Entscheidungsstichwort (Thema)
Weiterbeschäftigung während des Kündigungsprozesses
Leitsatz (amtlich)
1. Außerhalb der Regelung der § 102 Abs 5 BetrVG, § 79 Abs 2 BPersVG hat der gekündigte Arbeitnehmer einen arbeitsvertragsrechtlichen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung über den Ablauf der Kündigungsfrist oder bei einer fristlosen Kündigung über deren Zugang hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluß des Kündigungsprozesses, wenn die Kündigung unwirksam ist und überwiegende schutzwerte Interessen des Arbeitgebers einer solchen Beschäftigung nicht entgegenstehen.
Außer im Falle einer offensichtlich unwirksamen Kündigung begründet die Ungewißheit über den Ausgang des Kündigungsprozesses ein schutzwertes Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers für die Dauer des Kündigungsprozesses. Dieses überwiegt in der Regel das Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers bis zu dem Zeitpunkt, in dem im Kündigungsprozeß ein die Unwirksamkeit der Kündigung feststellendes Urteil ergeht. Solange ein solches Urteil besteht, kann die Ungewißheit des Prozeßausgangs für sich allein ein überwiegendes Gegeninteresse des Arbeitgebers nicht mehr begründen. Hinzu kommen müssen dann vielmehr zusätzliche Umstände, aus denen sich im Einzelfall ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers ergibt, den Arbeitnehmer nicht zu beschäftigen.
2. Der arbeitsvertragliche Beschäftigungsanspruch kann im Klagewege geltend gemacht werden. Eine Aussetzung des Verfahrens bis zum rechtskräftigen Abschluß eines anhängigen Rechtsstreits über die Wirksamkeit der Kündigung ist nicht zwingend. Ist die Wirksamkeit einer Kündigung nach den Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes zu beurteilen, so darf einer Beschäftigungsklage nur stattgegeben werden, wenn ein Gericht für Arbeitssachen auf eine entsprechende Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers hin festgestellt hat oder gleichzeitig feststellt, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst worden ist.
Normenkette
ArbGG § 61a Fassung: 1979-07-02, § 62 Fassung: 1979-07-02, § 64 Fassung: 1969-07-02; BGB §§ 242, 611, 613, 615; GG Art. 1, 2 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3; KSchG § 4 Fassung 1969-08-25, § 7 Fassung 1969-08-25, § 9 Fassung 1969-08-25, § 11 Fassung 1969-08-25, § 12 Fassung 1969-08-25, § 13 Fassung 1969-08-25; ZPO §§ 148, 707, 719
Verfahrensgang
Gründe
A.
Der Kläger trat am 1. Mai 1974 als Verwaltungsangestellter in die Dienste des beklagten Landes. Er wurde in der Beschaffungsabteilung der zentralen Verwaltung der J Universität M eingesetzt und erhielt zuletzt ein Gehalt nach der VergGr. IV b BAT.
Nachdem die Stelle des Leiters der Beschaffungsabteilung, um die sich auch der Kläger beworben hatte, am 2. November 1978 neu besetzt worden war, kam es in der Folgezeit zu Beschwerden des Klägers über die Amtsführung des neuen Abteilungsleiters und umgekehrt zu Beschwerden des Abteilungsleiters über die Arbeitsweise und das Verhalten des Klägers.
Nach Anhörung des Personalrats kündigte das beklagte Land dem Kläger mit Schreiben vom 25. Januar 1979 fristlos und forderte ihn zum Verlassen seines Arbeitsplatzes und der Dienststelle auf. Zur Begründung war in dem Kündigungsschreiben angegeben, der Kläger habe durch seine Äußerungen und durch sein tatsächliches Verhalten gezeigt, daß er die Maßnahmen seines Abteilungsleiters nicht zu akzeptieren und zu vollziehen gedenke; sein beharrliches Infragestellen der Anordnungen des Abteilungsleiters und sein diesbezügliches widersetzliches Verhalten hätten zu einer nachhaltigen Störung des Betriebsfriedens geführt. Der vom Kläger dagegen erhobenen Kündigungsschutzklage gab das Arbeitsgericht mit Urteil vom 2. März 1979 statt. Die vom beklagten Land eingelegte Berufung wies das Landesarbeitsgericht mit rechtskräftig gewordenem Urteil vom 12. Dezember 1979 zurück.
Während des Rechtsstreits um die außerordentliche Kündigung bemühte sich der Präsident der Universität vergeblich um die Zustimmung der Personalvertretung zu einer ordentlichen Kündigung des Klägers. Nachdem schließlich der Kultusminister des beklagten Landes die Zustimmung des Personalrats zu der beabsichtigten ordentlichen Kündigung ersetzt hatte, kündigte das beklagte Land mit am gleichen Tage zugegangenem Schreiben vom 30. Juni 1980 das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 30. September 1980. In dem Kündigungsschreiben wurden dem Kläger als Kündigungsgründe Verstöße gegen die Gehorsams- und Treuepflicht sowie sein Verhalten in dem vorangegangenen Kündigungsprozeß, in dem er den Abteilungsleiter in Schriftsätzen verächtlich gemacht habe, zur Last gelegt.
Mit seiner am 9. Juli 1980 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage wendet sich der Kläger gegen die ausgesprochene ordentliche Kündigung. Er hat die Auffassung vertreten, die ordentliche Kündigung sei im wesentlichen auf Gründe gestützt, die bereits der außerordentlichen Kündigung vom 25. Januar 1979 zugrunde gelegt worden seien. Da diese Verhaltensweisen inzwischen mehr als 18 Monate zurücklägen, könne sich das beklagte Land darauf zur Rechtfertigung der ordentlichen Kündigung nicht mehr berufen. Er bestreite auch das ihm vorgeworfene Fehlverhalten. Die während des ersten Kündigungsprozesses vorgetragenen schriftsätzlichen Erklärungen könnten ihm nicht angelastet werden, weil sie von seinem Prozeßbevollmächtigten stammten und er immer erst später davon Kenntnis erhalten habe. Da die Kündigung unwirksam sei, müsse das beklagte Land ihn auch auf seinem Arbeitsplatz weiterbeschäftigen.
Der Kläger hat daher beantragt,
- festzustellen, daß sein Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 30. Juni 1980 nicht beendet wird,
- das beklagte Land zu verurteilen, ihn als Sachgebietsleiter in der Beschaffungsabteilung Campus, hilfsweise in der Universitätsklinik der J -Universität in M bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag zu 1) weiter zu beschäftigen,
- das beklagte Land zu verurteilen, an ihn 3.121,52 DM brutto als Gehalt für den Monat Oktober 1980 zu zahlen.
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise, das Arbeitsverhältnis gemäß §§ 9, 10 KSchG aufzulösen.
Das beklagte Land hat vorgetragen: Das Verhalten des Klägers nach der Einführung des neuen Abteilungsleiters und gegenüber den Schreibkräften, die er von der Arbeit abgehalten habe, rechtfertigten die ordentliche Kündigung. Wegen dieser Verhaltensweisen sei der Kläger auch vor Weihnachten 1978 abgemahnt worden. Ferner habe der Kläger in den ihm zuzurechnenden Schriftsätzen seines Prozeßbevollmächtigten in dem vorangegangenen Kündigungsprozeß den neuen Abteilungsleiter und die gesamte Verwaltungsspitze lächerlich und in herabwürdigender Weise verächtlich gemacht, so daß eine weitere Zusammenarbeit mit ihm weder den Kollegen noch den Vorgesetzten zuzumuten sei. Jedenfalls sei aber der hilfsweise gestellte Auflösungsantrag begründet.
Der Kläger hat um Zurückweisung des Auflösungsantrags gebeten und entgegnet, es sei zu keinerlei Beanstandungen mehr gekommen, nachdem er aufgrund eines von ihm erstrittenen Weiterbeschäftigungsurteils des Arbeitsgerichts M vom 13. März 1980 - 4 Ca 181/80 - in der Zeit vom 24. April bis zum 30. September 1980 in der Beschaffungsabteilung des Klinikums der Universität M beschäftigt worden sei.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung des beklagten Landes, das den Kläger aufgrund des arbeitsgerichtlichen Urteils seit dem 12. Januar 1981 wieder auf seinem alten Arbeitsplatz in der Beschaffungsabteilung der zentralen Verwaltung der Universität M beschäftigt, ist vom Landesarbeitsgericht zurückgewiesen worden. Mit der zugelassenen Revision verfolgt das beklagte Land seinen Antrag auf Klageabweisung weiter, während der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Der zur Entscheidung über die Revision zuständige Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat mit Beschluß vom 21. Dezember 1983 (BAG 44, 370) dem Großen Senat nach § 45 Abs. 2 Satz 2 ArbGG zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung folgende Fragen wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung zur Entscheidung vorgelegt:
- Hat der gekündigte Arbeitnehmer außerhalb der Regelung der §§ 102 Abs. 5 BetrVG, 79 Abs. 2 BPersVG bis zum rechtskräftigen Abschluß des Kündigungsschutzprozesses einen Anspruch auf Beschäftigung ?
- Falls die Frage zu 1) bejaht wird: Welches sind im einzelnen die rechtlichen Voraussetzungen und Grenzen dieses Weiterbeschäftigungsanspruchs und wie kann er gerichtlich durchgesetzt werden ?
B.
Die Vorlage ist zulässig.
Die Anrufung des Großen Senats ist auf § 45 Abs. 2 Satz 2 ArbGG gestützt. Nach dieser Vorschrift kann der erkennende Senat, wenn nach seiner Auffassung die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung es erfordern, in einer Frage von grundsätzlicher Bedeutung die Entscheidung des Großen Senats herbeiführen. Der erkennende Siebte Senat mißt den vorgelegten Rechtsfragen grundsätzliche Bedeutung bei und hält eine Entscheidung des Großen Senats zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung für erforderlich.
1. Die grundsätzliche Bedeutung der vorgelegten Rechtsfragen gehört zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Anrufung des Großen Senats, die dieser selbständig zu prüfen hat (ständige Rechtsprechung des Großen Senats: BAG 8, 285, 289 f. = AP Nr. 21 zu § 616 BGB, mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen; BAG 13, 1, 2 = AP Nr. 19 zu § 1 HausarbTagsG Nordrh.-Westfalen; BAG 20, 175 = AP Nr. 13 zu Art. 9 GG).
Eine Rechtsfrage hat dann grundsätzliche Bedeutung, wenn das Bedürfnis besteht, sie über den Einzelfall hinaus für eine Vielzahl gleich oder ähnlich liegender Fälle richtungweisend zu lösen, oder wenn eine umstrittene Frage von wesentlichem Gewicht für die Rechtsordnung und das Rechtsleben ist (BAG GS 20, 175, 180 = AP Nr. 13 zu Art. 9 GG, zu II 1 der Gründe). Daß die vorgelegten Fragen in diesem Sinne grundsätzliche Bedeutung haben, unterliegt keinem Zweifel. Wie der Siebte Senat in dem Vorlagebeschluß dargelegt hat (BAG 44, 370, 374 f.), ist die Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen der gekündigte Arbeitnehmer außerhalb der Regelung der §§ 102 Abs. 5 BetrVG, 79 Abs. 2 BPersVG bis zum rechtskräftigen Abschluß des Kündigungsschutzprozesses einen Anspruch auf Beschäftigung hat, trotz des Urteils des Zweiten Senats vom 26. Mai 1977 (BAG 29, 195 = AP Nr. 5 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht) nach wie vor in Rechtsprechung und Schrifttum heftig umstritten. Dem genannten Urteil des Zweiten Senats, das einen solchen Weiterbeschäftigungsanspruch nach Ablauf der Kündigungsfrist bzw. nach Zugang einer fristlosen Kündigung bis zum rechtskräftigen Abschluß des Kündigungsschutzprozesses nur ausnahmsweise, so bei einer offensichtlich rechtsunwirksamen oder einer offenbar rechtsmißbräuchlichen oder willkürlichen Kündigung, anerkannt hat, ist nur ein Teil des Schrifttums gefolgt; überwiegend ist es auf Kritik gestoßen (vgl. außer den im Vorlagebeschluß zitierten Autoren zustimmend: Berkowsky, NJW 1982, 905; ders. DB 1983, 2362; Bötticher, BB 1981, 1954; Dudzus/Frohner, BB 1979, 482; Kammann/Hess/Schlochauer, BetrVG, § 102 Rz 165; Kleemann, DB 1981, 2276; Kraft, ZfA 1979, 123; Mayer-Maly, BB 1984, 1751; Stege/Weinspach, BetrVG, 5. Aufl., § 102 Rz 162; im Grundsatz jetzt wohl auch Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 102 Rz 251 ff., anders noch dieselben in BPersVG, 2. Aufl., § 79 Rz 118 f.; kritisch bei wesentlich weitergehender Anerkennung eines Weiterbeschäftigungsanspruchs: Coen, Das Recht auf Arbeit und der Bestandsschutz des gekündigten Arbeitsverhältnisses, Köln 1979, S. 75 ff.; Eisemann, Sozialer Fortschritt 1981, 88; Feichtinger, DB 1983, 939; Herschel, Sozialer Fortschritt 1980, 166; Jobs, AuR 1981, 16; Kamphausen, BlStSozArbR 1982, 65; Kehrmann, AuR 1979, 267; Klebe/Schumann, Das Recht auf Beschäftigung im Kündigungsschutzprozeß, Köln 1981, S. 283 ff.; KR-Wolf, 2. Aufl., Grundsätze Rz 473; Schaub, NJW 1981, 1807; Söllner, Grundriß des Arbeitsrechts, 8. Aufl. 1984, S. 287; Wenzel, AuR 1980, 97). Auch die Rechtsprechung der Instanzgerichte ist uneinheitlich geblieben. So haben vor allem eine Reihe von Landesarbeitsgerichten der Entscheidung des Zweiten Senats die Gefolgschaft versagt (vgl. etwa LAG Berlin vom 24. September 1979 - 9 Sa 73/79 -, EzA § 611 BGB Beschäftigungspflicht Nr. 4, und vom 26. September 1980 - 12 Sa 63/80 -, DB 1980, 2448; LAG Bremen vom 31. März 1981 - 4 Sa 39/81 -, AuR 1981, 384, und vom 2. Februar 1982 - 4 Sa 392/81 -, DB 1982, 1278; LAG Hamburg vom 15. Juni 1978 - 4 Sa 127/77 -, NJW 1979, 127, und vom 7. November 1978 - 1 Sa 40/78 -, BB 1979, 991; LAG Rheinland-Pfalz vom 28. März 1980 - 5 Sa 653/79 -, EzA § 1 KSchG Tendenzbetrieb Nr. 7; LAG Hamm vom 5. Mai 1983 - 8 Sa 255/83 -, EzA § 102 BetrVG 1972 Nr. 52).
