Entscheidungsstichwort (Thema)
Urlaubsabgeltungsanspruch
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Urlaubsabgeltungsanspruch entsteht mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, wenn bis dahin der Urlaubsanspruch nicht oder noch nicht voll erfüllt ist.
2. Hiervon zu unterscheiden ist die Erfüllbarkeit des Urlaubsabgeltungsanspruchs. Diese ist für Zeiträume zu verneinen, in denen der aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschiedene Arbeitnehmer arbeitsunfähig krank ist (Bestätigung der Senatsrechtsprechung, zuletzt Urteil vom 28. Juni 1984 - 6 AZR 521/81 = BB 1984, 2133).
3. Die Rechtsprechung des Senats widerspricht nicht Art 11 des Übereinkommens Nr 132 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 24. Juni 1970 über den bezahlten Jahresurlaub.
Orientierungssatz
Auslegung der §§ 18 und 20 des Manteltarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Niedersächsischen Metallindustrie (ausschließlich nordwestliches Niedersachsen und Osnabrück) in der Fassung vom 1.1.1979.
Normenkette
TVG § 1; BUrlG § 3; IAOÜbk Art. 11; BUrlG § 7 Abs. 4; IAOÜbk 132 Art. 11; IAOÜbk Art. 5 Abs. 4; IAOÜbk 132 Art. 5 Abs. 4; BUrlG § 13 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
LAG Niedersachsen (Entscheidung vom 26.03.1982; Aktenzeichen 10 Sa 112/81) |
ArbG Hannover (Entscheidung vom 23.10.1981; Aktenzeichen 10 Ca 425/81) |
Tatbestand
Die im Jahre 1937 geborene Klägerin war bei der Beklagten seit 1973 als gewerbliche Arbeitnehmerin beschäftigt. Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis fristgerecht zum 31. Mai 1981 wegen Arbeitsmangels gekündigt.
Am 28. Mai 1980 hatte die Klägerin einen von der zuständigen Berufsgenossenschaft als Arbeitsunfall anerkannten Wegeunfall erlitten, der zur Arbeitsunfähigkeit der Klägerin, jedenfalls bis zum Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis am 31. Mai 1981, führte.
Eine von der Klägerin erhobene Kündigungsschutzklage ist durch gerichtlichen Vergleich vom 23. Juli 1981 erledigt, in dem mit Ausnahme eines Urlaubsanspruchs für das Jahr 1981 alle gegenseitigen Ansprüche als ausgeglichen erklärt worden sind.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien war der Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Niedersächsischen Metallindustrie (ausschließlich nordwestliches Niedersachsen und Osnabrück) vom 1. Oktober 1969, zuletzt in der Fassung vom 1. Januar 1979, (MTV) anzuwenden.
§ 18 Abs. 4, 5 und 8 MTV lauten:
"(4) Arbeitnehmer, die nach Erfüllung der Wartezeit und
nach dem 30. Juni ausscheiden, erhalten den vollen
Jahresurlaub.
(5) Arbeitnehmer, die bis zum 30. Juni ausscheiden,
haben Anspruch lediglich auf 1/12 des vollen
Jahresurlaubs für jeden bei Beendigung des Ar-
beitsverhältnisses angefangenen Beschäftigungs-
monat des Kalenderjahres.
(8) Wenn ein Arbeitnehmer ausscheidet, der noch Ur-
laubsansprüche hat, so ist der Urlaub während
der Kündigungsfrist zu gewähren und zu nehmen.
Besteht die Möglichkeit hierzu nicht, so ist
der Urlaub abzugelten. In anderen Fällen ist die
Abgeltung des Urlaubs unzulässig."
In § 20 MTV ist folgendes bestimmt:
"Urlaub bei Krankheit
--------------------
...
(3) Wenn die Arbeit infolge Krankheit oder Aussetzens
länger als sechs Monate zusammenhängend unterbrochen
wird, so verkürzt sich der Urlaubsanspruch um 1/12
für jeden über sechs Monate hinausgehenden ange-
fangenen Monat.
Wer im ganzen Kalenderjahr nicht gearbeitet hat,
erhält keinen Urlaub.
(4) Ist die Krankheit die Folge eines seitens der Berufs-
genossenschaft anerkannten Betriebsunfalls in dem Be-
trieb, in dem der Urlaub geltend gemacht wird, so ist
der Urlaub in voller Höhe zu gewähren. Das gleiche
gilt, wenn eine anerkannte Berufskrankheit vorliegt,
die in dem Betriebe, in dem der Urlaub geltend gemacht
wird, zum Ausbruch gekommen ist."
