Auf der Grundlage zulässiger Anträge wird das Landesarbeitsgericht davon auszugehen haben, daß deren Begründetheit davon abhängt, ob die Betriebsordnung gegen die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 BetrVG oder den Ausschluß der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Einleitungssatz BetrVG verstößt.
Bislang konnte das Landesarbeitsgericht dies dahinstehen lassen, weil es die Kündigung der Betriebsordnung für wirksam hielt. Diese Auffassung hält der rechtlichen Überprüfung jedoch nicht stand. Durch die Kündigung vom 16. April 1999 wurde die Betriebsordnung nicht beendet, falls sie denn im Zeitpunkt des Betriebsübergangs und bei Ausspruch der Kündigung rechtswirksame Regelungen enthielt.
1. Das Landesarbeitsgericht hat zur Begründung seiner gegenteiligen Ansicht ausgeführt, mangels der erforderlichen betrieblichen Identität gälten Gesamtbetriebsvereinbarungen nach einem Betriebsübergang dann nicht kollektivrechtlich fort, wenn nicht alle Betriebe des abgebenden Unternehmens vom erwerbenden Unternehmen übernommen würden. Eine Gesamtbetriebsvereinbarung verliere ihre Wirkung, wenn die Unternehmensidentität bei der Übernahme nicht bestehen bleibe. Eine die Weitergeltung möglicherweise gleichwohl vermittelnde Amtskontinuität des Gesamtbetriebsrats sei nicht gegeben. Ein Übergangsmandat des Gesamtbetriebsrats gebe es schon mangels Existenz eines solchen Mandats für Einzelbetriebsräte nicht. Der am 3. September 1998 bei der Arbeitgeberin gebildete Gesamtbetriebsrat wiederum sei nicht identisch mit demjenigen bei der D…. Die Betriebsordnung habe wegen des Interessenausgleichs vom 26. Juni 1998 allerdings als Einzelbetriebsvereinbarung im Betrieb W… fortbestanden. Damit habe sie die Arbeitgeberin durch ihre an den antragstellenden Betriebsrat gerichtete Erklärung vom 16. April 1999 wirksam gekündigt.
2. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts galt die Betriebsordnung in dem übernommenen Betrieb und den übernommenen Betriebsteilen normativ als Gesamtbetriebsvereinbarung weiter, soweit sie wirksame Regelungen enthielt. Ihre Kündigung hätte die Arbeitgeberin gegenüber dem im April 1999 noch bestehenden Gesamtbetriebsrat erklären müssen. Das hat sie nicht getan.
a) Das Schicksal von Gesamtbetriebsvereinbarungen im Falle eines Betriebsübergangs ist umstritten.
aa) Im Schrifttum wird vereinzelt die Auffassung vertreten, daß selbst eine Einzelbetriebsvereinbarung stets ihre normative Wirkung verliere, wenn ein Betrieb – auch als ganzer – rechtsgeschäftlich gemäß § 613a Abs. 1 BGB auf einen neuen Inhaber übergehe. Dies folge aus dem Wortlaut des § 613a Abs. 1 BGB. Darin werde weder danach unterschieden, ob der Betriebsrat fortbestehe, noch danach, ob die Betriebsidentität erhalten bleibe. Wollten der Betriebsrat und der neue Arbeitgeber die kollektivrechtliche Geltung der alten Betriebsvereinbarung erreichen, so müßten sie eine inhaltsgleiche Vereinbarung neu abschließen (Wank NZA 1987, 505). Für eine Gesamtbetriebsvereinbarung kann nach dieser Auffassung nicht anderes gelten.
