Entscheidungsstichwort (Thema)
Überlassung eines Arbeitnehmers länger als 12 Monate
Leitsatz (amtlich)
Nach der Aufhebung des Art. 1 § 13 AÜG durch Art. 63 des Gesetzes zur Reform der Arbeitsförderung (AFRG) vom 24. März 1997 ist nicht mehr die Rechtsprechung des BAG (so Beschluss v. 10. Februar 1977 – 2 ABR 80/76, BAGE 29, 7 = AP Nr. 9 zu § 103 BetrVG 1972 = EzA § 103 BetrVG 1972 Nr. 18) anwendbar, nach welcher im Falle der vermuteten Arbeitsvermittlung (§ 1 Abs. 2 AÜG) kraft Gesetzes ein Arbeitsverhältnis zum Entleiher zustande kommt. Ist der Verleiher im Besitz einer Überlassungserlaubnis, so wird dem Schutzbedürfnis des länger als zwölf Monate überlassenen Arbeitnehmers schon dadurch Genüge getan, dass nicht von der Beendigung sondern vom Fortbestand des Leiharbeitsverhältnisses ausgegangen wird.
Normenkette
AÜG § 1 Abs. 2, § 3 Abs. 1 Nr. 6, §§ 10, 16 Abs. 1 Nr. 9; AFRG Art. 63; AFG § 4; SGB III § § 291 ff., § 404 Abs. 2 Nr. 9
Verfahrensgang
ArbG Heilbronn (Urteil vom 28.05.1998; Aktenzeichen 5 Ca 49/98) |
Nachgehend
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Frage, ob zwischen ihnen kraft Gesetzes ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen ist.
Die am 01. März 1972 geborene, geschiedene Klägerin, die einem Kind gegenüber unterhaltspflichtig und der Nationalität nach Türkin ist, stand seit dem 09. Oktober 1995 in einem Arbeitsverhältnis zu der Firma R. GmbH, die im Besitz einer Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung ist. Vereinbart war ein Stundenlohn in Höhe von DM 12,42. Im Fall der Nichtbeschäftigung sollte die Klägerin, soweit diese nicht durch die Klägerin begründet war, den vollen Lohnanspruch erhalten. Sie war zunächst bei verschiedenen Firmen eingesetzt; zuletzt seit dem 03. Februar 1997 bei der Beklagten als Stapelfahrerin im Logistikbereich. Die Beklagte ist vertraglich mit insgesamt vier Zeitarbeitsfirmen verbunden.
Die Klägerin war mit der Vergütung bei der Firma R.GmbH nicht zufrieden und erstrebte ein unbefristetes Arbeitsverhältnis außerhalb der Leiharbeit an. Der Meister der Beklagten, unter dessen Aufsicht die Klägerin tätig war, machte diese auf die Firma D. aufmerksam, weil diese besser bezahle. Der Meister äußerte sich dahingehend, er würde es begrüßen, wenn die Klägerin weiterhin für ihn arbeiten würde. Die Personalabteilung der Beklagten hatte von diesem Gespräch keine Kenntnis. Die Klägerin nahm Kontakt mit einem Herrn A. auf. In der Folgezeit begründete sie mit der Firma D., die ebenfalls eine Erlaubnis für die Arbeitnehmerüberlassung hat, einen Vertrag beginnend mit dem 04. August 1997. Die Vertragsparteien vereinbarten einen Stundenlohn in Höhe von DM 15,65. Auch in diesem Arbeitsverhältnis war vereinbart, dass im Falle der Nichtbeschäftigung die Entlohnung erfolgen solle. Herr A. sicherte der Klägerin und ihrem Bruder zu, es sei beabsichtigt, beide mit Wirkung vom 10. Februar 1998 bei der Schwesterfirma D. GmbH & Co. KG in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zu übernehmen. Dies wurde mit Schreiben vom 15. August 1997 bestätigt. Die Zwischenzeit sollte durch das Leiharbeitsverhältnis mit der Firma D. überbrückt werden. Die Firmen D. und D. GmbH sind Schwesterfirmen unter einheitlicher Geschäftsleitung. Die Firma D. GmbH ist Zulieferer der Beklagten.
Die Klägerin kündigte auf Grund der Zusage ihr Arbeitsverhältnis mit der Firma R. GmbH zum 31. Juli 1997. Sie befand sich vom 11. bis 31. Juli 1997 in ihrem Resturlaub. Sie war im Anschluss daran ab Montag, dem 04. August 1997 als Leiharbeitnehmerin für die Beklagte tätig. Nach dem Inhalt einer Aufzeichnung der Firma D. vom 16. Januar 1998 war die Klägerin vor Eintritt in die Dienste der Firma D. durch die Firma R. GmbH seit dem 10. Februar 1997 an die Beklagte überlassen worden. Das Ende der Überlassung ist darin mit dem 09. Februar 1998 angegeben worden. Die entsprechenden Angaben betrafen auch den Bruder der Klägerin. Die Überlassung der Klägerin an die Beklagte endete am 06. Februar 1998, nachdem diese erkannt hatte, dass die Jahresfrist überschritten war. Zuvor hatte sich die Klägerin an ihren Meister mit der Frage gewandt, warum ihre Überlassung nicht beendet werde, obwohl die ihres Bruders eingestellt worden sei.
Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass zwischen ihr und der Beklagten seit dem 03. Februar 1998 ein Arbeitsverhältnis bestehe. Zur Rechtfertigung ihres Klageantrags führt sie aus, da sie vom 03. Februar 1997 bis zum 06. Februar 1998 ununterbrochen an die Beklagte ausgeliehen worden sei, habe die Ausleihdauer somit länger als ein Jahr betragen. Kraft Gesetzes sei ein Arbeitsverhältnis zu der Beklagten zustande gekommen.
Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, dass zwischen ihr und der Beklagten seit dem 03. Februar 1998 ein Arbeitsverhältnis besteht.
Die Beklagte hat zur Begründung ihres Zurückweisungsantrags eingewandt, die höchstzulässige Entleihdauer sei nicht überschritten worden, denn die Klägerin sei durch die Firma R. GmbH für 158 Kalendertage und d...