Leitsatz (redaktionell)
(Feststellungsklage nach § 146 Abs 1 Satz 1 KO)
1. Ansprüche der Arbeitnehmer aus Sozialplänen, die nach Konkurseröffnung aufgestellt wurden, sind Konkursforderungen.
2. Konkursgläubiger können ihre Forderungen gegen den Gemeinschuldner nur nach den Vorschriften der Konkursordnung durchsetzen. Sie müssen ihre Forderung nach Grund und Höhe sowie ein beanspruchtes Vorrecht anmelden.
3. Bestreiten der Konkursverwalter oder ein Konkursgläubiger die Forderung oder das beanspruchte Vorrecht, kann der Gläubiger die Feststellung seiner Forderung und des Vorrechts gegen den Bestreitenden betreiben (§ 146 Abs 1 Satz 1 KO). a. Die vorausgegangene Anmeldung ist notwendige Prozeßvoraussetzung für eine solche Feststellungsklage. b. Für eine allgemeine Feststellungsklage (§ 256 Abs 1 ZPO), mit der ein Vorrecht für eine Konkursforderung festgestellt werden soll, besteht neben der Klage nach § 146 Abs 1 Satz 1 KO kein Rechtsschutzinteresse.
Normenkette
KO §§ 138, 3 Abs. 1, § 140 Abs. 2, § 141 Abs. 1, § 144 Abs. 1, § 146 Abs. 5, 4, § 139 S. 1; ZPO § 256 Abs. 1; ArbGG § 73 Abs. 1; KVfSPlG § 4 S. 1, § 6 Abs. 1; KO § 61 Abs. 1 Nr. 1, § 146 Abs. 1 S. 1; KVfSPlG § 6 Abs. 2 Sätze 2, 1
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 06.09.1984; Aktenzeichen 2 Sa 27/84) |
ArbG Reutlingen (Entscheidung vom 16.02.1984; Aktenzeichen 2 Ca 732/82) |
Tatbestand
Die Klägerin will festgestellt wissen, daß ihre Forderungen aus einem Sozialplan ein Konkursvorrecht genießen.
Die Klägerin war bei der Firma Martin A GmbH & Co. KG in A vom 1. Juli 1979 bis 31. Dezember 1982 als Textil- Designerin beschäftigt. Über das Vermögen des Arbeitgebers wurde am 11. Oktober 1982 der Konkurs eröffnet. Der Beklagte ist der Konkursverwalter. Er kündigte das Arbeitsverhältnis der Klägerin zum 31. Dezember 1982. Diese Kündigung ist wirksam geworden; die Klägerin hat die zunächst erhobene Kündigungsschutzklage zurückgenommen.
Am 9. September 1983 vereinbarten Konkursverwalter und Betriebsrat einen Sozialplan. Aus diesem Sozialplan hat die Klägerin eine Forderung von 867,-- DM. Außerdem ist vorgesehen, daß die Beträge, die von den Gläubigern nicht in Anspruch genommen werden, an die Anspruchsberechtigten zu gleichen Teilen ausbezahlt werden (Nr. 4 Buchst. e) des Sozialplans).
Schon vor Abschluß des Sozialplans, nämlich am 26. Juli 1983, hatte die Gewerkschaft Textil und Bekleidung im Auftrag des Betriebsrats eine Forderung von 650.000,-- DM als Abfindungen mit dem Vorrecht nach § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO angemeldet. Nach Abschluß des Sozialplans meldete die Gewerkschaft eine weitere Forderung von 20.000,-- DM am 27. September 1983 an und eine dritte Forderung von 164,09 DM am 6. Oktober 1983. Dabei ist nicht angegeben, für welchen Arbeitnehmer welche Forderung angemeldet wird. Der Beklagte hat diese Forderungen - eingetragen in der Tabelle unter der laufenden Nr. 11 - im Prüfungstermin vom 7. Oktober 1983 anerkannt. Allerdings schrieb er der Klägerin am 18. Januar 1984 nach Bekanntwerden der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Oktober 1983 (2 BvR 485/80), daß "die Auszahlung des Sozialplans ausgesetzt werden" müsse.
Die Klägerin hat darauf im Termin vom 16. Februar 1984 vor dem Arbeitsgericht beantragt
1. festzustellen, daß ihre Forderung aus
dem Sozialplan vom 9. September 1983
in Höhe von 867,-- DM ein Konkursvor-
recht genießt,
2. festzustellen, daß eventuelle weitere
Zahlungen des Beklagten aus diesem So-
zialplan ebenfalls das Vorrecht genie-
ßen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat in den Vorinstanzen die Auffassung vertreten, die Klägerin könne für ihre im übrigen nicht streitige Forderung kein Vorrecht beanspruchen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht dieses Urteil abgeändert; es hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erreichen will.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Das Berufungsgericht hat die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen.
