Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitbestimmung bei Schaltertests durch Drittunternehmen
Leitsatz (amtlich)
Läßt eine Bank ohne Kenntnis der Arbeitnehmer durch ein anderes Unternehmen Tests zur Überprüfung der Beratungsqualität an zufällig ausgewählten Schaltern durchführen, wobei die Arbeitgeberin die Ergebnisse nicht mit einzelnen Arbeitnehmern oder Gruppen von Arbeitnehmern in Verbindung bringen kann, so hat der Betriebsrat weder nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 6 BetrVG noch nach § 94 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht.
Normenkette
BetrVG § 87 Abs. 1 Nrn. 1, 6, § 94
Verfahrensgang
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Gesamtbetriebsrats gegen den Beschluß des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 11. Februar 1999 – 5 TaBV 29/98 – wird zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Gründe
A. Die Beteiligten streiten über ein Mitbestimmungsrecht des Gesamtbetriebsrats bei der Durchführung von Schaltertests durch ein Drittunternehmen.
Die Arbeitgeberin (Beteiligte zu 2) betreibt Wechselstuben in Bahnhöfen und Flughäfen und beschäftigt ca. 300 Arbeitnehmer. Antragsteller (Beteiligter zu 1) ist der bei der Arbeitgeberin gebildete Gesamtbetriebsrat.
Im Februar 1997 informierte die Arbeitgeberin den Gesamtbetriebsrat darüber, daß in der Zeit vom 24. Februar bis 11. März 1997 die Fa. I unter dem Titel „Mystery Shopping” in zufällig ausgewählten Geschäftsstellen der R -Niederlassungen Schaltertests durchführen werde, um Anhaltspunkte für eine Verbesserung der Beratungsqualität an den Bankschaltern („Points of sale” – POS) zu erhalten. Es sollten folgende Kriterien in die Untersuchung einbezogen werden: Verhaltensaspekte, das Erscheinungsbild der R, der Infrastruktur und der Abläufe, Prozesse am POS, Beratungsqualität in Bezug auf die Produktangebote Geldwechsel, Kauf von Traveller Cheques, Ticketkauf (Eintrittskarten für kulturelle Veranstaltungen), Nutzung Electronic Banking, Western Union Transfer. Dabei sollte der Testkunde der Fa. I R -Geschäftsstellen wie ein „normaler” Kunde besuchen und danach außerhalb der Geschäftsstelle ein detailliertes Gedächtnisprotokoll nach einem Muster, das in Zusammenarbeit mit der Arbeitgeberin erarbeitet wurde, erstellen. Nach der Projektbeschreibung stellte die Firma I neben der Einhaltung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen sicher, daß die Namen von beobachteten Personen nicht registriert wurden. Außerdem wurde die Stelle, an der die Beobachtung stattfand, zwar dem Testkunden vorgegeben, von ihm aber nicht namentlich mit dem Beobachtungsprotokoll in Verbindung gebracht. Die Ergebnisse wurden in einer Form übermittelt, die die Bestimmbarkeit der beobachteten Stelle und Person faktisch ausschloß.
Die Zustimmung des Gesamtbetriebsrats zu diesen Schaltertests holte die Arbeitgeberin nicht ein. Einen gegen die Durchführung der Schaltertests gerichteten Antrag des Gesamtbetriebsrats auf Erlaß einer Einstweiligen Verfügung hat das Arbeitsgericht Frankfurt mit Beschluß vom 13. März 1997 – 11 BVGa 11/97 – rechtskräftig zurückgewiesen.
Die Tests wurden wie vorgesehen durchgeführt. Die Fa. I ließ ihre Mitarbeiter Gedächtnisprotokolle nach einem vorgegebenen Muster erstellen, die aber der Arbeitgeberin – wie vereinbart – nie zugänglich gemacht wurden. Die beteiligten Mitarbeiter der Fa. I hatten den Gedächtnisprotokollen die erhaltenen Zahlungsbelege beizufügen, aus denen grundsätzlich ersichtlich ist, welcher Verkäufer in welcher Verkaufsstelle die Transaktion durchgeführt hat. Die Belege und Nachweise eines entsprechenden Geldumtausches wurden nach Abgabe der Gedächtnisprotokolle sofort von diesen getrennt und von der beauftragten Firma gesondert aufbewahrt. Auch diese Zahlungsbelege wurden an die Arbeitgeberin vereinbarungsgemäß nicht übergeben.
