Entscheidungsstichwort (Thema)
Baugewerbliche Tätigkeit. Fertigbauarbeiten
Leitsatz (redaktionell)
Fertigbauarbeiten ausführende Betriebe, die nicht anderweitig tarifgebunden sind, fallen ein Jahr nach der Produktionsaufnahme unter den für allgemeinverbindlich erklärten Verfahrenstarifvertrag für das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe, auch wenn überwiegend Schreinerarbeiten ausgeführt werden.
Normenkette
VTV § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 12; VTV § 1 Abs. 2 Abschn. VII Nr. 8
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 31. Juli 1992 – 15 Sa 1224/91 – wird zurückgewiesen.
Der Tenor des Urteils des Landesarbeitsgerichts wird zur Klarstellung wie folgt neu gefaßt:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 25.159,97 DM zu zahlen.
Im übrigen ist das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 17. Juli 1991 – 6 Ca 33/91 – und das genannte Urteil des Landesarbeitsgerichts wirkungslos.
Die Kosten des Rechtsstreits nach einem Streitwert von 25.159,– DM trägt die Beklagte, die übrigen Kosten die Klägerin.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Klägerin ist die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes VVaG (ZVK). Sie ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nach näherer tariflicher Maßgabe die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes. Sie nimmt die Beklagte auf Beitragszahlung noch für die Zeit von November 1990 bis März 1991 in Anspruch.
Die Beklagte unterhält zumindest seit Oktober 1989 einen Betrieb, in dem aus vorgefertigten Holzelementen Holzfertigbauten errichtet werden, die überwiegend auf Baustellen als Unterkünfte, Büros oder Lagerräume dienen. Die betriebliche Tätigkeit besteht dabei aus der Montage der Holzfertigbauteile und dem sog. Innenausbau. Dazu gehören das Einsetzen von Fenstern und Türen, die Herstellung von Wand- und Deckenverkleidungen, die Montage von Holzfußböden und Holztreppen sowie Verfugungsarbeiten durch das Anbringen von Leisten. Die Holzfertigbauten sind nicht mit dem Erdreich verbunden und werden nach Beendigung der Baustelle demontiert und anderweitig wieder aufgestellt. Die Holzelemente bezieht die Beklagte von der S. GmbH.
Die Beklagte gehört keinem Arbeitgeberverband an und hat auch mit der Gewerkschaft Holz und Kunststoff keinen Firmentarifvertrag abgeschlossen. Im Gewerbe- und Handelsregister ist die betriebliche Tätigkeit der Beklagten mit Montage und Vertrieb von Fertigbauten und Baustelleneinrichtungen im In- und Ausland angegeben.
Die ZVK ist der Auffassung, der Betrieb der Beklagten falle mit diesen Tätigkeiten unter den betrieblichen Geltungsbereich des Tarifvertrages für das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV). Die Beklagte erbringe mit der Montage der Holzfertigbauten Fertigbauarbeiten i.S.v. § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 12 VTV. Beim Innenausbau handele es sich um Trocken- und Montagebauarbeiten i.S.v. § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 36 VTV.
Zum betrieblichen Geltungsbereich des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV), der für allgemeinverbindlich erklärt ist, heißt es, soweit hier von Interesse:
§ 1 Abs. 2 Abschnitt V:
Nr. 12 |
Fertigbauarbeiten: Einbauen oder Zusammenfügen von Fertigbauteilen zur Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung oder Änderung von Bauwerken;… |
Nr. 36 |
Trocken- und Montagebauarbeiten (z.B. Wand- und Deckeneinbau bzw. -verkleidungen), einschließlich des Anbringens von Unterkonstruktionen und Putzträgern; |
§ 1 Abs. 2 Abschnitt VII
Nicht erfaßt werden Betriebe …
Nr. 8 |
des Schreinerhandwerks sowie der holzbe- und verarbeitenden Industrie, soweit nicht Fertigbau-, Dämm-(Isolier-) oder Trockenbau- und Montagearbeiten ausgeführt werden. |
Die ZVK hat zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 25.159,97 DM zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Ansicht, ihr Betrieb werde nicht vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfaßt. Bei den Holzfertigbauten handele es sich nicht um Bauwerke i.S. der Sozialkassentarifverträge, da sie nur zu einem vorübergehenden Zweck aufgestellt werden. Außerdem entfielen zwei Drittel der betrieblichen Gesamtarbeitszeit auf Schreinerarbeiten, so daß der Betrieb nach § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 8 VTV vom betrieblichen Geltungsbereich ausgeschlossen sei.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und dem von der ZVK mit der Anschlußberufung geltend gemachten Zahlungsantrag in Höhe von 145.923,02 DM bis auf einen Betrag von 367,85 DM stattgegeben. Mit der Revision begehrt die Beklagte Klageabweisung. Die ZVK beantragt, die Revision zurückzuweisen. Dabei hat sie im Hinblick auf die Einschränkung der Allgemeinverbindlicherklärung des VTV für Fertigbauarbeiten ausführende Betriebe ihren Klageantrag mit Zustimmung der Beklagten auf 25.159,97 DM für die Zeit von November 1990 bis März 1991 ermäßigt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Der Betrieb der Beklagten wird vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfaßt, da arbeitszeitlich überwiegend Fertigbauarbeiten ausgeführt werden.