bb) Nach der ganz überwiegenden Meinung bleibt bei Wahrung der Betriebsidentität die normative Wirkung von Einzelbetriebsvereinbarungen auch nach einem Betriebsübergang erhalten. § 613a Abs. 1 BGB stellt einen Auffangtatbestand dar. Aus dieser Regelung läßt sich nicht ableiten, daß Betriebsvereinbarungen nach einem Betriebsinhaberwechsel nicht mehr normativ fortwirken, sondern stets zum Inhalt der Arbeitsverhältnisse werden. Letzteres gilt vielmehr nur, wenn der Betrieb anläßlich des Übergangs seine bisherige Identität verliert (BAG 5. Juni 2002 – 7 ABR 17/01 – ZIP 2003, 271; 15. Januar 2002 – 1 AZR 58/01 – AP SozplKonkG § 2 Nr. 1 mwN; 14. August 2001 – 1 AZR 619/00 – BAGE 98, 323; 27. Juli 1994 – 7 ABR 37/93 – AP BGB § 613a Nr. 118 = EzA BGB § 613a Nr. 123 mwN auch aus der Literatur).
Ausgehend von dieser Rechtslage bei Einzelbetriebsvereinbarungen ist ein Teil des Schrifttums der Auffassung, eine Gesamtbetriebsvereinbarung, die der Gesamtbetriebsrat in originärer Zuständigkeit nach § 50 Abs. 1 BetrVG geschlossen habe, verliere nach einem Betriebsübergang oder einer Umwandlung nach dem Umwandlungsgesetz stets ihre normative Wirkung (so wohl Dietz/Richardi BetrVG 6. Aufl. 1982 § 77 Rn. 147; Zwanziger in Kittner/Däubler/Zwanziger KSchR 5. Aufl. § 613a BGB Rn. 76). Ein anderer Teil meint, sie verliere ihre normative Wirkung jedenfalls dann, wenn nicht sämtliche Betriebe des abgebenden Unternehmens, für welche die Gesamtbetriebsvereinbarung gelte, auf den Erwerber übergingen; überwiegend wird dabei auf den Verlust der “Unternehmensidentität” abgestellt, teilweise auf den Wegfall des bisherigen Gesamtbetriebsrats als Vertragspartner für den neuen Arbeitgeber (vgl. Gaul NZA 1995, 717, 724; KR-Pfeiffer 6. Aufl. § 613a BGB Rn. 166; Hohenstatt in Willemsen/Hohenstatt/Schweibert Umstrukturierung und Übertragung von Unternehmen, Abschn. E Rn. 48; Bachner NJW 1995, 2881, 2883; derselbe in Kittner/Zwanziger Arbeitsrecht § 116 Rn. 36; Schiefer NJW 1998, 1817, 1820; Müller RdA 1996, 287, 292; Moll in Preis/Willemsen Umstrukturierung von Betrieb und Unternehmen im Arbeitsrecht Abschn. E Rn. 13; Bange Fortgeltung von Kollektivverträgen bei Unternehmensumstrukturierung durch Umwandlung S 213 ff.; Düwell in Beseler/Düwell/Göttling Arbeitsrechtliche Probleme bei Betriebsübergang, Betriebsänderung, Unternehmensumwandlung S 246 f.; Gussen/Dauck Die Weitergeltung von Betriebsvereinbarungen und Tarifverträgen bei Betriebsübergang und Umwandlung, 2. Aufl. Rn. 80 ff.; Boecken Unternehmensumwandlungen und Arbeitsrecht S 111; ErfK/Preis 3. Aufl. § 613a BGB Rn. 111; Ascheid in ArbR im BGB 2. Aufl. § 613a Rn. 104; APS/Steffan § 613a BGB Rn. 121) .
cc) Ein weiterer Teil des Schrifttums geht von einer kollektivrechtlichen Weitergeltung einer Gesamtbetriebsvereinbarung aus, wenn nur ein einzelner Betrieb übertragen wird und dabei seine Identität behält. In einem solchen Fall soll die Gesamtbetriebsvereinbarung als Einzelbetriebsvereinbarung fortwirken (so Kreßel BB 1995, 925, 929; Hanau/Vossen in FS Hilger/Stumpf S 271, 275 f.; Erman/Hanau BGB 10. Aufl. § 613a Rn. 73; Bopp in Besler/Bopp/Düwell/Färber/Hess/Junker/Molkenbur/Targan/Tupay/Wißmann Betriebsübergang (§ 613a BGB) S 158; Meyer DB 2000, 1174, 1176 f.; Silberberger Veränderungsprozesse im Betrieb, Unternehmen und Konzern S 62; ErfK/Hanau/Kania 3. Aufl. § 77 BetrVG Rn. 137).