Mit ihrer am 14. August 1981 erhobenen Klage begehrt die Klägerin für fünf Monate des Jahres 1981 Urlaubsabgeltung in rechnerisch unstreitiger Höhe von 1.591,20 DM.
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.591,20 DM nebst 4 % Zinsen seit 21. August 1979 zu zahlen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagbegehren weiter. Die Beklagte bittet, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Urteils des Landesarbeitsgerichts und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung.
Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht den Anspruch der Klägerin auf Urlaubsabgeltung verneint.
1. Bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis am 31. Mai 1981 stand der Klägerin ein von ihr nunmehr als Abgeltung begehrter Urlaubsanspruch für fünf Monate des Jahres 1981 zu. Nach § 18 Abs. 5 MTV hat die Klägerin für jeden bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses angefangenen Beschäftigungsmonat Anspruch auf 1/12 des vollen Jahresurlaubs. Die Klägerin hatte im Jahr ihres Ausscheidens einen Jahresurlaubsanspruch von 30 Tagen. Für diesen Urlaubsanspruch ist nach § 18 Abs. 8 Satz 2 MTV mit dem Ausscheiden der Klägerin aus dem Arbeitsverhältnis ein Abgeltungsanspruch in rechnerisch unstreitiger Höhe von 1.591,20 DM entstanden.
2. Dieser Anspruch ist weder in seinem Umfang nach § 20 Abs. 3 Satz 1 MTV gemindert, noch nach § 20 Abs. 3 Satz 2 MTV ausgeschlossen.
Nach dieser Tarifbestimmung verkürzt sich der Urlaubsanspruch um 1/12 für jeden über sechs Monate hinausgehenden angefangenen Monat, wenn die Arbeit u.a. infolge Krankheit länger als sechs Monate zusammenhängend unterbrochen wird (§ 20 Abs. 3 Satz 1 MTV). Nach § 20 Abs. 3 Satz 2 MTV erhält keinen Urlaub, wer im ganzen Jahr nicht gearbeitet hat. Die in dieser Vorschrift genannten Voraussetzungen treffen auf die Klägerin nicht zu.
a) Der Ausschluß des Urlaubsanspruchs nach § 20 Abs. 3 Satz 2 MTV kommt entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts schon nach dem Wortlaut der Regelung nicht in Betracht, weil der Urlaubsanspruch danach nur ausgeschlossen ist, wenn der Arbeitnehmer im ganzen Kalenderjahr nicht gearbeitet hat; dies bezieht sich - wie sich aus der Überschrift zu § 20 MTV ergibt - nur auf die Nichtarbeit eines Arbeitnehmers wegen Krankheit. Die Merkmale dieses Ausschlußtatbestands konnten von der Klägerin schon deshalb nicht erfüllt werden, weil sie bereits am 31. Mai 1981 aus dem Arbeitsverhältnis, also vor Beendigung des Kalenderjahres, ausgeschieden ist.
b) Der Urlaubsanspruch der Klägerin ist auch nicht nach § 20 Abs. 3 Satz 1 MTV gemindert. Auch diese Merkmale treffen auf die Klägerin nicht zu. Aus dem Wortlaut dieser Bestimmung ergibt sich zwar nicht ausdrücklich, auf welchen Zeitraum sich die Krankheit des Arbeitnehmers von mehr als sechs Monaten erstrecken muß, um die Anspruchskürzung auszulösen. Aus der Tatsache, daß ein Ausschlußtatbestand nur Wirkungen auf einen Anspruch haben kann, wenn er auf diesen Anspruch beziehbar ist, ist aber zu folgern, daß nur ein Zeitraum von mehr als sechs Monaten ununterbrochener Arbeitsunfähigkeit im Urlaubsjahr, also dem Kalenderjahr, geeignet ist, zu einer Kürzung des Urlaubsanspruchs zu führen. Da der Urlaubsanspruch befristet auf das Urlaubsjahr jeweils mit Jahresbeginn neu entsteht, kann damit auch § 20 Abs. 3 Satz 1 MTV nur so verstanden werden, daß es auf die Nichtarbeit im Urlaubsjahr, also im Kalenderjahr, ankommt. Daher ist es unerheblich, ob der Arbeitnehmer im Kalenderjahr zuvor nicht gearbeitet hat. Demnach kommt sowohl nach § 20 Abs. 3 Satz 1 MTV als auch nach § 20 Abs. 3 Satz 2 MTV ein Zusammenzählen von Monaten aus verschiedenen Kalenderjahren (hier aus den Jahren 1980 und 1981) nicht in Betracht.