Wegen der dadurch hervorgerufenen Rechtsunsicherheit bedarf die vorgelegte Frage dringend einer richtungweisenden Entscheidung.
Darüber hinaus sind die vorgelegten Rechtsfragen nach den Voraussetzungen und den Grenzen eines Weiterbeschäftigungsanspruchs des Arbeitnehmers bei Streit über den Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses auch von wesentlichem Gewicht für die Rechtsordnung und das Rechtsleben, so daß ihnen auch aus diesem Grunde eine grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die allgemeine Anerkennung des Weiterbeschäftigungsanspruchs oder seine Ablehnung haben große sozialpolitische und wirtschaftliche Tragweite für den Arbeitsplatzschutz des gekündigten Arbeitnehmers und für die Verteilung des Prozeßrisikos im Kündigungsrechtsstreit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Muß der gekündigte Arbeitnehmer nach Ablauf der Kündigungsfrist oder bei einer fristlosen Kündigung nach deren Zugang den Betrieb verlassen und kann er während der Dauer des von ihm angestrengten Kündigungsschutzprozesses seine Weiterbeschäftigung nicht verlangen, so stehen seiner späteren Rückkehr in den Betrieb, wenn er im Kündigungsrechtsstreit letztlich obsiegt, häufig erhebliche Schwierigkeiten entgegen. Das liegt einmal daran, daß der gekündigte und nicht weiterbeschäftigte Arbeitnehmer sich sofort um eine neue Arbeitsstelle bemühen muß und, wenn er bei einem anderen Arbeitgeber einen angemessenen Arbeitsplatz gefunden hat, es auch nach gewonnenem Kündigungsschutzprozeß häufig vorzieht, auf dem neuen Arbeitsplatz zu bleiben und nicht in seinen früheren Beschäftigungsbetrieb, von dem er sich inzwischen entfremdet hat, zurückzukehren. Aber auch wenn der gekündigte Arbeitnehmer arbeitslos geblieben ist, scheitert seine Rückkehr in den Betrieb nicht selten ebenfalls an der zwischenzeitlich eingetretenen Entfremdung zwischen ihm und seinem Arbeitgeber, seinem alten Betrieb und seinen Arbeitskollegen oder auch daran, daß sein Arbeitsplatz mittlerweile von einem anderen Arbeitnehmer besetzt oder durch Rationalisierungsmaßnahmen weggefallen ist. Könnte der gekündigte Arbeitnehmer allgemein oder unter bestimmten Voraussetzungen für die Dauer des Kündigungsschutzprozesses seine Weiterbeschäftigung verlangen, so würden diese durch den vorübergehenden Verlust des Arbeitsplatzes eintretenden Nachteile für den Arbeitnehmer erheblich gemindert. Andererseits bedeutet aber eine vorläufige Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers für den Arbeitgeber dann eine erhebliche Belastung, wenn die Kündigungsschutzklage letztlich keinen Erfolg hat und damit die Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch die umstrittene Kündigung rechtskräftig festgestellt wird; denn eine Rückabwicklung der ohne Rechtspflicht erfolgten tatsächlichen Beschäftigung ist praktisch kaum möglich.
Die weitreichende Bedeutung dieser Problematik für das Arbeitsleben erhellt auch daraus, daß der Weiterbeschäftigungsanspruch bereits Gegenstand von zwei Kündigungsschutztagungen der IG Metall im Oktober 1977 und im März 1978 (vgl. das Protokoll der Kündigungsschutztagungen 1977 und 1978, Schriftenreihe der IG Metall, 1978) sowie der Mitgliederversammlung der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände am 13./14. Dezember 1978 gewesen ist (vgl. Wirtschafts- und gesellschaftspolitische Perspektiven, Vorträge und Referate der Mitgliederversammlung 1978, Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände 1979). Auch auf dem 52. Deutschen Juristentag im September 1978 hat der Weiterbeschäftigungsanspruch bei den Diskussionen in der arbeitsrechtlichen Abteilung eine erhebliche Rolle gespielt (vgl. das von Zöllner erstattete Gutachten: „Sind im Interesse einer gerechteren Verteilung der Arbeitsplätze Begründung und Beendigung der Arbeitsverhältnisse neu zu regeln ?”, Gutachten D, sowie die Protokolle der Verhandlungen des 52. Deutschen Juristentages 1978, Sitzungsbericht M, S. 42 ff.).
2. Nicht zu prüfen hat der Große Senat, ob die Entscheidung der vorgelegten Fragen durch den Großen Senat – wie der vorlegende Siebte Senat meint – zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist. Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 45 Abs. 2 Satz 2 ArbGG ist hierfür allein die Auffassung des vorlegenden Senats maßgebend.
3. Ebensowenig unterliegt es der Prüfung des Großen Senats, ob es für die vom vorlegenden Senat zu treffende Revisionsentscheidung auf die vorgelegten Fragen rechtlich ankommt. Der vorlegende Siebte Senat als der zur Entscheidung des Rechtsstreits berufene gesetzliche Richter hat in dem Vorlagebeschluß dargelegt, daß er die vorgelegten Fragen für die Entscheidung des bei ihm anhängigen Weiterbeschäftigungsanspruchs für erheblich hält. Daran ist der Große Senat gebunden (BAG GS 6, 149, 150 = AP Nr. 61 zu § 72 ArbGG 1953, zu II der Gründe; BAG GS 8, 285, 290 = AP Nr. 21 zu § 616 BGB, zu A IV 1 der Gründe; BAG GS 20, 175, 183 = AP Nr. 13 zu Art. 9 GG, zu II 4 a der Gründe). Der Große Senat hat nur darauf zu achten, daß seine Entscheidung nicht auf die Erstattung eines Gutachtens hinausläuft. Das wäre unzulässig (BAG 6, 149, 151 = AP Nr. 61 zu § 72 ArbGG 1953, zu II der Gründe; BAG 20, 175, 183 = AP Nr. 13 zu Art. 9 GG, zu II 4 b der Gründe). Bei der Prüfung der vorgelegten Fragen ist deshalb davon auszugehen, daß der vorlegende Senat keine Rechtsausführungen erbittet, die für die Entscheidung des Rechtsstreits ersichtlich keine Bedeutung erlangen können (BAG 23, 292, 299 = AP Nr. 43 zu Art. 9 GG Arbeitskampf). Das bedeutet für die vorgelegte Frage nach der gerichtlichen Durchsetzbarkeit eines während des Kündigungsschutzprozesses etwa bestehenden Weiterbeschäftigungsanspruchs des gekündigten Arbeitnehmers, daß es hier nur darum gehen kann, ob der Anspruch – wie im vorliegenden Falle geschehen – zugleich mit der Kündigungsschutzklage im Wege der objektiven Klagehäufung nach § 260 ZPO gerichtlich geltend gemacht und ob über ihn auch zugleich mit der Kündigungsschutzklage entschieden werden kann oder ob hinsichtlich des Klageantrags auf Verurteilung zur Weiterbeschäftigung eine Aussetzung des Verfahrens bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Kündigungsschutzprozesses nach § 148 ZPO geboten ist. Hingegen kann sich die Frage nicht auch darauf erstrecken, ob und gegebenenfalls unter welchen rechtlichen Voraussetzungen im einzelnen vor der Entscheidung im Hauptprozeß eine einstweilige Verfügung zur Durchsetzung eines Weiterbeschäftigungsanspruchs möglich ist. Hierauf kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreits ersichtlich nicht an. Die vorgelegte Frage nach der gerichtlichen Durchsetzbarkeit eines etwaigen Weiterbeschäftigungsanspruchs bedarf also insoweit einer einschränkenden Auslegung.
C.
Ein Anspruch des gekündigten Arbeitnehmers auf Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluß des Kündigungsprozesses ist auch außerhalb der Regelung der §§ 102 Abs. 5 BetrVG, 79 Abs. 2 BPersVG grundsätzlich möglich.
I.
Ein solcher Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung nach dem Ablauf der Kündigungsfrist bzw. bei fristloser Kündigung nach deren Zugang bis zur Beendigung des Rechtsstreits über die Wirksamkeit der Kündigung läßt sich außerhalb der genannten gesetzlichen Regelungen nur aus dem Arbeitsvertrag des gekündigten Arbeitnehmers herleiten. Das setzt zunächst einmal voraus, daß das geltende Arbeitsvertragsrecht – unabhängig von einer dahingehenden besonderen Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien – dem Arbeitnehmer nicht nur einen Anspruch auf die vereinbarte Vergütung, sondern auch das Recht gibt, vom Arbeitgeber vertragsgemäße Beschäftigung zu verlangen.
1. a) Das noch im 19. Jahrhundert konzipierte Dienstvertragsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches (§§ 611 ff. BGB) kennt keinen allgemeinen Beschäftigungsanspruch des zur Dienstleistung Verpflichteten. Es begriff den Dienstvertrag lediglich als schuldrechtlichen Austauschvertrag, wobei der Arbeitgeber nur als Gläubiger der vertraglichen Arbeitsleistung erschien, der sie fordern konnte, der aber zu ihrer Annahme nicht verpflichtet war und nur die vertragliche Vergütung schuldete. Es war daher zunächst allgemein anerkannt, daß der Arbeitgeber über die Arbeitskraft des Arbeitnehmers nach Belieben verfügen durfte und sie nicht anzunehmen brauchte (vgl. zur historischen Entwicklung: Fabricius, ZfA 1972, 35, 36 ff.; Lepke, Der Anspruch auf Beschäftigung, Dissertation, Berlin 1966, S. 26 ff.). Eine Ausnahme wurde wegen ihres besonderen Beschäftigungsinteresses zunächst nur bei Bühnenkünstlern gemacht, wenn eine Beschäftigungspflicht aufgrund einer stillschweigenden Vereinbarung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles anzunehmen war (RG JW 1911, 39; KG JW 1917, 488). Später wurde im Wege der Vertragsauslegung die Beschäftigungspflicht auf andere Arbeitnehmer, die ein besonderes Interesse an der Ausübung ihrer Tätigkeiten hatten, ausgedehnt, wenn dieses Interesse dem Arbeitgeber bei Vertragsabschluß bekannt war oder bekannt gewesen sein mußte (vgl. Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, 1928, 1. Bd., S. 218; RAG ARS 1, 69; 9, 72 f. und JW 1929, 212).
b) Erst nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes hat die Rechtsprechung einen Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis allgemein anerkannt. Grundlegend hierfür war das Urteil des Zweiten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 10. November 1955 - 2 AZR 591/54 - (BAG 2, 221 = AP Nr. 2 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht, mit zust. Anm. v. A. Hueck = SAE 1956, 145, mit zust. Anm. v. Pieper = BArbBl. 1957, 11, mit zust. Anm. v. Trieschmann = AuR 1957, 217, mit zust. Anm. v. Frey). In den Entscheidungsgründen dieses Urteils wird dazu ausgeführt: Das Arbeitsverhältnis sei ein personenrechtliches Gemeinschaftsverhältnis, das nicht nur wie beim Dienstvertrag der selbständig Tätigen oder bei sonstigen Schuldverhältnissen lediglich einzelne bestimmte Leistungen betreffe, sondern für seinen Geltungsbereich die ganze Person des Arbeitnehmers erfasse, deshalb wesentlich sein Leben gestalte und seine Persönlichkeit bestimme. Die Achtung und Anerkennung des Arbeitnehmers als Mensch beruhe auch nicht nur auf dem wirtschaftlichen Wert seiner Leistung, sondern weitgehend darauf, wie er die ihm obliegenden Aufgaben erfülle. Gerade das gebe ihm im Bereich des Arbeitslebens maßgeblich seine Würde als Mensch. Deshalb müsse der Arbeitgeber nicht bloß aufgrund seiner Treupflicht, sondern vor allem auch aufgrund der jedermann aus Art. 1 und Art. 2 des Grundgesetzes obliegenden Verpflichtung alles unterlassen, was die Würde des Arbeitnehmers und die freie Entfaltung der Persönlichkeit beeinträchtigen kann. Eine solche Beeinträchtigung beider Grundrechtspositionen bedeute es aber, wenn einem Arbeitnehmer zugemutet werde, nicht nur vorübergehend, sondern u. U. jahrelang sein Gehalt in Empfang zu nehmen, ohne sich in seinem bisherigen Beruf betätigen zu können. Das würde auf einen Zwang zum Nichtstun hinauslaufen und den betreffenden Arbeitnehmer nicht mehr als vollwertiges Glied der Berufsgemeinschaft und der Gesellschaft überhaupt erscheinen lassen. Nicht nur die Allgemeinheit, sondern auch der größte Teil der ihrer Fähigkeiten und Leistungen bewußten Arbeitnehmer hielten es für verächtlich, Lohn in Empfang zu nehmen, der nicht durch entsprechende Leistungen verdient sei. Im übrigen würde aber auch der Arbeitnehmer, der während des bestehenden Arbeitsverhältnisses seine Arbeitskraft nicht einem anderen anbieten dürfe, gehindert werden, sich weiter beruflich zu betätigen, sich seine beruflichen Fähigkeiten zu erhalten und fortzubilden, er würde also gehindert sein, seine Persönlichkeit zu entfalten. Alles dies gelte insbesondere bei leitenden Angestellten oder anderen Arbeitnehmern mit besonders bedeutsamen Aufgaben, da gerade bei einer langen Befreiung von einer Arbeitsleistung der Eindruck hervorgerufen werde, daß die bisherigen Leistungen so minderwertig seien, daß der Arbeitgeber lieber Geld aufwende als die Leistung in Empfang zu nehmen. Deshalb könne dem Arbeitgeber, wenn kein Einverständnis des Arbeitnehmers vorliege, ein Recht, den Arbeitnehmer während be- stehenden Vertrages unter Fortzahlung seines Lohnes nicht zu beschäftigen, nur für vorübergehende Zeit, etwa während des Laufes einer Kündigungsfrist, zugebilligt werden. In allen anderen Fällen müßten besondere Gründe dafür vorhanden sein, die eine solche Regelung notwendig erscheinen ließen.