Der Gesamtbetriebsrat hat die Ansicht vertreten, ihm stehe ein Mitbestimmungsrecht nach § 94 Abs. 2 BetrVG (allgemeine Beurteilungsgrundsätze) zu. Die Tests dienten dazu, die Leistungen der Arbeitnehmer zu vergleichen; die Gedächtnisprotokolle enthielten einheitliche Verfahrensweisen und Beurteilungskriterien. Eine individuelle Zuordnung sei möglich. Auch sei ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 6 BetrVG gegeben. Die Überprüfungen hätten das Verhalten der Arbeitnehmer zum Gegenstand gehabt. Diese hätten sich den Tests nicht entziehen können, weil sie darüber nicht informiert gewesen seien. Das Mitbestimmungsrecht setze nicht erst ein, wenn schon Erkenntnisse aus den Kontrollen gewonnen würden. Der Schutz des Persönlichkeitsrechts erfordere vielmehr die Beteiligung des Betriebsrats bereits vor deren Durchführung.
Der Gesamtbetriebsrat hat beantragt
festzustellen, daß die Arbeitgeberin das Mitbestimmungsrecht des Gesamtbetriebsrats dadurch verletzt hat, daß sie das Unternehmen I business consulting GmbH damit beauftragte, unter der Bezeichnung „Mystery Shopping” Schaltertests durchzuführen, im Rahmen derer das Qualitätsniveau, das Erscheinungsbild und die Leistungen am Point of Sale beurteilt wurden, und zwar ohne zuvor die Zustimmung des Betriebsrats oder der Einigungsstelle eingeholt zu haben.
Die Arbeitgeberin hat beantragt, den Antrag abzuweisen.
Sie hat gemeint, eine mitbestimmungspflichtige Maßnahme habe nicht vorgelegen, da die von der Fa. I gewonnenen Eindrücke einzelnen Arbeitnehmern nicht hätten zugeordnet werden können. Sie selbst wisse nicht, wo die Tests durchgeführt worden seien. Das von der Fa. I erstellte Gutachten weise weder einen Bezug zu einzelnen Mitarbeitern noch zu einzelnen Filialen auf.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag des Gesamtbetriebsrats abgewiesen; das Landesarbeitsgericht hat seine Beschwerde zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Gesamtbetriebsrat seinen Feststellungsantrag weiter. Die Arbeitgeberin bittet, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
B. Die Rechtsbeschwerde des Gesamtbetriebsrats hat keinen Erfolg.
Die Vorinstanzen haben den Antrag zu Recht abgewiesen. Ein Mitbestimmungsrecht hat bei der Durchführung der Schaltertests durch die Fa. I nicht bestanden.
I. Der Antrag ist zulässig.
1. Es entspricht ständiger Senatsrechtsprechung, daß der Streit der Betriebspartner über Bestand, Inhalt und Umfang eines Mitbestimmungsrechts im Wege eines allgemeinen Feststellungsverfahrens geklärt werden kann(vgl. nur Senat 21. September 1999 – 1 ABR 40/98 – zur Veröffentlichung vorgesehen, zu B I der Gründe; 15. Dezember 1998 – 1 ABR 9/98 – AP BetrVG 1972 § 80 Nr. 56 = EzA BetrVG 1972 § 80 Nr. 43, zu B I 3 der Gründe).
