Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitbestimmung bei Schichtwechsel
Leitsatz (redaktionell)
Wird in einem Betrieb im Schichtbetrieb gearbeitet, so unterliegt auch die Regelung der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Arbeitnehmer von einer Schicht in die andere umgesetzt werden können, dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs 1 Nr 2 BetrVG.
Verfahrensgang
LAG Köln (Entscheidung vom 29.02.1988; Aktenzeichen 6 TaBV 65/87) |
ArbG Aachen (Entscheidung vom 20.08.1987; Aktenzeichen 5 BV 24/87) |
Gründe
A. Der Arbeitgeber betreibt eine Glasfabrik. Er beschäftigt in seinem in A gelegenen Betrieb etwa 1.000 Arbeitnehmer. 800 von ihnen arbeiten im Schichtbetrieb, davon etwa 350 im vollkontinuierlichen Vier-Schicht-Betrieb, der Rest im Drei-Schicht-Betrieb. Der Schichtplan wird jeweils für längere Zeit im voraus aufgestellt. Im Betrieb bestehen kleinere Arbeitseinheiten, denen jeweils eine bestimmte Anzahl von Funktionen zugeteilt ist. Sind zum Beispiel für eine Arbeitseinheit acht Funktionen ausgewiesen, so gehören ihr zehn Mitarbeiter an, zwei von ihnen als Reserve. Jeder Mitarbeiter ist einer bestimmten Schicht zugeteilt.
Im Betrieb des Arbeitgebers ergibt sich - z.B. aufgrund von Krankheit oder Urlaub, aber auch, wenn ein Arbeitnehmer ausscheidet - immer wieder die Situation, daß eine Arbeitseinheit unterbesetzt ist, während eine andere keine Ausfälle hat und voll besetzt ist. In solchen Situationen nimmt der Arbeitgeber einen Mitarbeiter aus der vollbesetzten Arbeitseinheit heraus und weist ihm eine Tätigkeit in der unterbesetzten Arbeitseinheit zu. Dies geschieht auch dann, wenn es dadurch für den betroffenen Mitarbeiter vorübergehend oder auf Dauer zu einem Schichtwechsel kommt. Ein solcher Schichtwechsel ergibt sich nach Angaben des Arbeitgebers etwa zwei- bis viermal monatlich, nach Angaben des Betriebsrats häufiger, so 26mal in den letzten drei Monaten. Den Schichtwechsel nimmt der Arbeitgeber vor, ohne den Betriebsrat zu beteiligen. Darin sieht dieser eine Verletzung seines Mitbestimmungsrechts.
Am 8. September 1986 übernahm der Arbeitgeber den Mitarbeiter W., der im vollkontinuierlichen Vier-Schicht-Betrieb arbeitete, von der Schicht 4-4, in der er bisher tätig war, in die Schicht 1-4. Dadurch ergab sich für W. eine andere Verteilung der Wochenarbeitszeit auf die einzelnen Wochentage sowie eine Änderung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit.
Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, beim Wechsel eines Arbeitnehmers von einer Schicht des Vier-Schicht-Betriebes in eine andere handele es sich um eine Versetzung im Sinne des § 95 Abs. 3 BetrVG, die nach § 99 BetrVG mitbestimmungspflichtig sei. Ein Schichtwechsel führe zu einer den Arbeitnehmer berührenden Änderung der Umstände der Arbeitsleistung. Er müsse mit neuen Arbeitskollegen zusammenarbeiten, sei einem neuen Vorgesetzten unterstellt und müsse zugleich seine Arbeitsaufgabe innerhalb einer anderen Arbeitsorganisation erbringen.
Darüber hinaus bringe der vom Arbeitgeber veranlaßte Schichtwechsel sowohl eine Veränderung der Arbeitszeitverteilung auf die einzelnen Wochentage als auch eine vorübergehende Verkürzung bzw. vorübergehende Verlängerung der Wochenarbeitszeit für den jeweils betroffenen Arbeitnehmer mit sich. Der Schichtwechsel, den der Arbeitgeber im Fall W. vorgenommen habe, stelle einen kollektiven Tatbestand dar, weil Maßnahmen dieser Art Arbeitnehmer beträfen, die in einer völlig identischen Vertragssituation zum Arbeitgeber stünden. Es seien keine betrieblichen oder persönlichen Belange oder Besonderheiten ersichtlich, die den Arbeitgeber veranlaßt haben könnten, gerade W. und nicht etwa einen anderen Arbeitnehmer auszuwählen.