Diese tragend auf den Persönlichkeitsschutz des Arbeitnehmers abstellende Rechtsprechung hat das Bundesarbeitsgericht seither fortgesetzt (BAG 23, 484 = AP Nr. 44 zu Art. 9 GG Arbeitskampf; BAG 28, 168 = AP Nr. 4 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht, mit zust. Anm. v. Birk = AR-Blattei Beschäftigungspflicht, Entscheidung 4, mit zust. Anm. v. Buchner = SAE 1978, 66, mit zust. Anm. v. Mayer-Maly; BAG 29, 195 = AP Nr. 5 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht; BAG 44, 201, 210, 211 = AP Nr. 29 zu § 102 BetrVG 1972, zu B I der Gründe).
c) Im Schrifttum hat die Anerkennung eines allgemeinen arbeitsvertragsrechtlichen Beschäftigungsanspruchs des Arbeitnehmers durch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts überwiegend Zustimmung gefunden (vgl. neben den bereits genannten zustimmenden Besprechern der angeführten Urteile ferner: Bächle, NJW 1979, 1693; Brox, in 25 Jahre Bundesarbeitsgericht, S. 37 f.; Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 102 Rz 249; Dütz, DB 1978, Beilage Nr. 13, S. 10; Frey, BB 1959, 528, 529; Gamillscheg, AcP 164, 385, 423; derselbe in Anmerkung zu EzA § 611 BGB Beschäftigungspflicht Nr. 3; Geiger, BlStSozArbR 1978, 149; Gumpert, BB 1961, 833; Herschel, Sozialer Fortschritt 1980, 166, 167; Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, 7. Aufl., Bd. 1, S. 380 ff.; Isele, Das suspendierte Arbeitsverhältnis, in Festschrift für Molitor, 1962, S. 107, 118; Kempff, DB 1976, 2111; Klebe/Schumann, Das Recht auf Beschäftigung im Kündigungsschutzprozeß, 1981, S. 287 ff.; Löwisch, DB 1978, Beilage Nr. 7, S. 4; Marcus, RdA 1975, 341; Mayer-Maly, BB 1984, 1751, 1755; Nikisch, Arbeitsrecht, 3. Aufl., Bd. I, S. 514; Otto, RdA 1975, 68; Richardi, JZ 1978, 485; Söllner, Münchener Kommentar zum BGB, § 611 Rz 359 bis 362; derselbe: Grundriß des Arbeitsrechts, 8. Aufl., S. 246; Zöllner, Arbeitsrecht, 2. Aufl., S. 70, 140 f.).
Einige Autoren stimmen dem Bundesarbeitsgericht zwar im Ergebnis zu, gehen aber in der Begründung teilweise andere Wege. So wird die Auffassung vertreten, daß sich aus den Art. 1 und 2 GG keine positiven Handlungspflichten des Arbeitgebers ableiten ließen und daß diese Verfassungsnormen deshalb für sich allein keine tragfähige Grundlage für einen allgemeinen Beschäftigungsanspruch abgeben könnten. Eine solche Anspruchsgrundlage sei vielmehr im Arbeitsverhältnis selbst zu suchen, das sich nicht auf den reinen Leistungsaustausch beschränke, sondern eine Vielzahl von Verhaltenspflichten beinhalte. Die aus Dauer und Intensität der Einwirkung auf das Leben des Arbeitnehmers resultierenden intensiven Interessenwahrungspflichten des Arbeitgebers geböten ihm, die Entfaltung des Arbeitnehmers nicht zu beeinträchtigen. Die in den Art. 1 und 2 GG zum Ausdruck gekommene Wertentscheidung der Verfassung sei geeignet, den konkretisierungsbedürftigen Inhalt der Interessenwahrungspflicht des Arbeitgebers auszufüllen (Körnig/Reinecke, AuR 1978, 193, 196 f.; ähnlich: Fabricius, ZfA 1972, 35, 44 bis 48; Hubmann, Persönlichkeitsrecht, 2. Aufl. 1967, S. 185 ff.; Schaub, NJW 1981, 1807, 1810; Wiese, ZfA 1971, 273, 280).
Wiedemann (Das Arbeitsverhältnis als Austausch- und Gemeinschaftsverhältnis, 1966, S. 62) versucht, die arbeitsvertragliche Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers rein schuldrechtlich unter Hinweis darauf zu begründen, daß in den Fällen, in denen der Vertragspartner ein Interesse an der Inanspruchnahme seiner Leistung habe, das Bürgerliche Gesetzbuch dem Gläubiger grundsätzlich zu seiner Obliegenheit eine Schuldnerpflicht, die Gegenleistung abzunehmen, überbürde (§§ 433 Abs. 2, 640 BGB). Es handele sich hier um eine für Austauschverträge überhaupt und nicht nur für den Arbeitsvertrag typische Rechtsfigur. Die Beschäftigungspflicht stelle sich als Abnahmepflicht des Arbeitgebers dar (kritisch hierzu: Fabricius, ZfA 1972, 35, 42, und Schwerdtner, Arbeitsrecht I, 1976, S. 114).
Für eine Einschränkung der allgemeinen Beschäftigungspflicht hat sich Lepke ausgesprochen (AuR 1968, 78 ff.; DB 1971, 478 ff.; DB 1975, 498 ff.). Er wendet sich ebenfalls gegen die Ableitung des Beschäftigungsanspruchs aus den Art. 1 und 2 GG, weil sich hieraus nur Eingriffsverbote und Unterlassungspflichten, nicht aber auch Pflichten zu positivem Handeln herleiten ließen. Die Grundlage für eine Beschäftigungspflicht sieht er allein in der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, die aber nicht in jedem Falle, sondern nur wenn und soweit im Einzelfalle ein beachtliches Beschäftigungsinteresse beim Arbeitnehmer vorhanden sei, eine tatsächliche Beschäftigung des Arbeitnehmers gebiete. In aller Regel stehe Arbeitnehmern, die nur einfache, keine besondere Vor- oder Ausbildung erfordernden Arbeiten verrichten, wegen des Fehlens eines Beschäftigungsinteresses ein Beschäftigungsanspruch nicht zu. Ein besonderes Beschäftigungsinteresse bestehe hingegen bei Arbeitnehmern mit künstlerischen oder wissenschaftlichen Berufen oder mit sonstiger besonderer beruflicher Vorbildung oder mit speziellen Fertigkeiten, die sie allein durch die Praxis erhalten, erweitern und vertiefen könnten (ähnlich im wesentlichen auch Griesam, Der Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers, München 1978, S. 121 ff.).
Kraft (ZfA 1979, 123 ff.) will nur denjenigen Arbeitnehmern einen Beschäftigungsanspruch zugestehen, denen durch die Nichtbeschäftigung ein Schaden entstehen kann oder die durch die Nichtbeschäftigung in schutzwürdigen Interessen verletzt werden. Eine allgemeine Beschäftigungspflicht lehnt er ab.
Grundsätzlich gegen einen allgemeinen Beschäftigungsanspruch haben sich Hj. Weber (BB 1974, 698 ff., Anmerkung zu BAG AP Nr. 5 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht) und neuerdings Heinze (DB 1985, 111 ff.) ausgesprochen. Nach ihrer Auffassung kann die fehlende gesetzliche Regelung des Beschäftigungsanspruchs im Arbeitsverhältnis nicht im Wege der Lückenausfüllung oder der Auslegung ersetzt werden, weil eine Gesetzeslücke nicht vorliege. Sie gehen davon aus, daß im Arbeitsvertragsrecht allein das Synallagma des Anspruchs des Arbeitgebers auf die Arbeitsleistung einerseits und des Anspruchs des Arbeitnehmers auf die vereinbarte Vergütung andererseits gegeben sei, was insbesondere Heinze unter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte des § 615 BGB zu belegen versucht.
2. Der Große Senat tritt der vor nunmehr 30 Jahren begonnenen und seither von allen mit dieser Frage befaßten Senaten fortgesetzten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bei, daß der Arbeitgeber grundsätzlich auch verpflichtet ist, seinen Arbeitnehmer vertragsgemäß zu beschäftigen, wenn dieser es verlangt. Rechtsgrundlage eines solchen Beschäftigungsanspruchs des Arbeitnehmers ist das Arbeitsvertragsrecht. Der Anspruch ist abzuleiten aus den §§ 611, 613 BGB in Verbindung mit § 242 BGB. Die Generalklausel des § 242 BGB wird dabei ausgefüllt durch die Wertentscheidung der Art. 1 und 2 GG.
a) Die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über den Dienstvertrag (§§ 611 ff. BGB) ergeben allerdings selbst keinen unmittelbaren Aufschluß darüber, ob den Arbeitgeber aus dem Arbeitsverhältnis die Pflicht trifft, die angebotene vertragliche Arbeitsleistung des Arbeitnehmers auch entgegenzunehmen und ihn auf einem entsprechenden Arbeitsplatz zu beschäftigen. Sie stehen der Annahme einer solchen Pflicht aber auch nicht entgegen. Insbesondere läßt sich aus der Regelung des § 615 BGB über die Folgen des Annahmeverzuges des Arbeitgebers und aus der Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift nicht zwingend folgern, das Gesetz schließe einen Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers geradezu aus.
Für seine gegenteilige Auffassung von der Unvereinbarkeit eines einklagbaren Beschäftigungsanspruchs des Arbeitnehmers mit dem Arbeitsrechtssystem des BGB geht Heinze (DB 1985, 111, 114 ff.) von der Annahme aus, der Gesetzgeber habe bei der Regelung der Annahmeverzugsfolge des § 615 Satz 1 BGB die Erfüllung des arbeitnehmerseitig geschuldeten Leistungserfolgs (die Arbeitsleistung) fingiert; die Arbeitsleistung gelte als erfolgt, wenn der Arbeitnehmer lediglich wegen der ausgebliebenen Mitwirkungshandlung als Obliegenheit des Arbeitgebers (Zurverfügungstellung des Arbeitsplatzes, des Arbeitssubstrates) seinen geschuldeten Leistungserfolg nicht bewirken könne. Wenn aber – so folgert Heinze – das Gesetz infolge einer auf der Ebene des Leistungshandelns angesiedelten, unterlassenen Mitwirkungsobliegenheit des Arbeitgebers das Bewirken der auf der Ebene des Leistungserfolgs angesiedelten geschuldeten Leistung des Arbeitnehmers fingiere, könne für eine irgendwie geartete Mitwirkungspflicht des Arbeitgebers von vornherein kein Raum sein, sollten nicht gravierende Widersprüche und Verwerfungen des Arbeitsrechtssystems in Kauf genommen werden. Materiell-rechtlich betrachtet sei die in § 615 Satz 1 BGB vorausgesetzte Erfüllungsfiktion unvereinbar mit der Begründung einer etwaigen Pflicht des Arbeitgebers zur Annahme der angebotenen Arbeitskraft; regele das Gesetz nämlich – wie in § 615 BGB – die auf der Ebene des Leistungshandelns angesiedelte und ausgebliebene Mitwirkungsobliegenheit mit der Wirkung einer Fiktion hinsichtlich der auf der Ebene des gesetzlichen Leistungserfolgs angesiedelten Erfüllungsleistung, so könne für inhaltlich hierauf bezogene, aber unterhalb dieser Erfüllungswirkung angesiedelte „mindere” Pflichten rechtlich kein Raum mehr verbleiben.
Für die Annahme einer in § 615 BGB vorausgesetzten Erfüllungsfiktion hinsichtlich der geschuldeten Arbeitsleistung ergeben weder der Gesetzeswortlaut noch die von Heinze zitierten Motive eine hinreichend tragfähige Stütze. Die Vorschrift des § 615 Satz 1 BGB bestimmt nur, daß der zur Dienstleistung Verpflichtete im Falle des Annahmeverzuges des Dienstberechtigten für die infolge des Verzuges nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen kann, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Damit befreit das Gesetz den Arbeitnehmer zwar von seiner Dienstleistungspflicht, sagt aber nicht, daß diese Befreiung deswegen eintrete, weil die Dienstleistungspflicht als erfüllt gelten solle. In den Motiven zu § 615 BGB (Motive II S. 462, 463) heißt es dazu, es sei vermieden worden auszusprechen, daß die Dienstleistung im Falle des Annahmeverzugs als bewirkt gelte, weil durch eine solche Fassung in wenig passender Weise eine Fiktion ausgesprochen würde; angemessener und zugleich einfacher sei es vielmehr, die an die Fiktion sich anknüpfenden Folgen hervorzuheben, also zu bestimmen, daß der Dienstverpflichtete eintretendenfalls Anspruch auf die vertragsmäßige Vergütung habe. Wenn hiernach der historische Gesetzgeber es bewußt vermieden hat, eine Erfüllungsfiktion normativ festzulegen, weil das wenig angemessen sei, dann kann man kaum annehmen, das Gesetz gehe in § 615 BGB von einer Erfüllungsfiktion aus, und daraus die weitreichende Folgerung ziehen, diese Vorschrift stehe der Anerkennung einer Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers entgegen, weil sie systemwidrig sei.