Im Hinblick auf die Einschränkung der Allgemeinverbindlicherklärung des VTV für Fertigbauarbeiten ausführende Betriebe, die nicht anderweitig tarifgebunden sind, für das erste Jahr nach der Produktionsaufnahme und der darauf beruhenden Klägerücknahme in der Revisionsinstanz in bezug auf die Beiträge bis einschließlich Oktober 1990 war der Tenor des berufungsgerichtlichen Urteils entsprechend klarzustellen.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, daß der Betrieb der Beklagten mit der im Berufungsrechtszug unstreitig gestellten Tätigkeit unter den betrieblichen Geltungsbereich des VTV falle. Die Beklagte erbringe Leistungen, die der Erstellung von Bauwerken i.S.v. § 1 Abs. 2 Abschnitt II VTV dienen. Unter einem Bauwerk sei nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts jede irgendwie mit dem Erdboden verbundene oder infolge ihrer eigenen Schwere auf ihm ruhende, aus Baustoffen oder Bauteilen mit baulichem Gerät hergestellte Anlage zu verstehen. Darauf, wie der Begriff des Bauwerks in anderen Rechtsbereichen, z.B. in der VOB verwendet werde, komme es nicht an. Für die Anwendung der tariflichen Vorschriften sei auch nicht von Bedeutung, daß es sich bei den Holzfertigbauten um Scheinbestandteile eines Grundstücks i.S.v. § 95 BGB handele.
Die Beklagte habe nicht hinreichend deutlich vorgetragen, daß es sich um einen Betrieb des Schreinerhandwerks i.S.v. § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 8 VTV handele, weil sich aus ihrem Vortrag nicht ergebe, daß Schreinerarbeiten überwogen hätten. Mangels Darstellung der Arbeitszeitanteile für die Teiltätigkeiten könne auch nicht davon ausgegangen werden, daß die Fertigbauarbeiten arbeitszeitlich überwogen hätten.
Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts ist allein im Ergebnis zuzustimmen.
1. Zutreffend geht das Landesarbeitsgericht von der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts aus, wonach ein Betrieb vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfaßt wird, wenn von den Arbeitnehmern arbeitszeitlich überwiegend Tätigkeiten ausgeführt werden, die in § 1 Abs. 2 VTV aufgeführt sind. Auf wirtschaftliche Gesichtspunkte wie Umsatz und Verdienst oder auf handels- oder gewerberechtliche Kriterien kommt es nicht an (vgl. BAGE 56, 227, 230 = AP Nr. 88 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau m.w.N.).
2. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist die betriebliche Tätigkeit entsprechend dem Sachvortrag der Beklagten im Berufungsrechtszug unstreitig geworden. Diese bezieht sich danach auf die Erstellung von Holzfertigbauten durch die Montage von Holzfertigbauteilen und den sog. Innenausbau, zu dem das Einsetzen von Fenstern und Türen, die Herstellung von Wand- und Deckenverkleidungen, die Montage von Holzfußböden und -treppen sowie Verfugungsarbeiten durch das Anbringen von Leisten gehören.
3. Mit der Erstellung der Holzfertigbauten verrichtet die Beklagte Fertigbauarbeiten i.S.v. § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 12 VTV. Zu den Fertigbauarbeiten gehört nach der tariflichen Definition das Zusammenfügen von Fertigbauteilen zur Erstellung von Bauwerken. Darauf erstreckt sich die gesamte betriebliche Tätigkeit der Beklagten.
a) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts gehören zu den Fertigbauarbeiten im tariflichen Sinne nicht nur die Tätigkeiten, die als Montage vorgefertigter Holzelemente bezeichnet werden, sondern auch die Tätigkeiten, die die Beklagte zum sog. Innenausbau rechnet. Von der tariflichen Bestimmung des § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 12 VTV werden als Fertigbauarbeiten nämliche alle Tätigkeiten erfaßt, die durch das Einbauen oder Zusammenfügen von Fertigbauteilen der Erstellung von Bauwerken dienen. Dazu gehört somit nicht nur die Montage der Wände und der Dachkonstruktion, sondern auch das Einsetzen von vorgefertigten Fenstern und Türen, die Anbringung von Wand- und Deckenverkleidungen, von Holzfußböden und -treppen aus vorgefertigten Elementen sowie die Verleistung der Bauelemente.
b) Diese Tätigkeit dient, wie das Landesarbeitsgericht mit Recht ausführt, der Erstellung von Bauwerken. Unter einem Bauwerk i.S. der Sozialkassentarifverträge, auf die es hier allein ankommt, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts jedwede irgendwie mit dem Erdboden verbundene oder infolge ihrer eigenen Schwere auf ihm ruhende, aus Baustoffen oder Bauteilen mit baulichem Gerät hergestellte Anlage zu verstehen (vgl. BAG Urteil vom 28. März 1990 – 4 AZR 615/89 – AP Nr. 130 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau m.w.N.).
Diese Voraussetzungen erfüllen die von der Beklagten hergestellten Fertigbauten. Sie ruhen aufgrund ihrer eigenen Schwere auf dem Erdboden, sind aus Holz – einem Werkstoff des Baugewerbes – und mit baulichen Geräten hergestellte Anlagen. Entgegen der Auffassung der Beklagten erfordern die tariflichen Bestimmungen nicht, daß das Bauwerk mit dem Erdboden fest verbunden wird und nicht nur einem vorübergehenden Zweck dient.
4. Der Betrieb ist auch nicht nach § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 8 VTV vom betrieblichen Geltungsbereich ausgenommen.
Die Beklagte macht insoweit geltend, daß es sich bei den Montagearbeiten zur Herstellung von Holzfertigbauten zu zwei Dritteln um Schreinerarbeiten handele. Dies führt jedoch nicht dazu, daß der Betrieb als Betrieb des Schreinerhandwerks nach § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 8 VTV vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV ausgenommen wird. Betriebe des Schreinerhandwerks, die Fertigbauarbeiten ausführen, fallen nämlich nach der Rückausnahme in dieser tariflichen Bestimmung wiederum unter den betrieblichen Geltungsbereich des VTV.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Unterschriften
Matthes, Dr. Freitag, Hauck, Harnack, Schlaefke
Fundstellen