Entscheidungsstichwort (Thema)
Langzeitkranker. Ordnung. Stufenvertretung. Verhalten
Leitsatz (amtlich)
1. Anordnungen des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen, das mit sogenannten Langzeitkranken durch den Amtsvorsteher oder Vertreter im Amt bzw. Abteilungsleiter ein Gespräch über den Gesundheitszustand und die voraussichtliche Wiederaufnahme des Dienstes zu führen sei, unterliegen weder der Mitbestimmung nach § 75 Abs 3 Nr 15 nach der Mitwirkung nach § 78 Abs 1 Nr 1 BPersVG.
2. Weisungen einer übergeordneten (vorgesetzten) Behörde gegenüber nachgeordneten Dienststellen berühren nicht die Entscheidungsbufugnis der Dienststellenleiter und damit der Beteiligungsbefugnis der örtlichen Personalräte, wenn den nachgeordneten Dienststellen auf Grund der Kompetenzregelung die maßgeblichen Regelungen nach außen obliegen oder ihnen noch ein ausfüllungsbedürftiger Raum verbleibt. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, so ist die bei der übergeordneten Dienststelle gebildete Stufenvertretung zu beteiligen.
Normenkette
BPersVG § 75 Abs. 3 Nr. 15, § 78 Abs. 1 Nr. 1, § 82 Abs. 1
Tatbestand
I.
Der Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen (Bundespostminister) richtete unter dem 11.11.1987, 6.4.1988 und 3.6.1988 Verfügungen an die Oberpostdirektionen betreffend „Krankenstand bei der DBP”. In der Verfügung vom 11.11.1987 ist als „Kernaussage” folgendes dargelegt:
„Nach den gültigen Krankenüberwachungsrichtlinien ist vorgesehen, daß ‚bei der Erkrankung eines Beamten von mehr als 3 Monaten grundsätzlich ein amts- oder post ärztliches Gutachten über seine Diensttauglichkeit (§ 42 BBG) einzuholen ist’ (III G 2 8454-0 vom 25.05.59, Ziffer 8, Abs. 2). Wie ich festgestellt habe, wird diese Regelung sehr unterschiedlich gehandhabt. Auch bei Tarifkräften wird die Beobachtung des Krankenstandes verschieden betrieben. Deshalb ist es notwendig, konkrete Vorgaben zu machen. Dabei ist es im Interesse der Fürsorgepflicht geboten, in jedem Einzelfall ein schematisches und formalistisches Vorgehen zu vermeiden, gleichzeitig aber eine einheitliche Verfahrensweise gegen über allen Beschäftigten sicherzustellen. „
Die Regelungen sehen unter anderem vor, daß mit sogenannten Langzeitkranken (Beschäftigten, die innerhalb des Zeitraums von einem halben Jahr häufiger als drei Monate erkrankt waren) durch den Amtsvorsteher oder Vertreter im Amt bzw. Abteilungsleiter ein Gespräch über den Gesundheitszustand und die voraussichtliche Wiederaufnahme des Dienstes geführt wird. Außerdem werden Hinweise für die weitere Vorgehensweise gegeben. Dabei wird für Beamte auf § 42 Abs. 1 BBG und für Arbeitnehmer (Angestellte und Arbeiter) auf die entsprechenden tarifvertraglichen Bestimmungen Bezug genommen.
Die Oberpostdirektion Frankfurt a.M. gab die vorgenannten Verfügungen des Bundespostministers mit eigenen Verfügungen vom 23.12.1987, 2.5.1988 und 29.6.1988 an die Ämter ihres Bezirks „mit der Bitte um Erledigung” weiter, ohne selbst noch Regelungen zu treffen. Lediglich die Verfügung vom 23.12.1987 enthielt den zusätzlichen Hinweis, daß die ministeriellen Regelungen ab sofort anzuwenden seien.
Der Beteiligte – Vorsteher des Postamtes Kassel 1 – unterrichtete mit Verfügung vom 31.5.1988 die ihm nachgeordneten Stellen von den neuen Regelungen. Dabei wies er darauf hin, daß nach den vom Bundespostminister fortentwickelten Formblättern auch die Angestellten und Arbeiter in das Verfahren einbezogen würden. In der gleichen Weise unterrichtete er den Antragsteller – Personalrat beim Postamt Kassel 1 -.
Mit Schreiben vom 14.7.1988 wandte sich der Antragsteller an den Beteiligten und machte geltend, die vorgesehenen Gespräche verstießen bei Arbeitnehmern gegen tarifvertragliche Bestimmungen sowie gegen § 369 b RVO. Ferner forderte er, daß er vor Anwendung der ministeriellen Richtlinien gemäß § 75 Abs. 3 Nr. 15 im Wege der Mitbestimmung und gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG im Wege der Mitwirkung beteiligt werde. Der Beteiligte lehnte mit Schreiben vom 2.9. und 16.9.1988 den Standpunkt des Antragstellers ab. Er bestritt, daß die erwähnten Beteiligungstatbestände erfüllt seien, und wies darauf hin, daß das Amt die Anordnungen seiner vorgesetzten Dienststellen einzuhalten habe. Da man selbst keine Erweiterungen und Ergänzungen vorgenommen habe, sei für eine personalvertretungsrechtliche Beteiligung auf dieser Stufe auch kein Raum.
Der Antragsteller hat am 21.12.1988 bei dem Verwaltungsgericht Kassel das Beschlußverfahren eingeleitet und vorgetragen:
Es gehe bei den getroffenen Anordnungen nicht nur um Anweisungen an die Amtsvorsteher, deren Vertreter oder Abteilungsleiter, wie sie ihre Aufgaben zu erledigen hätten, obwohl auch solche Regelungen unter § 75 Abs. 3 Nr. 15 BPersVG fallen könnten. Die Anordnungen führten vielmehr das System der Krankenüberwachung auch für die Angestellten und Arbeiter ein und schrieben ihnen vor, wie sie sich in einer bestimmten Lage zu verhalten hätten. Die Anordnungen unterschieden sich damit in nichts von einem Rauchverbot oder der Wei...