichkeit wieder, als eine beamtenrechtliche Mißbilligung an den Kläger hätte gerichtet sein müssen; die Beeinträchtigung des Klägers liegt aber, wie dargelegt, gerade darin, daß nach außen der Eindruck einer Mißbilligung oder sonstigen Beanstandung erweckt wurde. Auch hat der Beklagte nicht etwa erklärt, daß die kritischen Äußerungen sich auf eine andere als die vom Kläger geleitete Schule bezogen hätten; eine solche Erklärung wäre auch mit dem festgestellten Sachverhalt schwerlich zu vereinbaren gewesen.

4. Der Kläger kann als Teil des ihm im Rahmen der Fürsorgepflicht geschuldeten Schutzes bei seiner amtlichen Tätigkeit beanspruchen, daß der Beklagte die Ansehensbeeinträchtigung nicht fortbestehen läßt, sondern sie für die Zukunft durch eine geeignete, nach Form und Adressatenkreis der beeinträchtigenden Äußerung möglichst entsprechende Erklärung ausräumt. Hierbei handelt es sich nicht um einen Anspruch auf Schadenersatz, sondern um einen Anspruch auf Erfüllung des noch möglichen Teils der geschuldeten Fürsorge.

Form und Inhalt der vom Beklagten geschuldeten Erklärung müssen der ansehensbeeinträchtigenden Äußerung möglichst nahe entsprechen. Der Form nach ist eine schriftliche Erklärung gegenüber der politischen Organisation geboten, vor der die beeinträchtigende Rede gehalten wurde, da der Beklagte die Situation der damaligen Versammlung nicht wiederherstellen kann. Inhaltlich muß die Erklärung den erweckten Eindruck ausräumen, daß dem Kläger im Zusammenhang mit den in der Rede angesprochenen Vorgängen an einem Gymnasium ein zumindest objektiv pflichtwidriges Verhalten zur Last gelegt oder seine Amtsführung sonst beanstandet werde. Einer näheren Aufzählung, welche Vorwürfe dem Kläger nicht gemacht werden, bedarf es dazu nicht.

5. Ohne Erfolg macht der Beklagte Bedenken gegen den Anspruch des Klägers unter dem Gesichtspunkt widersprüchlichen Verhaltens geltend, weil dieser seinerzeit nach eigenem Ermessen den Wortlaut der Rede durch Aushang der Schulöffentlichkeit zur Kenntnis gebracht habe. Hierzu fehlt es schon an tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO); es findet sich lediglich in den von ihm in Bezug genommenen Verwaltungsvorgängen der interne Hinweis, der Kläger habe die ihm von zweien der Buchautoren zur Weiterleitung an die Personalakte übergebene Rede nach eigenem Ermessen der Schulöffentlichkeit durch Aushang zur Kenntnis gegeben. Im übrigen läßt dieser mitgeteilte Vorgang die Möglichkeit zahlreicher Deutungen offen und kommt schon deshalb nicht als Grund in Betracht, durch den der Kläger unter dem Gesichtspunkt eines gegen Treu und Glauben verstoßenen widersprüchlichen Verhaltens an der Geltendmachung des dargelegten Anspruchs gehindert wäre.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

 

Fundstellen

NJW 1996, 210

BVerwGE 99, 56

BVerwGE, 56

NVwZ 1996, 270

DVBl 1995, 1248

JuS 1997, 76

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