Wenn es sich bei der Anerkennung eines allgemeinen Beschäftigungsanspruchs durch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch um eine Rechtsfortbildung handelte, so ergibt sich aus dem soeben Gesagten doch, daß diese Rechtsfortbildung nicht im Widerspruch zu dem System des Dienstvertragsrechts des BGB und damit contra legem erfolgt ist, sondern daß hier eine ergänzende Rechtsfortbildung vorliegt.
b) Die Vorschriften des BGB enthalten keine geschlossene Regelung des Arbeitsvertragsrechts. Der historische Gesetzgeber des BGB hat den freien Dienstvertrag und den Arbeitsvertrag, der die Leistung von Diensten in persönlicher Abhängigkeit zum Gegenstand hat, in den §§ 611 ff. BGB weitgehend den gleichen Regelungen unterworfen. Die Besonderheiten des Lebenstatbestandes der abhängigen Arbeit mit der persönlichen Eingliederung des Arbeitnehmers in die Arbeitsorganisation des Arbeitgebers und die dadurch bedingte Fremdbestimmtheit des Arbeitnehmers hinsichtlich der von ihm zu leistenden Dienste sind erst im Laufe der weiteren Rechtsentwicklung stärker in das Rechtsbewußtsein getreten und haben dann zu einer ergänzenden Fortentwicklung des Gesetzesrechts durch die Rechtsprechung geführt. Das geschah namentlich durch eine erhebliche Erweiterung der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers über den Rahmen des § 618 BGB hinaus.
Eine solche Rechtsfortbildung verstößt nicht gegen den in Art. 20 Abs. 3 GG normierten Verfassungsgrundsatz der Bindung des Richters an Gesetz und Recht. Der Richter ist nach dem Grundgesetz nicht darauf verwiesen, gesetzgeberische Weisungen in den Grenzen des möglichen Wortsinns auf den Einzelfall anzuwenden. Das Recht ist nicht mit der Gesamtheit der geschriebenen Gesetze identisch. Die Aufgabe der Rechtsprechung kann es insbesondere erfordern, Wertvorstellungen, die der verfassungsmäßigen Rechtsordnung immanent, aber in den Texten der geschriebenen Gesetze nicht oder nur unvollkommen zum Ausdruck gelangt sind, in einem Akt bewertenden Erkennens, dem auch willenhafte Elemente nicht fehlen, ans Licht zu bringen und in Entscheidungen zu verwirklichen. Dabei muß sich der Richter jedoch von Willkür freihalten. Seine Entscheidung muß auf rationaler Argumentation beruhen; es muß einsichtig gemacht werden können, daß das geschriebene Gesetz seine Funktion, ein Rechtsproblem gerecht zu lösen, nicht erfüllt. Die richterliche Entscheidung schließt dann diese Lücke nach den Maßstäben der praktischen Vernunft und den fundierten allgemeinen Gerechtigkeitsvorstellungen der Gemeinschaft (BVerfGE 9, 338, 349; 34, 269, 287).
Die Freiheit des Richters zu schöpferischer Rechtsfortbildung wächst notwendig mit dem zeitlichen Abstand zwischen dem Inkrafttreten der in Betracht kommenden gesetzlichen Vorschriften und ihrer Anwendung auf den zu entscheidenden Einzelfall durch den Richter. Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu gerade im Hinblick auf die seit über 80 Jahren in Kraft befindliche Kodifikation des BGB ausgeführt: „Die Norm steht ständig im Kontext der sozialen Verhältnisse und der gesellschaftlich-politischen Anschauungen, auf die sie wirken soll; ihr Inhalt kann und muß sich unter Umständen mit ihnen wandeln. Das gilt besonders, wenn sich zwischen Entstehung und Anwendung eines Gesetzes die Lebensverhältnisse und Rechtsanschauungen so tiefgreifend geändert haben wie in diesem Jahrhundert. Einem hiernach möglichen Konflikt der Norm mit den materiellen Gerechtigkeitsvorstellungen einer gewandelten Gesellschaft kann sich der Richter nicht mit dem Hinweis auf den unverändert gebliebenen Gesetzeswortlaut entziehen; er ist zu freierer Handhabung der Gesetzesnormen gezwungen, wenn er nicht seine Aufgabe, „Recht” zu sprechen, verfehlen will.” (BVerfGE 34, 269, 288, 289).
Die Rechtsfortbildung, die das Bundesarbeitsgericht mit der grundsätzlichen Anerkennung eines arbeitsvertragsrechtlichen Beschäftigungsanspruchs des Arbeitnehmers vorgenommen hat, rechtfertigt sich dadurch, daß das Dienstvertragsrecht des BGB, das einen solchen Anspruch nicht kennt, durch die spätere Rechtsentwicklung lückenhaft geworden ist und deshalb einer Ergänzung und Weiterführung bedarf.
Das Grundgesetz hat in seinen Art. 1 und 2 die Würde des Menschen und dessen Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit zu zentralen Werten unserer Verfassung erhoben. Das Leben des Arbeitnehmers wird zu einem ganz wesentlichen Teil durch das Arbeitsverhältnis bestimmt und geprägt. Sein Selbstwertgefühl sowie die Achtung und Wertschätzung, die er in seiner Familie, bei seinen Freunden und Kollegen und überhaupt in seinem Lebenskreis erfährt, werden entscheidend mitbestimmt von der Art, wie er seine Arbeit leistet. Die Arbeit in seinem Arbeitsverhältnis stellt für den Arbeitnehmer zugleich eine wesentliche Möglichkeit zur Entfaltung seiner geistigen und körperlichen Fähigkeiten und damit zur Entfaltung seiner Persönlichkeit dar. Wird dem Arbeitnehmer diese Möglichkeit der Persönlichkeitsentfaltung durch Arbeitsleistung im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses genommen, so berührt dies seine Würde als Mensch.
Allerdings ist einzuräumen, daß sich aus dem durch die Art. 1 und 2 GG garantierten Persönlichkeitsschutz nicht ohne weiteres und unmittelbar eine Pflicht des Arbeitgebers auf positive Förderung der Entfaltung der Persönlichkeit seines Arbeitnehmers durch Arbeitsleistung herleiten läßt. Die grundlegende Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 10. November 1955 stellt aber auch nicht allein auf die genannten Verfassungsbestimmungen zur Begründung eines allgemeinen Beschäftigungsanspruchs ab, sondern verweist in diesem Zusammenhang auch auf die „Treupflicht des Arbeitgebers” aus dem Arbeitsverhältnis (BAG 2, 221, 224 = AP Nr. 2 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht). Damit ist letztlich der in § 242 BGB normierte Grundsatz von Treu und Glauben angesprochen. Bei der Beantwortung der Frage nach dem, was Treu und Glauben jeweils gebieten, ist auch auf die in den Grundrechten des Grundgesetzes zum Ausdruck gekommene Wertentscheidung der Verfassung Bedacht zu nehmen. Die in den Grundrechtsnormen enthaltene objektive Wertordnung gilt als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts und wirkt deshalb auch auf das Privatrecht ein (BVerfGE 34, 269, 280). Damit gewinnt der verfassungsrechtliche Persönlichkeitsschutz für das Arbeitsverhältnis und die sich daraus ergebenden Rechte und Pflichten Bedeutung. Zugleich erhalten die auf den Persönlichkeitsschutz gründenden ideellen Interessen des Arbeitnehmers an seiner tatsächlichen Beschäftigung im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses gerade durch die Wertentscheidung der Verfassung ein weit stärkeres rechtliches Gewicht und einen wesentlich höheren Stellenwert, als dies beim Inkrafttreten des BGB der Fall war. Die besondere Interessenlage im Arbeitsverhältnis gebietet, daß die Arbeitsleistung nicht nur als ein Wirtschaftsgut, sondern auch als Ausdruck der Persönlichkeit des Arbeitnehmers verstanden wird. Die Nichtberücksichtigung dieser ideellen Interessen des Arbeitnehmers im Dienstvertragsrecht des BGB stellt sich auf dem Boden des Grundgesetzes und seiner in den Art. 1 und 2 getroffenen Wertentscheidung heute als eine Regelungslücke dar, die durch die grundsätzliche Anerkennung eines arbeitsvertragsrechtlichen Beschäftigungsanspruchs zu schließen ist.
Dieses Ergebnis der Rechtsfortbildung hat – wie dargelegt wurde – im rechtswissenschaftlichen Schrifttum breite Zustimmung gefunden. Grundsätzlich ablehnende Stimmen sind vereinzelt geblieben. Das zeigt, daß diese richterliche Rechtsfortbildung in Einklang mit den „fundierten allgemeinen Gerechtigkeitsvorstellungen der Gemeinschaft” (BVerfGE 9, 338, 349) steht.
Rechtsgrundlage eines Beschäftigungsanspruchs ist daher der Arbeitsvertrag (§ 611 BGB), der den Arbeitnehmer gemäß § 613 BGB zur persönlichen Dienstleistung für den Arbeitgeber verpflichtet. Der Anspruch beruht unmittelbar auf der sich für den Arbeitgeber aus § 242 BGB unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen der Art. 1 und 2 GG über den Persönlichkeitsschutz ergebenden arbeitsvertraglichen Förderungspflicht der Beschäftigungsinteressen des Arbeitnehmers.
c) Für die Anerkennung eines solchen allgemeinen arbeitsvertraglichen Beschäftigungsanspruchs spricht nicht zuletzt auch der in den §§ 102 Abs. 5 BetrVG, 79 Abs. 2 BPersVG geregelte Weiterbeschäftigungsanspruch des gekündigten Arbeitnehmers für die Zeit nach dem Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluß eines anhängigen Kündigungsschutzprozesses. Es entspricht herrschender Meinung, daß dieser Weiterbeschäftigungsanspruch auf tatsächliche Beschäftigung zu den bisherigen Arbeitsbedingungen und nicht nur auf Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses unter Fortzahlung der Arbeitsvergütung gerichtet ist (BAG 29, 195, 208 = AP Nr. 5 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht, zu III 6 der Gründe; LAG Düsseldorf, DB 1974, 2112; LAG Berlin, BB 1976, 1273; LAG Hamburg, DB 1977, 500; Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 102 Rz 209; Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 102 Rz 110; Gnade/Kehrmann/Schneider/Blanke, BetrVG, 2. Aufl., § 102 Rz 100; GK-Kraft, BetrVG, § 102 Rz 99; Heinze, Personalplanung, Einstellung und Kündigung, S. 237, Rz 600; Kammann/Hess/Schlochauer, BetrVG, § 102 Rz 153; KR-Etzel, 2. Aufl., § 102 BetrVG Rz 214; Fitting/Auffarth/Kaiser, BetrVG, 14. Aufl., § 102 Rz 65; Griesam, Der Beschäftigungsanspruch im Arbeitsverhältnis, S. 111 ff., 119; Klebe/Schumann, Das Recht auf Beschäftigung im Kündigungsschutzprozeß, S. 190; Gumpert, BB 1972, 47, 50 Fn 8; Hanau, BB 1972, 451, 455; G. Hueck, in 25 Jahre Bundesarbeitsgericht, S. 243, 266; Mayer-Maly, DB 1979, 1601, 1603; Otto, RdA 1975, 68, 69; Schaub, NJW 1981, 1807, 1811; Stege/Weinspach, BetrVG, 5. Aufl., § 102 Rz 175; a. A.: Adomeit, DB 1971, 2360, 2363; Weber, BB 1974, 698, 702; Meisel, DB 1972, 1675, 1677). Die Pflicht zur tatsächlichen Beschäftigung ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetzestext des § 102 Abs. 5 BetrVG, der sich nicht wie noch § 39 Abs. 3 des CDU/CSU-Entwurfs auf die Anordnung beschränkt, daß das Arbeitsverhältnis bestehen bleibt (BT-Drucks. VI/1806, S. 9), sondern der die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers fordert.
Wenn auch der Weiterbeschäftigungsanspruch nach § 102 Abs. 5 BetrVG gewährleisten soll, daß der gekündigte Arbeitnehmer im Falle seines Obsiegens im Kündigungsschutzprozeß seinen Arbeitsplatz behält und auf ihm auch tatsächlich weiterbeschäftigt werden kann, so gibt die gesetzliche Statuierung eines solchen Weiterbeschäftigungsanspruchs dennoch einen Hinweis darauf, daß der Gesetzgeber davon ausgeht, daß im unangefochtenen Arbeitsverhältnis ein Anspruch auf tatsächliche vertragsgemäße Beschäftigung besteht. Wenn der gekündigte Arbeitnehmer weiterbeschäftigt werden soll, so kann das nur bedeuten, daß er bis zum rechtskräftigen Abschluß des Kündigungsschutzprozesses seine bisherige Rechtsstellung behalten soll. Es ist kaum anzunehmen, daß der Gesetzgeber dem gekündigten Arbeitnehmer während des Kündigungsschutzprozesses mehr Rechte einräumen wollte, als der Arbeitnehmer vorher im ungekündigten Arbeitsverhältnis hatte.