Der Betriebsrat hat in erster Instanz vom Arbeitgeber die Rückgängigmachung der Versetzung des Mitarbeiters W. aus Schicht 4 in Schicht 1 verlangt. In zweiter Instanz hat er beantragt
festzustellen, daß der durch den Arbeitgeber
am 8. September 1986 veranlaßte Schichtwechsel
des Arbeitnehmers W. von Schicht 4 in Schicht
1 des vollkontinuerlichen 4-Schicht-Betriebes
unter Verstoß gegen die §§ 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3
sowie §§ 99, 100 BetrVG erfolgt ist.
Der Arbeitgeber hat beantragt, den Antrag abzuweisen. Bei einem Schichtwechsel eines Arbeitnehmers liege keine Versetzung im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne vor. Dem Arbeitnehmer werde durch die Umsetzung kein neuer Tätigkeitsbereich zugewiesen, weil der Gegenstand der geschuldeten Arbeitsleistung, der Inhalt der Arbeitsaufgabe und das Gesamtbild der Tätigkeit des Arbeitnehmers sich nicht ändere. Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ergebe sich auch nicht aus § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG. Durch die Umsetzung eines Arbeitnehmers würden Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage nicht verändert. Die mit dem Betriebsrat abgestimmten Schichtpläne blieben unverändert und würden eingehalten.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag abgewiesen. Auf die Beschwerde des Betriebsrats hat das Landesarbeitsgericht unter Abweisung des Antrags im übrigen festgestellt, daß der durch den Arbeitgeber am 8. September 1986 veranlaßte Schichtwechsel des W. von Schicht 4 in Schicht 1 unter Verstoß gegen § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG erfolgt ist. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt der Arbeitgeber die Abweisung des Antrags in vollem Umfange, während der Betriebsrat um Zurückweisung der Rechtsbeschwerde bittet.
B. Die Rechtsbeschwerde des Arbeitgebers ist nicht begründet.
I. Der Antrag des Betriebsrats ist zulässig.
Der Antrag bedarf der Auslegung; er ist der Auslegung fähig.
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats kann auch im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren Gegenstand eines Feststellungsantrags nach § 256 Abs. 1 ZPO nur das "Bestehen oder Nichtbestehen eines gegenwärtigen Rechtsverhältnisses zwischen den Beteiligten" sein (vgl. Beschluß vom 10. Juni 1986, BAGE 52, 160, 163 ff. = AP Nr. 18 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit). Diesem Erfordernis entspricht der Antrag des Betriebsrats, nach dem festgestellt werden soll, daß eine Anordnung des Arbeitgebers unter Verstoß gegen Mitbestimmungsrechte erfolgt ist, nicht. Der Antrag des Betriebsrats kann jedoch im Hinblick auf den Anlaß des Streits der Beteiligten und auf das zu seiner Begründung Vorgetragene ausgelegt werden (BAGE 49, 180, 184 = AP Nr. 21 zu § 99 BetrVG 1972; BAGE 50, 251, 253 = AP Nr. 28 zu § 99 BetrVG 1972; BAGE 51, 151, 155 = AP Nr. 33 zu § 99 BetrVG 1972). Aus dem Vorbringen der Beteiligten ergibt sich, daß diese generell über die Frage streiten, ob der Arbeitgeber Beteiligungsrechte des Betriebsrats zu beachten hat, wenn er aus betrieblichen Gründen Arbeitnehmer von einer Schicht in eine andere Schicht umsetzt. Von daher erscheint es möglich und auch geboten, den Antrag des Betriebsrats trotz der ausdrücklichen Erwähnung des Arbeitnehmers W. als einen allgemeinen Feststellungsantrag zu verstehen, mit dem die unter den Beteiligten streitige Frage einer gerichtlichen Entscheidung zugeführt werden soll.
2. Für den so verstandenen Feststellungsantrag besteht nach wie vor ein Rechtsschutzinteresse. Es geht um das Begehren, ob eine bestimmte Angelegenheit vom gesetzlichen Mitbestimmungsrecht gedeckt bzw. nicht gedeckt ist.