dd) Schließlich wird die Auffassung vertreten, im Falle der Übertragung mehrerer Betriebe unter Wahrung ihrer Identität gelte die bisherige Gesamtbetriebsvereinbarung auch beim Erwerber – für die übernommenen Betriebe – als Gesamtbetriebsvereinbarung fort (vgl. MünchKomm/Schaub 3. Aufl. § 613a Rn. 145; Däubler RdA 1995, 136, 140 [für den Fall der Verschmelzung]; so wohl auch FKHES BetrVG 21. Aufl. § 47 Rn. 19 [für Umwandlungen]; Röder/Haußmann DB 1999, 1754, 1756).
ee) Das Bundesarbeitsgericht hat sich mit der kollektivrechtlichen Fortgeltung einer Gesamtbetriebsvereinbarung nach einem Betriebsübergang oder einer Umwandlung bislang nicht befaßt. Im Urteil des Dritten Senats vom 29. Oktober 1985 (– 3 AZR 485/83 – BAGE 50, 62, 71) heißt es unter Hinweis auf Dietz/Richardi (aaO) lediglich, eine Gesamtbetriebsvereinbarung verliere mit dem Ausscheiden eines Betriebs aus dem bisherigen Unternehmen ihre Geltung. Eine nähere Begründung findet sich nicht.
b) Nach einem Betriebsübergang ist die Fortgeltung einer Gesamtbetriebsvereinbarung als solche möglich. Dies steht in Übereinstimmung mit den Prinzipien der Betriebsverfassung.
aa) Eine Gesamtbetriebsvereinbarung wird nach § 50 Abs. 1 BetrVG vom Gesamtbetriebsrat in Angelegenheiten abgeschlossen, die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe betreffen und nicht durch die einzelnen Betriebsräte innerhalb ihrer Betriebe geregelt werden können. Im Bereich der zwingenden Mitbestimmung ist dieser überbetriebliche Bezug für die Begründung der Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats unabdingbar. Eine Ausnahme bildet nur der Fall, daß der Betriebsrat den Gesamtbetriebsrat nach § 50 Abs. 2 BetrVG beauftragt hat, eine Angelegenheit zu behandeln. Dann aber handelt es sich in Wirklichkeit um eine vom Gesamtbetriebsrat anstelle des Betriebsrats geschlossene Einzelbetriebsvereinbarung. Im Bereich der freiwilligen Mitbestimmung ist eine Gesamtbetriebsvereinbarung auch dann möglich, wenn der Arbeitgeber eine Regelung nur unter der Voraussetzung treffen will, daß sie für mehrere oder alle Betriebe des Unternehmens einheitlich gilt, und der Gesamtbetriebsrat sich dem nicht verschließt.
bb) Auch wenn eine Gesamtbetriebsvereinbarung für sämtliche oder doch mehrere Betriebe eines Unternehmens abgeschlossen wird, betrifft und regelt sie keine Angelegenheit auf der Rechtsebene “des Unternehmens” als solchen. Ihr Bezugsobjekt und Regelungssubstrat sind vielmehr die einzelnen Betriebe. Es geht um betriebliche Angelegenheiten, unabhängig davon, wie viele Betriebe die Regelung betrifft. Eine Gesamtbetriebsvereinbarung gilt daher nicht “im Unternehmen”, sondern in den Betrieben des Unternehmens. Für ihr wirksames Zustandekommen, dh. für die Zuständigkeit des handelnden Gesamtbetriebsrats ist zwar das Erfordernis oder – im Bereich der freiwilligen Mitbestimmung – der Wunsch nach überbetrieblicher oder ggf. unternehmensweiter Regelung Voraussetzung. Dazu muß die zu regelnde Angelegenheit nicht nur einen einzigen, sondern mehrere oder alle Betriebe des Unternehmens betreffen. Das bedeutet aber nicht, daß auf diese Weise eine Art “Betriebsverbund” als entsprechendes überbetriebliches Bezugsobjekt und Regelungssubstrat entstände. Dem Gesamtbetriebsrat entspricht kein Gesamtbetrieb. Eine Gesamtbetriebsvereinbarung gestaltet die kollektive Ordnung des von ihr betroffenen Betriebs – und nur des Betriebs – nicht anders als eine Einzelbetriebsvereinbarung. Daß sie zugleich in anderen Betrieben des Unternehmens gilt, ändert daran nichts (Hanau/Vossen aaO S 275 f.; Hanau in ArbRdG Bd. 34 (1997) S 21, 32).
