Prof. Dr. Reinhard Vossen
Rz. 20
Die bevorzugte Berücksichtigung i. S. d. § 9 TzBfG gilt nur im Fall eines entsprechend freien Arbeitsplatzes. Ein Arbeitsplatz ist nach gebräuchlicher Auslegung die Beschäftigung in örtlich-räumlicher und zugleich in funktionaler Hinsicht. Er ist durch Art, Ort und Umfang der Tätigkeit gekennzeichnet. Durch die unternehmerische Entscheidung, einen bestimmten Arbeitskräftebedarf mittels der Arbeitszeiterhöhung bereits beschäftigter Teilzeitarbeitnehmer abzudecken, entsteht kein Arbeitsplatz im vorstehenden Sinne, der zu besetzen ist. Ein freier Arbeitsplatz liegt nur vor, wenn der Arbeitsplatz rechtlich frei ist, entweder weil er neu geschaffen worden ist, oder weil ein vorhandener Arbeitsplatz durch Ausscheiden eines Arbeitnehmers oder durch Umstrukturierung in der betrieblichen Organisation frei wird und neu mit einem Arbeitnehmer – nicht freiem Mitarbeiter – besetzt werden soll. Dem entspricht die seit dem 1.1.2019 in § 9 Satz 2 TzBfG i. d. F. von Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes vom 11.12.2018 enthaltene Definition "freier zu besetzender Arbeitsplatz". Als frei sind danach grundsätzlich (nur) solche Arbeitsplätze anzusehen, die zum Zeitpunkt des Erhöhungsantrags und des gewünschten Zeitpunkts der Arbeitszeitverlängerung unbesetzt sind.
In Fällen einer nur befristeten Besetzung mit einem Arbeitnehmer oder wenn der Arbeitgeber den Arbeitsplatz im Rahmen eines an objektiven Kriterien überprüfbaren Organisationskonzepts nicht mit eigenen, sondern mit Leiharbeitnehmern, besetzen möchte, ist das Vorliegen eines entsprechenden freien Arbeitsplatzes zu verneinen. Ebenso wenig ist ein Arbeitsplatz frei, wenn die Beschäftigung eines Arbeitnehmers auf einer Stelle erfolgt, die der öffentliche Dienstherr unter Überschreitung des Stellenplans eigens zum Zwecke der Prozessbeschäftigung eingerichtet hat.
Rz. 21
Bei der Beurteilung des Bestehens eines freien Arbeitsplatzes ist auf einen solchen des Arbeitgebers im Unternehmen und nicht nur im einzelnen Betrieb abzustellen. Der Arbeitgeber ist weder verpflichtet, einen neuen Arbeitsplatz zu schaffen – dementsprechend braucht der Arbeitgeber keine Überstunden zur Schaffung eines neuen Arbeitsplatzes abzubauen – noch einen Arbeitsplatz entsprechend den Wünschen seiner teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer zeitlich zuzuschneiden, noch ihnen die für einen anderen (Teilzeit-)Arbeitsplatz vorgesehene Arbeitszeit ganz oder teilweise zuzuteilen, noch einen grundsätzlich "freien" Arbeitsplatz zu besetzen. Ein Zwang zur Einrichtung bzw. Umgestaltung eines Arbeitsplatzes wäre ein nicht gerechtfertigter Eingriff in eine unternehmerische Organisationsentscheidung.
Die Organisationsfreiheit des Arbeitgebers darf aber nicht zur Umgehung des § 9 TzBfG genutzt werden. Wenn der Arbeitgeber anstatt die Arbeitszeiten der aufstockungswilligen Teilzeitbeschäftigten zu verlängern, neue Teilarbeitsplätze ohne höhere Arbeitszeit einrichtet, müssen für diese Entscheidung arbeitsplatzbezogene Sachgründe bestehen. Anderenfalls würde der Anspruch auf Aufstockung leerlaufen. Entsprechendes gilt, wenn der Arbeitgeber ohne Rücksicht auf arbeitsbezogene Erfordernisse ausschließlich Teilzeitstellen mit einem ganz bestimmten Stundenmaß einrichten würde.
Rz. 22
Ebenso wenig muss der Arbeitgeber Arbeitsplätze zusammenlegen, auch wenn ihm dies möglich ist. Steht lediglich ein freier Teilzeitarbeitsplatz zur Verfügung, kann der Teilzeitbeschäftigte folglich nicht verlangen, dass dieser mit seinem eigenen Arbeitsplatz zum Zweck der Arbeitszeitverlängerung vereint wird.
Rz. 23
Des Weiteren verpflichtet § 9 TzBfG den Arbeitgeber nicht, das gestiegene Arbeitszeitvolumen auf alle interessierten Teilzeitbeschäftigten gleichmäßig zu verteilen. Auch ist er nicht gehalten, einen freien Teilzeitarbeitsplatz zu splitten, um die vertragliche Arbeitszeit eines teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmers auf 100 % einer Vollzeitarbeitsstelle aufzustocken.
Rz. 24
Es ist Bestandteil der unternehmerischen Handlungsfreiheit, mit welcher Zahl von Arbeitnehmern auf welchen Arbeitsplätzen der Arbeitgeber das Arbeitsvolumen erledigen will. Dies ergibt sich auch aus dem Wortlaut des § 9 TzBfG, der von einem Anspruch auf Verlängerung der Arbeitszeit bei der Besetzung eines entsprechend freien Arbeitsplatzes ausgeht. Aus dem Hinweis, dass es sich um einen entsprechend freien Arbeitsplatz handeln muss, ist zu schließen, dass es sich dabei um einen Arbeitsplatz handelt, der als solcher bereits nach seinem Zuschnitt dem Arbeitszeitverlängerungswunsch des Arbeitnehmers entspricht. Insofern ist auch dann kein freier Arbeitsplatz i. S. d. § 9 TzBfG vorhanden, wenn es sich um einen nur geringfügigen Beschäftigungsumfang handelt (4 Std./Woche), der von einer neuen Kraft besetzt werden soll. Der teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer hat demnach keinen Anspruch auf Zuweisung eines solchen Stundendeputats.
Rz. 25
Eine Argumentation anhand § 5 Abs. 3b der Rahmenvereinba...