Der Senat hat allerdings in seiner Entscheidung vom 13. Oktober 1987 (- 1 ABR 10/86 - AP Nr. 24 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen) für Anträge des Arbeitgebers auf Feststellung, daß dem Betriebsrat in einer bestimmten Angelegenheit kein Mitbestimmungsrecht zusteht, ausgesprochen, für einen solchen Antrag fehle in aller Regel das Rechtsschutzinteresse, wenn die Angelegenheit durch einen Spruch der Einigungsstelle geregelt worden sei und dieser Spruch in seiner Wirksamkeit nicht umstritten sei und im Betrieb angewandt werde. Für eine Regelung der in ihrer Mitbestimmungspflichtigkeit zunächst umstrittenen Angelegenheit durch Betriebsvereinbarung kann nichts anderes gelten. Haben die Betriebspartner eine Angelegenheit durch Betriebsvereinbarung geregelt, so ist es für ihre Rechtsbeziehungen zueinander ohne Bedeutung, ob dem Betriebsrat in dieser Angelegenheit ein Mitbestimmungsrecht zusteht und ob er gegebenenfalls die getroffene Regelung aufgrund seines Mitbestimmungsrechts auch über einen entsprechenden Spruch der Einigungsstelle hätte erzwingen können. Deshalb fehlt in einem solchen Falle auch für einen positiven Feststellungsantrag des Betriebsrats das Rechtsschutzinteresse (Beschlüsse des Senats vom 12. Januar 1988 - 1 ABR 54/86 - AP Nr. 8 zu § 81 ArbGG 1979, zu B III 1 der Gründe und vom 18. April 1989 - 1 ABR 3/88 -, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen, zu B I 1 b der Gründe).
Es ist nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich, daß die Betriebspartner Fragen des Schichtwechsels bereits in einer Betriebsvereinbarung geregelt haben, aufgrund derer der Betriebsrat vom Arbeitgeber verlangen könnte, diese ihrem behaupteten Inhalt entsprechend durchzuführen. Zwar wird nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts der Schichtplan jeweils für längere Zeit im voraus vom Arbeitgeber unter Mitwirkung des Betriebsrats aufgestellt. Fragen des Schichtwechsels sind in diesen Schichtplänen aber offensichtlich nicht geregelt. Der Arbeitgeber hat im übrigen vorgetragen, bei der Einstellung von Arbeitnehmern nehme er die Zuordnung zu einer Schicht kraft seines Direktionsrechts wahr. Durch die mitbestimmten Schichtpläne ist daher ein etwaiges Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei einem Schichtwechsel von Arbeitnehmern nicht verbraucht.
3. Der Antrag des Betriebsrats ist ausreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Diejenigen Maßnahmen, für die der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht in Anspruch nimmt, müssen so genau bezeichnet werden, daß mit der Entscheidung feststeht, für welche Maßnahmen oder Vorgänge das Mitbestimmungsrecht bejaht oder verneint worden ist. Das ist hier im ausreichenden Umfang geschehen. Die Fallgestaltung, für die der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht in Anspruch nimmt, ist als Schichtwechsel eines Arbeitnehmers aus betrieblichen Gründen eindeutig beschrieben.
4. Das Landesarbeitsgericht hat den Antrag des Betriebsrates teilweise abgewiesen. Es hat damit im Ergebnis zutreffend erkannt, daß der Betriebsrat nicht schlechthin die Feststellung irgendeines Beteiligungsrechtes begehrt, sondern in Wahrheit zwei Anträge gestellt hat. Dadurch, daß er in seinem Antrag hinsichtlich des in Anspruch genommenen Mitbestimmungsrechtes sowohl auf § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 als auch auf § 99 BetrVG Bezug genommen hat, hat er zum Ausdruck gebracht, daß er die Feststellung sowohl des in § 87 BetrVG geregelten Mitbestimmungsrechtes als auch des Mitbestimmungsrechtes nach § 99 BetrVG begehrt. Die in diesen Vorschriften geregelten Beteiligungsrechte sind von unterschiedlicher Struktur und unterscheiden sich sowohl hinsichtlich ihrer Voraussetzungen als auch der Folgen im Nichteinigungsfalle. Während § 87 BetrVG dem Betriebsrat in den hier geregelten Angelegenheiten eine Mitregelungskompetenz zuspricht und bestimmt, daß im Nichteinigungsfalle die Einigungsstelle entscheidet, macht § 99 BetrVG die hier genannten personellen Einzelmaßnahmen von einer Zustimmung des Betriebsrates abhängig, deren unbegründete Verweigerung vom Arbeitsgericht zu ersetzen ist. Die Bezugnahme auf die genannten Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes schon im Antrag dient damit in einem solchen Falle auch der Bestimmung des Streitgegenstandes und ist nicht lediglich als Teil der rechtlichen Begründung für den Antrag zu verstehen (vgl. BAGE 46, 367, 372 f. = AP Nr. 9 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung, zu B I 2 der Gründe). Der Antrag des Betriebsrates war daher dahin zu verstehen, daß er einmal die Feststellung begehrt, daß er mitzubestimmen habe bei einer Regelung des Schichtwechsels von Arbeitnehmern aus betrieblichen Gründen, und zum anderen die Feststellung erstrebte, daß der vom Arbeitgeber geplante Schichtwechsel eines bestimmten Arbeitnehmers seiner Zustimmung bedarf. Die Anträge des Betriebsrates hätten von Anfang an so lauten können und bei Beachtung der Rechtsprechung des Senats auch lauten müssen. Auf eine entsprechende Antragstellung hätte schon das Landesarbeitsgericht hinwirken können.