3. Bei der persönlichkeitsrechtlichen Begründung des Beschäftigungsanspruchs aus der ideellen Interessenlage besteht grundsätzlich für jeden Arbeitnehmer ein Beschäftigungsanspruch aus dem Arbeitsverhältnis. Darauf, ob er höhere oder geringerwertige Arbeiten verrichten kann, ob er für seine Arbeit eine spezielle Vor- oder Ausbildung benötigt oder nicht, kann es nicht ankommen. Ebensowenig kann der Beschäftigungsanspruch davon abhängig gemacht werden, ob im Einzelfalle ein faktisches Interesse des Arbeitnehmers an der Arbeitsleistung besteht und ob sich die vertragsgemäße Arbeitsleistung nach dem subjektiven Empfinden des Arbeitnehmers als Last und Bürde oder als sinnvolle Entfaltung seiner Persönlichkeit darstellt. Der Anspruch auf Beschäftigung wird keinem Arbeitnehmer aufgezwungen, weil er als dispositiver Anspruch davon abhängt, ob der Arbeitnehmer verlangt, beschäftigt zu werden. Verlangt er seine vertragsgemäße Beschäftigung, so muß ihm dazu grundsätzlich auch Gelegenheit gegeben werden.
Da schon das generelle ideelle Interesse zur Begründung des allgemeinen Beschäftigungsanspruchs genügt, kann es für den Beschäftigungsanspruch schließlich auch nicht entscheidend sein, ob der Arbeitnehmer durch die Nichtbeschäftigung einen konkreten Schaden erleidet. Schutzwerte Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers, den der Arbeitgeber trotz Verlangens nicht beschäftigt, werden – soweit nicht überwiegende Interessen des Arbeitgebers entgegenstehen – stets verletzt, weil jeder Arbeitnehmer, der arbeiten will, im Rahmen seines Arbeitsvertrags dazu auch die Gelegenheit haben muß.
Da der allgemeine Beschäftigungsanspruch aus einer sich aus Treu und Glauben ergebenden Pflicht des Arbeitgebers herzuleiten ist, muß er allerdings dort zurücktreten, wo überwiegende schutzwerte Interessen des Arbeitgebers entgegenstehen. Der Arbeitgeber ist nach Treu und Glauben nicht verpflichtet, die Interessen des Arbeitnehmers ohne Rücksicht auf eigene überwiegende und schutzwerte Interessen zu fördern. Deshalb bedarf es, wenn der Arbeitgeber wegen im Einzelfall entgegenstehender eigener Interessen die Beschäftigung des Arbeitnehmers ablehnt, einer Abwägung der beiderseitigen Interessen zur Feststellung, ob das Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung schutzwürdig ist und überwiegt. Das kann etwa der Fall sein beim Wegfall der Vertrauensgrundlage, bei Auftragsmangel oder bei einem demnächst zur Konkurrenz abwandernden Arbeitnehmer aus Gründen der Wahrung von Betriebsgeheimnissen. Andererseits kann sich auf seiten des Arbeitnehmers das allgemeine ideelle Beschäftigungsinteresse im Einzelfalle noch durch besondere Interessen ideeller und/oder materieller Art verstärken (etwa Geltung in der Berufswelt, Ausbildung, Erhaltung von Fachkenntnissen).
Mit dieser Begrenzung bei entgegenstehenden überwiegenden schutzwerten Arbeitgeberinteressen ist ein allgemeiner Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers im Rahmen eines bestehenden Arbeitsverhältnisses mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts anzuerkennen.
II.
Hat hiernach der Arbeitnehmer aufgrund seines Arbeitsverhältnisses im Prinzip einen Anspruch auf tatsächliche vertragsgemäße Beschäftigung, so muß dies grundsätzlich auch für die Dauer eines Kündigungsprozesses gelten, wenn die umstrittene Kündigung des Arbeitgebers unwirksam war und das Arbeitsverhältnis deshalb auch während des Kündigungsprozesses fortbesteht.
1. Gesetzliche Wertungen, die einen solchen arbeitsvertragsrechtlichen Beschäftigungsanspruch für die Dauer eines Kündigungsprozesses von vornherein ausschlössen, stehen dem nicht entgegen.
a) Der Zweite Senat hat in seinem Urteil vom 26. Mai 1977 (BAG 29, 195 = AP Nr. 5 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht) die Auffassung vertreten, die gesetzliche Weiterbeschäftigungsregelung des § 102 Abs. 5 BetrVG enthalte den deutlichen Hinweis, daß ein Beschäftigungsanspruch während des Kündigungsrechtsstreits nur unter sehr engen Voraussetzungen anzuerkennen ist; wenn das Gesetz nur unter den dort genannten sehr engen Voraussetzungen zugelassen habe, daß ein durch die rechtskräftige Feststellung der Wirksamkeit der Kündigung auflösend bedingtes Arbeitsverhältnis bestehen solle, so liege hierin zugleich die Ablehnung eines allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs während des Kündigungsprozesses durch den Gesetzgeber.
Der Große Senat vermag dieser Auffassung nicht zu folgen. Die Weiterbeschäftigungsregelung des § 102 Abs. 5 BetrVG ist im Zusammenhang mit der Neufassung des Betriebsverfassungsgesetzes 1972 eingeführt worden. Ziel der Neufassung war es, die Stellung des Betriebsrats zu stärken. Diesem Ziel diente auch das dem Betriebsrat in § 102 Abs. 3 BetrVG eingeräumte Widerspruchsrecht gegen eine vom Arbeitgeber beabsichtigte ordentliche Kündigung. Die in § 102 Abs. 3 Nr. 1 bis 5 BetrVG im einzelnen aufgeführten und abschließend festgelegten Gründe für einen möglichen Widerspruch des Betriebsrats liegen sämtlich im kollektivrechtlichen Bereich. Wenn das Gesetz dann in § 102 Abs. 5 BetrVG an den ordnungsgemäßen Widerspruch des Betriebsrats die Pflicht des Arbeitgebers knüpft, den gekündigten Arbeitnehmer auf dessen Verlangen nach Erhebung der Kündigungsschutzklage bis zum rechtskräftigen Abschluß des Kündigungsprozesses bei unveränderten Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen, so geht es hier darum, dem Widerspruch des Betriebsrats auf der Ebene des Einzelarbeitsvertrags Nachdruck zu verschaffen. Dem Betriebsrat, dessen volle Mitbestimmung bei Kündigungen während des Gesetzgebungsverfahrens gefordert worden war, sollte dadurch eine stärkere Stellung gegeben werden. Das hat zwar zu einer Verbesserung der individualrechtlichen Stellung des gekündigten Arbeitnehmers geführt, aber nur als Folge der dem Betriebsrat eingeräumten Rechte. Die Verstärkung der Individualrechte des gekündigten Arbeitnehmers hat ihre Wurzel allein im kollektivrechtlichen Bereich. Deshalb schließt die Regelung des § 102 Abs. 5 BetrVG einen allgemeinen arbeitsvertragsrechtlichen Beschäftigungsanspruch des gekündigten Arbeitnehmers bis zum Abschluß des Kündigungsprozesses nicht aus.
b) Das erwähnte Urteil des Zweiten Senats vom 26. Mai 1977 stützt sich ferner auf die Erwägung, die Anerkennung eines allgemeinen vertraglichen Beschäftigungsanspruchs für die Dauer des Kündigungsprozesses führe zu einer völligen Umgestaltung der arbeitsgerichtlichen Aufgaben und Befugnisse im Kündigungsrechtsstreit; der individuelle Kündigungsschutz, wie er vor allem im Kündigungsschutzgesetz geregelt sei, kenne nur eine nachträgliche Überprüfung der Rechtswirksamkeit einer Kündigung durch die Gerichte für Arbeitssachen; die finanzielle Absicherung des gekündigten Arbeitnehmers während des Kündigungsprozesses erfolge in erster Linie durch die Arbeitslosenversicherung; beim Obsiegen des Arbeitnehmers regele sich die entgeltmäßige Abwicklung nach § 615 BGB und § 11 KSchG; bei Zulassung eines allgemeinen vertraglichen Weiterbeschäftigungsanspruchs würde an die Stelle einer nachträglichen Überprüfung der Wirksamkeit einer Kündigung in Gestalt eines Feststellungsurteils (§ 4 KSchG) eine präventive Kontrolle in Gestalt eines die Weiterbeschäftigung aussprechenden Leistungsurteils treten (ebenso insbesondere G. Hueck in seiner Anmerkung zu BAG AP Nr. 7 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht und in seinem Kommentar zum KSchG, 10. Aufl. 1980, Einleitung Rz 130 a; ferner Kraft, ZfA 1979, 123, 133; ähnlich Bötticher, BB 1981, 1954 ff., der wegen der Verzahnung von § 1 Satz 1 mit § 3 KSchG die Unwirksamkeit einer Kündigung wegen Sozialwidrigkeit für aufschiebend bedingt durch das die Unwirksamkeit feststellende letztinstanzliche Urteil hält).
Es ist nicht zu verkennen, daß bei einer im Widerspruch zur objektiven Rechtslage erfolgten Weiterbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers ein später die Wirksamkeit der Kündigung e x t u n c rechtskräftig feststellendes Urteil im praktischen Ergebnis den Effekt eines e x n u n c wirkenden Gestaltungsurteils hat, weil die einmal erfolgte Beschäftigung Fakten geschaffen hat, die nicht wieder rückgängig gemacht werden können. Die Problematik, daß durch die Vollstreckung eines mit einem Rechtsmittel noch anfechtbaren unrichtigen Leistungsurteils eine dem materiellen Recht widersprechende Folge eintritt, stellt sich aber letztlich bei der Durchsetzung jedes Leistungsanspruchs aufgrund eines vorläufig vollstreckbaren Urteils. Dieser Problematik hat der Gesetzgeber durch die Vorschriften über den Vollstreckungsschutz (§ 62 ArbGG, §§ 707 ff. ZPO) Rechnung getragen. Allein der Umstand, daß das Kündigungsschutzgesetz die Kündigungsschutzklage als Feststellungs- und nicht als Gestaltungsklage ausgestaltet hat, kann deshalb kein Anlaß sein, von der Unwirksamkeit der Kündigung abhängende Leistungsansprüche des Arbeitnehmers bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Kündigungsschutzprozesses auszuschließen. So ist das Bundesarbeitsgericht bisher stets als selbstverständlich davon ausgegangen, daß der gekündigte Arbeitnehmer seine aus der Unwirksamkeit der Kündigung hergeleiteten und deshalb auf Annahmeverzug (§ 615 BGB) gestützten Vergütungsansprüche schon während des Kündigungsschutzprozesses durch eine entsprechende Leistungsklage gerichtlich geltend machen und daß das Gericht ein entsprechendes (in der Regel vorläufig vollstreckbares) Leistungsurteil erlassen kann, auch wenn das die Unwirksamkeit der Kündigung feststellende Urteil noch nicht rechtskräftig ist (vgl. z. B. BAG Urteil vom 23. März 1972 - 2 AZR 226/71 - AP Nr. 63 zu § 626 BGB; BAG Urteil vom 26. August 1971 - 2 AZR 301/70 - AP Nr. 26 zu § 615 BGB; BAG 24, 446 = AP Nr. 28 zu § 615 BGB Betriebsrisiko und BAG Urteil vom 16. Juni 1976 - 3 AZR 36/75 - AP Nr. 57 zu § 4 TVG Ausschlußfristen).
Wollte man einen generellen Ausschluß des arbeitsvertraglichen Beschäftigungsanspruchs während des Kündigungsrechtsstreits auf die Systematik des Kündigungsschutzgesetzes stützen, so müßten dafür schon andere Gründe als nur der Hinweis auf die Ausgestaltung der Kündigungsschutzklage als Feststellungsklage ins Feld geführt werden können.
Hueck (Anmerkung zu BAG AP Nr. 7 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht) weist hierzu auf die §§ 4, 7 und 13 Abs. 1 KSchG hin. Zwar sei nach § 1 KSchG eine Kündigung beim Fehlen eines sie sozial rechtfertigenden Grundes von Anfang an materiell-rechtlich unwirksam. Da aber gemäß § 4 KSchG ihre Unwirksamkeit mit einer frist- und formgebundenen Feststellungsklage geltend gemacht werden müsse, um die Heilung der Kündigung nach § 7 KSchG zu vermeiden, habe die Feststellungsklage auch ein gestaltendes Element. Daraus folge in Verbindung mit § 13 Abs. 1 KSchG als Grundkonzept des Kündigungsschutzgesetzes, daß die Wirksamkeit einer Kündigung nachträglich gerichtlich überprüft werde und erst die rechtskräftige Entscheidung den Bestand des Arbeitsverhältnisses und der sich daraus ergebenden Ansprüche für die Parteien verbindlich kläre. Bis dahin könne demgemäß keine Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers bestehen, weil ein materiell-rechtlicher Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers anders als der Anspruch auf Arbeitsentgelt nach rechtskräftiger Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung für die zurückliegende Zeit nicht mehr erfüllt werden könne.
