Rente mit 63 bleibt Anlass zum Streit
Im Streit über die Rente mit 63 wollen sich die Wogen auch gut ein Jahr nach deren Start nicht glätten. Der Chef der IG Metall Baden-Württemberg, Roman Zitzelsberger, warf den Arbeitgebern vor, mit überzogener Kritik von eigenen Versäumnissen abzulenken. So hätten viele Unternehmer nicht verstanden, dass für einen Generationenwechsel in der Firma große Anstrengungen nötig seien, etwa in Fort- und Weiterbildungen. Arbeitnehmer mit 45 Beitragsjahren hätten sich eine frühere Rente und damit mehr Lebensqualität redlich verdient.
Arbeitgebervertreter: Fachkräftemangel verschärft sich durch die Rente mit 63
Arbeitgebervertreter verweisen hingegen auf das Problem des Fachkräftemangels, der sich durch die Rente mit 63 verschärfe. Der Südwestmetall-Vorsitzende Stefan Wolf sagte, wenn er könnte, würde er die frühzeitige Rente sofort zurückdrehen.
Im Südwesten wurden nach Angaben der Deutschen Rentenversicherung (DRV) bis Ende Juli gut 20.000 Anträge auf die abschlagsfreie Rente vor dem 65. Lebensjahr gestellt. Hinzu kommen Anträge, die über DRV Bund und die Knappschaft Bahn-See gestellt werden. Eine Zahl für Baden-Württemberg dazu liegt der DRV nicht vor, eine Schätzung wollte ein DRV-Sprecher nicht machen.
Seinen Unmut zum Thema Rente mit 63 äußerte der Präsident des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertags (BWIHK), Peter Kulitz. Diese Vorgabe habe gravierende Negativfolgen für die Wirtschaft, sagt Kulitz. «Wir haben davor gewarnt, dass uns das Fachkräfte entzieht.» Solche Warnungen seien Wirklichkeit geworden.
Unter den Antragstellern seien weniger körperlich gebeutelte Handwerker, sondern vor allem Facharbeiter aus der Autobranche, dem Maschinenbau und dem Einzelhandel. «Die sagen sich ganz rational, ich kann kaum noch mehr Rente kriegen - also gehe ich doch mit 63 in Rente.» Für die händeringend nach Fachkräften suchende Wirtschaft sei das ein schwerer Rückschlag, sagte Kulitz.
Führt der demografische Wandel zur Rente mit 69?
Südwestmetall-Chef Wolf sagte mit Blick auf den demografischen Wandel, in einigen Jahre werde man über eine Rente mit 69 sprechen. Solche Äußerungen von der Arbeitgeberseite ließen bei Verdi-Landeschefin Leni Breymaier die Alarmglocken schrillen. Sie warnte davor, das Rentenalter von 67 aufzuweichen, anzuheben oder flexibel zu gestalten. «Natürlich kann der Professor mit 75 auf seiner Terrasse noch schlaue Aufsätze schreiben.» Aber bei Schichtarbeitern und Verkäufern mit harten, eher schlecht bezahlten Jobs sei das anders, zumal sie im Schnitt deutlich früher sterben.
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