cc) Das Betriebsverfassungsgesetz trifft keine ausdrückliche Bestimmung über das Schicksal einer Einzelbetriebsvereinbarung und einer Gesamtbetriebsvereinbarung im Falle eines Rechtsträgerwechsels. Auch § 21a BetrVG regelt unmittelbar nur die Amtsfortdauer und Kompetenzen des Betriebsrats als Organ, falls es im Zusammenhang mit einer Betriebsveräußerung oder einer Umwandlung zu einer Spaltung oder Zusammenlegung von Betrieben und Betriebsteilen kommt.
Dennoch gehen die Rechtsprechung und das ganz überwiegende Schrifttum mit Recht davon aus, daß die Einzelbetriebsvereinbarungen gegenüber einem neuen Rechtsträger des Betriebs normativ fortgelten, wenn der Betrieb bei der rechtsgeschäftlichen Übernahme oder dem gesetzlichen Übergang seine Identität bewahrt hat (vgl. die Nachweise vorstehend unter 2a bb). Dementsprechend bleiben bei Wahrung der Betriebsidentität auch die im übertragenen Betrieb geltenden Gesamtbetriebsvereinbarungen als normative Regelungen in Kraft.
(1) Werden sämtliche Betriebe eines Unternehmens von einem anderen Unternehmen im Wege der Einzel- oder Gesamtrechtsnachfolge übernommen, das bis dahin keinen eigenen Betrieb besaß, ist nicht auszuschließen, daß dann nicht nur jeder einzelne Betriebsrat, sondern auch der bestehende Gesamtbetriebsrat im Amt bleibt (BAG 5. Juni 2002 – 7 ABR 17/01 – ZIP 2003, 271). Unter dieser Voraussetzung wiederum spricht schon die Amtskontinuität des zuständigen Betriebsverfassungsorgans Gesamtbetriebsrat dafür, daß die von ihm geschlossenen Gesamtbetriebsvereinbarungen gegenüber dem neuen Rechtsträger fortwirken. Unabhängig davon bestehen auch der Regelungsbereich sowie der Koordinierungsbedarf, der die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats begründet hat, unverändert fort. Ein Rückgriff auf den Auffangtatbestand des § 613a BGB wäre von dessen Zweck als bloß subsidiärer Regelung nicht gedeckt. Die Situation ist vergleichbar mit dem Inhaberwechsel in einem einzigen Betrieb, der die dort geltenden Einzelbetriebsvereinbarungen unberührt läßt.
(2) Wird nur ein einziger Betrieb von mehreren auf ein Unternehmen übertragen, in dem es einen Betrieb mit Betriebsrat nicht gibt, so läßt sich der Grundsatz der Amtskontinuität des Gesamtbetriebsrats für eine Fortgeltung der bestehenden Gesamtbetriebsvereinbarung im übertragenen Betrieb nicht heranziehen. Der Gesamtbetriebsrat besteht zwar fort, dies aber im übertragenden Unternehmen, aus dessen Rechtsträgerschaft der übertragene Betrieb gerade ausgeschieden ist.