Diese Ausführungen von Hueck vermögen nicht zu überzeugen. Daß die rechtzeitige Erhebung der Kündigungsschutzklage die Heilung der Sozialwidrigkeit der Kündigung ausschließt, gibt ihr nicht „ein gewisses gestaltendes Element” mit so weitreichenden Auswirkungen, wie Hueck sie annimmt. Die Notwendigkeit, die Unwirksamkeit einer Kündigung im Regelungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes mit einer Kündigungsschutzklage nach § 4 KSchG angreifen zu müssen, hat zur Folge, daß der Arbeitnehmer sich nicht darauf beschränken kann, die Unwirksamkeit der Kündigung nur als Vorfrage im Rahmen von Leistungsklagen aus dem seiner Ansicht nach nicht aufgelösten Arbeitsverhältnis geltend zu machen. Das Erfordernis der fristgebundenen Feststellungsklage dient der alsbaldigen, die Arbeitsvertragsparteien auch für alle weiteren Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis bindenden Klärung der Frage, ob die Kündigung sozial gerechtfertigt war und deshalb zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses geführt hat. Die fristgerechte Erhebung der Feststellungsklage verhindert nur die sonst nach § 7 KSchG eintretende Heilung einer unwirksamen Kündigung, verändert im übrigen aber den materiellen Rechtszustand zwischen Kündigung und Urteil nicht. Der lediglich rechtsfeststellende Charakter eines Urteils im Kündigungsschutzprozeß wird dadurch nicht berührt.
Auch aus sonstigen Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes ergeben sich entgegen der Ansicht von Kraft (ZfA 1979, 133) und Schwerdtner (DB 1979, Beilage Nr. 12, S. 13) keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, daß der Gesetzgeber davon ausgegangen ist, ein gekündigter Arbeitnehmer brauche während des Kündigungsschutzprozesses nicht weiterbeschäftigt zu werden.
Das gilt zunächst für die in § 9 KSchG getroffene Regelung über die gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Stellt das Gericht fest, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, so hat es unter den dort näher bezeichneten Voraussetzungen auf Antrag des Arbeitnehmers oder des Arbeitgebers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessen Abfindung zu verurteilen. Nach § 9 Abs. 2 KSchG hat das Gericht für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzustellen, an dem es bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte. Diese Regelung geht also davon aus, daß die Kündigung unwirksam ist, das Arbeitsverhältnis daher bis zu seiner Auflösung durch das Gericht fortbestanden hat. Als Auflösungszeitpunkt ist gleichwohl derjenige bestimmt, zu dem das Arbeitsverhältnis geendet hätte, wenn die Kündigung gerechtfertigt gewesen wäre. Es wird nicht differenziert danach, ob das Arbeitsverhältnis aufgrund einer Beschäftigung des Arbeitnehmers tatsächlich weitergeführt wurde. Trotzdem ist diese Regelung für den Weiterbeschäftigungsanspruch unergiebig. Sie kann weder als Indiz dafür gewertet werden, daß der Gesetzgeber des Kündigungsschutzgesetzes einen allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch nicht anerkennen wollte, noch rechtfertigt sie einen etwaigen Umkehrschluß, es habe dieser Regelung gerade bedurft, um die sonst eintretende Rechtsfolge zu begrenzen, daß eine unwirksame Kündigung eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auslöst. Die Vorschrift des § 9 KSchG wurde mit dem Kündigungsschutzgesetz 1951 eingeführt. Änderungen hat sie nur in einigen für die vorliegende Betrachtung nicht wesentlichen Punkten erfahren. Der Beschäftigungsanspruch spielte damals in der Rechtsprechung noch keine Rolle. Deshalb muß davon ausgegangen werden, daß der Gesetzgeber mit der Regelung des § 9 KSchG keine Aussage über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Weiterbeschäftigungsanspruchs machen wollte.
Aus § 12 KSchG läßt sich ebenfalls nichts herleiten. Nach dieser Vorschrift kann der im Kündigungsschutzprozeß obsiegende Arbeitnehmer, der inzwischen ein neues Arbeitsverhältnis eingegangen ist, binnen einer Woche nach Rechtskraft des Urteils durch Erklärung gegenüber dem alten Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bei diesem verweigern. Daraus ergibt sich nur, daß der Gesetzgeber von der Möglichkeit der Eingehung eines neuen Arbeitsverhältnisses während des Kündigungsschutzprozesses trotz Fortbestand des gekündigten Arbeitsverhältnisses ausgeht. Das besagt aber nichts darüber, ob der gekündigte Arbeitnehmer, statt ein neues Arbeitsverhältnis einzugehen, Weiterbeschäftigung bei seinem bisherigen Arbeitgeber hätte verlangen können.
Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts Bremen (DB 1979, 459) ist schließlich auch der Regelung des § 11 KSchG über die Anrechnung anderweitigen Verdienstes nicht zu entnehmen, daß das Kündigungsschutzgesetz von der Beendigung der Beschäftigung mit dem Entlassungstermin ausgeht. Diese Vorschrift trifft nur eine Regelung für den Fall, daß der Arbeitnehmer während des Rechtsstreits nicht weiterbeschäftigt worden ist. Darin liegt kein konkludenter Ausschluß eines Weiterbeschäftigungsanspruchs, weil sich die Bedeutung des § 11 KSchG im wesentlichen darin erschöpft, den Arbeitgebern und Arbeitnehmern die Unterrichtung über die nach § 615 BGB bestehende Rechtslage zu erleichtern. Aus der Vorschrift des § 11 Ziff. 3 KSchG über die Anrechnung erhaltener öffentlich-rechtlicher Versicherungs- oder Sozialhilfeleistungen auf das nachzuzahlende Arbeitsentgelt bei Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung kann auch nicht entnommen werden, daß im System des individuellen Kündigungsschutzes die finanzielle Absicherung des Arbeitnehmers während des Kündigungsschutzrechtsstreits durch die Arbeitslosenversicherung ausreichend sei und daneben kein Bedürfnis für einen Beschäftigungsanspruch bestehe.
2. Wie dargelegt wurde, besteht der aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) abgeleitete allgemeine Beschäftigungsanspruch nur, soweit nicht im Einzelfalle überwiegende schutzwürdige Interessen des Arbeitgebers entgegenstehen. Bei einem Interessenwiderstreit bedarf es also einer Interessenabwägung zur Feststellung, ob der Arbeitgeber zur tatsächlichen Beschäftigung des Arbeitnehmers verpflichtet ist. Das gilt bereits in einem unangefochten bestehenden Arbeitsverhältnis.
a) Wird das Arbeitsverhältnis vom Arbeitgeber gekündigt und wird das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses streitig, weil der gekündigte Arbeitnehmer die Kündigung für unwirksam hält und sich dagegen mit einer Klage zur Wehr setzt, so verändert sich dadurch die Interessenlage der Arbeitsvertragsparteien im Hinblick auf eine weitere tatsächliche Beschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers. Zwar ist Grundvoraussetzung für den allgemeinen Beschäftigungsanspruch stets der rechtliche Bestand des Arbeitsverhältnisses, so daß ein vertraglicher Beschäftigungsanspruch für die Dauer des Kündigungsrechtsstreits nur gegeben sein kann, wenn nach der objektiven Rechtslage die ausgesprochene Kündigung unwirksam ist und das Arbeitsverhältnis demzufolge auch während des Kündigungsprozesses fortbesteht. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Kündigungsprozesses herrscht aber Ungewißheit über die objektive Rechtslage. Gerade diese Ungewißheit ist es, die sich auf die Interessenlage auswirkt und sie verändert. Beschäftigt der Arbeitgeber den gekündigten Arbeitnehmer während des Kündigungsprozesses weiter, so geht er das Risiko ein, daß er bei von ihm letztlich gewonnenem Prozeß den Arbeitnehmer ohne Rechtsgrund beschäftigt und dadurch zu seinem Nachteil Fakten geschaffen hat, die nicht oder nicht vollständig wieder rückgängig gemacht werden können. Beschäftigt demgegenüber der Arbeitgeber den gekündigten Arbeitnehmer während des Kündigungsrechtsstreits nicht weiter und wird dann durch rechtskräftiges Urteil die Unwirksamkeit der Kündigung festgestellt, so wird für den Arbeitnehmer das nicht wieder rückgängig zu machende Faktum geschaffen, daß er trotz seines Beschäftigungsanspruchs in der Vergangenheit dennoch nicht beschäftigt worden ist und diese Beschäftigung auch nicht mehr nachgeholt werden kann. Dieses beiderseitige Risiko des ungewissen Prozeßausgangs kann daher bei der Prüfung des Weiterbeschäftigungsanspruchs nicht außer Betracht gelassen werden.
Dem kann nicht entgegengehalten werden, daß die objektiv gegebene materielle Rechtslage unabhängig davon bestehe, ob über sie in einem Rechtsstreit gestritten wird, und daß daher ein materiell-rechtlicher Anspruch in seinem Bestande nicht davon abhängen könne, ob ein Rechtsstreit über seine Voraussetzungen anhängig sei; die Frage, welche Partei das Risiko des ungewissen Prozeßausgangs bei vorläufiger Durchsetzung eines Anspruchs aufgrund eines noch nicht rechtskräftigen Urteils zu tragen hat, sei keine materiell-rechtliche, sondern eine prozeßrechtliche Frage, die in den Vorschriften des Zwangsvollstreckungsrechts über den vorläufigen Vollstreckungsschutz geregelt werde.
Es ist im Grundsatz zwar richtig, daß die objektiv bestehende materielle Rechtslage nicht allein dadurch eine Veränderung erfährt, daß über sie in einem Rechtsstreit mit ungewissem Ausgang gestritten wird. Wenn aber ein Anspruch wie vorliegend der allgemeine Beschäftigungsanspruch in seinem Bestand materiell-rechtlich von der jeweiligen Interessenlage der Vertragsparteien beeinflußt werden kann, so kann auch das Anhängigwerden eines Rechtsstreits materiell-rechtliche Auswirkungen haben, wenn sich infolge der dadurch hervorgerufenen Ungewißheit und Unsicherheit die Interessenlage verschiebt.
b) Von einer Prüfung der Frage, wie sich die prozeßbedingte Ungewißheit über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses auf die Interessenlage der Parteien und damit auf den allgemeinen Beschäftigungsanspruch auswirkt, kann auch nicht etwa deswegen abgesehen werden, weil bereits die Vorschriften der ZPO über den Vollstreckungsschutz eine angemessene Risikoverteilung gewährleisteten.
Die prozeßrechtlichen Vollstreckungsschutzvorschriften können die objektiv bestehende materielle Rechtslage nicht ändern. Dennoch können sie möglicherweise für die Beurteilung der materiellen Rechtslage Bedeutung gewinnen, wenn es um Fragen der Rechtsfortbildung geht; denn eine Rechtsfortbildung kann nur in Betracht kommen, wenn die Rechtsordnung nicht schon aufgrund bestehender Regelungen eine angemessene Lösung ermöglicht.
Allerdings stellt die grundsätzliche Anerkennung des allgemeinen arbeitsvertraglichen Beschäftigungsanspruchs auch für die Dauer eines über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses geführten Rechtsstreits keine neue und weitere Rechtsfortbildung gegenüber der bisherigen Rechtsprechung dar. Vielmehr handelt es sich insoweit lediglich um die Anwendung der von der Rechtsprechung zum allgemeinen Beschäftigungsanspruch schon entwickelten Grundsätze auf die besondere Situation des schwebenden Rechtsstreits über den weiteren Bestand des Arbeitsverhältnisses. Voraussetzungen und Grenzen des anerkannten allgemeinen Beschäftigungsanspruchs werden dabei nicht verändert, sondern lediglich seine Grenzen aufgrund der durch die Ungewißheit des Prozeßausgangs gegebenen Interessenlage festgestellt. Gleichwohl erscheint eine Prüfung der Frage geboten, ob nicht bereits die prozeßrechtlichen Vollstreckungsschutzvorschriften der Interessenlage der Arbeitsvertragsparteien im Hinblick auf eine Weiterbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers im Rechtsstreit um die Kündigung angemessen Rechnung tragen. Auch wenn es hier nicht um eine erneute Rechtsfortbildung geht, so muß doch bedacht werden, daß schon die Anerkennung des allgemeinen Beschäftigungsanspruchs das Ergebnis einer Rechtsfortbildung ist und der Große Senat deshalb bei der Frage nach der Ausgestaltung dieses Anspruchs während des Kündigungsprozesses auf dieser Rechtsfortbildung aufbauen muß. Die Beantwortung dieser Frage kann daher nicht ohne Rücksicht auf bestehende gesetzliche Wertungen über die Verteilung des Risikos des ungewissen Prozeßausgangs erfolgen.
Die prozessualen Vollstreckungsschutzvorschriften (§ 62 Abs. 1 Satz 2 ArbGG, §§ 707, 719 ZPO) tragen der spezifischen Interessenlage der Arbeitsvertragsparteien im Hinblick auf eine Weiterbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers während des Kündigungsprozesses jedoch nicht hinreichend Rechnung.
Die Durchsetzung eines noch nicht rechtskräftigen arbeitsgerichtlichen Beschäftigungsurteils kann der Arbeitgeber gemäß § 62 Abs. 1 Satz 2 ArbGG nur verhindern, wenn die Vollstreckung ihm einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde. Nicht einmal solche Nachteile, die nur schwer zu ersetzen oder schwer abzusehen sind, reichen nach dieser Vorschrift aus, die vorläufige Vollstreckbarkeit des arbeitsgerichtlichen Urteils auszuschließen. Schon daran zeigt sich, daß die gesetzliche Vollstreckungsschutzregelung wegen ihres groben Rasters nicht geeignet ist, als Maßstab für die beim allgemeinen Beschäftigungsanspruch erforderliche Abwägung aller beiderseitigen Interessen zu dienen.
