Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Frage der Anrechnung des in einer Werkstätte für behinderte Menschen zur Verfügung gestellten kostenfreien Mittagessens im Rahmen der Grundsicherung (GSiG) alten Rechts
Leitsatz (amtlich)
Im Rahmen der Grundsicherung alten Rechts (GSiG) ist das in einer Werkstätte für behinderte Menschen zur Verfügung gestellte kostenfreie Mittagessen weder bei der Bemessung der Regelsätze noch als einzusetzendes Einkommen zu berücksichtigen.
Normenkette
BSHG § 76; GSiG § 3
Verfahrensgang
Tenor
Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 16. Dezember 2005 – 3 K 136/05 – wird der Beklagte verpflichtet, die Bescheide vom 31.7.2003 und vom 25.5.2004 aufzuheben und dem Kläger Grundsicherungsleistungen zu gewähren, ohne diese um den Wert des in der Werkstatt für Behinderte angebotenen Mittagessens zu mindern.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Die Entscheidung ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der am … 1968 geborene Kläger, der zu 100 % schwerbehindert und tagsüber in einer Werkstatt für Behinderte tätig ist, beantragte im Dezember 2002 durch seinen Vater und Betreuer beim Beklagten Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz (GSiG), die ihm ab dem 1.1.2003 auch bewilligt wurden.
Mit Bescheid vom 31.7.2003 rechnete der Beklagte für die Zeit ab dem 1.9.2003 erstmals ein Werkstatteinkommen des Klägers in Form von Sachbezügen in Höhe von monatlich 47,40 Euro (bedarfsmindernd) an. Die Anrechnung erfolgte mit Rücksicht auf den Umstand, dass der Kläger in der Behindertenwerkstatt mit Mittagessen versorgt wurde.
Hiergegen legte der Kläger laut Vermerk vom 5.8.2003 Widerspruch ein und machte hierzu geltend, bei der Gewährung laufender Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG habe das in der Werkstatt kostenfrei eingenommene Mittagessen nach der Rechtsprechung bedarfsmindernd berücksichtigt werden dürfen, weil sich der Regelsatz der Sozialhilfe am tatsächlichen Bedarf orientiere und für das Mittagessen im Regelsatz ein Bedarfsanteil von 20 % enthalten sei. Die Minderung des Regelsatzes sei von der Rechtsprechung als zulässig angesehen worden, da eine anderweitige Bedarfsdeckung vorliege. Die Grundsicherung sei demgegenüber eine Pauschalleistung, die nicht wie die Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bedarfdeckungsgrundsatz berechnet werde. Es könne daher nur Einkommen im Sinne des § 76 BSHG bedarfsmindernd angerechnet werden. Bei dem Mittagessen handele es sich aber nicht um Einkünfte in Geld oder Geldeswert, sondern vielmehr um einen integralen Bestandteil der nach § 40 BSHG gewährten Eingliederungshilfe und einen Teil der Vergütung, welche die Werkstatt von dem zuständigen Rehabilitationsträger erhalte. Diese sei eine Sozialleistung, die nach § 77 BSHG nicht angerechnet werden dürfe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 25.5.2004 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, der vom Kläger innerhalb der Widerspruchsfrist zunächst nur telefonisch erhobene Widerspruch wäre grundsätzlich als verfristet und damit unzulässig zurückzuweisen. Da aber davon auszugehen sei, dass der Beklagte auf das Erfordernis eines schriftlichen Widerspruchs nicht erneut hingewiesen habe bzw. selbst von der Wirksamkeit der telefonischen Widerspruchseinlegung ausgegangen sei, werde der Widerspruch Treu und Glauben entsprechend als zulässig angesehen. Der Widerspruch sei jedoch nicht begründet. Nach § 3 Abs. 2 GSiG seien für den Einsatz von Einkommen und Vermögen die §§ 76 bis 88 BSHG entsprechend anzuwenden. Nach § 76 BSHG gehörten zum Einkommen alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert. Einkünfte in Geldeswert seien insbesondere Sachbezüge, also Dienst- und Naturalleistungen. Nach Nr. 76.03.6 der Sozialhilferichtlinien sei ein Sachbezug mit dem dafür im Regelsatz vorgesehenen Anteil anzusetzen. Da für das Mittagessen im Regelsatz ein Anteil von 20 % vorgesehen sei, habe vorliegend ein entsprechender Betrag als geldwertes Einkommen berücksichtigt werden müssen. Nach § 77 BSHG würden indes Leistungen aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften mit einer ausdrücklichen Zweckbestimmung als Einkommen nur insoweit berücksichtigt, als die Sozialhilfe und dementsprechend die Grundsicherung im Einzelfall demselben Zweck diene. Das wegen der Zuschüsse des überörtlichen Sozialhilfeträgers kostenfreie Mittagessen diene aber demselben Zweck wie die Grundsicherung, nämlich der Sicherung des notwendigen Lebensunterhalts.
Am 28.6.2004 hat der Kläger Klage im Wesentlichen unter Hinweis auf die im Widerspruchsverfahren vorgetragenen Gründe erhoben.
Ergänzend trug er vor, die Sachbezugsverordnung dürfe keine Anwendung finden, da das in der Behindertenwerkstatt ausgegebene kostenfreie Mittagessen Bestandteil der Rehabilitationsleistung nach § 41 SGB IX i.V.m. § 93 a Abs. 2 BSHG sei. Im Rahmen des Wunsch- und Wahlrecht...