Voraussetzung ist allerdings, daß dem Feststellungsantrag ein fortbestehendes Rechtsschutzinteresse des Antragstellers zugrunde liegt(Senat 20. April 1999 – 1 ABR 13/98 – AP ArbGG 1979 § 81 Nr. 43 = EzA ArbGG 1979 § 81 Nr. 17, zu B I 1 c der Gründe). Ein Interesse an der Feststellung, daß der Betriebsrat in einer bestimmten Angelegenheit mitzubestimmen hat, ist regelmäßig gegeben, wenn der Arbeitgeber das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bestreitet, sich dieser aber eines Mitbestimmungsrechts berühmt. Liegt der konkrete Vorgang, der zu dem Verfahren geführt hat, in der Vergangenheit, entfällt das Rechtsschutzbedürfnis jedoch, wenn der Vorgang bereits abgeschlossen ist und sich aus diesem keine Rechtswirkungen mehr für die Zukunft ergeben(Senat 20. April 1999 – 1 ABR 13/98 – aaO, zu B I 1 c aa der Gründe, mwN; 6. November 1990 – 1 ABR 34/89 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Metallindustrie Nr. 94 = EzA TVG § 4 Metallindustrie Nr. 78, zu B I 2 a der Gründe). Ist der konkrete Streitfall dagegen Ausdruck einer allgemeinen Rechtsfrage, die dem Streit zugrunde liegt, so kann ein berechtigtes Interesse daran bestehen, zu dieser allgemeinen Streitfrage über den konkreten Anlaß hinaus eine Entscheidung zu erlangen. Dazu ist erforderlich, daß der Antrag die allgemeine Frage hinreichend deutlich vom Anlaßfall losgelöst umschreibt und zum Gegenstand des Verfahrens macht(20. April 1999 – 1 ABR 13/98 – aaO).
Nach diesen Grundsätzen ist im Streitfall mit den Vorinstanzen ein Feststellungsinteresse zu bejahen. Der Gesamtbetriebsrat möchte festgestellt haben, daß er in Zukunft bei Maßnahmen der hier streitigen Art ein Mitbestimmungsrecht hat. Dies folgt aus der Auslegung des Antrags. Zwar richtet er sich seinem Wortlaut nach nur auf die Feststellung, das Mitbestimmungsrecht sei durch die Schaltertests verletzt worden. Daß eine solche Beschränkung indessen nicht gewollt ist, ergibt sich schon daraus, daß der Vorgang nach seinem Gesamtbild auf Wiederholung angelegt ist. Auch die Wirksamkeit von Maßnahmen, die aufgrund der bisher durchgeführten Tests ergriffen werden, bedarf der immer neuen Überprüfung.
2. Antragsberechtigt ist der Gesamtbetriebsrat der Arbeitgeberin, da er nach § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG zuständig für die Behandlung von Angelegenheiten ist, die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe betreffen und die nicht durch die einzelnen Betriebsräte innerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs geregelt werden können. Ausreichend ist hierfür, daß ein zwingendes Erfordernis für eine betriebsübergreifende Regelung besteht, wobei auf die Verhältnisse des einzelnen Unternehmens und der konkreten Betriebe abzustellen ist(st. Rspr., Senat 30. August 1995 – 1 ABR 4/95 – BAGE 80, 366, 372, zu B I 2 b der Gründe, mwN; BAG 11. November 1998 – 7 ABR 47/97 – AP BetrVG 1972 § 50 Nr. 19 = EzA BetrVG 1972 § 50 Nr. 17, zu B I 3 der Gründe). Da die Schaltertests unternehmensweit in per Zufall ausgewählten Geschäftsstellen durchgeführt werden, handelt es sich um eine überbetriebliche Angelegenheit.
II. Der Antrag des Gesamtbetriebsrats ist jedoch unbegründet.
Dem Gesamtbetriebsrat steht hinsichtlich der streitigen Schaltertests ein Mitbestimmungsrecht nicht zu.
1. Ein Mitbestimmungsrecht folgt nicht aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG.
a) Nach dieser Vorschrift hat der Betriebsrat mitzubestimmen bei Fragen der Ordnung des Betriebes und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Gegenstand des Mitbestimmungsrechts ist das betriebliche Zusammenleben und Zusammenwirken der Arbeitnehmer. Dazu dienen verbindliche Verhaltensregeln sowie unterschiedliche Maßnahmen, die geeignet sind, das Verhalten der Arbeitnehmer zu beeinflussen und zu regeln. Zweck des Mitbestimmungsrechts ist es, den Arbeitnehmern durch den Betriebsrat eine gleichberechtigte Teilhabe an der Gestaltung des betrieblichen Zusammenlebens zu gewähren(vgl. BAG 23. Juli 1996 – 1 ABR 17/96 – AP BetrVG 1972 § 87 Ordnung des Betriebes Nr. 26 = EzA BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 55, zu B II 2 a aa der Gründe; 8. November 1994 – 1 ABR 22/94 – BAGE 78, 224, zu B II 1 der Gründe).
