Entscheidungsstichwort (Thema)
Zustimmungsverweigerung durch Telefax. Betriebsverfassungsrecht
Leitsatz (amtlich)
Die Frist des § 99 Abs. 3 BetrVG wird auch durch ein rechtzeitig als Telefax übermitteltes Verweigerungsschreiben gewahrt.
Orientierungssatz
- Die ins Handelsregister eingetragene Niederlassung einer ausländischen Aktiengesellschaft kann Beteiligte eines arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahrens sein.
- Für die Erklärung der Zustimmungsverweigerung nach § 99 Abs. 3 BetrVG genügt Schriftlichkeit. Der Schriftform des § 126 Abs. 1 BGB bedarf die Erklärung nicht; diese Vorschrift gilt nur für Willenserklärungen. Die Erklärung nach § 99 Abs. 3 BetrVG ist keine Willenserklärung, sondern eine geschäftsähnliche Handlung. Die analoge Anwendung des § 126 BGB auf die Verweigerungserklärung nach § 99 Abs. 3 BetrVG ist nicht geboten.
- Will der Betriebsrat den Verweigerungsgrund des § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG geltend machen, muß er konkrete Tatsachen mitteilen, aus denen er die Besorgnis eines Nachteils ableitet.
Normenkette
BetrVG §§ 99, 26; BGB §§ 126, 125, 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2; ArbGG §§ 10, 83 Abs. 3
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Beschluss vom 03.07.2001; Aktenzeichen 4 TaBV 151/00) |
ArbG Darmstadt (Beschluss vom 30.05.2000; Aktenzeichen 8 BV 2/00) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluß des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 3. Juli 2001 – 4 TaBV 151/00 – wird zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
A. Die Beteiligten streiten darüber, ob der Betriebsrat wirksam die Zustimmung zu einer Einstellung verweigert hat.
Die Arbeitgeberin betreibt einen Kurier- und Frachtdienst. Der beteiligte Betriebsrat ist für den Betrieb K… gewählt. Mit Schreiben vom 20. Dezember 1999 teilte die Arbeitgeberin dem Betriebsrat mit, sie beabsichtige, den Auszubildenden Sascha H… nach bestandener Abschlußprüfung als Bürokaufmann in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis als “Associate Accounting Clerk” zu übernehmen. Sie bat, auf eine interne Ausschreibung zu verzichten. In seinem Antwortschreiben vom 28. Dezember 1999 erklärte der Betriebsrat, er verzichte auf eine Stellenausschreibung nicht und widerspreche der geplanten Versetzung und Übernahme des Herrn H….
Mit Schreiben vom 4. Januar 2000, dem die Bewerbungsunterlagen und eine Stellenausschreibung beigefügt waren, teilte die Arbeitgeberin dem Betriebsrat mit, sie wolle Herrn H… nunmehr mit Bestehen der mündlichen Prüfung (14. Januar 2000) als Accounting Clerk übernehmen. Das Schreiben ging dem Betriebsrat am 5. Januar 2000 zu. Mit einem als Telefax übermittelten Schreiben vom 12. Januar 2000 verweigerte er seine Zustimmung. Das handschriftlich unterzeichnete Original ging der Arbeitgeberin am 13. Januar 2000 zu. Das Schreiben hat folgenden Wortlaut:
“… in der genannten angelegenheit haelt der betriebsrat seinen bereits bekannten beschluss aufrecht, da sich in der sache keine aenderung gegenüber der seiner zeit erfolgten anhoerung ergeben haben.
für den fall, dass das schreiben vom 4. januar als erneute anhoerung zu werten sein sollte, hat das gremium hilfsweise der geplanten massnahme widersprochen, der entsprechende beschluss wurde in der sitzung vom 7. januar gefasst und hat folgende gruende:
- der bewerber erfuellt nicht die fuer diese position geforderten mindestvoraussetzungen.