Der Fortbestand oder die fortbestehende Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats ist indessen keine zwingende Voraussetzung für die Fortgeltung der von ihm mitgeschaffenen betrieblichen Normen. Dies ist für Einzelbetriebsvereinbarungen anerkannt. Der vorübergehende oder endgültige Wegfall des Betriebsrats läßt die bestehenden Betriebsvereinbarungen in ihrer normativen Wirkung unberührt (vgl. FKHES aaO § 77 Rn. 175 mwN; Brune AR-Blattei SD Stand Dezember 2002, 520 Betriebsvereinbarung Rn. 432 mwN). Es gibt dann allerdings kein handlungsfähiges Betriebsverfassungsorgan mehr, so daß eine inhaltliche Änderung der Betriebsvereinbarung nicht in Frage kommt. Der Arbeitgeber kann ihre Wirkung jedoch dadurch beenden, daß er einheitlich gegenüber allen betroffenen Arbeitnehmern des Betriebs die Kündigung der Betriebsvereinbarung erklärt (FKHES aaO mwN; Brune aaO Rn. 434).
Im Hinblick auf eine Gesamtbetriebsvereinbarung gilt das gleiche. Es ist nicht ersichtlich, weshalb der Wegfall der Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für den übertragenen Betrieb zur Folge haben soll, daß die von ihm abgeschlossenen Gesamtbetriebsvereinbarungen nach dem Übergang in diesem Betrieb nicht mehr gelten. Dies wäre nur dann verständlich, wenn durch den Betriebsübergang nicht nur das bisherige Regelungssubjekt, sondern auch das Regelungsobjekt der Gesamtbetriebsvereinbarung entfallen wäre. Dies ist bei Wahrung der Betriebsidentität regelmäßig nicht der Fall. Auch eine Gesamtbetriebsvereinbarung gilt nur im jeweils einzelnen Betrieb. Sie gilt damit nach einem identitätswahrenden Betriebsübergang im übertragenen Betrieb kollektivrechtlich weiter; des Auffangtatbestandes des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB bedarf es nicht. Wenn das erwerbende Unternehmen im Zeitpunkt des Betriebsübergangs keinen eigenen Betrieb besaß und nur einen einzigen Betrieb übernimmt, gilt eine bisherige Gesamtbetriebsvereinbarung als Einzelbetriebsvereinbarung fort. Sie steht damit auch einer inhaltlichen Änderung durch den neuen Arbeitgeber und den Betriebsrat offen.
Dieses Verständnis entspricht den schützenswerten Interessen der Beteiligten und ist systemkonform. Die Aufrechterhaltung der kollektiven Ordnung dient zum einen dem Schutz der Arbeitnehmer, auch wenn deren Interesse an der Weitergeltung der bestehenden Regelungen wegen § 613a Abs. 1 BGB und den entsprechenden Vorschriften des Umwandlungsgesetzes nicht notwendig den Fortbestand einer Gesamtbetriebsvereinbarung als kollektives und normatives Regelungswerk verlangt: Es ist ein Unterschied, ob die Interessenwahrnehmung auch künftig durch den Betriebsrat oder nur noch individuell erfolgen kann. Der Fortbestand der betrieblichen Ordnung als Kollektivordnung dient zum anderen dem potentiellen Veränderungsinteresse des Arbeitgebers. Er kann die bestehenden betrieblichen Regelungen gemeinsam mit dem Betriebsrat an veränderte Gegebenheiten anpassen (ErfK-Hanau/Kania aaO; Meyer DB 2000, 1174, 1176).
Schließlich besteht insoweit auch Übereinstimmung mit der Rechtslage, die eintritt, wenn alle Betriebe desselben Unternehmens bis auf einen einzigen wegfallen, sei es durch Stillegung oder durch Übertragung. Mit der Reduzierung auf einen Betrieb endet zwar die Existenz des Gesamtbetriebsrats, nicht aber die der von ihm geschlossenen Gesamtbetriebsvereinbarungen (ErfK/Hanau/Kania aaO; Bachner in Kittner/Zwanziger Arbeitsrecht § 116 Rn. 10; Silberberger aaO S 64; Röder/Haußmann DB 1999, 1754, 1755).