Allerdings wird die Auffassung vertreten, die Vollstreckung eines auf Beschäftigung gerichteten Urteils bringe dem Arbeitgeber stets einen nicht zu ersetzenden Nachteil, wenn später rechtskräftig die Wirksamkeit der angegriffenen Kündigung festgestellt und demzufolge ein Weiterbeschäftigungsanspruch verneint werde, weil die erzwungene Beschäftigung des Arbeitnehmers als solche und die darin liegende Willensbeeinträchtigung des Arbeitgebers nicht wieder rückgängig zu machen sei (Dudzus/Frohner, BB 1979, 482 f.; Hillebrecht, BlStSozArbR 1978, 113, 115; Kraft, ZfA 1979, 123, 136; Körnig/Reinecke, AuR 1978, 233, 235). Der Große Senat teilt diese Auffassung nicht.
Wäre ein unersetzlicher Nachteil allein schon in der mit der Zwangsvollstreckung verbundenen Willensbeeinträchtigung des Schuldners zu sehen, dann müßte die vorläufige Vollstreckbarkeit bei allen auf Vornahme einer Handlung oder auf Duldung oder Unterlassung gerichteten Urteilen stets ausgeschlossen werden; denn die einmal erfolgte Willensbeugung des Schuldners ist später nicht wieder rückgängig zu machen. Insbesondere bei vorläufig vollstreckbaren Duldungs- und Unterlassungsurteilen schafft die Vollziehung des Urteils jedenfalls zeitweise einen Zustand, der nicht rückwirkend wieder aus der Welt zu schaffen ist. Das allein reicht aber nicht aus, einem Urteil die vorläufige Vollstreckbarkeit zu nehmen. Ein unersetzlicher Nachteil im Sinne der genannten Vollstreckungsschutzvorschriften kann vielmehr nur ein solcher sein, der über den allein darin bestehenden Nachteil, nicht nach seinem Belieben handeln zu dürfen, hinausgeht (BGH Beschluß vom 9. November 1960 - IV ZR 238/60 -, NJW 1961, 76). Bei einem auf Beschäftigung eines Arbeitnehmers gerichteten Urteil ist deshalb nicht allein schon darin ein unersetzbarer Nachteil zu sehen, daß eine stattgefundene Beschäftigung nicht rückgängig gemacht werden kann. Vielmehr muß die Beschäftigung sonstige Schäden in einem Ausmaß befürchten lassen, daß aller Wahrscheinlichkeit nach vom Arbeitnehmer kein Ersatz zu erlangen sein wird (Dütz, DB 1980, 1069, 1072; Grunsky, ArbGG, 4. Aufl., § 62 Rz 4; Löwisch, DB 1978, Beilage Nr. 7, S. 7; Coen, Das Recht auf Arbeit und der Bestandsschutz des gekündigten Arbeitsverhältnisses, 1979, S. 133 ff.; Klebe/Schumann, Das Recht auf Beschäftigung im Kündigungsschutzprozeß, 1981, S. 364 ff.).
Hiernach bieten die Vollstreckungsschutzvorschriften keine ausreichende Handhabe, um den beiderseitigen Interessen der Arbeitsvertragsparteien im Hinblick auf die Weiterbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers bis zum rechtskräftigen Abschluß des Kündigungsprozesses gerecht zu werden, so daß zur Bestimmung der Grenzen des allgemeinen Beschäftigungsanspruchs eine eigenständige, nicht an die vollstreckungsschutzrechtlichen Regelungen gebundene Interessenabwägung stattzufinden hat.
3. Es bedarf nach alledem der Feststellung, ob bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis die während der Dauer des Rechtsstreits bestehende Ungewißheit hierüber ein dem Beschäftigungsinteresse des klagenden Arbeitnehmers entgegenstehendes überwiegendes und schutzwertes Interesse des beklagten Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung begründet und deswegen einen Beschäftigungsanspruch für die Prozeßdauer entfallen läßt.
a) Die Ungewißheit über den Fortbestand des gekündigten Arbeitsvertrags kann dann nicht zu einer Verschiebung der Interessenlage der Arbeitsvertragsparteien gegenüber der Zeit des unangefochtenen Bestands des Arbeitsverhältnisses führen, wenn die umstrittene Kündigung o f f e n s i c h t l i c h u n w i r k s a m ist.
Bei offensichtlicher Unwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung besteht in Wahrheit kein ernstzunehmender Zweifel am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses, so daß in einem solchen Fall allein mit der rein subjektiven Ungewißheit des Arbeitgebers über den Prozeßausgang kein der Weiterbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers entgegenstehendes überwiegendes Interesse des Arbeitgebers begründet werden kann. Der wiederholt genannten Entscheidung des Zweiten Senats vom 26. Mai 1977 (BAG 29, 195 = AP Nr. 5 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht) ist deshalb darin zuzustimmen, daß die Fälle der offensichtlich unwirksamen Kündigung nicht anders behandelt werden können als diejenigen, in denen der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses nicht zweifelhaft ist und nur darüber gestritten wird, ob der Arbeitnehmer tatsächlich zu beschäftigen ist. In solchen Fällen besteht nämlich objektiv gar keine Ungewißheit über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses, so daß sie auch nicht zum Anlaß genommen werden kann, den Arbeitnehmer vorübergehend nicht zu beschäftigen.
Eine offensichtlich unwirksame Kündigung ist allerdings nicht schon dann anzunehmen, wenn ein Instanzgericht die Unwirksamkeit der Kündigung feststellt. Sie liegt vielmehr nur dann vor, wenn sich schon aus dem eigenen Vortrag des Arbeitgebers ohne Beweiserhebung und ohne daß ein Beurteilungsspielraum gegeben wäre, jedem Kundigen die Unwirksamkeit der Kündigung geradezu aufdrängen muß. Die Unwirksamkeit der Kündigung muß also ohne jeden vernünftigen Zweifel in rechtlicher und in tatsächlicher Hinsicht offen zu Tage liegen. In diesem Sinne versteht auch der Zweite Senat in der erwähnten Entscheidung das Merkmal der Offensichtlichkeit, wenn es dort heißt, der Fall der offensichtlich unwirksamen Kündigung werde regelmäßig gegeben sein, wenn bei feststehendem Sachverhalt die Rechtsfolge der Unwirksamkeit oder Nichtigkeit der Kündigung unzweifelhaft ohne jeden Beurteilungsspielraum des Tatsachenrichters sich unmittelbar aus dem Gesetz ergibt. Nur bei einem solchen Verständnis des Begriffs der offensichtlich unwirksamen Kündigung ist es gerechtfertigt, diese Kündigung für die Interessenabwägung unberücksichtigt zu lassen und für den Beschäftigungsanspruch davon auszugehen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien fortbesteht.
Die Abgrenzung der offensichtlich unwirksamen Kündigungen von sonstigen unwirksamen Kündigungen bereitet keine besonderen praktischen Schwierigkeiten, so daß Gründe der Praktikabilität einer solchen Lösung nicht entgegenstehen. Auch das Gesetz kennt den Begriff der Offensichtlichkeit und verwendet ihn als Abgrenzungsmerkmal. Hingewiesen sei hierzu etwa auf § 102 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 BetrVG, wonach das Gericht den Arbeitgeber auf seinen Antrag durch einstweilige Verfügung von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung nach Satz 1 dieser Vorschrift entbinden kann, wenn der Widerspruch des Betriebsrats offensichtlich unbegründet war.
b) Abgesehen von den Fällen der offensichtlich unwirksamen Kündigung begründet die Unsicherheit über die Wirksamkeit der Kündigung und damit die Ungewißheit des Prozeßausgangs mit den daraus folgenden Risiken ein schutzwertes Interesse des Arbeitgebers, den gekündigten Arbeitnehmer für die Dauer des Kündigungsprozesses nicht zu beschäftigen.
Beschäftigt der Arbeitgeber den gekündigten Arbeitnehmer trotz ungewissen Prozeßausgangs weiter, so läuft er Gefahr, dadurch den Ausgang des Kündigungsprozesses zu seinen Ungunsten faktisch zu präjudizieren. Durch die tatsächliche Weiterbeschäftigung können personen-, verhaltens- und betriebsbedingte Kündigungsgründe an Bedeutung verlieren (Bächle, NJW 1979, 1695 f.; Schwerdtner, DB 1979, Beilage Nr. 12, S. 15).
Von erheblichem Gewicht ist das Nichtbeschäftigungsinteresse des Arbeitgebers jedoch deswegen, weil die Beschäftigung des Arbeitnehmers während des Kündigungsprozesses bei späterer rechtskräftiger Feststellung der Wirksamkeit der Kündigung zur Begründung eines tatsächlichen Arbeitsverhältnisses führt. Eine vollzogene Beschäftigung läßt sich nicht mehr ungeschehen machen. Dabei kann offenbleiben, ob ein solches tatsächliches Arbeitsverhältnis einem faktischen Arbeitsverhältnis im üblichen Sinne gleichzustellen und es daher für die Vergangenheit wie ein rechtswirksames Arbeitsverhältnis zu behandeln ist mit der Folge, daß der Arbeitnehmer in diesem Falle trotz Wirksamkeit der Kündigung und der dadurch erfolgten Beendigung des Arbeitsverhältnisses seine Vergütungsansprüche für die Zeit der tatsächlichen Beschäftigung behielte (so etwa Hillebrecht, BlStSozArbR 1978, 113, 115; Bächle, NJW 1979, 1693, 1694; Coen, Das Recht auf Arbeit und der Bestandsschutz des gekündigten Arbeitsverhältnisses, 1979, S. 87 f.; Mayer-Maly, DB 1979, 1601, 1606; dagegen: Heinze, DB 1985, 111, 122 f.; Klebe/Schumann, Das Recht auf Beschäftigung im Kündigungsschutzprozeß, 1981, S. 356 ff., die allerdings einen Rechtsgrund für das Arbeitsverhältnis in einem „Vollstreckungsverhältnis” sehen wollen). Ein faktisches Arbeitsverhältnis im üblichen Sinne setzt immerhin voraus, daß die Beschäftigung des Arbeitnehmers zwar ohne Rechtsgrund, aber doch regelmäßig mit Wissen und Willen des Arbeitgebers erfolgt, während hier dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung gegen seinen Willen aufgezwungen wird, was zugleich die Vertragsfreiheit beeinträchtigt. Auch wenn man deswegen in diesem Falle die Grundsätze über die Behandlung eines faktischen Arbeitsverhältnisses nicht oder nicht uneingeschränkt anwenden und eine Rückabwicklung nach Bereicherungsrecht ins Auge fassen wollte, so stieße eine solche Rückabwicklung auf ganz erhebliche praktische Schwierigkeiten, die im Ergebnis regelmäßig oder doch in vielen Fällen dazu führen würden, daß der Arbeitgeber die dem Arbeitnehmer aufgrund seiner tatsächlichen Beschäftigung gezahlte Vergütung nicht zurückerhielte. Jedenfalls bestünde die Gefahr, daß es wegen der Rückabwicklung zu weiteren Streitigkeiten und zu einem neuen Rechtsstreit mit allen sich daraus ergebenden Belastungen kommt. Gleiches gilt, wenn es um den Ausgleich etwaiger über die rechtsgrundlose Vergütungszahlung hinausgehender Nachteile und Schäden des Arbeitgebers geht. Auch hier wäre der Arbeitgeber mit dem oft schwierigen Nachweis der Ursächlichkeit und der Schadenshöhe belastet.
Auf seiten des Arbeitnehmers besteht das für die Anwendung des allgemeinen Beschäftigungsanspruchs maßgebliche ideelle Interesse, durch Ausübung der vertragsgemäßen Tätigkeit seine Persönlichkeit zu entfalten sowie sich die Achtung und Wertschätzung der Menschen seines Lebenskreises zu erwerben oder zu erhalten, auch während des Kündigungsprozesses ungeschmälert fort. Dabei ist es unerheblich, ob in der kündigungsbedingten Nichtbeschäftigung eine bewußte Ehrenkränkung des Arbeitnehmers liegt. Der allgemeine Persönlichkeitsschutz, dem der Beschäftigungsanspruch dient, beschränkt sich nicht auf den Schutz vor Ehrenkränkungen. Die Selbstachtung des Arbeitnehmers und sein Ansehen in seiner Familie und in seiner sozialen Umwelt leidet, wenn er wegen der Kündigung nicht beschäftigt wird.
Das gekennzeichnete ideelle Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers wird auch nicht dadurch abgeschwächt, daß es sich bei seiner Verwirklichung während des Rechtsstreits zugleich im Sinne eines vorläufigen Bestandsschutzes des Arbeitsverhältnisses auswirkt, weil durch die Weiterbeschäftigung die endgültige Wiedereingliederung des Arbeitnehmers in den Betrieb nach von ihm gewonnenem Prozeß gesichert oder erleichtert wird. Rechtsgrund, Schutzzweck und Rechtswirkungen der Weiterbeschäftigung sind voneinander zu trennen, so daß es nicht gerechtfertigt erscheint, den Weiterbeschäftigungsanspruch vom Rechtsgrund her anders zu beurteilen als den Beschäftigungsanspruch (Bitter, Das Arbeitsrecht der Gegenwart, 1978, S. 38 f.).
Dagegen ist das materielle, auf die Erlangung des Arbeitsentgelts gerichtete Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers im allgemeinen hinreichend durch § 615 BGB gesichert. Wird der Arbeitnehmer während des Kündigungsprozesses trotz fortbestehenden Arbeitsverhältnisses nicht beschäftigt, so gerät der Arbeitgeber in Annahmeverzug, so daß er zur Zahlung der vereinbarten Vergütung verpflichtet ist, ohne vom Arbeitnehmer die Nachleistung der Dienste verlangen zu können. Diesen Vergütungsanspruch kann der gekündigte Arbeitnehmer schon im Kündigungsschutzprozeß durch einen entsprechenden Leistungsantrag neben dem Kündigungsfeststellungsantrag geltend machen. Nimmt der gekündigte Arbeitnehmer eine sich ihm während des Kündigungsprozesses bietende Gelegenheit anderweitigen Erwerbs nicht wahr, so wirkt sich das auf seinen Vergütungsanspruch nach § 615 BGB nur aus, wenn ihm Böswilligkeit vorzuwerfen ist. Ein böswilliges Unterlassen anderweitigen Erwerbs verdient keinen Schutz.