- benachteiligung eines zweiten internen bewerbers, dessen bewerbung durch den zustaendigen gruppenleiter erst gar nicht zugelassen wurde.
in der jongliererei hinsichtlich der geplanten eingruppierung, die details sind hinreichend bekannt, sieht das gremium eine benachteiligung anderer potentieller bewerber innerhalb des unternehmens.
im uebrigen ist genau dieser punkt quasi ein schlag in die gesichter aller mitarbeiter, ganz zu schweigen von dem grundsaetzlichen verstoss gegen jegliche betriebsverfassungsrechtlichen (und auch firmeninternen) regeln.
”
Am 15. Januar 2000 unterrichtete die Arbeitgeberin den Betriebsrat davon, daß sie die Einstellung des Herrn H… aus sachlichen Gründen für dringend erforderlich halte und bat um Zustimmung zur der beabsichtigten vorläufigen Einstellung. Am 17. Januar 2000 erklärte der Betriebsrat, er halte eine vorläufige Einstellung nicht für erforderlich.
Mit einem am 19. Januar 2000 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz hat die Arbeitgeberin das vorliegende Beschlußverfahren eingeleitet. Sie hat die Ansicht vertreten, die Zustimmung des Betriebsrats zur beabsichtigten Einstellung des Herrn H… gelte als erteilt. Der Betriebsrat habe ihr nicht innerhalb er einwöchigen Frist des § 99 Abs. 3 BetrVG widersprochen. Das Telefax habe diese Frist nicht wahren können. Mangels Originalunterschrift genüge es nicht den gesetzlichen Anforderungen an die Schriftform. Die Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats sei zudem deshalb unbeachtlich, weil sie nicht ausreichend begründet worden sei. Sie lasse nicht erkennen, welchen Verweigerungsgrund iSv. § 99 Abs. 2 BetrVG der Betriebsrat habe geltend machen wollen. Im übrigen lägen Verweigerungsgründe nicht vor.
Die Arbeitgeberin hat beantragt
festzustellen, daß die Zustimmung des Betriebsrats zu der beabsichtigten Einstellung von Herrn Sascha H… als erteilt gilt;
hilfsweise hat sie beantragt,
die Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung des Arbeitnehmers Sascha H… auf die Position eines Accounting Clerk in der Abteilung Accounting zu ersetzen und
festzustellen, daß die zum 14. Januar 2000 vorgenommene vorläufige Einstellung von Sascha H… aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war.
Der Betriebsrat hat beantragt, die Anträge abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, er habe seine Zustimmung mittels Telefax wirksam verweigert. Die Verweigerung sei auch hinreichend begründet.
Die Vorinstanzen haben dem Hauptantrag der Arbeitgeberin stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt der Betriebsrat die Zurückweisung der Anträge.
Entscheidungsgründe
B. Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg. Zwar trägt die vom Landesarbeitsgericht gegebene Begründung seinen Beschluß nicht. Der Betriebsrat hat seine Zustimmung rechtzeitig verweigert. Die Entscheidung erweist sich jedoch aus anderen Gründen als richtig (§ 563 ZPO aF/§ 561 ZPO nF iVm. § 92 Abs. 2 ArbGG). Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zutreffend erkannt, daß die Zustimmung des Betriebsrats als erteilt gilt. Dessen Verweigerungsschreiben enthält keine beachtlichen Gründe.
Unterschriften
Wißmann, Schmidt, Kreft, Klebe, Frischholz
Fundstellen
Haufe-Index 872243 |
BAGE 2003, 298 |
BB 2003, 310 |
DB 2003, 160 |
NJW 2003, 843 |
BuW 2003, 263 |
FA 2002, 249 |
FA 2003, 118 |
FA 2003, 87 |
JR 2004, 44 |
NZA 2003, 226 |
SAE 2003, 178 |
ZIP 2003, 317 |
AP, 0 |
AuA 2002, 324 |
EzA-SD 2002, 3 |
EzA-SD 2003, 9 |
PERSONAL 2003, 56 |
ZMV 2002, 194 |
ArbRB 2003, 40 |
RdW 2003, 280 |
BAGReport 2003, 78 |