rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Befreiung vom Anschluß- und Benutzungszwang für die sog. Biotonne

 

Leitsatz (amtlich)

1.) Kompostierbare Stoffe, die der Besitzer vollständig und ordnungsgemäß kompostiert, sind kein Abfall im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 AbfG.

2.) Ist die vollständige und ordnungsgemäße Kompostierung gewährleistet, so unterliegt der Besitzer hinsichtlich dieser Stoffe nicht dem Benutzungszwang für die gemeindliche Abfallentsorgung; er ist dementsprechend auch vom Anschlußzwang zu befreien.

 

Normenkette

GG Art. 20 Abs. 3; AbfG § 1 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

VG Arnsberg (Entscheidung vom 24.03.1994; Aktenzeichen 7 K 6101/92)

 

Tenor

Die Kläger begehren die Befreiung vom Anschluß- und Benutzungszwang für die sog. Biotonne. Sie kompostieren in ihrem Garten bereits seit Jahren in einem 2-Kammer-Behältnis alle auf ihrem Wohngrundstück anfallenden kompostierbaren Stoffe. Das VG hat der Klage stattgegeben. Die Berufung des Beklagten blieb im Ergebnis ohne Erfolg.

 

Gründe

Aus den Gründen:

Die Kläger haben in entsprechender Anwendung des § 7 Abs. 1, Buchst. a) der Abfallentsorgungssatzung der Gemeinde K. (AES) einen Anspruch auf Befreiung vom Anschluß- und Benutzungszwang für die braune Abfalltonne, weil objektiv hinreichend gewährleistet ist, daß

  • die auf ihrem Grundstück anfallenden (und für die Benutzung der braunen Tonne vorgesehenen) kompostierbaren Stoffe
  • in einer das Wohl der Allgemeinheit wahrenden Weise auf dem Grundstück kompostiert werden.

Die Kläger unterliegen hinsichtlich der von ihnen ordnungsgemäß kompostierten Stoffe von vornherein nicht dem ortsrechtlichen Benutzungszwang, weil diese Stoffe kein Abfall sind (insoweit kommt dem in § 7 AES für Ausnahmefälle vorgesehenen Ausspruch der Befreiung nur deklaratorische Bedeutung zu), mit der Folge, daß die Kläger auch nicht am Anschlußzwang festgehalten werden dürfen.

1. Die Kläger sind nicht verpflichtet, die auf ihrem Grundstück anfallenden kompostierbaren Stoffe – über den dafür eingeführten braunen Abfallbehälter – der gemeindlichen Abfallentsorgung zu überlassen.

Gemäß § 6 Abs. 2 AES bezieht sich der Benutzungszwang nur auf Abfälle. „Abfälle” im Sinne der Entsorgungssatzung, die die Gemeinde ausdrücklich u. a. auch in Ausführung des Abfallgesetzes erlassen hat, sind nach der damit vorausgesetzten Regelung des § 1 Abs. 1 Satz 1 AbfG (nur) solche beweglichen Sachen,

  • deren sich der Besitzer entledigen will oder
  • deren geordnete Entsorgung zur Wahrung des Wohls der Allgemeinheit geboten ist.

Dieser Definition des Abfallbegriffs dürfte die gemeindliche Definition der kompostierbaren Stoffe in § 12 AES jedenfalls insoweit entsprechen, als die Regelung von den in § 12 Abs. 1 aufgeführten und zu „Abfall im Sinne des Gesetzes” erklärten Stoffen in § 12 Abs. 2 die ordnungsgemäß kompostierten – und damit weder dem subjektiven noch dem objektiven Abfallbegriff unterfallenden – Stoffe ausnimmt.

Die auf dem Wohngrundstück der Kläger anfallenden kompostierbaren Stoffe sind keine Abfälle im vorgenannten Sinne, denn diese Stoffe werden von den Klägern sämtlich kompostiert und zwar auch ordnungsgemäß, so daß insoweit weder ein Entledigungswille noch die Erforderlichkeit einer „Abfall”-Entsorgung

vgl. dazu auch das Urteil des Senats vom 16.12.1994 – 22 A 3834/93 –

gegeben sind. Hinsichtlich der Vollständigkeit und Ordnungsgemäßheit ihrer Kompostierung haben die Kläger substantiiert und schlüssig im einzelnen dargelegt, daß sie nicht nur willens sondern auch fachlich und technisch in der Lage sind, die kompostierbaren Stoffe in der von ihnen bereits seit Jahren mit Hilfe einer 5,6 cbm großen Zwei-Kammer-Anlage praktizierten Weise sämtlich so zu behandeln, daß eine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit, wie etwa durch Gerüche oder Ungeziefer, nicht zu besorgen ist. Da auch der Beklagte weder die Glaubhaftigkeit der in der Sache überzeugenden Darlegungen noch die Glaubwürdigkeit oder Zuverlässigkeit der Kläger in Zweifel zieht, ist – ungeachtet des Umstandes, daß der Kläger als promovierter Diplom-Biologe im übrigen auch eine besondere Sachkunde auf weisen dürfte – davon auszugehen, daß auf dem Grundstück der Kläger kompostierbare Stoffe nicht als Abfall anfallen. Dieses Ergebnis wird zudem durch die vom Beklagten mehrfach durchgeführten – in ihrer Rechtmäßigkeit durchaus zweifelhaften aber zugunsten der Kläger verwertbaren – Kontrollen der Restmülltonne der Kläger bestätigt.

Nur vorsorglich weist der Senat darauf hin, daß auch der durch das Kompostieren von den Klägern erzeugte Kompost ebensowenig Abfall ist, wie die ihm zugrundeliegenden kompostierbaren Stoffe. Folglich kann auch der entstandene oder künftig entstehende Kompost den Benutzungszwang nicht begründen, wobei es im übrigen (im Hinblick auf den objektiven Abfallbegriff) nicht einmal darauf ankäme, ob die Kläger den Kompost auf dem eigenen Grundstück oder anderweitig verwerten wollten.

Steht aber fest, daß die Kläger insoweit dem Benutzungszwang nicht unterliegen, so ist entsprechend § 7 Abs. 1 AES...

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