II. Das Landesarbeitsgericht hat den Antrag des Betriebsrates auf Feststellung, daß der vom Arbeitgeber geplante Schichtwechsel eines bestimmten Arbeitnehmers seiner Zustimmung bedarf, abgewiesen. Der Betriebsrat hat dagegen ein Rechtsmittel nicht eingelegt. Der Senat hat daher nur noch über den Feststellungsantrag des Betriebsrates zu entscheiden, daß ihm ein Mitbestimmungsrecht zusteht bei der Regelung von aus betrieblichem Anlaß notwendig werdenden Schichtwechseln von Arbeitnehmern.
Diesem Antrag des Betriebsrates hat das Landesarbeitsgericht zu Recht stattgegeben. Die Rechtsbeschwerde des Arbeitgebers ist unbegründet.
1. Das Landesarbeitsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, das vom Betriebsrat in Anspruch genommene Mitbestimmungsrecht ergebe sich aus § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG. Nach dieser Vorschrift hat der Betriebsrat mitzubestimmen über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage.
Der Senat hat im Beschluß vom 28. Oktober 1986 (- 1 ABR 11/85 - AP Nr. 20 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit) entschieden, dem Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG unterfalle nicht nur die Frage, ob im Betrieb überhaupt in mehreren Schichten gearbeitet werden soll und wann die einzelnen Schichten beginnen und enden sollen. Es umfasse auch den Schicht- oder Dienstplan selbst (ebenso BAGE 41, 200 = AP Nr. 9 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit für den Rufbereitschaftsplan). Damit unterliegt auch die nähere Ausgestaltung des jeweiligen Schichtsystems im Detail der Mitbestimmung bis hin zu Fragen, in wieviel Schichten die Belegschaft aufzuteilen ist und welche Arbeitnehmer den einzelnen Schichten persönlich zuzuordnen sind (LAG Hamm vom 2. Juni 1978 - 3 TaBV 23/78 - EzA § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit Nr. 5; für die Anzahl der Rolliergruppen und die Zuordnung der Arbeitnehmer zu einer Rolliergruppe bei der Ausgestaltung der 5-Tage-Woche in einem Betrieb, der an allen sechs Werktagen geöffnet ist, vgl. Beschlüsse des Senats vom 31. Januar 1989 - 1 ABR 69/87 -, zur Veröffentlichung vorgesehen, und - 1 ABR 67/87 -, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen).
2. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht für Schichtumsetzungen aus betrieblichem Anlaß das Vorliegen eines kollektiven Tatbestands bejaht (dem Beschluß des Landesarbeitsgerichts zustimmend Gaul, NZA 1989, 48; Kingler, AiB 1988, 188; Trümner, Der Betriebsrat 1989, 37). Auch das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG setzt einen kollektiven Tatbestand voraus (BAGE 41, 200, 209 = AP Nr. 9 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit). Wie bei § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG wird dieser kollektive Tatbestand dadurch ausgewiesen, daß sich eine Regelungsfrage stellt, die kollektive Interessen der Arbeitnehmer des Betriebs berührt (zuletzt Beschluß des Senats vom 18. April 1989 - 1 ABR 3/88 -, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen).