Das Arbeitsverhältnis der Klägerin hat im Jahr 1981 nur insgesamt fünf Monate bestanden. Damit scheiden die nach § 20 Abs. 3 MTV vorgesehenen Kürzungen des Urlaubsanspruchs hier aus. Eine Kürzung des Urlaubsanspruchs der Klägerin kommt auch nicht etwa in Betracht, falls die Klägerin über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus weiter arbeitsunfähig gewesen ist, da sich § 20 Abs. 3 MTV nur auf die Arbeitsunfähigkeit im bestehenden Arbeitsverhältnis bezieht.
c) Ist § 20 Abs. 3 MTV damit keine Einschränkung oder gar ein Ausschluß des Urlaubsanspruchs der Klägerin zu entnehmen, sind die von der Revision bekämpften Erwägungen des Landesarbeitsgerichts zu § 20 Abs. 4 MTV gegenstandslos, weil unter keinem Gesichtspunkt der Anspruch der Klägerin von dieser Bestimmung abhängen kann. § 20 Abs. 4 MTV enthält eine Ausnahme von den nach § 20 Abs. 3 MTV möglichen Kürzungen. Liegen diese tatbestandlich nicht vor, gibt es für § 20 Abs. 4 MTV keine Anwendungsmöglichkeit.
d) Damit bedarf es hier keiner Erörterung des Senats, ob § 20 Abs. 3 MTV wegen der darin enthaltenen Einschränkung bzw. des Ausschlusses des nach § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG unabdingbaren, also nicht tarifdispositiven gesetzlichen Urlaubsanspruchs i.S. von §§ 1, 3 BUrlG unwirksam ist (vgl. dazu zuletzt Urteile des erkennenden Senats vom 8. März 1984 - 6 AZR 442/83 -, AR-Blattei D-Urlaub Entsch. Nr. 261 und vom 18. Juni 1980 - 6 AZR 328/78 - EzA § 13 BUrlG Nr. 14).
e) Entgegen der Auffassung der Revision kommt es auch nicht darauf an, daß nach Art. 5 Abs. 4 des Übereinkommens Nr. 132 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 24. Juni 1970 über den bezahlten Jahresurlaub (Neufassung vom Jahr 1970: BGBl II 1975, 746, 748) "unter Bedingungen, die von der zuständigen Stelle oder durch geeignete Verfahren in jedem Land zu bestimmen sind, Arbeitsversäumnisse aus Gründen, die unabhängig vom Willen des beteiligten Arbeitnehmers bestehen, wie z.B. Krankheit, Unfall- oder Mutterschaft, als Dienstzeit anzurechnen sind". Diese Merkmale werden vom erkennenden Senat unabhängig von dem Übereinkommen Nr. 132 ausdrücklich seit der Senatsentscheidung vom 28. Januar 1982 (BAG 37, 382; vgl. weiter zuletzt das Urteil vom 8. März 1984 - 6 AZR 600/82 -, EzA § 3 BUrlG Nr. 14 m.w.N., auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen) durchgängig bei der Beurteilung des Urlaubsanspruchs eines Arbeitnehmers beachtet (a.A. insbesondere Buchner, Anmerkung zum Urteil des erkennenden Senats vom 8. März 1984 - 6 AZR 442/83 -, AR-Blattei D-Urlaub Entsch. Nr. 261, der diese Auffassung des erkennenden Senats, ohne das Übereinkommen Nr. 132 zu berücksichtigen, für eine Pervertierung des Urlaubsrechts hält). Ein Ausschluß des Anspruchs der Klägerin wegen Rechtsmißbrauchs scheidet damit aus, weil - abgesehen von ihrer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit - keine Anhaltspunkte ersichtlich sind, die diesen Einwand begründen könnten.