I. Die Klägerin macht eine Konkursforderung geltend. Das folgt aus § 6 Abs. 1 in Verb. mit § 6 Abs. 2 Satz 1 und § 4 Satz 1 des Gesetzes über den Sozialplan im Konkurs- und Vergleichsverfahren vom 20. Februar 1985 (SozplKonkG - BGBl. I, S. 369). Nach § 6 Abs. 1 dieses Gesetzes sind seine §§ 2 bis 5 - vorbehaltlich der besonderen Regelungen in § 6 Abs. 2 bis 5 - anwendbar, wenn das Konkursverfahren beim Inkrafttreten dieses Gesetzes anhängig war. Das war hier der Fall. Das Konkursverfahren wurde vor dem 28. Februar 1985 eröffnet. Es ist noch nicht abgeschlossen.
Nach § 4 Satz 1 des Gesetzes sind Ansprüche aus Sozialplänen, die nach Konkurseröffnung aufgestellt wurden (§ 2 SozplKonkG), Konkursforderungen. Sie werden als solche im Konkursverfahren berichtigt.
Auch vor Inkrafttreten des SozplKonkG waren Forderungen aus Sozialplänen, die nach Konkurseröffnung aufgestellt worden waren, Konkursforderungen (Urteil des Senats vom 30. April 1984, BAG 45, 357, 366 = AP Nr. 23 zu § 112 BetrVG 1972). Insoweit hat sich die Rechtslage durch das Inkrafttreten des SozplKonkG nicht geändert.
II. 1. Konkursgläubiger (§ 3 Abs. 1 KO) können ihre Forderungen gegen den Gemeinschuldner nur nach den Vorschriften der Konkursordnung durchsetzen. Sie müssen danach ihre Forderungen beim Konkursgericht anmelden (§ 138 KO). Entsprechend der Anmeldung hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Konkursgerichts jede Forderung in der Rangordnung des beanspruchten Vorrechts in eine Tabelle einzutragen (§ 140 Abs. 2 KO). Die so angemeldeten Forderungen werden in einem Prüfungstermin ihrem Betrage und dem beanspruchten Vorrecht nach einzeln erörtert (§ 141 Abs. 1 KO). Wird weder vom Konkursverwalter noch von einem Konkursgläubiger gegen Betrag und Vorrecht Widerspruch erhoben, gilt die Forderung als festgestellt (§ 144 Abs. 1 KO). Bestreiten der Konkursverwalter oder ein Konkursgläubiger die Forderung oder das beanspruchte Vorrecht, kann der Gläubiger die Feststellung seiner Forderung und des beanspruchten Vorrechts gegen den Bestreitenden betreiben (§ 146 Abs. 1 Satz 1 KO). Auf die Feststellung ist Klage zu erheben. Dabei ist das Arbeitsgericht für die Feststellung von Forderungen aus einem Sozialplan sachlich zuständig (§ 146 Abs. 5 KO).
Die Anmeldung der Forderung ist eine notwendige Prozeßvoraussetzung (BGH NJW 1962, 153, 154; OLG Stuttgart, NJW 1962, 1018; Böhle-Stamschräder/Kilger, KO, 14. Aufl., § 146 Anm. 2 e; Hess/Kropshofer, KO, 2. Aufl., § 146 Rz 24). Zu einem Rechtsstreit kann es nur kommen, wenn der Konkursverwalter oder ein Konkursgläubiger die Forderung oder das Vorrecht bestreitet. Die Anmeldung durch den Konkursgläubiger ist daher unverzichtbar. Deshalb bestimmt auch § 146 Abs. 4 KO, daß die Feststellung in dem Verfahren, das auf das Bestreiten durch den Konkursverwalter oder einen Konkursgläubiger folgt, nur auf den Grund gestützt und nur auf den Betrag gerichtet werden kann, der in der Anmeldung oder dem Prüfungstermin angegeben ist. So wird der Streitgegenstand einer etwa notwendig werdenden Feststellungsklage bestimmt.
Außerhalb des Konkursverfahrens kann ein Konkursgläubiger seine Forderungen nicht durchsetzen. Es besteht also, wie das Berufungsgericht zu Recht sagt, für eine allgemeine Feststellungsklage neben § 146 Abs. 1 Satz 1 KO kein Rechtsschutzinteresse im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO.