Wägt man die dargestellten Interessen beider Seiten gegeneinander ab, so ergibt sich, daß jedenfalls in der Regel zunächst einmal das berechtigte und schutzwerte Interesse des Arbeitgebers, wegen des für ihn damit verbundenen hohen Risikos, den Arbeitnehmer während des Kündigungsprozesses nicht zu beschäftigen, stärker und dringender erscheint. Die den Arbeitgeber bei von ihm letztlich gewonnenem Kündigungsprozeß aus der dann rechtsgrundlos vollzogenen Beschäftigung des Arbeitnehmers treffenden Nachteile sind im allgemeinen schwerwiegender als die Nachteile des Arbeitnehmers, die dieser durch ein zeitweiliges Unterbleiben der Beschäftigung erleidet. Zwar kann auch eine unterbliebene Beschäftigung später nicht mehr nachgeholt werden, wenn sich die Kündigung letztlich als unwirksam erweist. Eine nur vorübergehende Unterbrechung seiner Tätigkeit bedeutet für den Arbeitnehmer aber noch keine gravierende Beeinträchtigung der Entfaltungsmöglichkeiten seiner Persönlichkeit und seines Ansehens in seiner sozialen Umwelt.
c) Die Interessenlage ändert sich jedoch, wenn im Kündigungsprozeß ein die Instanz abschließendes Urteil ergeht, das die Unwirksamkeit der Kündigung und damit den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses feststellt. Durch ein solches noch nicht rechtskräftiges Urteil wird zwar keine endgültige Klarheit über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses geschaffen. Aber die Parteien hatten Gelegenheit, dem Gericht in einem ordentlichen Prozeßverfahren die zur rechtlichen Beurteilung der Kündigung aus ihrer Sicht erforderlichen Tatsachen vorzutragen, dafür Beweis anzutreten und ihre Rechtsauffassungen darzustellen. Wenn ein Gericht daraufhin eine die Instanz abschließende Entscheidung trifft und die Unwirksamkeit der Kündigung feststellt, so ist damit zumindest eine erste Klärung der Rechtslage im Sinne des klagenden Arbeitnehmers eingetreten. Ein noch mit einem Rechtsmittel anfechtbares Urteil läßt das Gesetz in vielen anderen Fällen bereits als Grundlage einer – vorläufigen – Zwangsvollstreckung ausreichen, weil es das Interesse der zunächst einmal obsiegenden Partei, ihren Klageanspruch zu verwirklichen, – von Ausnahmen abgesehen – höher bewertet als das Interesse der Gegenpartei, bis zu einer endgültigen Klärung der Rechtslage von Vollstreckungsmaßnahmen verschont zu bleiben. Deshalb muß auch ein vom Arbeitnehmer im Kündigungsprozeß erstrittenes Feststellungsurteil trotz der Ungewißheit, ob es im Rechtsmittelverfahren bestätigt wird, bei der notwendigen Abwägung der widerstreitenden Interessen der Arbeitsvertragsparteien hinsichtlich des Beschäftigungsanspruchs erheblich ins Gewicht fallen. Es wirkt sich, solange es besteht, dahin aus, daß nunmehr die Ungewißheit des endgültigen Prozeßausgangs für sich allein ein überwiegendes Gegeninteresse des Arbeitgebers nicht mehr begründen kann.
Liegt ein die Unwirksamkeit der Kündigung feststellendes Instanzurteil vor, so müssen zu der Ungewißheit des Prozeßausgangs zusätzliche Umstände hinzukommen, aus denen sich im Einzelfall ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers ergibt, den Arbeitnehmer nicht zu beschäftigen.
Zu denken ist hierbei etwa an solche Umstände, die auch im streitlos bestehenden Arbeitsverhältnis den Arbeitgeber zur vorläufigen Suspendierung des Arbeitnehmers berechtigen. Besteht z. B. gegen den Arbeitnehmer der Verdacht des Verrats von Betriebsgeheimnissen, so könnte der Arbeitgeber die Beschäftigung dieses Arbeitnehmers schon während des bestehenden Arbeitsverhältnisses verweigern, um das Ausspionieren weiteren betrieblichen Geschehens zu verhindern. Dann müßte ihm aber auch zugestanden werden, den Arbeitnehmer trotz einer vorläufigen Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung vom Betrieb fernzuhalten, solange sich die Unhaltbarkeit des Vorwurfs nicht rechtskräftig herausgestellt hat. Entsprechendes könnte für andere Fälle eines strafbaren oder schädigenden Verhaltens des Arbeitnehmers angenommen werden. Auch aus der Stellung des gekündigten Arbeitnehmers im Betrieb und der Art seines Arbeitsbereichs kann sich ein überwiegendes schutzwertes Interesse des Arbeitgebers ergeben, den betreffenden Arbeitnehmer wegen der Ungewißheit des Fortbestands des Arbeitsverhältnisses von seinem Arbeitsplatz fernzuhalten.
Ferner müßte das Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung dann überwiegen, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers führen würde. Schon die gesetzliche Regelung des Weiterbeschäftigungsanspruchs des gekündigten Arbeitnehmers in § 102 Abs. 5 BetrVG gibt dem Arbeitgeber unter dieser Voraussetzung die Möglichkeit, sich durch einstweilige Verfügung des Arbeitsgerichts von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung entbinden zu lassen.
Nur beim Vorliegen solcher zusätzlichen, ihn besonders belastenden Umstände kann der Arbeitgeber also trotz eines bereits ergangenen, wenn auch noch nicht rechtskräftigen gerichtlichen Urteils, das die Unwirksamkeit der Kündigung feststellt, seine Verurteilung zur Weiterbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers für die weitere Dauer des Rechtsstreits abwenden.
III.
Der Weiterbeschäftigungsanspruch kann ebenso wie der Vergütungsanspruch des gekündigten Arbeitnehmers bereits während des Kündigungsprozesses geltend gemacht werden. Das kann im Wege objektiver Klagehäufung (§ 260 ZPO) in dem Kündigungsprozeß geschehen oder in einem anderen Prozeß.
Soweit die Unwirksamkeit der Kündigung nicht nach den Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes geltend gemacht werden muß (vgl. § 13 Abs. 2 und 3 KSchG), bedarf es keiner vorher oder zugleich mit der Beschäftigungsklage erhobenen Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung. In diesen Fällen ist die Unwirksamkeit der Kündigung als Vorfrage im Weiterbeschäftigungsprozeß zu prüfen.
Ist dagegen die Unwirksamkeit der Kündigung nach den Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes geltend zu machen und deshalb nach § 4 KSchG innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung Klage auf Feststellung zu erheben, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, so setzt die gerichtliche Geltendmachung des Weiterbeschäftigungsanspruchs die Erhebung der Kündigungsschutzklage voraus. Der Weiterbeschäftigungsklage darf in diesem Falle nur stattgegeben werden, wenn ein Gericht für Arbeitssachen auf eine entsprechende Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers hin festgestellt hat oder gleichzeitig feststellt, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst worden ist.
Eine Aussetzung des Verfahrens über die Beschäftigungsklage bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Kündigungsprozesses gemäß § 148 ZPO ist nicht geboten. Zwar hängt der Weiterbeschäftigungsanspruch von der Frage des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses ab, die Gegenstand des Kündigungsschutzprozesses ist. § 148 ZPO stellt es jedoch in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts, ob es bei Vorgreiflichkeit eines anderen anhängigen Rechtsstreits sein Verfahren aussetzt, sie zwingt das Gericht aber nicht zur Aussetzung des Verfahrens.
Entgegen der Ansicht von Heinze (DB 1985, 111, 125) führt die Regelung der §§ 61 a Abs. 1, 64 Abs. 8 ArbGG nicht zu einer Reduzierung des gerichtlichen Ermessensspielraums nach § 148 ZPO dergestalt, daß das Gericht zur Aussetzung des Verfahrens über die Beschäftigungsklage gezwungen wäre. Die genannten Vorschriften des Arbeitsgerichtsgesetzes gebieten die vorrangige Erledigung der Kündigungsprozesse. Das bedeutet aber nur, daß die Entscheidung über den Beschäftigungsanspruch nicht zu einer Verzögerung des Kündigungsrechtsstreits führen darf. Ist die Beschäftigungsklage zugleich mit der Kündigungsschutzklage entscheidungsreif, so wird der Kündigungsrechtsstreit durch die gleichzeitige Entscheidung über den Beschäftigungsanspruch nicht verzögert.
IV.
Dieses vom Großen Senat gefundene Ergebnis steht nicht im Widerspruch zu Stellungnahmen des Gesetzgebers. Weder die unterbliebene Behandlung der Vorschläge der von der Bundesregierung im Jahre 1970 eingesetzten Arbeitsgesetzbuchkommission in einem Gesetzgebungsverfahren noch die Ablehnung eines Entschließungsantrags der Länder Hamburg und Hessen zu einem Weiterbeschäftigungsanspruch im Kündigungsschutzprozeß durch den Bundesrat am 7. Oktober 1983 lassen einen Willen des Gesetzgebers erkennen, daß ein Weiterbeschäftigungsanspruch außerhalb der Regelungen der §§ 102 Abs. 5 BetrVG, 79 Abs. 2 BPersVG ausgeschlossen sein soll.
Die Vorschläge der Arbeitsgesetzbuchkommission für ein allgemeines Arbeitsvertragsrecht sahen auch eine dem § 102 Abs. 5 BetrVG nachgebildete Regelung über eine Weiterbeschäftigung nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zur Beendigung des Kündigungsprozesses vor. Die Arbeiten dieser Kommission sind Ende 1976 beendet worden. Zu einer Behandlung des erarbeiteten Ergebnisses in einem Gesetzgebungsverfahren ist es nicht gekommen. Deshalb läßt sich nicht sagen, der Gesetzgeber habe einen Weiterbeschäftigungsanspruch nicht einführen wollen. Die Gesamtregelung ist von ihm nicht aufgegriffen worden, obgleich in vielen Fragen ein Regelungsbedürfnis bestanden hat und besteht.
Der von den Ländern Hamburg und Hessen im Bundesrat eingebrachte Entschließungsantrag mit der allgemein gehaltenen Aufforderung an die Bundesregierung, den Entwurf eines Gesetzes zur Ausdehnung des Weiterbeschäftigungsanspruchs während des Kündigungsschutzprozesses vorzulegen (BR-Drucks. 273/83), wurde in der Plenarsitzung des Bundesrates vom 7. Oktober 1983 (Protokoll 527. Sitzung S. 357 ff.) von der Bundesratsmehrheit abgelehnt. Diese Ablehnung hat für die Bundesratsmehrheit Senator Prof. Dr. Scholz (Berlin) vor allem damit begründet, daß nach dem Entschließungsantrag der Weiterbeschäftigungsanspruch in jedem Fall und ohne Rücksicht auf die materielle Berechtigung einer Kündigung pauschal gewährt werden solle. Aus seinen Ausführungen zur Ablehnung des Entschließungsantrags läßt sich nur entnehmen, daß die Bundesratsmehrheit keinen generellen und unbedingten Weiterbeschäftigungsanspruch verwirklicht sehen wollte, daß aber manche Regelungen „diskutabel und vielleicht auch plausibel sind” (aa0, S. 369). Somit ist in der Behandlung dieses Antrags im Bundesrat keine eindeutige, abschließende Stellungnahme des Bundesrats zur Frage eines Weiterbeschäftigungsanspruchs während des Kündigungsschutzprozesses zu sehen. Zudem fehlen in diesem Zusammenhang jegliche Willensäußerungen des Deutschen Bundestages wie auch Erklärungen über einschlägige Gesetzgebungsabsichten.
Unterschriften
Dr. Kissel, Dr. Auffarth, Dr. Dieterich, Dr. Thomas, Dr. Seidensticker, Dr. Feller, Dr. Jobs, Gröbing, Kehrmann, Dr. Müller, Mager
Fundstellen
Haufe-Index 60080 |
BAGE 48, 122-129 (LT1-2) |
BAGE, 122 |
BB 1985, 1978-1985 (LT1-2) |
DB 1985, 2197-2204 (LT1-2) |
NJW 1985, 2968 |
NJW 1985, 2968-2974 (LT1-2) |
NJW 2017, 3105 |
AiB 1985, 164-164 (L1-2) |
AuB 1985, 221-221 (T) |
AuB 1990, 91-92 (KT) |
AuB 1992, 154-155 (KT) |
ArbN 1985, 141-141 (T) |
BlStSozArbR 1985, 326-328 (T) |
JR 1986, 527 |
NZA 1985, 702-709 (LT1-2) |
RzK, I 10i Nr 1 (LT1-2) |
SAE 1986, 37-48 (LT1-2) |
ZIP 1985, 1214 |
ZIP 1985, 1214-1228 (LT1-2) |
AP, Beschäftigungspflicht (LT1-2) |
AR-Blattei, Beschäftigungspflicht Entsch 15 (LT1-2) |
AR-Blattei, ES 440 Nr 15 (LT1-2) |
ArbuR 1986, 159-159 (L1-2) |
EzA, Beschäftigungspflicht Nr 9 (LT1-2) |
EzBAT, Beschäftigung Nr 9 (LT1-2) |
JuS 1986, 240-241 (ST1-2) |
MDR 1986, 80-82 (LT1-2) |
PersR 1985, 166-166 (L1-2) |
ZfA 1985, 603-604 (T) |
Belling / Luckey 2000, 218 |