3. Sind damit bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin am 31. Mai 1981 die Voraussetzungen für die Entstehung des Urlaubsabgeltungsanspruchs als gegeben anzusehen, weil die Klägerin ihren Urlaub für das Urlaubsjahr 1981 vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht hat nehmen können, ist der Senat dennoch gehindert, in der Sache selbst zu entscheiden, weil das Landesarbeitsgericht keine Feststellungen zur Erfüllbarkeit dieses Anspruchs getroffen hat.
a) Das Entstehen des Urlaubsabgeltungsanspruchs beruht hier auf § 18 Abs. 8 MTV. Diese Regelung entspricht insoweit § 7 Abs. 4 BUrlG. Entgegen der Auffassung der Revision kann daher schon aus diesem Grund nicht zugleich die Pflicht der Beklagten zur Erfüllung des Urlaubsabgeltungsanspruchs ohne Rücksicht auf die Arbeitsfähigkeit der Klägerin angenommen werden: § 18 Abs. 8 MTV enthält hinsichtlich der Pflicht zur Abgeltung des Urlaubsanspruchs eines Arbeitnehmers keine anderen Merkmale als § 7 Abs. 4 BUrlG. Ebenso wie diese gesetzliche Regelung bestimmt § 18 Abs. 8 MTV nur, daß ein Urlaubsabgeltungsanspruch anstelle des bisherigen Urlaubsanspruchs entsteht. Weitere Merkmale sind auch in § 18 Abs. 8 MTV nicht enthalten.
b) Der erkennende Senat vertritt zum Urlaubsabgeltungsanspruch im Anschluß an die Rechtsprechung des Fünften Senats des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 30. November 1977 - 5 AZR 667/76 -, AP Nr. 4 zu § 13 BUrlG Unabdingbarkeit) in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß dieser nicht lediglich ein Zahlungsanspruch ist, sondern Surrogat des Urlaubsanspruchs (vgl. die Urteile des Senats vom 18. Juni 1980, aa0; vom 23. Juni 1983 - 6 AZR 180/80 - EzA § 7 BUrlG Nr. 28 und vom 28. Juni 1984 - 6 AZR 521/81 - NZA 1985, 156).
Die Abgeltungspflicht des Arbeitgebers nach § 7 Abs. 4 BUrlG knüpft an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses an. Von diesem Zeitpunkt an können nicht mehr wie während des Arbeitsverhältnisses Arbeitspflichten durch den Urlaubsanspruch suspendiert werden. Dennoch soll nach § 7 Abs. 4 BUrlG (ebenso nach § 18 Abs. 8 MTV) der Arbeitnehmer so gestellt werden, als würde die Arbeitspflicht durch Gewährung des Urlaubs suspendiert werden können. Nur deswegen hat ein Arbeitnehmer den Abgeltungsanspruch. Der Arbeitnehmer erhält trotz Beendigung des Arbeitsverhältnisses als Abgeltung das ihm bisher zu zahlende Entgelt weiter für eine fiktive Arbeitszeit, die der ihm als Urlaub zu gewährenden Freizeit entspricht. Der Abgeltungsanspruch besteht demnach nur in der Bindung an die als fortbestehend behandelte Arbeitspflicht. Für die Beurteilung des Abgeltungsanspruchs bestehen damit gegenüber dem Urlaubsanspruch keine Besonderheiten. Wie dieser endet auch der Urlaubsabgeltungsanspruch, wenn er nicht zuvor erfüllt wird, spätestens mit dem 31. März des folgenden Kalenderjahres.
Ist der Arbeitnehmer daher auch nach Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis arbeitsunfähig, kann bis zur Beendigung der Arbeitsunfähigkeit ein Abgeltungsanspruch nicht erfüllt werden (vgl. die Urteile des erkennenden Senats vom 23. Juni 1983, aa0 und vom 28. Juni 1984, aa0). Endet die Arbeitsunfähigkeit (etwa bei dauernder Erwerbsunfähigkeit) nicht vor dem Ende des Urlaubsjahrs, für das der Urlaubsanspruch entstanden ist, bzw. des Übertragungszeitraums, erlischt der Abgeltungsanspruch.
Aus dem Inhalt des Urlaubsanspruchs folgt, daß ein Arbeitnehmer, der statt des Urlaubsanspruchs einen Urlaubsabgeltungsanspruch verwirklicht, in der Lage sein muß, seinen Freizeitanspruch in anderer Weise zu verwirklichen, als dies während des fortbestehenden Arbeitsverhältnisses durch Suspendierung seiner Arbeitspflicht möglich war. Damit ist gegenüber einem Arbeitnehmer, der nach Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis vor Ablauf der in § 7 Abs. 3 BUrlG (ebenso § 17 Abs. 2 MTV) genannten Zeitabschnitte rechtzeitig wieder arbeitsfähig wird, der Abgeltungsanspruch ebenso zu erfüllen, wie ein Urlaubsanspruch bei fortdauerndem Arbeitsverhältnis zu erfüllen wäre (vgl. Urteil des Senats vom 28. Juni 1984, aa0).