§ 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG erfaßt die Gestaltung der Ordnung des Betriebes zum einen durch die Schaffung verbindlicher Verhaltensregeln, zum anderen auch durch Maßnahmen, die das Verhalten der Arbeitnehmer im Bezug auf die betriebliche Ordnung betreffen und berühren, ohne daß sie verbindliche Normen für das Verhalten der Arbeitnehmer zum Inhalt haben. Ausreichend ist es, wenn die Maßnahme darauf gerichtet ist, die vorgegebene Ordnung des Betriebes zu gewährleisten und aufrechtzuerhalten(vgl. BAG 8. August 1989 – 1 ABR 65/88 – AP BetrVG 1972 § 87 Ordnung des Betriebes Nr. 15 = EzA BetrVG 1972 § 87 Betriebliche Ordnung Nr. 13, zu B I 2 der Gründe; 24. März 1981 – 1 ABR 32/78 – BAGE 35, 150, zu B II 1 b der Gründe).
Von dem mitbestimmungspflichtigen Ordnungsverhalten zu unterscheiden ist das reine Arbeitsverhalten der Arbeitnehmer. Dieses betreffen alle Regeln und Weisungen, die bei der Erbringung der Arbeitsleistung selbst zu beachten sind. Das Arbeitsverhalten ist berührt, wenn der Arbeitgeber kraft seiner Organisations- und Leitungsmacht näher bestimmt, welche Arbeiten auszuführen sind und in welcher Weise das geschehen soll. Danach sind mitbestimmungsfrei solche Anordnungen, mit denen die Arbeitspflicht unmittelbar konkretisiert wird(BAG 8. Juni 1999 – 1 ABR 67/98 – AP zu BetrVG 1972 § 87 Ordnung des Betriebes Nr. 31 = EzA BetrVG 1972 § 87 Betriebliche Ordnung Nr. 25, zu B I 1 der Gründe, mwN).
b) Nach diesen Grundsätzen ist ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG nicht gegeben.
Dabei wird das Mitbestimmungsrecht nicht dadurch ausgeschlossen, daß die Schaltertests von einem Drittunternehmen durchgeführt werden. In mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten kann sich der Arbeitgeber Dritten gegenüber nicht in einer Weise binden, die eine Einflußnahme der zuständigen Arbeitnehmervertretung faktisch ausschließen würde. Vielmehr muß der Arbeitgeber durch eine entsprechende Vertragsgestaltung sicherstellen, daß die ordnungsgemäße Wahrnehmung des Mitbestimmungsrechts gewährleistet ist(BAG 17. März 1987 – 1 ABR 59/85 – BAGE 54, 278, zu B II 5 der Gründe; 16. Juni 1998 – 1 ABR 67/97 – BAGE 89, 128, zu B II 1 b dd der Gründe; ErfK/Hanau/Kania § 87 BetrVG Rn. 59; DKK-Klebe BetrVG 7. Aufl. § 87 Rn. 14).