a) Mit der Anordnung des Schichtwechsels von Arbeitnehmern aus betrieblichem Anlaß stellt sich eine solche Regelungsfrage, die kollektive Interessen der Arbeitnehmer des Betriebs berührt. Es ist die Frage zu regeln, wie bei aus bestimmten Anlässen erforderlich werdendem Schichtwechsel zu verfahren ist. Die Besetzung einer Schicht und damit auch das Auffüllen einer unvollständigen Schicht durch Hereinnahme eines Mitarbeiters aus einer anderen Schicht ist als durch betriebliche Belange bedingt anzusehen. Das Landesarbeitsgericht hat dazu ausgeführt, daß sich bei einem Schichtwechsel, durch den sich für den davon betroffenen Arbeitnehmer Beginn und Ende seiner täglichen Arbeitszeit und die Verteilung seiner Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage ändert, stets die Frage stellt, wer von mehreren in Betracht kommenden Arbeitnehmern für den Schichtwechsel ausgewählt werden soll und welche Kriterien für die Auswahl maßgebend sein sollen. Bei einem für einen längeren Zeitraum erforderlichen Schichtwechsel ist weiter zu regeln, ob ein Arbeitnehmer oder mehrere Arbeitnehmer den gesamten Bedarfszeitraum abdecken; so kann z.B. die Anzahl zulässiger Schichtwechsel je Arbeitnehmer pro Monat und Jahr limitiert werden (vgl. als Beispiel den Spruch einer Einigungsstelle vom 14. Januar 1989, Der Betriebsrat 1989, 41).
Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts besteht im Betrieb des Arbeitgebers insoweit ein Regelungsproblem unabhängig von der Person und den individuellen Wünschen eines einzelnen Arbeitnehmers. Zu Unrecht macht der Arbeitgeber mit der Rechtsbeschwerde geltend, nur den einzelnen Arbeitnehmer betreffende Umstände veranlaßten oder bestimmten die Anordnung eines Schichtwechsels. Bei einem aus bestimmten betrieblichen Anlässen erforderlich werdendem Schichtwechsel - wie Krankheit, Urlaub usw. - geht es gerade nicht um eine Einzelfallregelung.
b) Unbegründet ist auch der Einwand des Arbeitgebers, die betrieblichen Anlässe, die einen Schichtwechsel bedingen, seien so unterschiedlich, daß eine Regelung des gesamten Komplexes nicht möglich sei. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Anordnung eines Schichtwechsels hat in erster Linie die gemeinsame Regelung der Frage zum Inhalt, wie bei aus bestimmten Anlässen erforderlich werdendem Schichtwechsel zu verfahren ist; eine solche Regelung kann auch zum Inhalt haben, daß der Arbeitgeber bestimmte Schichtwechsel unter im einzelnen geregelten Voraussetzungen auch ohne Zustimmung des Betriebsrats im Einzelfall anordnen darf (vgl. die entsprechenden Ausführungen des Senats zum Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Anordnung von Mehrarbeit nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG in den Beschlüssen vom 12. Januar 1988 (- 1 ABR 54/86 - AP Nr. 8 zu § 81 ArbGG 1979) und vom 22. November 1988 (- 1 ABR 16/87 -, nicht veröffentlicht). Eine solche Regelung kann dem "Regelungsbedürfnis" der betreffenden Angelegenheit Rechnung tragen, das nach der Rechtsprechung des Senats gerade das Merkmal dafür ist, daß diese Maßnahme - gegebenenfalls auch gegenüber einem einzigen Arbeitnehmer - einen "kollektiven Bezug" hat.
Dr. Kissel Matthes Dr. Weller
Koerner Dr. Federlin
Fundstellen
Haufe-Index 436845 |
BAGE 62, 202-210 (LT1) |
BAGE, 202 |
DB 1989, 2386-2387 (LT1) |
AiB 1990, 37-38 (LT1) |
BetrR 1990, 48-49 (LT1) |
BetrVG EnnR BetrVG § 87 Abs 1, Nr 2 (5) (LT1) |
Gewerkschafter 1989, Nr 12, 39-39 (T) |
JR 1990, 176 |
NZA 1990, 35-37 (LT1) |
RdA 1989, 381 |
AP § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit (LT1), Nr 35 |
AR-Blattei, Betriebsverfassung XIVB Entsch 119 (LT1) |
AR-Blattei, ES 530.14.2 Nr 119 (LT1) |
EzA § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit, Nr 36 (LT1) |
VersR 1989, 1219-1220 (LT1) |