c) Zu berücksichtigen ist schließlich, daß dieses Ergebnis nicht zuletzt auch wegen des Gleichbehandlungsgrundsatzes deswegen geboten ist, weil sonst widersprüchliche Folgerungen bei vergleichbaren Sachverhalten unausweichlich wären, wenn der Meinung der Revision gefolgt würde, daß Ansprüche nach § 7 Abs. 4 BUrlG nicht entsprechend den Urlaubsansprüchen zu erfüllen seien. Ein Arbeitnehmer, der im Urlaubsjahr und danach arbeitsunfähig krank ist, würde zwar bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis eine Abgeltung erlangen, aber bei Verbleiben im Arbeitsverhältnis nicht die Erfüllung des Urlaubsanspruchs. Dies würde bedeuten, daß ein Ersatzanspruch, der anstelle eines anderen nicht mehr erfüllbaren Anspruchs nunmehr dem Berechtigten zusteht, unter geringeren Anforderungen bei im übrigen gleichen Voraussetzungen zu erfüllen wäre als der Anspruch, dessen Surrogat er ist.
4. Zu Unrecht meint die Revision, daß die Rechtsauffassung des erkennenden Senats nicht mit Art. 11 des Übereinkommens Nr. 132 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 24. Juni 1970 über den bezahlten Jahresurlaub (Neufassung vom Jahre 1970, aa0), vereinbar sei.
Diese Bestimmung lautet in der deutschen Übersetzung:
"Ein Arbeitnehmer, der eine Mindestdienstzeit zurück-
gelegt hat, wie sie nach Art. 5 Absatz 1 dieses
Übereinkommens verlangt werden kann, hat bei der
Beendigung seines Arbeitsverhältnisses Anspruch auf
einen bezahlten Urlaub im Verhältnis zu der Dienst-
zeit, für die er keinen solchen Urlaub erhalten hat,
oder auf eine Urlaubsabgeltung oder ein gleichwer-
tiges Urlaubsguthaben."
a) Hier bedarf es keiner Entscheidung des Senats darüber, ob das Übereinkommen Nr. 132 der Internationalen Arbeitsorganisation insgesamt oder in einzelnen Bestimmungen unmittelbar anwendbares Recht enthält, wie die Revision meint, oder die Gerichte in Anwendung des deutschen Rechts bindet, oder ob der Auffassung der Bundesregierung vom 13. Juli 1984 im Deutschen Bundestag auf eine parlamentarische Anfrage zu dem Übereinkommen Nr. 140 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 24. Juni 1974 über den bezahlten Bildungsurlaub (BGBl II 1976, 1526), das mit dem Übereinkommen Nr. 132 in Zielsetzung und Inhalt vergleichbar ist, gefolgt werden muß. Danach hat "mit der Ratifizierung durch das Gesetz vom 7. September 1976 (BGBl II, 1526) ... sich die Bundesrepublik Deutschland als Mitgliedsstaat der IAO verpflichtet, das Übereinkommen innerhalb ihres Hoheitsgebiets einzuhalten. Da es sich um eine reine Staatenverpflichtung handelt, ist kein unmittelbar anwendbares innerstaatliches Recht entstanden." (BT-Drucks. 10/1745).
Auch wenn mit der Revision von der unmittelbaren innerstaatlichen Geltung von Art. 11 des Übereinkommens Nr. 132 auszugehen wäre, ergibt sich weder eine Divergenz zwischen dieser Regelung und § 7 Abs. 4 BUrlG, noch zur Rechtsprechung des erkennenden Senats über die Erfüllung von Urlaubsabgeltungsansprüchen nach § 7 Abs. 4 BUrlG.