Ein Mitbestimmungsrecht des Gesamtbetriebsrats scheidet aber deswegen aus, weil die Arbeitgeberin mit den von ihr veranlaßten Schaltertests keine Maßnahme getroffen hat, die geeignet war, das Verhalten der Arbeitnehmer im Bezug auf die Ordnung des Betriebs zu beeinflussen und zu koordinieren(vgl. zur mitbestimmungsfreien Installation eines Zugangssicherungssystems, BAG 10. April 1984 – 1 ABR 69/82 – AP BetrVG 1972 § 87 Ordnung des Betriebes Nr. 7 = EzA BetrVG 1972 § 87 Betriebliche Ordnung Nr. 10). Der Arbeitgeberin ging es mit der von ihr in Auftrag gegebenen Studie über die Service- und Beratungsqualität in ihren Filialen um eine Bestandsaufnahme aus der Sicht der Kunden. Eine – auch nur mittelbare – Beeinflussung des Verhaltens der bei ihr beschäftigten Mitarbeiter war nicht beabsichtigt, schon deshalb nicht, weil es gerade darum ging, den Ist-Zustand des Beratungsangebots festzustellen. Gewünscht war nicht ein – aufgrund besonderer Anstrengungen des Schalterpersonals – besonders guter Befund, sondern eine „schonungslose Bilanz” des Zustandes, wie Dritte, dh. Kunden ihn wahrnehmen. Das Verhalten der Mitarbeiter der R in den Geschäftsstellen sollte durch die Schaltertests gerade nicht beeinflußt, sondern nur festgestellt werden. Ob und ggf. welche Schlußfolgerungen die Arbeitgeberin aus den Ergebnissen der Schaltertests zieht, ist für die Frage, ob bereits die Erhebung und Auswertung entsprechender Daten mitbestimmungspflichtig ist, ohne Bedeutung.
Unabhängig davon scheitert ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs.1 Nr. 1 BetrVG auch daran, daß durch die Schaltertests die Service- und Beratungsqualität der Arbeitgeberin geprüft werden sollte, also im Vordergrund der Maßnahme die Arbeitsleistung der beratenden Angestellten – somit deren Arbeitsverhalten – stand. Die geschuldete Arbeitsleistung der an den Schaltern tätigen Mitarbeiter besteht darin, die Leistungen der R anzubieten und erforderlichenfalls die Kunden zu beraten. Von der Arbeitsleistung umfaßt ist daher sowohl die fachliche als auch die kommunikative und verkäuferische Kompetenz der R -Mitarbeiter. Zu der geschuldeten Arbeitsleistung der Mitarbeiter in den Geschäftsstellen gehört auch die Präsentation der Leistungen der Arbeitgeberin gegenüber den Kunden. Fragen, wie der Mitarbeiter den Kunden begrüßt und das Gespräch führt und ob er ihn mit Namen anspricht oder nicht, betreffen die Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung „Beratung”. Dies gilt auch für die Frage, ob die Mitarbeiter ein Namensschild tragen oder nicht. Zur Präsentation des Arbeitsprodukts „Beratung” gehört auch, ob den Kunden die Möglichkeit gegeben wird, den Berater persönlich mit Namen anzusprechen (vgl. zur Angabe des Vornamens der Sachbearbeiter in Geschäftsbriefen, Senat 8. Juni 1999 – 1 ABR 67/98 – aaO, zu B I 2 der Gründe). Auch soweit das Erscheinungsbild der Mitarbeiter Gegenstand der Schaltertests war, gehört dieses im weitesten Sinne zur Arbeitsleistung, weil der Kunde – und damit auch der Arbeitgeber – gerade von einem Bankmitarbeiter eine äußere Erscheinung erwartet, die Seriosität ausdrückt.
2. Ein Mitbestimmungsrecht ergibt sich auch nicht aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Danach hat der Betriebsrat mitzubestimmen bei der Einführung und Anwendung von „technischen Einrichtungen”, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. Nicht jede „Überwachung” oder Kontrolle der Arbeitnehmer als solche ist mitbestimmungspflichtig; das Mitbestimmungsrecht kommt erst zum Tragen, wenn die Kontrolle mit Hilfe technischer Einrichtungen erfolgt (BAG 26. März 1991 – 1 ABR 26/90 – AP BetrVG 1972 § 87 Überwachung Nr. 21 = EzA BetrVG 1972 § 87 Überwachung Nr. 1, zu B II 1 b der Gründe, unter Hinweis auf Senat 23. Oktober 1984 – 1 ABR 2/83 – BAGE 47, 96, zu B II 2 der Gründe). Sofern vorliegend überhaupt eine „Überwachung” der Arbeitnehmer gegeben ist, geschah diese jedenfalls nur dadurch, daß die Testkunden Aufzeichnungen über die Beratung durch die Mitarbeiter der Geschäftsstellen vorgenommen haben. Technische Einrichtungen wurden nicht eingesetzt.