Es besteht deshalb kein Anlaß, einer Gesamtbetriebsvereinbarung nach einem Betriebsübergang oder einer Umwandlung generell die Fortgeltung als Einzelbetriebsvereinbarung zu versagen, wenn ein einzelner Betrieb unter Wahrung seiner Identität aus der Rechtsträgerschaft des bisherigen Unternehmens ausscheidet. Im Einzelfall mag eine Fortgeltung allerdings daran scheitern, daß die betreffende Regelung nach ihrem Inhalt die Zugehörigkeit zum bisherigen Unternehmen zwingend voraussetzt und nach dem Betriebsübergang gegenstandslos ist.
(3) Werden weder alle noch nur ein einziger, sondern werden mehrere Betriebe eines Unternehmens auf einen anderen Rechtsträger übertragen, der bis dahin keinen eigenen Betrieb führte, so gilt eine bestehende Gesamtbetriebsvereinbarung in den übertragenen Betrieben nicht jeweils als Einzelbetriebsvereinbarung, sondern als Gesamtbetriebsvereinbarung weiter. Zwar verliert der Gesamtbetriebsrat des abgebenden Unternehmens auch in solchen Fällen seine Zuständigkeit für die übertragenen Betriebe, weil diese Zuständigkeit auf ein einziges – rechtlich selbständiges – Unternehmen begrenzt ist (vgl. nur FKHES aaO § 47 Rn. 9 ff.). Es bilden auch nicht etwa die von den Betriebsräten der übertragenen Betriebe in den bisher zuständigen Gesamtbetriebsrat entsandten Mitglieder automatisch den Gesamtbetriebsrat des übernehmenden, bisher betriebslosen Unternehmens; dieser ist nach Maßgabe des § 47 BetrVG vollständig neu zu bilden (BAG 5. Juni 2002 – 7 ABR 17/01 – ZIP 2003, 271, zu B II 2 der Gründe). Bis dahin besteht im Erwerberunternehmen eine gesamtbetriebsratslose Zeit. Das steht der Fortgeltung einer bisherigen Gesamtbetriebsvereinbarung als solcher in den übernommenen Betrieben aber nicht entgegen. Hierfür bedarf es des Fortbestehens und der weiterbestehenden Zuständigkeit des abschließenden Gesamtbetriebsrats nicht. Ausreichend ist, daß eine gesamtbetriebsratsfähige Anzahl der Betriebe ihre Identität bewahrt hat. Dies begründet den Bedarf an betriebsübergreifender Koordination, der Wesensmerkmal der in Form einer Gesamtbetriebsvereinbarung getroffenen Regelungen ist.
Danach gibt es keinen aus der Betriebsverfassung selbst herrührenden Grund, weshalb bisher geltende Gesamtbetriebsvereinbarungen den Status inhaltsgleicher Einzelbetriebsvereinbarungen annehmen und nicht ihren bisherigen Status als betriebsübergreifende einheitliche Gesamtbetriebsvereinbarung behalten sollten. Wenn sich ein Gesamtbetriebsrat im Erwerberunternehmen alsbald neu konstituiert, wie dies von § 47 BetrVG zwingend verlangt wird, so steht dem neuen Arbeitgeber überdies ein zuständiger Regelungspartner schon nach kurzer Zeit wieder zur Verfügung. Bis dahin kommt allerdings eine inhaltliche Abänderung der Gesamtbetriebsvereinbarung nicht in Betracht. Möglich ist nur deren vollständige Beendigung durch gleichzeitige Kündigung seitens des Arbeitgebers gegenüber allen Einzelbetriebsräten der übernommenen Betriebe. Wollen diese ihrerseits kündigen, können sie dies selbst gemeinsam nicht, sondern nur der von ihnen zu bildende Gesamtbetriebsrat.
