Rz. 127
Die materielle Prüfung der Wirksamkeit einer außerordentlichen Änderungskündigung vollzieht sich wie bei einer ordentlichen Änderungskündigung in 2 Stufen. Erstens ist Voraussetzung ein wichtiger Grund i. S. v. § 626 BGB für die sofortige Änderung der Arbeitsbedingungen, 2. muss die sofortige Änderung der Arbeitsbedingungen von dem Arbeitnehmer billigerweise hinzunehmen sein. Der qualitative Unterschied im Verhältnis zu einer ordentlichen Änderungskündigung liegt darin, dass die sofortige Änderung der Arbeitsbedingungen unabdingbar und dem Arbeitnehmer zumutbar sein muss.
Auch für die außerordentliche Änderungskündigung gilt zudem grundsätzlich die Kündigungserklärungsfrist nach § 626 Abs. 2 BGB. Diese spielt allerdings dann praktisch keine Rolle, wenn es sich bei dem Kündigungsgrund um einen Dauertatbestand – z. B. den Wegfall der bisherigen Beschäftigungsmöglichkeit – handelt.
Soll die Kündigung außerordentlich mit notwendiger Auslauffrist aufgrund tariflichen Ausschlusses der ordentlichen Kündigung ausgesprochen werden, gilt für die Beteiligung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG nicht die Anhörungsfrist von 3 Tagen nach § 102 Abs. 2 Satz 3 BetrVG, sondern wie bei einer ordentlichen Kündigung die Wochenfrist nach § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG.
6.2.1 1. Stufe: Wichtiger Grund i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB
Rz. 128
Ein wichtiger Grund i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB für eine außerordentliche Änderungskündigung ist gegeben, wenn die alsbaldige Änderung der Arbeitsbedingungen für den Arbeitgeber unabweisbar notwendig ist. Im Rahmen der Interessenabwägung nach § 626 Abs. 1 BGB ist ferner zu prüfen, ob eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu den bisherigen Bedingungen noch bis zum Ablauf der Kündigungsfrist dem Arbeitgeber unzumutbar wäre.
Im Fall eines tariflich ordentlich unkündbaren Arbeitnehmers kann eine außerordentliche Änderungskündigung mit notwendiger Auslauffrist in Betracht kommen. In diesem Fall kommt aber der Verpflichtung des Arbeitgebers, die Kündigung – wenn möglich – durch andere Maßnahmen abzuwenden, eine besondere Bedeutung zu. Der Arbeitgeber hat zur Vermeidung einer Kündigung alle in Betracht kommenden Beschäftigungs- und Einsatzmöglichkeiten von sich aus umfassend zu prüfen und eingehend zu sondieren. Aus dem Vorbringen des Arbeitgebers muss erkennbar sein, dass er auch unter Berücksichtigung der besonderen Verpflichtungen alles Zumutbare unternommen hat, um eine Kündigung zu vermeiden. Es darf keine sich weniger weit als das unterbreitete Änderungsangebot vom bisherigen Vertragsinhalt entfernende Beschäftigungsmöglichkeiten geben. Im Rechtsstreit um eine außerordentliche Änderungskündigung muss der Arbeitgeber darlegen, weshalb naheliegende oder vorprozessual oder im Prozess thematisierte Alternativbeschäftigungen nicht in Betracht kamen. Dem Arbeitgeber kann es im Verhältnis zu einem ordentlich nicht kündbaren Arbeitnehmer außerdem zumutbar sein, den Zeitraum bis zu einem bereits absehbaren Freiwerden einer anderen Stelle auch ohne eine Änderung der Arbeitsbedingungen zu überbrücken.
Auch der öffentliche Arbeitgeber muss aber grundsätzlich nicht versuchen, zur Vermeidung einer Änderungskündigung eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers bei einem anderen Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes zu erreichen.
In der Corona-Pandemie hat sich vermehrt die Frage gestellt, ob eine außerordentliche Änderungskündigung zur Einführung von Kurzarbeit gerechtfertigt sein kann. Sofern diese unmittelbar durch die Änderungskündigung herbeigeführt werden soll, bedarf es nach einer Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg zumindest einer konkreten Darlegung eines erheblichen Arbeitsausfalls i. S. v. § 96 SGB III. Das ArbG Stuttgart hat eine außerordentliche Änderungskündigung als gerechtfertigt angesehen, mit der eine Berechtigung des Arbeitgebers zur Einführung von Kurzarbeit unter näher bestimmten Voraussetzungen und unter Einhaltung einer Ankündigungsfrist herbeigeführt werden sollte.
Rz. 129
Die Vermutungswirkung bei einem Interessenausgleich mit Namensliste nach § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG findet auf eine außerordentliche Änderungskündigung – mit oder ohne Auslauffrist – keine Anwendung.
Eine außerordentliche Änderungskündigung allein mit dem Ziel der Reduzierung des Entgelts eines ordentlich unkündbaren Arbeitnehmers kann angesichts der hohen Voraussetzungen bereits für ordentliche Änderungskündigungen zur Entgeltsenkung (vgl. Rz. 98 ff.) nur unter noch schärferen Anforderungen zulässig sein. In der vorgenannten Entscheidung hat das BAG ausgeführt, ein solcher Fall könne vorliegen, wenn die Änderung der Arbeitsbedingungen das Ziel habe, der konkreten Gefahr einer Betriebsschließung wegen Insolvenz zu begegnen.
Rz. 130
Die Beschränkung einer Änderungskündigung zur Herabgruppierung auf maximal eine Gehaltsgruppe nach § 55 Abs. 2 Unterabsatz 1 BAT i...