b) Art. 11 des Übereinkommens Nr. 132 enthält keine eindeutige Rechtsfolge für den Urlaubsanspruch, der bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch nicht gewährt ist, sondern stellt drei Möglichkeiten zur Wahl. Das Übereinkommen nimmt damit Rücksicht auf die nach den verschiedenen nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedsstaaten der IAO denkbaren Gestaltungen. Für eine davon, nämlich den Anspruch auf Urlaubsabgeltung, hat sich die deutsche Gesetzgebung in § 7 Abs. 4 BUrlG entschieden. § 7 Abs. 4 BUrlG ist durch Streichung von § 7 Abs. 4 Satz 2 BUrlG im Jahre 1974 (Heimarbeitsänderungsgesetz vom 29. Oktober 1974, BGBl I, 2879), der einen Ausschlußtatbestand für das Entstehen des Abgeltungsanspruchs enthielt, geändert worden, um Widersprüche zu Art. 11 des Übereinkommens Nr. 132 zu beseitigen und die Ratifizierung des Übereinkommens zu ermöglichen (BT-Drucks. 7/975, S. 21; vgl. dazu Wlotzke, DB 1974, 2252 ff.). § 7 Abs. 4 BUrlG stimmt damit hinsichtlich des Urlaubsabgeltungsanspruchs mit Art. 11 des Übereinkommens Nr. 132 überein. Gründe, aus denen dennoch auch nach der Ratifizierung auf einen Widerspruch zwischen Art. 11 des Abkommens und § 7 Abs. 4 BUrlG geschlossen werden könnte, sind nicht ersichtlich und auch nach den Berichten des Verwaltungsrats des Internationalen Arbeitsamts sowie der Allgemeinen Konferenz (vgl. dazu Art. 17 des Übereinkommens Nr. 132) nicht bekanntgeworden.
Sowohl Art. 11 des Übereinkommens als auch § 7 Abs. 4 BUrlG sind in ihrem Regelungsumfang darauf beschränkt, die Voraussetzungen für das Entstehen des Abgeltungsanspruchs bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu bestimmen. Merkmale für Leistungsstörungen oder andere Leistungshindernisse sind in beiden Vorschriften nicht enthalten. Damit ist auch über die Erfüllbarkeit des Urlaubsabgeltungsanspruchs keine Regelung getroffen. Trifft dies zu, kann auch die Rechtsprechung des erkennenden Senats zu § 7 BUrlG unter keinem Gesichtspunkt gegen das Übereinkommen Nr. 132 verstoßen.
Das Bundesurlaubsgesetz enthält Bestimmungen über die vertraglichen Rechte von Arbeitsvertragsparteien. Es ist damit Teil des allgemeinen Arbeitsvertragsrechts. Damit in Übereinstimmung sind die vom Entstehen des Anspruchs zu unterscheidenden Probleme der Erfüllbarkeit des Urlaubs- und des Urlaubsabgeltungsanspruchs zu lösen. Daß die zur Erfüllbarkeit vom erkennenden Senat vertretene Auffassung im Widerspruch zu den Regelungen des Arbeitsvertragsrechts stünde, macht die Revision nicht geltend.
5. Die Entscheidung über den Anspruch der Klägerin hängt damit davon ab, ob sie nach Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis bei der Beklagten am 31. Mai 1981 so rechtzeitig vor dem 31. März 1982 wieder arbeitsfähig geworden ist, daß ihr Urlaubsanspruch für das Kalenderjahr 1981 bei bestehendem Arbeitsverhältnis hätte erfüllt werden können. Feststellungen hierzu hat das Landesarbeitsgericht bisher nicht getroffen.
Das Landesarbeitsgericht wird außerdem für den Fall, daß die Klägerin die Arbeitsfähigkeit rechtzeitig wiedererlangt hat, prüfen müssen, ob die Klägerin in einem etwa anschließenden Arbeitsverhältnis einen Vollurlaubsanspruch i.S. von §§ 1, 4 BUrlG erworben hat und dieser Anspruch ggf. erfüllt ist (vgl. dazu BAG 40, 379). Auch dies könnte zum Erlöschen des bei Ausscheiden bei der Beklagten entstandenen Urlaubsabgeltungsanspruchs führen.
Dr. Auffarth Dr. Jobs Dr. Leinemann
Mayer Dr. Kukies
Fundstellen
Haufe-Index 440713 |
BAGE 48, 186-195 (LT1-3) |
BAGE, 186 |
BB 1985, 1197-1198 (LT1-3) |
DB 1985, 1598-1600 (LT1-3) |
ARST 1985, 156-156 (LT1-3) |
JR 1986, 440 |
NZA 1986, 132-134 (LT1-3) |
SAE 1986, 262-264 (LT1-3) |
AP § 7 BUrlG Abgeltung (LT1-3), Nr 21 |
AR-Blattei, ES 1640 Nr 272 (LT1-3) |
AR-Blattei, Urlaub Entsch 272 (LT1-3) |
EzA § 7 BUrlG, Nr 38 (LT1-3) |