Im übrigen scheitert die Annahme eines Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG auch daran, daß sich auf Grund der Anlage des Projekts „Mystery Shopping” – wie sich aus dem Abschlußbericht der Fa. I über die Beratungsqualität der R AG ergibt – aus den Schaltertests keine Hinweise auf individualisierbare Ergebnisse ergeben, etwa in der Weise, daß die Arbeitgeberin bestimmte oder bestimmbare arbeitnehmerbezogene Daten gewinnen und auswerten könnte. Der Bericht der Fa. I stellt vielmehr eine zusammenfassende Auswertung des Ist-Zustands des Angebots der R -Leistungen aus Kundensicht dar, ohne daß es möglich wäre, Rückschlüsse auf einzelne Arbeitnehmer oder auch nur eine abgrenzbare Gruppe von Arbeitnehmern zu ziehen(vgl. in Bezug auf Ergebnisse einer Kundenbefragung durch ein Drittunternehmen, BAG 28. Januar 1992 – 1 ABR 41/91 – AP BetrVG 1972 § 96 Nr. 1 = EzA BetrVG 1972 § 96 Nr. 1, zu B II 2 der Gründe).
3. Auch ein Mitbestimmungsrecht nach § 94 Abs. 2 iVm. Abs. 1 BetrVG besteht nicht.
Nach dieser Vorschrift bedarf die Aufstellung allgemeiner Beurteilungsgrundsätze der Zustimmung des Betriebsrats. Allgemeine Beurteilungsgrundsätze im Sinne von § 94 BetrVG sind Regelungen, die die Bewertung des Verhaltens oder der Leistung der Arbeitnehmer objektivieren oder vereinheitlichen und an Kriterien ausrichten sollen, die für die Beurteilung jeweils erheblich sind. Gegenstand ist danach die Frage, nach welchen Gesichtspunkten der Arbeitnehmer insgesamt oder in Teilen seiner Leistung oder seines Verhaltens beurteilt werden soll. Mit solchen allgemeinen Grundsätzen soll ein einheitliches Vorgehen bei der Beurteilung und ein Bewerten nach einheitlichen Maßstäben ermöglicht und so erreicht werden, daß die Beurteilungsergebnisse mit einander vergleichbar sind(BAG 23. Oktober 1984 – 1 ABR 2/83 – BAGE 47, 96, zu B II 5 b der Gründe). Da sich solche Beurteilungsgrundsätze stets auf die Person eines oder mehrerer bestimmter Arbeitnehmer beziehen müssen, und nicht nur auf den Arbeitsplatz, sind zB Arbeitsplatzbewertungen keine Beurteilungsgrundsätze, weil sie nicht personenbezogen sind(MünchArbR/Matthes Bd. 3 § 340 Rn. 4; Richardi BetrVG 7. Aufl. § 94 Rn. 51; Kraft in GK-BetrVG Bd. 2 6. Aufl. § 94 Rn. 14; Fitting/Kaiser/Heither/Engels BetrVG 19. Aufl. § 94 Rn. 31; DKK-Klebe aaO § 94 Rn. 35).
Auch bei den vorliegend durchgeführten Schaltertests fehlt der Bezug zu bestimmten Personen. Es sollte die Beratungsqualität festgestellt werden, die die Kunden in den Geschäftsstellen der Arbeitgeberin erhalten. Dabei ging es nicht um die Bewertung der einzelnen Arbeitnehmer. Schon aus diesem Grund liegen Beurteilungsgrundsätze im vorgenannten Sinne nicht vor.
Unterschriften
Wißmann, Rost, Hauck, von Platen, H. Blanke
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 18.04.2000 durch Klapp, Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 537430 |
BB 2000, 2264 |
BB 2000, 2521 |
DB 2000, 2227 |
ARST 2001, 53 |
FA 2000, 391 |
NZA 2000, 1176 |
ZTR 2001, 91 |
AP, 0 |