Die Fortgeltung einer Gesamtbetriebsvereinbarung als solcher scheitert im Fall der Übernahme mehrerer Betriebe nicht daran, daß dabei die “Unternehmensidentität” nicht gewahrt geblieben wäre (so aber Düwell in Düwell/Hanau/Molkenbur/Schliemann Betriebsvereinbarung S 137; Hergenröder AR-Blattei SD aaO 500.2 Betriebsinhaberwechsel II Rn. 96 f. mwN; Bachner NJW 1995, 2881, 2883; Bange aaO S 215; Gussen/Dauck aaO Rn. 81). Die Identität des Unternehmens wird durch einen Betriebsübergang nicht berührt. Kennzeichen des betriebsverfassungsrechtlichen Unternehmensbegriffs ist die Einheit des Rechtsträgers (vgl. nur FKHES aaO § 1 Rn. 146). Diese bleibt bei einem Betriebsübergang sowohl auf Veräußerer- als auch auf Erwerberseite gewahrt. Offenbar meint aber Unternehmensidentität im vorliegenden Zusammenhang nicht die Einheit des Rechtsträgers, sondern dessen einheitliche Rechtsträgerschaft für das ursprüngliche Ensemble der zu ihm gehörenden Betriebe. Ein diesem “Verbund” entsprechendes eigenständiges Bezugsobjekt einer Gesamtbetriebsvereinbarung gibt es jedoch nicht. Auch wenn sie unternehmensweit in allen Betrieben gilt, ist Regelungssubstrat einer Gesamtbetriebsvereinbarung, wie dargelegt, stets nur der jeweilige Betrieb. Der Hinweis auf die verlorengegangene Unternehmensidentität geht deshalb ins Leere. Er stellt auf ein Kriterium ab, das über die maßgebliche Identität des Regelungsobjekts einer Gesamtbetriebsvereinbarung nichts besagt. Im übrigen ist nicht ersichtlich, wie eine als “Betriebsverbund” verstandene Unternehmensidentität im abgebenden Unternehmen sollte gewahrt bleiben können, wenn etwa die Mehrzahl der bisherigen Betriebe übertragen oder stillgelegt wird. Daß aber auch dann die Gesamtbetriebsvereinbarungen im abgebenden Unternehmen weitergelten, nimmt die herrschende Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum zu Recht an.
Für die Fortgeltung einer Gesamtbetriebsvereinbarung als solcher reicht es deshalb aus, daß aus dem Kreis der bisher von ihr erfaßten Betriebe eine gesamtbetriebsratsfähige Anzahl von Betrieben ausscheidet und von einem bislang betriebs(rats)losen Unternehmen übernommen wird. Entscheidend ist nur die Wahrung der jeweils einzelbetrieblichen Identität, nicht die weitere Zugehörigkeit zu einem rechtlich gar nicht existierenden Betriebsverbund, der als Unternehmensidentität verstanden wird.
Inwieweit dies auch dann gilt, wenn das übernehmende Unternehmen im Erwerbszeitpunkt bereits einen oder mehrere eigene Betriebe mit Betriebsrat führt und ggf. ein Gesamtbetriebsrat schon gebildet ist, braucht nicht entschieden zu werden. Die beteiligte Arbeitgeberin besaß im Juli 1998 keinen eigenen Betrieb.