2. Zu Recht hat das Berufungsgericht auch angenommen, daß die Klägerin ihre Forderung nicht ordnungsgemäß beim Konkursgericht angemeldet hatte. Die Anmeldung hat nach § 139 Satz 1 KO die Angabe des Betrags und des Grundes der Forderung sowie des beanspruchten Vorrechts zu enthalten. Diese Angaben sind erforderlich, weil alle nicht befriedigten Konkursgläubiger nach Aufhebung des Konkursverfahrens ihre Forderungen gegen den Schuldner unbeschränkt geltend machen können (§ 164 Abs. 1 KO). Dabei können die Gläubiger aus der Eintragung in der Tabelle die Zwangsvollstreckung betreiben (§ 164 Abs. 2 KO). Das setzt wiederum voraus, daß die Forderungen nach Grund und Höhe bei der Anmeldung beschrieben werden. Die Klägerin selbst hat keine Forderung angemeldet. Ob und unter welchen Voraussetzungen die Anmeldung der Konkursforderung durch die Gewerkschaft im vorliegenden Fall ausreicht, kann offenbleiben. Der Gläubiger kann sich zwar bei der Anmeldung eines Vertreters bedienen. Das entbindet den Vertreter jedoch nicht davon, die Vorschriften über den Inhalt der Anmeldung (§ 139 Satz 1 KO) einzuhalten. Ob das hier geschehen ist, ist zweifelhaft. Die pauschale Anmeldung einer Forderung durch die Gewerkschaft läßt nicht erkennen, welcher Betrag für die Klägerin gefordert wird. Soweit ein Pauschbetrag von 650.000,-- DM schon vor Aufstellung des Sozialplans angemeldet wurde, kann der Grund der Forderung, nämlich Forderung aus einem im Konkursverfahren aufgestellten Sozialplan, nicht zutreffend angegeben worden sein. Auf welche Forderungen sich die Nachmeldungen vom 27. September und 6. Oktober 1983 bezogen, steht ebenfalls nicht fest. Jedenfalls kann dies die Zulässigkeit der Klage nicht begründen. Denn wären auch die Forderungen der Klägerin entgegen den Bedenken des Senats schon durch die Gewerkschaft ordnungsgemäß angemeldet worden, bestünde kein Rechtsschutzinteresse für die Feststellungsklage hinsichtlich dieser von der Gewerkschaft angemeldeten Forderungen, weil das Vorrecht nicht bestritten wurde. Gegen einen Ausschluß bei der Verteilung könnte die Klägerin in diesem Falle nach § 158 KO vorgehen.
III. Die Einwendungen der Klägerin gegen die konkursrechtliche Beurteilung des Landesarbeitsgerichts sind nicht begründet.
1. Ob der beklagte Konkursverwalter den Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt hat, mag dahinstehen. Mit der Berufung auf den Gleichbehandlungsgrundsatz kann die Klägerin nur materielle Gleichbehandlung mit anderen Arbeitnehmern, also gleiches Vor- recht, verlangen. Die Klägerin war nicht gehindert, ihre Forderungen und das beanspruchte Vorrecht ordnungsgemäß anzumelden und dann nach § 146 KO vorzugehen. Sie war dazu auch dann verpflichtet, wenn der beklagte Konkursverwalter in anderen Fällen nicht auf einer ordnungsgemäßen Anmeldung der Forderungen bestanden hatte.
2. Die Klägerin kann mit der Revision auch nicht geltend machen, sie sei zu diesem - unzulässigen - Antrag durch den Vorsitzenden der Kammer des Arbeitsgerichts veranlaßt worden. Das Berufungsgericht hat diesen Antrag zutreffend beurteilt. Revision kann die Klägerin nur mit der Begründung einlegen, die Beurteilung des Landesarbeitsgerichts sei rechtlich unzutreffend (§ 73 Abs. 1 ArbGG).
IV. Auf die materielle Rechtslage kann der Senat danach nicht eingehen. Er verweist jedoch darauf, daß der konkursrechtliche Rang der Forderung jetzt im SozplKonkG geregelt ist. Auf einen Sozialplan nach Konkurseröffnung, der vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes aufgestellt worden ist, ist § 4 Satz 1 SozplKonkG anzuwenden (§ 6 Abs. 2 Satz 1 SozplKonkG). Nach dieser Bestimmung werden die Forderungen aus einem Sozialplan mit dem Rang des § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO berichtigt. Nur wenn die Summe der Forderungen aus einem Sozialplan größer ist als der Gesamtbetrag von 2 1/2 Monatsverdiensten der von einer Entlassung betroffenen Arbeitnehmer, kann es zu einem Rangstellensplitting kommen (vgl. § 6 Abs. 2 Satz 2 SozplKonkG). Überschreitet die Summe der Forderungen diesen Betrag nicht, steht der Klägerin das begehrte Vorrecht für die gesamte Forderung zu.
Dr. Heither Matthes Dr. Becker
Schneider Dr. Schönherr
Fundstellen
Haufe-Index 437355 |
BAGE 50, 221-226 (LT1-3) |
BAGE, 221 |
DB 1986, 650-651 (LT1-3) |
NJW 1986, 1896 |
NJW 1986, 1896-1897 (LT1-3) |
KTS 1986, 350-353 (LT1-3) |
NZA 1986, 429-431 (LT1-3) |
RdA 1986, 138 |
WM IV 1986, 371-372 (LT1-3) |
ZIP 1986, 518 |
ZIP 1986, 518-520 (LT1-3) |
AP § 146 KO (LT1-3), Nr 3 |
AR-Blattei, ES 1470 Nr 28 (LT1-3) |
AR-Blattei, ES 970 Nr 67 (LT1-3) |
AR-Blattei, Konkurs Entsch 67 (LT1-3) |
AR-Blattei, Sozialplan Entsch 28 (LT1-3) |
EzA § 146 KO, Nr 1 (LT1-3) |