dd) Für den Streitfall ändert sich an der Geltung dieser Grundsätze nichts dadurch, daß die Arbeitgeberin neben dem Betrieb Wedel nicht zwei weitere vollständige Betriebe, sondern aus diesen nur jeweils einen Teil erworben hat. Die Arbeitgeberin hat die von ihr aus den Betrieben O… und F… übernommenen Teile nach dem Betriebsübergang als je eigenständige Betriebe fortgeführt. In einem solchen Fall gelten in den veräußerten Betriebsteilen die Betriebsvereinbarungen, die vor dem Betriebsübergang im ursprünglichen Betrieb galten, mit normativer Wirkung weiter. Der Betrieb wurde lediglich aufgespalten, ohne daß die veräußerten Teile in eine andere betriebliche Organisation eingegliedert und darin aufgegangen wären. Die Betriebsvereinbarungen gelten weiterhin nur für Belegschaften, für die sie auch zuvor schon galten; sie behalten auf diese Weise ihre demokratische Legitimation. Im übrigen bleibt wegen § 21a BetrVG auch der Betriebsrat im Amt und führt die Geschäfte für die ihm bislang zugeordneten Betriebsteile weiter, soweit diese nach § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrVG betriebsratsfähig sind. Zumindest im Hinblick auf Einzelbetriebsvereinbarungen wäre es dann nicht folgerichtig, den Betriebsrat zwar mit dem Übergangsmandat nach § 21a BetrVG auszustatten, die Fortgeltung der von ihm selbst auch für den veräußerten Betriebsteil geschlossenen Betriebsvereinbarungen aber zu verneinen (FKHES aaO § 77 Rn. 174; Bachner in Kittner/Zwanziger Arbeitsrecht § 116 Rn. 8) . Gelten die für den ursprünglichen Betrieb abgeschlossenen Einzelbetriebsvereinbarungen im veräußerten und als selbständiger Betrieb weitergeführten Betriebsteil fort, gilt dies für Gesamtbetriebsvereinbarungen, die sich auf den ursprünglichen Betrieb erstrecken, in gleicher Weise.
ee) Unerheblich für die Fortgeltung der Betriebsordnung als Gesamtbetriebsvereinbarung ist, daß die Dasa als Rechtsvorgängerin der Arbeitgeberin mit dem Betriebsrat im “Interessenausgleich” vom 26. Juni 1998 vereinbart hatte, es sollten “alle Betriebsvereinbarungen im Betrieb Wedel gemäß Anlage 4 nach dem Stichtag unverändert fortgelten”, und zu diesen auch die Betriebsordnung zählte. Da die Betriebsordnung bis zum Betriebsübergang, wenn überhaupt, als Gesamtbetriebsvereinbarung galt, konnten der Betriebsrat und die Dasa schon deshalb nicht wirksam über ihre Geltung verfügen. Dazu fehlte dem Betriebsrat die Kompetenz. Überdies war die Dasa nicht befugt, Regelungen ausschließlich für die Zeit ab Betriebsübergang zu treffen. Seit dem Betriebsübergang handelte es sich nicht mehr um ihre eigenen Arbeitnehmer. Den Betriebsparteien ist es verwehrt, Arbeitsbedingungen für die Zeit nach einem Betriebsübergang unmittelbar zu regeln (BAG 1. April 1987 – 4 AZR 77/86 – BAGE 55, 154, 168).
Danach vermochte die im “Interessenausgleich” vereinbarte Weitergeltung der Betriebsordnung als Einzelbetriebsvereinbarung deren wirklichen Status als Gesamtbetriebsvereinbarung nicht zu ändern. Die Betriebsordnung konnte am 16. April 1999 nur gegenüber dem seinerzeit noch amtierenden Gesamtbetriebsrat gekündigt werden. Durch die tatsächlich gegenüber dem Betriebsrat ausgesprochene Kündigung wurde sie nicht beendet.
3. Einer Vorlage an den Großen Senat bedurfte es nicht. Zwar weicht der erkennende Senat von der – allerdings eher beiläufigen – Ansicht des Dritten Senats im erwähnten Urteil vom 29. Oktober 1985 (– 3 AZR 485/83 – BAGE 50, 62, 71) ab. Eine zur Vorlage verpflichtende Divergenz liegt aber nur vor, wenn die betreffende Rechtsauffassung im Rahmen der früheren Entscheidung tragend und nicht nur eine Hilfs- oder Alternativbegründung war (vgl. auch BAG 16. Januar 1991 – 4 AZR 341/90 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Metallindustrie Nr. 95 = EzA TVG § 4 Metallindustrie Nr. 80; Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge ArbGG 4. Aufl. § 45 Rn. 22). Dies trifft für die Ausführungen des Dritten Senats zum Wegfall einer Gesamtbetriebsvereinbarung im ausgeschiedenen Betrieb nicht zu.